Archiv der Kategorie: Uncategorized

Die kosmische Triade von Weltäther, Weltseele, Weltgeist

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000
Dozent: Jochen Kirchhoff

Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 34

Transkript als PDF:


* * * * * * *

Ich habe das heute genannt: „Die kosmische Triade von Weltäther”, darüber haben wir ja schon eingehend gesprochen, „Weltseele”, auch darüber haben wir gesprochen, und „Weltgeist”. Diese Triade von Weltäther, Weltseele und Weltgeist, jetzt in einem kosmischen Maßstab, in einem kosmischen Sinne, wirft natürlich fundamentale Fragen auf, mit denen ich mich ja auch schon in der einen oder anderen Form beschäftigt habe. Wir haben ja immer wieder gesprochen auch über die Frage, was denn möglicherweise dieser Weltäther [ist], und ich habe Ihnen meine Konzeption dieses Weltäthers ja in einer Vorlesung ausführlich vorgestellt.

Man kann sich diesen Fragen nähern, indem man eine Frage stellt, die ich im Dezember einmal in einer Vorlesung an den Anfang oder auch in den Mittelpunkt gestellt habe, nämlich der ganz schlichten Frage: Wo sind wir? Also die Frage nach dem Ort, auch nach dem, tiefer verstanden, dem ontologischen Ort des Menschen. Wo befindet sich der Mensch? Sie werden sich vielleicht erinnern, dass das eine Vorlesung mitbestimmt hat. Und diese Frage kann man in verschiedenen Kontexten stellen. Man kann sie ganz platt und banal und direkt physisch sinnlich stellen. Wo soll er sich schon befinden? An dem Ort, an dem er gerade ist? Aber wo ist dieser Ort auf diesem rätselhaften Gestirn bzw. auf der Oberfläche dieses rätselhaften Gestirns? Wo ist dieses Gestirn? Hat [es] eine bestimmbare kosmographische Position, wenn man ein Bezugssystem einnimmt? Und so weiter. Man kommt letztendlich mehr oder weniger schnell auf eine ganz andere Frage. Man kommt auf die Frage nach dem Raum. Das hat uns ja immer wieder beschäftigt. Was ist der Raum? Wo sind wir in diesem Raum? Nicht nur in diesem Raum, hier, in diesem Hörsaal, sondern überhaupt im Raum. Und was hat der Mensch in seiner geistig-seelisch-leiblichen Gestalt zu tun mit dem Raum? Ist der Raum ohne Bewusstsein? Hat er Bewusstsein? Hat die Seele Räumlichkeit? Hat der Geist Räumlichkeit?

Sie alle kennen die idealistische Position, die ja ganz strikt davon ausgeht, dass die eigentliche Qualität im Menschen, die Geistqualität, keinen Raum hat. Sie sei nicht räumlich, wird gesagt, der Raum sei nur eine Anschauungsform eines im Grunde raumlosen Geistes. Zu dieser Frage habe ich mich auch verschiedentlich geäußert und immer wieder die These aufgestellt und auch begründet, dass ich glaube, dass die idealistische Position, was diesen Punkt betrifft, schwach gestützt ist. Es gibt viele Argumente dafür zu sagen, dass auch die Seele, dass auch der Geist in irgendeiner Form etwas mit Raum zu tun hat. Weltäther, Weltseele, da ist es immer auch die Raumfrage.

Ich darf noch einmal Ihnen eine kleine Passage vorlesen aus einem Essay, den ich ja in Gänze Ihnen schon vorgetragen habe, wo das nochmal auf den Punkt gebracht wird, die Frage: wo wir sind, auch im Zusammenhang mit dem, was ich die Raumvergessenheit des Bewusstseins nenne. Man spricht ja viel von der Seinsvergessenheit oder auch Naturver­gessenheit, ich spreche gelegentlich von der Raumvergessenheit des Menschen. Und das will ich vielleicht noch vorab sagen, in mehreren Ansätzen in der modernen Philosophie, etwa bei Peter Sloterdijk, in den dickleibigen Büchern über die Sphären wird ja die psycho-kosmologische Krise der Moderne und Nachmoderne auch als eine Raumkrise bezeichnet. Das finde ich im Grunde einen sehr treffenden, einen sehr signifikanten Begriff. Die Bewusstseinskrise unserer Zeit als eine Raumkrise, wobei Sloterdijk, und da steht er nicht allein, ganz dezidiert sagt: Das „Projekt Weltseele”, wie er das nennt, sei grundsätzlich und irreversibel gescheitert. Das heißt, der Mensch befindet sich fortan, spätestens seit dem 18. und 19. Jahrhundert, in einem ganz und gar veräußerlichten Raum. Der Raum ist nur noch außen, das heißt eine Art Immigration der Raumempfindung aus dem, was den Menschen in der Tiefe als seelisch-geistiges Wesen eigentlich angeht. Also er sagt einmal an einer wichtigen Stelle in den Sphären: Der veräußerlichte Raum sei die Grundtatsache des modernen Bewusstseins überhaupt, der veräußerlichte Raum, der Raum als pures Außen, in dem der Mensch nichts zu suchen hat. Daher auch die vollkommene Abkehr des Denkens, spätestens seit Nietzsche, von kosmologischen Fragen, bis dahin, dass viele Intellektuelle, auch philosophisch orientierte Intellektuelle, überhaupt sich kosmologischen Fragen, Fragen der Astronomie, Fragen der Astrophysik, Fragen des Raums vollständig verweigern. Sloterdijk sagt in seinem Buch: Es ist geradezu ein verdächtiges Zeichen wenn ein ernst zu nehmender Intellektueller mit Inbrunst kosmologische Fragen behandelt. Also das ist eine typische Bewegung, die man verfolgen kann.

Ich sage, spätestens seit Nietzsche, also eine Abkopplung, eine Spaltung, dass der auf der einen Seite, der moderne Intellektuelle, der sich als quasi raumlos empfindet, auf der anderen Seite eine mehr oder weniger reduktionistische Kosmologie, die die Welt nur als ein Außen begreift und auch begreifen kann. Und ich meine, wenn es nicht gelingt, diese Spaltung in irgendeiner Form zurückzunehmen und da wieder etwas zusammenzuführen, werden wir, glaube ich, keinen Millimeter weiterkommen. Diese kurze Passage: „Die Subjektblindheit oder auch Subjektvergessenheit der Naturwissenschaft”, wie ich meine, einschließlich der Quantentheorie, die da keine grundlegende Änderung gebracht hat, „ist stets zugleich Raumblindheit oder Raumvergessenheit. Der zum puren Außen degenerierte Raum, „ohne Götter im alten Sinne, im magischen mythischen Bewusstsein, und höheres Bewusstsein, aber auch ohne Weltseele”, macht die Seele raumlos bzw. lässt ihr nur den Innenraum, der als ein bloß subjektiver bequem auszugrenzen war aus dem großen Vermessungsprojekt des Nur-Außen des toten Raumes.” Also, die berühmte Rede von dem „nur subjektiven Innenraum”, der letztlich im eigentlichen Raum gar kein Äquivalent hat. Und von diesem Äquivalent war man ja ausgegangen [bei] der Vorstellung einer Weltseele. Wenn es die Weltseele gibt, wenn diese Weltseele das Universum durchdringt, umgibt, durchflutet, dann hat der menschliche Geist, dann hat die menschliche Seele auch hier ihren Ort. Dann ist Seele immer integraler Teil von Weltseele, und das ist in der modernen Raumvergessenheit nicht der Fall. Also: „ … der als ein bloß subjektiver bequem auszu­grenzen war aus dem großen Vermessungsprojekt des Nur-Außen des toten Raumes. Wenn die Seele nicht mehr im Raum sein darf, weil das Projekt Weltseele ‒ Sloterdijk ‒ als gescheitert gilt. Wo ist sie dann? Auch wenn man nicht die idealistische Position teilt: Wo ist die Seele? Wo ist der Ort der Seele? Wo ist der Ort des Geistes? Einen existenziellen Ort kann die Seele nur haben in einem ihr gleichenden Raum, also einem Raum, der die Weltseele selbst ist, also nur ein Raum, der in gewisser Weise identisch ist mit der Weltseele, kann der Seele auch einen Platz geben. Da kann die Seele eigentlich gründen, [sie] kann der Seele ein Stück Heimat geben. Nur in einem Raum, der zugleich umhüllendes und tragendes Universalbewusstsein ist, hat der Innenraum, die Innenkugel Bewusstsein ihren Ort. Gibt es diesen Ort nicht mehr, ist die Seele als sie selbst im Exil.”

Denken Sie an das, was ich Ihnen in der letzten Vorlesung nochmal in Erinnerung gerufen habe über die Vorstellung der Weltseele bei Giordano Bruno, der in gewisser Weise gar keinen Unterschied mehr macht zwischen Weltraum und Weltseele, obwohl es da bei ihm einige begriffliche Ungenauigkeiten gibt. Manchmal identifiziert er auch den univer­salen Geist, den universalen Intellekt, wie er sagt intellectus, dann auch wieder mit dem Weltäther, sodass das fast das Gleiche wird vorübergehend bei ihm, Weltäther gleich Weltraum gleich Weltseele gleich Weltbewusstsein. Also: „Gibt es diesen Ort nicht mehr, ist die Seele als sie selbst im Exil. Wenn der kosmische Raum kein wirklicher Ort mehr ist, in gewisser Weise ja auch sein darf in der modernen Bewusstseinsverfassung, muss sie sich, also die Seele, in akosmischen, kosmosfernen Räumen, Innenräumen einnisten.” Das tut sie ja auch. Es ist ja das, was ständig geschieht. „Das betäubende Außen als Nur-Außen ist kein Ort für den Menschen”, also die Wendung in die subjektiven Innenräume, in die nur subjektiven Innenräume. Das bekommt ihm nicht gut, wie man weiß. „Die Mensch-Kosmos-Neurose des sogenannten modernen Menschen sitzt tief und hat sein ,In-der-Welt-Sein‘ gründlich ruiniert, allem nachkopernikanischen Selbstbewusstsein zum Trotz.” Ich habe das ja schon angedeutet, dass ich die berühmte These von Sigmund Freud von den drei Kränkungen für ganz falsch halte, für rein fiktiv. Keine dieser drei Kränkungen, im Grunde genommen, weder die Darwinistische, noch die Kopernikanische, noch auch die der Tiefen­psychologie war im Grunde wirklich eine Kränkung, die Kopernikanische schon gar nicht, weil, sie hat eher das menschliche Selbstbewusstsein ungeheuer gesteigert. Denken Sie daran, dass das menschliche Selbstbewusstsein seit dem Kopernikanismus einen kometen­artigen Aufstieg genommen hat und die moderne Subjektivität überhaupt erst im Zusammenhang mit dem Nachkopernikanismus entstanden ist. Es ist also nicht so, schlechterdings nicht so, dass der Kopernikanismus den Menschen in der Tiefe gekränkt habe. Nur eine ganz bestimmte Interpretation des Kopernikanismus hat dies vermocht. Zunächst wäre zu sagen, dass diese Raumlosigkeit der modernen Subjekte in dem genannten Sinne, wie ich meine, auf schlichten Denkfehlern beruht. Gestalthaftes Bewusstsein, und das ist fast eine Definition des Menschen, bedarf nicht nur des real existierenden Fluidums eines allverbindenden Bewusstseins, das als Universalbewusstsein die Weltseele ist, dazu nachher gleich mehr. Das wäre schon eine Art Definition dieser Weltseele, eine Art Universalbewusstsein, sondern es kann sich gar nicht denken ohne dieses Fluidum. Ein gestalthaftes Bewusstsein in einer bewusstseinsblinden Leere, einem Raum-Nichts, das uns nichts angeht, ist buchstäblich undenkbar. Es lässt sich nicht denken. Hier kollabiert der Geist. Das heißt, der Geist kann sich schlechterdings gar nicht vollständig denken in einem puren, in einem reinen Nur-Außen. Es lässt sich erregt postulieren oder argumentativ verteidigen, aber auch dieses Postulieren und Argumen­tieren vollzieht sich notwendig innerhalb dieses Fluidums, ohne dessen Immer-schon-Vorhandensein jedes Subjekt vom schwarzen Loch seiner selbst verschluckt wird. Nur ein bewusstes Universum kann wirklich gedacht werden. Das muss man in aller Klarheit sich mal vor Augen führen: dass wir die Natur eigentlich nur als eine quasi bewusste, eine durchgeistete, eine vom Geist durchstrahlte Natur wirklich denken können. Wenn das nicht so wäre, könnten wir niemals aus den ewigen Zirkeln unserer eigenen Projektionen heraussteigen. Dann wären wir immer gefangen in unseren eigenen Projektionen. Dann gäbe es eigentlich gar keine Erkenntnis. Und insofern sage ich verschiedentlich, dass von dorther der sogenannte objektive Idealismus ein Stück weit immer Recht hat. Also Naturbetrachtung, Kosmosbetrachtung, Denken über Natur ist ohne einen gewissen objek­tiven Idealismus vollkommen unmöglich. Dazu muss man nicht Hegelianer sein, um das festzustellen. Es ist einfach eine schlichte, fast denknotwendige Folgerung. Nur ein bewusstes Universum kann wirklich gedacht werden. Die Seele kann nicht denken ohne das, was sie immer schon ermöglicht hat, das stets Vorgängige jeder seelenhaften Gestalt. Und genau das ist der Kern des Projekts Weltseele, dass nur eine oberflächliche Sicht als gescheitert gelten kann. Ich würde behaupten, das Projekt Weltseele hat vielleicht in der Tiefe noch gar nicht begonnen. Auf jeden Fall müsste es noch einmal grundlegend und fundamental angegangen werden. Ich glaube nicht, dass das Projekt Weltseele gescheitert ist. Vielleicht ist es in einem gewissen Sinne gescheitert. Aber wenn man die geistige Situation genauer betrachtet, wird man feststellen, dass nicht nur der Begriff Weltseele eine Renaissance erlebt, sondern auch die Vorstellung eines durchgängig belebten und bewuss­ten Universums. Auch der götterlose Raum als der nicht-Weltseele-Raum, also der pure Außenraum, ist ein Konstrukt, eine Phantasmagorie innerhalb des gestalthaften Bewusst­seins. Wie ja alles Reden der Subjekte notwendig im Zirkel dieser Subjekte bleibt. Auch wenn ich behaupte, die eigene Subjekthaftigkeit sei nur oasen- oder inselhaft in einem betäubend leeren und toten Universum, dann ist das eine Aussage eines Subjekts und kann nur mit anderen Subjekten ernsthaft verhandelt werden. Also letztlich immer eine bewusstseinsimmanente Aussage.

Die gesamte Mainstream-Kosmologie kann als ein großer Versuch gewertet werden, dem Hasen doch noch zum Sieg über den Igel, das Igelpaar zu verhelfen. Ich benutze ja gern in dem Zusammenhang das Bild vom Hasen und dem Igel. Das lebendige Subjekt ist in gewisser Weise immer der Igel, der schon da ist. Wie immer der Hase sich abstrampelt, der Igel ist notwendig, gleichsam immanent schon da. Fast alle Welt glaubt an den Sieg des Hasen, und zwar deshalb, weil es mit durchschlagendem Erfolg gelungen ist, die Existenz des Igels = vorgängiges Bewusstsein zu leugnen. Nach dem Motto: Es gibt keinen Igel, es gibt keine Weltseele, es gibt kein Universalbewusstsein, also hat der Hase längst gesiegt. Entweder gab es nie einen Igel, oder wir haben ihn getötet. Die berühmte Formel von Nietzsche, „Gott ist tot”, in der fröhlichen Wissenschaft: „Wer wischt das Blut von unseren Messern ab, wir haben ihn getötet”. Also die Konstatierung einer Bewusstseinswirklichkeit des toten Gottes.

Letztes hierzu. „Der wirkliche Raum, der seinem Wesen nach kein Nur-Außen sein kann, ist als quasi-Raum der Götter noch immer unwiderleglich. Die Frage lässt sich stellen mit einigem Recht, ob es überhaupt angängig ist, von einem äußeren Raum zu reden, ob der Raum überhaupt, von einem menschlichen Bewusstsein aus betrachtet, als ein äußerer verstanden werden kann und darf. Ist nicht der Raum als Raum immer letztlich auch Innenraum? Auch dazu habe ich mich in verschiedenen Zusammenhängen geäußert. Dass es den toten nicht-Weltseele-Raum überhaupt geben kann, ist nie überzeugend bewiesen worden. Schon gar nicht von den sogenannten Kosmologen, die ohnehin insgeheim und manchmal auch offen Kosmo-Theologen sind. Die Wo-Frage, die so rätselhaft selten gestellt wird, wo sind wir?, ist eine der brennendsten Fragen überhaupt. Wird sie nicht als Herausforderung angenommen, indem man die Frage für längst gelöst oder für unlösbar oder wie auch für völlig irrelevant hält, hängt auch die Frage nach dem Menschen in der Luft, wobei diese Luft toxisch ist und nicht eingeatmet werden kann. Die Was-ist-Frage in Bezug auf den Menschen ist nicht abzutrennen von der Wo-ist-Frage. Alle Versuche dieser Art haben nur ein hoffnungslose Zirkelschlüsse hineingeführt.” Das also vorab.

Also als These, Ihnen bekannt in meinen Vorlesungen, ich sage ja immer wieder, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Raum bewusstseinserfüllt ist und dass wir den Raum nicht denken können außerhalb des Bewusstseins, und dass wir keinen Geist als einen in einem absoluten Sinne raumlosen Geist verstehen können. Ich glaube, dass das ein ent­scheidender Punkt, ein entscheidender Fehler in der idealistischen Philosophie war, der sich ja durchzieht von Descartes, auch bei Kant, zum Teil auch bei Hegel, obwohl es da ein bisschen anders aussieht und dann bis in neuere idealistische Denk-Entwürfe hinein: immer die Vorstellung, dass der Geist raumlos ist, dass er keine Raumnatur habe, sondern dass er jenseits des Raums ist.

Die Weltäther-Frage hängt auch damit zusammen, obwohl man das nicht vermengen soll, unbedingt vermengen dürfte. Ich will nicht noch einmal die Thesen hier im Einzelnen darstellen, die ich in der Vorlesung über den Weltäther gebracht habe, nur noch mal ganz plakativ gesagt: Die Frage nach dem Weltäther war in der Tiefe, die Frage nach einem feinsten Stoff. Die Frage nach der Stoffqualität, nach der feinstmöglichen Stoffqualität der Welt, letztlich eine Frage auch nach der Materie. Also wenn man sagt: Weltäther, Weltseele, Weltgeist, dann ist ja auch die Frage nach dem Stoff, dem feinstmöglichen Stoff, dem Stoff der Seele als Selbstsein und dem Geist. Ich meine, was ist der Mensch? Er ist auch, das bestimmt auch eine Definition des Menschen, eine Gestalt gewordene Einheit von Materie, leiblich-stofflichem, dinglichem Ich-selbst-Sein, und das wäre der Bereich der Seele. Das wäre eine Definition der Seele. Es gibt andere Definitionen der Seele. Man kann aber sagen Seele ist Ich-selbst-Sein, ist das, was den Einzelnen in seinem Ich, in seinem Ich-Sein, in der Tiefe kennzeichnet, und zugleich seit Aristoteles ja auch eine Art Form- oder Formalprinzip des Organischen, auch im Sinne der Entelechie und Geist, als dritte Fakultät, wäre das, woran der Mensch teilhat, woran der Mensch partizipiert, das er vielleicht bis zu einem gewissen Grade auch ist. Deswegen spricht man ja häufig von dem Seelisch-Geistigen zusammen. Also der Mensch als eine Gestalt, Einheit von Leib, physisch-leiblicher Seele, Ich-selbst-Sein und Partizipation am Geist und wahrscheinlich auch ein stückweit Geist-Sein, Partizipation am universalen Logos.

Und wenn das so ist, und wenn der Mensch tatsächlich über seine Ichhaftigkeit und über seine Leibhaftigkeit ein integraler Teil dieses Kosmos ist, dann müsste es auch legitim sein, diese Vorstellungen auf das Universum auszuweiten. Dann ist es möglich, über den eigenen Leib, über die eigene Leib-Geist-Seele-Gestalt, auch Aussagen zu machen über das Universum als Ganzes. Das ist schlechterdings nicht einzusehen, dass diese bestimmte Gestalt, diese bestimmte Konfiguration aus dem Gesetzeszusammenhang des Ganzen herausfällt. In jedem einzelnen Bewusstsein müsste sich, wenn die Einheit der Natur denn gegeben ist, auch das Ganze in irgendeiner Form widerspiegeln und müsste über das Bewusstsein auch in diesem Ganzen auffindbar sein, sogar, im extremen Sinne weiter­gedacht, ohne dass der Einzelne seinen Raum verlässt, also experimentelle Forschung im Außen betreibt. Das ist ja letztlich auch ein Gedanke, der in Abstrichen in der rationa­listischen Philosophie eine Rolle spielt, dass der Einzelne über das Denken tatsächlich Zugang hat zu den Tiefenschichten der Welt.

Also die Weltäther-Frage war die Frage nach dem feinsten Stoff, eine Frage, die besonders brisant wurde im Zusammenhang mit der Licht-Frage, was denn da im Licht und als Licht schwingt. Das ist die Grundfrage, die ja im frühen 19. Jahrhundert, als die Wellen-Theorie des Lichts eine gewisse Verbreitung erlangte, gegen die Newtonsche Korpuskular-Theorie, da war ja die Frage: Wenn denn dieses Licht eine Art von Wellenbewegung ist, dann müsste sich ja diese Wellenbewegung in einer unvorstellbaren, einer rasenden und geradezu betäubend schnellen Form vollziehen. Und dann die Frage: Wenn das so ist, welcher Art ist der Stoff, in dem das überhaupt möglich ist? Und dann gab es ja verschie­dene Überlegungen: Wie müsste dieser Stoff beschaffen sein? Man hat das ja zum Teil auch ausgerechnet, von ungeheurer Dichte, auf der einen Seite und auf der anderen Seite von einer unvorstellbaren Elastizität, eine Elastizität, die jeden physischen Stoff weit in den Schatten stellt. Also ein absolutes Paradoxon, ein Stoff, der auf der einen Seite alldurchdringend ist, oder sein soll, von äußerster Feinheit, auf der anderen Seite soll er eine Elastizität haben und eine Dichte um das zig-tausendfache von Stahl, so ist das von einigen Physikern ausgerechnet worden.

Also diesen Widerspruch galt es zu klären. Der ist im 19. Jahrhundert nicht geklärt worden, aber das war ersteinmal die Äther-Frage. Und längst waren alle älteren Vorstellungen von einem spirituell verstandenen Raum-Äther dahin. Es war letztlich eine Äther-Konzeption, die hier in Frage stand, die mehr oder weniger eine mechanistische war. Obwohl, wenn man das weiterdenkt, und das ist ja zum Teil auch geschehen, man zu erstaunlichen Schlussfolgerungen kommt. Und ich habe Ihnen ja auch dann erläutert in der betreffenden Vorlesung im Dezember, dass auch schon im Rahmen, im Kontext dieser Mainstream-Überlegung über den Äther die Vorstellung eines Nicht-Äthers, der puren Nichtexistenz dieses Äthers, fragwürdig ist im Zusammenhang etwa mit der speziellen Relativitätstheorie. Ganz davon abgesehen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit in den berühmten Experimenten [Michelson – Morley] in der Tat Äther-Wind-Effekte gegeben hat und die keineswegs ohne Äther-Wind-Effekt waren, wie oft behauptet wurde. Also wenn man die Quellen genauer studiert, dann stellt man fest, das hat tatsächlich Äther-Wind-Effekte gegeben. Ich habe kürzlich mit einem Physiker und Astronomen den Punkt verhandelt. Er meinte, das seien Messungenauigkeiten. Bis in die 20er Jahre habe es diese Messungenauigkeiten gegeben und in den neueren Ergebnissen würden diese Messunge­nauigkeiten nicht mehr auftauchen, da würden die Ergebnisse weitestgehend Äther-Wind-frei sein. Auf jeden Fall die Eliminierung dieser Äther-Vorstellung in diesem klassischen Sinne war schon eine fragwürdige Weichenstellung, ganz zu schweigen davon, dass man ganz andere Äther-Konzeptionen ja auch heranziehen kann, ich habe Ihnen das ja vorgestellt.

Wichtig ist, dass man bei all diesen Fragen, das muss ich mit einer gewissen Nachdrücklichkeit sagen, nie in den Fehler verfallen darf, in den aber fast alle Autoren zu dem Thema verfallen, dass man sich zufrieden gibt mit dem, was ich eine Eine-Ebene-Lösung nenne. Eine-Ebene-Lösung heißt, ich unterstelle eine Seins-Ebene als die eigentlich wirkliche. Zum Beispiel einen feinsten Stoff, dem ich bestimmte Eigenschaften zuspreche, ja ihn gar mit dem Raum gleichsetze. Und nun versuche ich aus diesem feinsten Stoff alle Phänomene der Existenz mehr oder weniger reduktionistisch abzuleiten, was das gängige Verfahren ist. Das ist ja eigentlich die Achse des Reduktionismus, die Zurückführung in dieser Form. Nicht dass das reduktive Element im Denken über Natur grundsätzlich falsch sei. Man kann gar nicht anders als bis zu einem gewissen Grade reduktiv vorgehen, man kann sogar bis zu einem gewissen Grade auch gar nicht anders, als in gewissen Zirkelschlüssen zu denken. Im absoluten Sinne kann kein Denken Zirkelschlüsse vermeiden, aber man muss vorsichtig sein, dass man nicht dem Trugbild verfällt, dass man mit diesen Vorstellungen auch weitergehende Qualitäten der Welt verstehen kann. Zum Beispiel eben auch die Seele-Geist-Qualitäten.

Und da meine ich, kommt man nicht aus ohne die Vorstellung der Weltseele, obwohl die Zusammenhänge zwischen dem, was Welt-Äther ist und was Welt-Seele ist, sehr schwer in einem argumentativen Sinne zu denken sind. Eine Weltseele, als All-Seele, als All-Bewusstsein ist ein alter Gedanke, aber was heißt es konkret, und wie steht es zum Weltäther, ganz zu schweigen jetzt zum Weltgeist. Was ist denn nun diese dritte Qualität? Ist das eine eigene göttliche Logos-Qualität in der Welt? Oder ist es mehr oder weniger alles das Gleiche? Es gibt ja ganz andere Modelle, die noch von einer Vielfachheit oder Siebenfachheit der Welt ausgehen. Also letztlich ist die Frage berührt: Was ist wirklich wirklich?

Max Planck hat es mal gesagt: Die einzige Aufgabe der Naturwissenschaft sei letztgültig, das absolut Reale zu finden, das eigentlich Reale. Und das ist die Frage: Was ist das eigentlich Reale, und inwiefern können wir es absolut setzen? Das muss man bei all diesen Vorstellungen mit aller Vorsicht sagen. Und da habe ich ein gewisses Fragezeichen bei vielen dieser Ansätze, dass sie also von einer Eine-Ebene-Lösung ausgehen. Ich will noch mal zwei Stellen aus meinem Buch „Räume, Dimension, Weltmodelle – Impulse für eine andere Naturwissenschaft” vorlesen, die diesen Punkt beleuchten. Ich habe diese Fragen in anderem Zusammenhang auch schon angesprochen, aber sie scheinen mir zentral wichtig zu sein. Man kann für Weltseele auch ganz plakativ und vereinfachend sagen: Das ist ein Begriff, der die All-Lebendigkeit fasst letztlich [als] ein Synonym für All-Leben [sieht]. Eine letztgültig auch intellektuell nach jeder Richtung abgesicherte und logisch konsistente Definition von Weltseele kann es meiner Meinung nach nicht geben, weil das dem Wesen dieser Grundqualität der Existenz widerspricht.

Also die Frage: Was ist die Weltseele? hat ja eine Riesenkontroverse ausgelöst, etwa zwischen Hegel und Schelling. Hegel hat ja Schelling den Vorwurf gemacht, er würde die Weltseele in einem quasi poetischen, ungenauen, verschwommenen, schwärmerischen Sinne denken. Aus gutem Grund haben dann Denker wie Hegel und andere den Begriff überhaupt gestrichen aus der Philosophie, genauso wie der Begriff über lange Zeit aus der Naturwissenschaft gestrichen wurde. Ganz bewusst etwa vermeidet Newton in seiner Argumentation, wie übrigens sein großer Gegenspieler Leibniz auch, den Begriff der Weltseele. Warum? Wenn Sie den großen Briefwechsel zwischen Samuel Clarke und Leibniz lesen, taucht nirgendwo der Begriff Weltseele auf, nur negativ, als Negativbegriff in dem Sinne: Wer von der Weltseele spricht, setzt die Welt als einen großen Organismus, und das sei im Kern eine atheistische Denkform, das sei quasi Gottesleugnung. Welt-Seele wird nur negativ verwendet. Ganz allmählich taucht dann der Begriff „Weltseele” wieder auf, im späten 18. Jahrhundert, aber nicht in der Naturwissenschaft, nur in der Philosophie und auch da gegen große Widerstände.

Also die gesamte Hegelianische Philosophie hat den Begriff der Weltseele schroff abgelehnt, und er hat eigentlich ein Kümmerdasein gefristet. Und wenn man jetzt auf die letzten 10, 15, 20 Jahre schaut, dann stellt man allerdings fest, dass der Begriff „Weltseele” eine erstaunliche Wiedergeburt erlebt und in verschiedensten Kontexten auf eine frucht­bare Weise wieder zum Tragen kommt. Aber es ist schwer, den Begriff wirklich zu etablieren, weil er verbunden ist mit Vorstellungen, die sowohl von der, sagen wir mal hegelianisch, an der Logik orientierten Philosophie, abgelehnt werden, als auch von einer reduktionistischen Naturwissenschaft. Da ist Weltseele also ein, eher ein Störfaktor, ein störender Begriff. Hier heißt es im dritten Kapitel: „Ich will nicht den mindesten Zweifel daran lassen, dass ich die hier skizzierte Vorstellung eines kosmischen All-Lebens” da war vorher von einem Zitat von Ernst Jünger die Rede, in dem er das explizit zum Ausdruck bringt, also „die hier skizzierte Vorstellung eines kosmischen All-Lebens in der Grund­richtung akzeptiere, ja für die einzig befriedigende Denkmöglichkeit halte, ganz eindeutig ohne die geringsten Abstriche, sage ich das. Die Weltseele ist eine Denknotwendigkeit, die einzig befriedigende Denkmöglichkeit. Alle anderen Denkansätze, etwa der eines wesenhaft oder überwiegend toten Universums, aus dem uns dann das sogenannte anthropische Prinzip retten soll, führen konsequent durchdacht in einen Irrgarten der Widersprüche, Zirkelschlüsse und Paradoxien”. Wer sich damit beschäftigt, mit dieser Frage, die ja auch eine naturwissenschaftliche ist ‒ wie entsteht Bewusstsein, wie entsteht organisches Leben ‒ wird immer wieder auf den Punkt stoßen, dass man nie über eine bestimmte Grenze hinauskommt. Man muss immer eine Art salto mortale anstellen aus der Es-Haftigkeit in ein wie immer geartetes Bewusstsein. „Dabei scheint mir die einzig konsequente und auch wirklich überzeugende Denkfigur zu sein, anzunehmen, das Bewusstsein als solches nie entstanden sein kann, sondern immer dagewesen sein muss.” Also die Bewusstseinsqualität der Welt, in den Tiefen, in der Tiefenstruktur des Kosmos verankert, ist ja mit ihr identisch, was etwa Schelling versucht hat zu denken, auch unzulänglich, mit vielen Schwächen, aber doch mit einer gewissen Konsequenz. „Schon Giordano Bruno hat dies in seinen kosmolo­gischen Schriften von 1584 bis 1591 überzeugend dargestellt, ähnlich überzeugend, und wie ich glaube, bis heute unwiderlegt, mit dem Gedanken der aktualen realen Unendlichkeit des Weltraums.” Auch da wenden Hegelianer und idealistische Philosophen ein, seit Kant sei die Frage des Raums doch letztlich im Sinne der Antinomien der reinen Vernunft eine Frage, die so gar nicht mehr gestellt werden kann. Der Raum ist eine Anschauungsform, wird gesagt, und die Frage, ob Endlichkeit oder Unendlichkeit, ist überhaupt keine relevante Frage mehr bzw. kann oder könnte gar nicht mehr ernsthaft gestellt oder gar beantwortet werden. Das glaube ich nicht. Ich glaube, die Frage ist immer noch eine sehr aktuelle Frage. Und dann hörte ich von einem berühmten Mathematiker über einen anderen, der mir das quasi kolportiert hat, der meinte also, man könne heute nur noch indefinite Unendlichkeit denken. Keine wirkliche Unendlichkeit, sondern eine indefinite Unendlichkeit. Das halte ich für einen nichtssagenden, einen Schummelbegriff, der letztlich der Unendlichkeit ausweichen soll. Was soll eine indefinite Unendlichkeit sein?

Natürlich kann man das mathematisch modellhaft fassen, aber letztlich wird man radikal und in gewisser Weise auch erschütternd für das Denken auf die Frage verwiesen ‒ Endlichkeit oder Unendlichkeit? Jede noch so gigantische Ausdehnung des Universums, die von einer Endlichkeit ausgeht, zerschellt an der Frage des unendlichen Raums. Ich meine, das hat, glaube ich, Bruno 1584 in seiner Schrift „Vom Unendlichen” klar bewiesen. Ich kann jeden auffordern, der das nachvollziehen möchte, diese Argumente nachzulesen, die von einem wirklich grandiosen intellektuellen Scharfsinn sind. Er hat wirklich gezeigt, dass man den Raum, wenn man ihn wirklich denken will, nur unendlich denken kann. Also, das halte ich für eine der großartigsten Leistungen der Philosophie überhaupt, obwohl viele diese Leistung gar nicht mehr anerkennen, heute sagen, es ist irrelevant, sozusagen, das ist überholt. Das glaube ich nicht. „Also schon Giordano Bruno hat dies in seinen kosmolo­gischen Schriften überzeugend dargestellt. Ähnlich überzeugend und, wie ich glaube, bis heute unwiderlegt, in den Gedanken der aktualen realen Unendlichkeit des Universums. Alles, was in diesem Buch gesagt wird über Gravitation, Äther, Gestirnbewegung und Ähnliches, ist nicht abzulesen von dieser grundlegenden These der absoluten Existenz des kosmischen All-Lebens”, von der ich in der Tat ausgehe, das ist eine Prämisse, eine für meine Vorstellung denknotwendige Prämisse, eine nicht letztgültig objektivierbare Prämisse. Man kann gar nicht ohne Prämissen denken. Und das ist eine Prämisse, die ich setze und auch klar benenne. „Der das kosmische All-Leben zusammenfassende Begriff heißt Weltseele. Die Weltseele ist das Alpha und Omega meiner gesamten Argumentation. Dieses Universum ist wirklich in toto lebendig, muss in toto lebendig sein, weil es lebendige und bewusstseinserfüllte Wesen hervorgebracht hat. Niemals könnte ein totes Universum Leben hervorbringen. Der Abgrund zwischen dem toten Es, einer absolut gesetzten Außen- oder Dingwelt und dem lebendigen Ich und Wir ist unüberbrückbar.” Das habe ich auch immer wieder versucht zu sagen und argumentativ zu untermauern. Der Sprung vom Es, vom dinghaften Sein zum Bewusstsein ist ein unvorstellbarer Schritt gegen den gehalten jeder Quantensprung zur Lächerlichkeit herabsinkt. Das muss man mal in der ganzen Tiefe begreifen: Was soll das heißen? Bewusstsein entsteht in einer bewusstseinsleeren Nacht? Wie soll die Flamme des Bewusstseins hier entstanden sein? Man kann das nur denken, indem man sagt, in irgendeiner Form, und sei es nur in Potentialität, muss Bewusstsein vorhanden sein. „Niemals könnte ein totes Universum Leben hervorbringen. Der Abgrund zwischen dem toten Es, noch einmal, einer absolut gesetzten Außen- oder Ding-Welt und dem lebendigen Ich und Wir, ist unüberbrückbar. ‒ Zugleich ist dieses alllebendige Universum ein kommunikatives Universum und nichts wäre verfehlter, als hiermit schwärmerische oder schöngeistige Gefühle zu verbinden, die ohne Verbindlichkeit bleiben und nichts oder niemanden bewegen. Das ist es nicht.”

Es wird ja häufig als Gegenargument gebracht gegen solche Gedanken: Das sind schwärmerische, letztlich literarische Gedanken, man wünscht sich, dass es so wäre, letztlich grinst uns nur die kalte Leere da draußen an und alles andere als Bewusstsein. Das glaube ich nicht. Ich meine, dass tatsächlich das Denken ohne diese Vorstellung schlechter­dings gar nicht wirklich voranschreiten kann. Ich jedenfalls habe bis zum heutigen Tage noch nichts gehört, was mich auch nur logisch-argumentativ oder philosophisch überzeugt hätte, das da[raus] hinausläuft: Hier ist eine tote Es-Welt und aus dieser springt quasi, wie der Hase aus dem Hut, das Bewusstsein. Das kann man behaupten, man kann das sagen, dass sei so ‒ wir kennen nichts Dergleichen. Empirisch ist es nicht. Die Empirie beweist ständig, allerorten, jederzeit etwas vollkommen Anderes.


Ich mache erst mal eine kleine Pause


… und wie das so im Bewusstsein weiter tradiert wird. Ich habe von zwei Stellen gesprochen. Ich will noch eine zweite kurze Stelle aus meinem Buch vorlesen, bevor wir dann noch einmal auf die Frage des Äthers und der Weltseele bei Bruno eingehen, [in] gewisser Weise in Weiterführung dessen, was ich das letzte Mal Ihnen gesagt habe. Übrigens die Frage, die in der Pause gestellt worden ist, ob es dieses Buch mittlerweile als Taschenbuch gäbe, aus der Reihe „Philosophie jetzt – Giordano Bruno” weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die Reihe geplant war im dtv Taschenbuch Verlag.


Und danke, wusste ich ganz. Ja, ist identisch, ist also, wird also nachgedruckt im Deutschen Taschenbuch Verlag. Danke. Dann ist das also tatsächlich wahrscheinlich 14,90 oder 16,90 oder so. Auf jeden Fall müssen Sie dann nicht dieses relativ teure Buch für 48 Mark kaufen. Das sind 19 Philosophen, die da von Diederichs vorgestellt werden und Giordano Bruno ist einer davon. Ich wusste es nur von dem Marx-Band, dass es den
schon als dtv Taschenbuch gab.

Hier heißt es zu Beginn des siebenten Kapitels über die Frage Raum, Energie und Äther. In dem Unterabschnitt „Der Raum, das Licht und die Schwärze der Nacht”: „Einhellig berich­ten die Astronauten, der Weltraum sei wirklich vollständig schwarz. Eine allgegenwärtige, alles verschluckende Finsternis, die auch das Licht der Sonne und der Sterne nicht aufhält. Zunächst hätte man durchaus naiv annehmen können, da draußen sei alles gleißend hell, müsste nicht das gewaltige Licht der Sonne den gesamten Raum um die Erde in strahlendem Glanz tauchen? Stattdessen wirkt die Sonne wie ein blendender Strahler von der Größe eines Stecknadelkopfes. Aber was erhellt dieser Strahler? Den Raum selbst erhellt er nicht. Der Raum selbst bleibt finster. Erst die Materie macht das Licht sichtbar. Zwar muss es Licht auch dort geben, wo es nicht sichtbar ist, denn es entsteht ja nicht erst, wenn es auf Materie trifft. Aber diese Anwesenheit des Lichtes im Weltraum ist noch nicht das Licht selbst, das eigentliche Licht, sondern erst eine Art Ermöglichungsgrund des Lichtes. Irgendetwas in uns sträubt sich dagegen, das nur potenzielle, noch in der Finsternis verborgene und gleichsam von ihr eingehüllte Licht schon für das eigentliche Licht zu halten, das per definitionem eben sichtbar ist. Licht ist das, was erhellt und als es selbst, die Helligkeit an sich ist. Ein Licht, das man gar nicht sehen kann und das doch da ist, beunruhigt, ja überfordert den empirisch-sinnlichen Menschen. Nun war es theoretisch bekannt, dass das Licht selbst unsichtbar ist. Noch niemand hat jemals das Licht selbst gesehen. Erst wenn es auf Materie trifft, wird es dem Auge erkennbar. Zugleich wird auch die an sich finstere Materie sichtbar. In der Berührung der an sich finsteren Materie mit dem an sich finsteren Licht wird die sinnlich-sichtbare Welt geboren. Auch das, was es denn auf sich habe mit dem Raum, mit unserem rätselhaften Im-Raum-Sein und mit der möglichen Raumqualität von Geist oder von Bewusstsein oder sogar noch weitergehend, wie das der Phänomenologe Hermann Schmitz behauptet, der Raumqualität von Gefühlen. Er hatte eine wunderbare Theorie, die ich im nächsten Semester vorstellen werde und [die hat er] zusammen mit der Leib-Philosophie aufgestellt, dass auch Gefühle räumlich sind, in den Raum gegossene Qualitäten. „Und ein Ahnen kann oder könnte sich einstellen, dass diese Verschwisterung, wenn die Metapher sinnvoll ist, auf ein zeugendes Elternpaar verweist, dass Raum Licht und Bewusstsein hervorbringt. In seinem Buch ,Wege ins Unerforschte‘ schreibt Edgar Mitchell, ehemals Apollo-14-Astronaut, Zitat: ,Im Weltraum kann man mit bloßem Auge etwa zehnmal mehr Sterne sehen als auf der Erde, weil keine Atmosphäre da ist. Auch sind vertraute Objekte ungefähr zehnmal heller. Vor dem kalten schwarzen Hintergrund scheinen Sterne und Planeten zu glühen. Man bekommt den Eindruck, im Kosmos eingehüllt zu sein, wenn man um sich herum das prächtige, stille Glitzern der Milchstraße und der Galaxien jenseits davon sieht.‘ Zitat Ende. Edgar Mitchell. Der kalte schwarze Hintergrund, verleiht dann auch dem Bild des Planeten Erde seinen spezifischen Charakter. Und es entsteht der Eindruck einer Oase des Lebendigen inmitten einer lebensfeindlichen, absolut schwarzen Leere.” Sie kennen die berühmten Astronauten-Aussagen über diesen Punkt.

„Es ist unter anderem dieses Phänomen, dass die Faszination der Gaia-Ikone ausmacht. Und selten wird die an sich naheliegende Frage gestellt: Was ist diese Schwärze, diese Leere, dieser doch lichtdurchflutete und doch so undurchdringlich finster wirkende Raum? Der Raum der Welten und Gestirne: Das Licht, das wir nicht sehen, ist doch da? Eine kleine Drehung nur verursacht durch ein Stück Materie, macht das Unsichtbare jäh sichtbar. Also ist die Dunkelheit gar keine echte oder wirkliche Dunkelheit. Wenn dies so ist, kann der Raum nicht leer sein.

Es gibt viele Gründe, die Leere des Weltraums für einen Abgrund der Fülle und der Allgegenwart von Bewusstsein und Energie zu halten. Die unsichtbare Präsenz des glei­ßenden kosmischen Lichtes gehört zu ihnen. Das Finstere ist nicht wirklich finster, sondern eigentlich hell, und das Helle, ist es nicht eigentlich dunkel?” Wie ist das überhaupt mit Licht und Finsternis? Auch phänomenologisch, empirisch, eine hoch faszinierende Frage. Was ist überhaupt das Helle, das Lichte, das Finstere?

„Dass auch die Schwere einen Licht-Aspekt hat, ja an der tiefsten Tiefe selbst gleißendes Licht ist, ist bereits gesagt worden, und es wäre ein schauendes Auge vorstell­bar, das in der Schwere das Licht ihres Ursprungs wahrnimmt. Das Radialfeld ist die Strahlung selbst oder an sich das Urbild, die Urform aller Strahlungen. Die radiale Energie verbindet die physische mit der nicht-physischen Welt. Die Frage nach dem Wesen der allgegenwärtigen Finsternis, die auch das allgegenwärtige Licht ist, ist auch die Frage nach dem Wesen des Raumes: Ist der Raum selbst Licht-Raum? In den vielfältigsten Abstufungen und Manifestationen ist dann der Wechsel von Tag und Nacht nur Schein? Ist vielleicht gar das Licht der Finsternis stärker als das Licht des Tages? Das sind keine, das sind keineswegs im vordergründigen Sinne mystische oder dichterische Fragen, sondern Seins­fragen, naturphilosophische, ja physikalische Fragen und zugleich Fragen, die mit dem Tod zusammenhängen.” Und so weiter.

Also die Frage bleibt hier erst einmal gestellt, und sie ist eine auch existenziell phänomeno­logisch zutiefst aufwühlende, wenn man sich denn überhaupt dieser Art von Frage einmal anheim gibt. Wenn man diese Frage zulässt, wenn man die Frage zulässt, welche Empfindungen, welches Gefühl eigentlich durch den Raum ausgelöst wird, wie sich auch der menschliche Organismus, wie sich der Leib im Raum anfühlt, wie er im Raum steht.

Ich will versuchen, im nächsten Semester im Zusammenhang mit der Leib-Philosophie, diesen Fragen auch näher nachzugehen. Etwa, wie fühlt sich der Raum hinten an und vorne, rechts und links, oben und unten? Das sind jeweils ganz verschiedene, im Grunde ganz rätselhafte Raumqualitäten. Und allein diese Art von Raum-Phänomenologie ist ein weitgehend unerforschtes Terrain. Es geht hier tatsächlich, das ist wichtig, um den erfahrbaren Raum. Es geht nicht um mathematisch-abstrakte Konstruktionen über einen wie immer dimensionierten Raum. Das ist etwas Anderes, und eine ganz andere Frage und eine letztlich ja auch erkenntnistheoretisch schwierige Frage ist, welches Recht wir haben etwaige Dimensionen, Mehrdimensionalität im mathematischen Sinne nun, wie ich das gerne nenne, zu ontologisieren, zu sagen, das ist die Wirklichkeit? Also welches Recht haben wir zu sagen, wenn wir von einem etwa sechs- oder zwölf dimensionalen Raum sprechen, den man mathematisch konsistent entwickeln kann, zu sagen: Das ist wirklich so? Und da, glaube ich, ist eine wichtige erkenntnistheoretische Frage angesprochen, über die viele auch ganz leichtfertig hinweg springen. Und da muss man wirklich aufpassen, dass man nicht dann auch wieder auf eine andere Weise dem anheim fällt, was ich die Eine-Ebene-Lösung genannt habe. Dann kommt man in einen heillosen Reduktionismus nun mathematischer Art hinein, der ohne Erkenntniswert ist.

Ich will eine Stelle mal von Bruno noch nachtragen, vorlesen über die Weltseele. Ich habe das angedeutet, das letzte Mal in meiner Vorlesung über Bruno, habe aber kein Zitat gebracht. Für Bruno ist der Gedanke der Weltseele ein Schlüsselgedanke. Ich sagte es schon, in gewisser Weise identifiziert Bruno den unendlich vorgestellten Raum mit der Weltseele, obwohl diese Gleichsetzung niemals explizit vollzogen wird. Sie ist aber implizit in seinen Büchern vorhanden, also nicht ausdrücklich wird es jemals so gesagt. Da heißt es hier einmal bei Bruno: „Die universelle Vernunft” – das ist quasi der universelle Geist, das Geist-Prinzip oder Logos-Prinzip in der Welt – „ist das innerste, wirklichste und eigenste Vermögen und der Teil der Weltseele, die ihre Macht bildet. Sie ist ein Identisches, welches das All erfüllt, das Universum erleuchtet und die Natur unterweist, ihre Gattung so, wie sie sein sollen, hervorzubringen. Sie verhält sich demnach zur Hervorbringung der Dinge in der Natur, wie unsere Vernunft sich zur entsprechenden Hervorbringung der sinnvollen Gestalten verhält. Sie wird von den Pythagoreern der Beweger und Erreger des Universums genannt. Von den Platonikern wird sie der Welt-Baumeister genannt. Dieser Baumeister, sagen sie, tritt aus der höheren Welt, welche völlig eins ist, in diese sinnliche Welt hinüber, welche in die Vielheit zerfallen ist, wo wegen der Trennung der Teile nicht nur die Freundschaft, sondern auch die Feindschaft herrscht. Diese Vernunft bringt alles hervor, indem sie selbst ruhig und unbeweglich erhaltend, etwas von dem ihrigen in die Materie eingießt und ihr zuteilt. Wir nennen sie den inneren Künstler, weil sie die Materie formt und von innen heraus gestaltet.” Das Letztere steht natürlich in der aristotelischen Tradition, in gewisser Weise auch der Tradition der Vorstellung, der Entelechie, also das von innen-heraus-Gestalten, die Seele als das Form-Prinzip. Nicht immer klar getrennt ist in vielen Aussagen auch anderer Denker über die Weltseele die Gestirn-Seele von der All-Seele. Das hat ganz nahe liegende geschichtliche Gründe, weil, als in der abendländischen Philosophie der Gedanke der Weltseele aufkam, bei Platon im „Timaios” war das ja ursprünglich eine Konzeption bezogen auf eine, auf diese eine und nur eine Welt, also eine geozentrische Konzeption, konzipiert also im Rahmen des geokonzentrischen Schalen-Kosmos. Und als dann in der Renaissance diese Vorstellung wieder aufgegriffen wurde, in der platonischen Akademie von Marsilio Ficino und anderen, ging man zunächst vorkoper­nikanisch von der einen und einzigen Welt, einer geozentrisch gedachten Welt aus, und erst in dem Schritt, der dann im Nachkopernikanismus besonders radikal von Bruno vollzogen wurde, kommt dann der Gedanke eines unbegrenzten Raumes in die Konzeption der Weltseele hinein.

Nun ist die Frage, wie sieht es mit den Gestirnen überhaupt aus? Auch sie haben nach Bruno eigene innere Seelen- und auch Bewegungskräfte, diese sind aber nicht identisch mit der Weltseele. Also das muss man unterscheiden, obwohl es häufig genug auch in der Literatur, die darauf Bezug nimmt, nicht unterschieden wird. Noch ein kurzes Zitat zu dieser Frage der Verbindung von Allheit, Einheit und Vielheit, die bei Bruno ein zentrales Element ist. Wie kann denn das Viele gleichzeitig das Eine sein und das Eine gleichzeitig das Viele? Und Bruno bedient sich in dem Kontext immer wieder der Metapher des Spiegels. Sie erinnern sich vielleicht an das eine Zitat, das ich letzte Mal gebracht habe über die vier Stufen der Erkenntnis: die sinnlich-physische Erkenntnis als unterste, dann die intellektuelle Erkenntnis, dann die vernünftige Erkenntnis und schließlich die höchste Stufe der mit dem Geist, gleich mens, verbindet, die eine Art Schau ist, eine Art Universal­schau, das heißt: Der Kopf, schreibt Bruno, wird ganz Auge, und zwar auch hinten, also eine Art vollständiger Schau, einer Panoramaschau, eine Art perspektivische Gesamtschau, von der Bruno mehrfach berichtet. Hier heißt es einmal in einem Buch von Bruno, das den Titel trägt „Die Fackel der dreißig Statuen” über diesen Zusammenhang: „Wenn es eine Sonne gibt und einen zusammenhängenden Spiegel, dann kann man die eine Sonne in jenem ganzen Spiegel betrachten. Wenn es nun aber geschieht, dass jener Spiegel zerschlagen wird und in unzählige Teile zersplittert, so repräsentiert doch jeder Teil das Ganze, und wir sehen in jedem Splitter das ganze ungeteilte Bild der Sonne. In diesen Splittern aber wird wegen ihrer Kleinheit und weil sie in Unordnung geraten sind und sich vermischt haben, fast nichts mehr von der universellen Form erscheinen, die aber dennoch in ihnen enthalten ist, allerdings auf eine unentfaltete und verborgene Weise.” Also eine sehr klare, ja auch alte Metaphorik, die hier von Bruno aufgegriffen wird, um zu zeigen, wie das Viele mit dem Einen zusammenhängt, wie sich das Eine in dem Vielen spiegelt. Für Bruno ist es die Hauptaufgabe überhaupt der Philosophie, diesen Nachweis zu erbringen. Erklärung ist für ihn letztlich die Zurückführung des Vielen auf das Eine, das All-Eine.

Eine zweite Stelle möchte ich Ihnen gerne noch präsentieren über die Frage auch von Raum und der Frage leerer Raum, gefüllter Raum, Vakuum, Nicht-Vakuum, Äther-Weltseele, und zwar aus einer Schrift, die erst in diesem Sammelband hier erstmalig übersetzt wurde, „De magia”, „Über die Magie”. Da gibt es einige wunderbare Passagen über die Frage des Vakuums, genauer gesagt, der Nichtexistenz des eigentlichen Vakuums. Ich lese mal diese Passage vor, weil sie auf eine sehr schöne Weise auch gleichzeitig noch mal ein Licht wirft auf das, was ich letzte Mal Ihnen erläutert habe und dargestellt habe über die Vorstellung Brunos in diesem Zusammenhang. Da heißt es in dem Abschnitt über die Vereinigung oder Gemeinschaft der Dinge in der Schrift „De magia”, „Über die Magie”, wir wissen nicht genau, wann die Schrift entstanden ist, ungefähr 1586 bis 1591. Bruno schreibt da: „Es ist erlaubt, eine Ursache anzunehmen und in Betracht zu ziehen, durch die nicht nur die Handlung in Bezug auf das Nächstgelegene, sondern auch in Bezug auf das gemäß der sinnlichen Wahrnehmung Entfernte bestimmt ist.” Nicht, es geht auch um die Frage der Fernwirkung. „Der Sache nach handelt es sich hier um einen Vorgang, der durch die Gemeinschaft des Universalen Geistes zustande gebracht wird, der ganz im Ganzen und in jedem Teil der Welt ist.” Das ist wichtig für die Brunosche Konzeption der Weltseele. Die Weltseele hat keine Teile, sondern die Welt- oder All-Seele ist in jedem Raum-Atom gleichsam, in jeder Monade ganz, das heißt in jedem Teil ist das Ganze nicht etwa ein Teil des Ganzen. Die Welt-Seele ist nicht in diesem Sinne teilbar. „Daher kommt es, dass sowie verschiedene Lichter im gleichen Raum ihre Bahnen ziehen, auch nach Potenz und Akt” – also potentia die Möglichkeit und actus die Wirklichkeit – „verschiedene Seelen ihrer begrenzten und unbegrenzten Zahl nach im Universum in einer Gemeinschaft verbunden werden. Die Figur der Körper aber wird nach der Art einer Umschreibung von einer eigenen Oberfläche oder Peripherie begrenzt, auch wenn die Körper ihrer verschiedenen unzähligen Teile nach aus verschiedenen und unzähligen Orten bestehen. Wenn wir Ort als Raum verstehen” – das geht auf Aristoteles zurück – „so kann ein Körper ebenso wenig auf einen Körper einwirken wie Materie auf Materie bzw. Teile eines Körpers auf die Teile eines anderen Körpers, sondern jede Aktion kommt von der Qualität, von der Form und letztlich aus der Seele.“ – Also Kurzform: Die Fernwirkung wird über die Weltseele vermittelt. – „Diese verändert zuerst die Dispositionen, damit dann die Dispositionen den Körper verändern.” – Also quasi ein zwischengeschaltetes Feld wird hier eingeführt. – „So wirkt der Körper auf einen entfernten und einen nahen Körper ein und auf seine eigentümlichen Teile, und zwar durch den gewissen Konsensus, die Copula,” – also Verbindung – „und Vereinigung, die die Form ist, die wiederum die Weltseele ist.” Bruno identifiziert häufig genug die Weltseele mit der universellen Form. „Weil deshalb jeder Körper von der Form gelenkt wird, bzw. die Teile von Teilen, die durch einen Spiritus” – Geist – „verbunden werden, wie es ja vorkommt, dass eine Seele auf eine andere, ihr nächste, überall und von überall einwirkt, so kommt es auch notwendigerweise vor, dass sie auf den Körper einwirkt wo immer sie auch sei, als auf das, was jener Seele zu Diensten steht, und ihr untersteht.” Diese Art von Wirkung in die Ferne in einem seelischen Sinne wird von Bruno ganz eng mit der Weltseele verbunden. Er liefert in diesem Buch, in diesem Büchlein „De magia” eine Art naturphilosophische Grundlegung der Magie, auch der Korrespondenzenlehre im Sinne der Renaissance-Philosophie, die damals, das habe ich ja angedeutet, ungeheuer verbreitet war. „Wer also diese unauflösliche Kontinuität der Seele, die mit einer gewissen Notwendigkeit an den Körper gebunden ist, erkannt hat, wird nicht nur auf mediokre Weise über ein Prinzip verfügen, um zu operieren und um auf wahrere Weise über die Natur der Dinge zu meditieren. Er wird auch hier sogleich den Grund dafür finden, warum es kein Vakuum gibt bzw. keinen Raum ohne Körper.” Das ist wichtig. Damit ist, werden wir gleich sehen, nicht gemeint, dass der Raum in Gänze angefüllt sei von physisch-sinnlichen Körpern. Das gibt auch den universalen feinstofflichen Körper, also „dass es kein Vakuum gibt bzw. keinen Raum ohne Körper. Es bewegt sich ja kein Körper aus einem Ort fort, ohne dass ein anderer nachrückte. Die Seele zwar verlässt ihren eigenen Körper nach dem Leben, den universalen Körper aber kann sie niemals verlassen. Oder, wenn du es so lieber sagen willst, sie kann nicht von dem universalen Körper verlassen werden. Die verlassene Seele nämlich, einfach oder zusammengesetzt, wird auf ein anderes Einfaches oder Zusammengesetztes übertragen, oder es wird die von einem Körper verlassene Seele von einem anderen Körper aufgenommen und gestützt.”

Das geht in die Lehre der Seelenwanderung, die Bruno auch zurückgreifend auf pythagoräische Vorstellungen Anderer in seiner Philosophie verarbeitet hat, ohne dass sie auf eine sehr starke Weise ein Hauptakzent wäre. „Sie hat einen unauflöslichen Nexus mit der universalen Materie, und weil ihre Natur überall ganz und kontinuierlich ist, nimmt sie wahr, dass die körperliche Natur überall zugleich mit ihr existiert. Daher der Schluss, dass es kein Vakuum geben kann als Raum ohne Körper. Dass also das Vakuum wie der Raum ist, in dem verschiedene Körper aufeinander nachfolgen und sich bewegen. Von da kommt auch die zusammenhängende Bewegung der Teile eines Körpers gegen die Teile eines anderen, nämlich durch den Raum” – jetzt eine wichtige Stelle – „durch den Raum als Kontinuum, das nirgends durch ein Vakuum unterbrochen ist, das zwischen zwei vollen Raumteilen wäre.” – Also der Raum als ein universell gefülltes Kontinuum. – „das nirgends durch ein Vakuum unterbrochen ist, das zwischen zwei vollen Räumen teilen wäre, außer wir nennen Vakuum Dasjenige, in dem eben kein sinnlich wahrnehmbarer Körper ist.” Das [raum]körperliche Kontinuum ist tatsächlich nicht sinnlich wahrnehmbar, das ist wichtig. „Es besteht nämlich in einem luftigen oder ätherischen Spiritus, Geist. Jener ist das Aktivste und Wirkungs­vollste sozusagen mit der Seele am meisten wegen seiner Ähnlichkeit mit ihr verbunden, aufgrund deren er mehr zurückweicht von der Dichte der schwerfälligen Substanz der zusammengesetzten und wahrnehmbaren Dinge.” – Und so weiter.

Dann führt Bruno ein bisschen später den Begriff des geistigen Körpers ein und identifiziert ihn mit dem universalen Körper und diesen wiederum in gewisser Weise mit dem Weltäther. Das sind Gedanken, die einen letztlich dazu bringen könnten, zu vermuten, dass Bruno den Raum als Äther denkt, dass er in gewisser Weise an Raum-Äther denkt, obwohl es in dieser expliziten Form nicht gesagt wird. Eine zweite kurze Stelle nochmal zu dieser Frage des Allzusammenhangs aus einem anderen Buch über die Monas, über die Einheit, über die Monade. Da heißt es: „Ein Seiendes, das die Formen der Dinge, das Leben und die Zahl umfasst, wird in einem unendlichen Kreis und in einer unendlichen Sphäre erkannt.” Eine bei Bruno kolossal wichtige Denkfigur, die Vorstellung einer unendlichen Kugel. Natürlich kann man sagen, die Kugel, per definitionem, ist und kann nur sein, eine endliche Kugel, eine unendliche Kugel kann es nicht geben, dann wäre sie keine Kugel mehr. Insofern ist es eine Metapher, wenn man so will, die sich selbst überschreitet. … „als ein Wahres, Ähnliches und Eines. Und du wirst nur das ein für sich selbst von allen Seiten her Bestehendes nennen, was in allen Teilen Gleiches ist. Freilich nennst du auch so das Unendliche, in dem du das Zentrum überall annimmst.”

Die berühmte Aussage: In einem unendlichen Raum ist das Zentrum in jedem einzelnen Raumpunkt, nämlich überall. Also die unendliche Kugel, wenn dann die Metapher einen Sinn macht, ist eine Kugel, deren Zentrum überall ist, eine Aussage übrigens, die [es] schon in etwas anderer Form in den hermetischen Schriften, in dem Corpus des Hermes Trismegistos gibt, auf die sich Bruno mehrfach bezieht. Das sind diese Schriften, auf die sich Bruno mehrfach bezieht, von denen man annimmt, dass sie aus dem zweiten, dritten, vierten nachchristlichen Jahrhundert stammen. Neuere Forschungen allerdings vermuten, dass die Schriften doch wesentlich älter sind, als man lange angenommen hat. „Der eine Kreis und die Kugel zeigen diese Natur in den Dingen auf vollkommene Weise an. Auch wenn wir ihre Bewegung betrachten und ihre Kraft, sich zu bewegen. Der Kreis ist das Fatum, das über allem mit seinem unbeugsamen Gesetz, nachdem sich auch die kontingenten Dinge in ihrer Gewissensfreiheit verbinden, manchmal in Bezug auf ihr Ziel. Das Fatum steht fest als etwas ganz Notwendiges, auch wenn sich der Wille der Natur und der Wille des Geistes widersprechen. Dort wurde nicht ein Ganzes, sondern Partikuläres ausgemacht. Ein Gesetz ist es, nachdem wir durch die Natur geflossen sind, von einem hohen Prinzip aus und indem wir uns erhalten mit Sinn und Ingenium Beschenkte und Lebendige. Schließlich werden wir im Rückfluss aus der dem Tode nahen Gegend zu unserem hohen Ursprung zurückgeführt.” Und so weiter.

Hier stellt Bruno dann seine Lehre dar, die er zum Teil auf Nicolaus von Cusa aufbaut, der Identität des Maximums und des Minimums. Das spielt ja auch in meiner eigenen Naturphilosophie-Kosmologie eine große Rolle. Das habe ich Ihnen ja versucht zu erläutern. Die Frage nämlich, ob in einem äußersten Verdichtungspunkt, wie Bruno das auch mehrfach erläutert, nicht ein Umschlag erfolgt. Es gibt ja bei Bruno eine kleine Schrift, ich habe das ja schon mal angedeutet, die den Titel trägt „De contrazione”, über die Zusammenziehung, und da stellt er dar eine geistige Übung, eine Art Exerzitium, eine Meditation, wenn man das so nennen will, wie der Einzelne meditativ konzentrativ in der Lage ist, von der Kugelperipherie zunehmend weiter ins Innere zu kommen, und wenn das Bewusstsein das geschafft hat, sich ganz in den Mittelpunkt der Kugel zurückzuziehen und quasi in diesen Einheitspunkt, diesen magischen, gleichsam implodierenden Punkt, dann verstrahlt das Bewusstsein in die Unendlichkeit des Alls. Er bringt immer wieder solche meditativ orientierten Bilder in diesem Zusammenhang, sodass man vermuten kann, dass er viele seiner philosophischen Konzeptionen aus derartigen, wenn man es so nennen will, Exerzitien mit gewonnen hat, also die Kontraktion als eine ganz wichtige Grundfigur, also die äußerste Zusammenziehung auf einen Punkt lässt die gesamte Strahlkraft, die unendlichen Radien dieser Kugel in diesem einen Punkt implodieren, und dann folgt die Strahlung in die Unendlichkeit des Alls hinein.

Die Zusammenhänge von Weltseele und Weltäther, ich habe das schon gesagt, sind sehr schwer argumentativ und restlos schlüssig auf den Punkt zu bringen. Ich glaube nicht, dass das im Moment möglich ist. Man muss da gewisse Unschärfen zur Kenntnis nehmen und auch stehenlassen. In Gesprächen ist mir immer wieder deutlich geworden, dass es hier eine grundlegende Barriere gibt, auch in der sprachlichen Fassung. Ich habe das ja schon im Hinblick auf die Weltseele genannt [benannt]. Wenn man fragt: Was ist genau, begrifflich präzise, sagen wir mal auch im Sinne der Hegelschen Logik, die Weltseele, dann muss man diese Unschärfe lassen, dann kann man im Kontext dieser logischen Zirkel diese Frage nicht klären. Es ist insofern kein Zufall, dass aus dem Kontext dieser logischen Zirkel eigentlich der Begriff „Weltseele” eher eliminiert wird. Also ich sage es nochmal, Weltseele mit einer gewissen Unschärfe, mit einer ganz bewussten Unschärfe, eine Art Universal­begriff für die Existenz, für die reale, für die wirkliche Existenz des Alllebendigen im Universum. Das ist gemeint. Und diesen Begriff nun noch weiter zu pressen, in gewisser Weise, ihn noch zu präzisieren in einer logisch-argumentativen Weise wird nicht gehen, geht jedenfalls im Moment nicht und muss so stehenbleiben.

Genauso schwierig ist natürlich die Frage einer restlosen Klärung und begrifflichen Fixierung dessen, was Weltgeist sein soll. Ich habe ja vorhin schon angedeutet, dass man einen gewissen Grad von objektivem Idealismus in jeder Naturphilosophie voraussetzen muss. Ich muss als Jemand, der den Kosmos, der das Universum betrachtet, bis zu einem gewissen Sinne davon ausgehen, dass mir da draußen tatsächlich ein Geist antwortet, dass eine gewisse Korrespondenz besteht zwischen diesem Geist und mir selber. Wenn ich das in einem absoluten Sinne verneine und sage, das ist nicht der Fall, es gibt diesen Geist nicht, es gibt dieses Korrespondierende, dieses antwortende Bewusstsein nicht, bin ich zurückge­worfen auf mich selbst und bleibe letztlich im Zirkel meiner eigenen Projektion stecken, dann komme ich nicht raus aus dem Zirkel. Ich muss in gewisser Weise die Prämisse machen, das ist eine Prämisse, dass so etwas wie Geist tatsächlich in der Welt vorhanden ist und zwar wirklich vorhanden ist. Und dann ist die nächste Frage, die ich ja auch verschiedentlich in dem Semester angesprochen habe, muss man dann den nächsten Schritt gehen und sagen: Geist lässt sich nicht denken, Bewusstsein lässt sich nicht denken ohne ein Wesen, ohne Wesen, jetzt Plural, die diesen Geist, das Bewusstsein haben.

Das hatten wir ja schon auch in der letzten Stunde in der Diskussion, die Frage mit dem Träger dieses Bewusstseins. Dann könnte man den nächsten Schritt wagen, zu sagen, diese Geistqualität in der Welt da draußen im Universum ist auch zugleich ein Hinweis auf Wesen, auf Existenzen, auf seelisch geistige Wirklichkeiten und Wirkkräfte. Das ist natürlich ein Schritt, der nicht unbedingt mit dem Hinweis auf den objektiven Idealismus abgedeckt ist, aber der möglich ist. Dann wäre man also völlig in einem vollkommen anderen Universum. Wenn man diesen Schritt vollziehen möchte, dann wäre man im brunoischen Sinne in einem allbelebten Universum, in einem von brodelndem Leben erfüllten Universum, was tatsächlich auf vielfältige Weise auch Wesenheiten enthält und geradezu konstituiert wird durch diese Wesenheiten. Dann wären auch die Gestirne, wie ich das ja mehrfach auch angedeutet habe, große götterähnliche Wesenheiten mit einem quasi kosmischen Bewusstsein. Dann ist alles anders. Dann wäre man schlagartig in einer vollkommen anderen Welt. Und das ist nicht ausgeschlossen, dass der Punkt kommen könnte in der Bewusstseinsgeschichte der Menschheit, sage ich mal prognostisch, wenn wir uns nicht selber vorher zerstören, dass das tatsächlich auch erreicht wird, dass man tatsächlich an den Punkt kommt, wo man begreifen wird, dass wenn man in dieses All hinauf- oder hineinblickt, in ein Bewusstsein hineinblickt, in ein lebendiges, auch wesenhaftes Bewusstsein. Und es ist natürlich eine vollkommen andere Blickperspektive, die dann in die Betrachtung kommt, als wenn ich mich als einsames, isoliertes Individuum in einem betäubenden Nichts betrachte, in einem Raum-Nichts, das irgendwo rätselhaft verstrickt ist in eine Außenwelt, die überhaupt nichts von mir weiß, die mich nicht kennt, nicht will, im Sinne dessen, was ich manchmal nenne das Du-bist-nicht-gemeint-Universum, also das Du-bist-nicht-gemeint-Universum, dann kann der Mensch nur, und ist dann auch nur, ein Zigeuner am Rande sein, wie es Jacques Monod gesagt hat, dann ist er nicht gemeint. Dann ist er hinaufgewirbelt in einem Zufallsprozess, in eine monströse Kulisse hineingestellt, wo er dann, wenn er konsequent wäre, sich auch nur daraus verabschieden kann, dann kann er sozusagen nur in die innere Emigration wandern. Dieses Universum kann da nicht seine Heimat sein, aber das ist noch nicht ausgemacht.

Insofern ist es in gewisser Weise verständlich, wenn viele Intellektuelle, ich sage ja spätestens seit Nietzsche, genau diese Emigration vollzogen haben. Ich habe das ja angedeutet, bis hin zu Sloterdijk, der ganz explizit sagt: Wer als Intellektueller heute ernst genommen werden will und beschäftigt sich mit kosmologischen Fragen mit einer gewissen Leidenschaft, was ich ja, wie Sie wissen, auch tue, der ist gar nicht ernstzunehmen. Das ist natürlich ein radikales Verdikt über Denken über [das] Universum überhaupt. Das hat zu dieser ungeheuren Spaltung geführt, dass philosophische Intellektuelle sich mit diesen Fragen überhaupt nicht mehr beschäftigen, dieses Heft vollkommen abgegeben haben an die Physik, Astrophysik, Astronomie, Kosmologie. Das ist schade. Das ist eine verhängnis­volle Schere. Und mein Bemühen seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, besteht ja darin, das zusammenzuführen. Und da sehe ich auch eine Chance für die Philosophie. Ich habe das gerade nochmal mit einem längeren Gespräch mit einem Journalisten ventiliert den Gedanken, dass gerade da eigentlich die Philosophie eine große Chance hätte, wenn sie überhaupt noch einen Sinn haben soll, wenn sie nicht vollkommen abdanken will und sozusagen das Feld frei lässt für die reduktionistische Physik mit ihren Anreicherungen, was weiß ich, durch New Age und spirituelle Physik, Dao der Physik und was nicht alles, aber letztlich sich vollkommen rausnimmt oder sich verstrickt in, was weiß ich, hegel­ianisch-logische Zirkelspiele, was auch nichts bringt, also nach meiner Überzeugung.

Also, es wäre wirklich die Philosophie nochmal aufgerufen, einen neuen Beitrag zu leisten für diese Frage, die ich eingangs gestellt habe: Wo sind wir? In was für einem Universum leben wir eigentlich? Das kann ja letztlich keinem Menschen gleichgültig sein. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ein Mensch das mit Gleichgültigkeit betrach­tet, wie die Dinge sind, wie er in den Dingen steht, in welchem Universum er sich befindet.

Er kann die Frage ausklammern, er kann sagen, die Frage ist letztlich eine religiöse Frage, die ist gar nicht zu klären von der Wissenschaft, dass Denkmuster kapitulieren. Man kann da glauben oder nicht glauben. Das ist eine andere Frage. Aber es gibt auch eine Dimension von Erkenntnis, die über die Glaubensebene hinausreicht. Und da sind wir, glaube ich aufgerufen, was zu leisten, und da ist noch viel zu leisten. Und da finde ich, dass da etwa der Philosoph Giordano Bruno eine wichtige Rolle spielen kann. Und ich bin gespannt, was zu dem 400. Todestag, der ja bald kommt, in der sogenannten Öffentlichkeit sich ereignet. Da werde ich ja auch ein bisschen dran beteiligt sein, wie sich das gestaltet. Also wenn ich den Text lese, der da in der Ankündigung des Urania-Vortrages steht, also wenn ich diesen Text mir angucke, dann kann man immerhin vermuten, dass da bestimmte Gedanken diese Richtung geäußert werden. Zumindest scheint man begriffen zu haben, dass die Frage nach einem lebendigen Universum wirklich eine zentrale Frage ist. Aber ich habe schon angedeutet, ob ich zu dem Vortrag, ob ich mich da in den Saal setze, wahrscheinlich nicht, aus verschiedenen und durchaus verständlichen oder naheliegenden Gründen werde ich das wahrscheinlich nicht tun. Auf jeden Fall, die Frage bleibt auf der Tagesordnung und ist vielleicht mehr denn je auf der Tagesordnung. Und wenn diese Vorlesungsreihe, die ja noch eine weitere Vorlesung in der nächsten Woche enthält, ein bisschen, sagen wir mal, ein Ahnen in der Richtung vermittelt hat, wäre das schon viel. Denn mehr als das kann es nicht sein, ein Ahnen zu vermitteln, dass die Frage nach der eigenen Existenz im Universum noch einmal ganz neu grundlegend gestellt werden muss. Man kann nicht einfach das abgeben an die reduktionistische Naturwissenschaft-Kosmologie. Die hat da im Grunde keine wirklichen Antworten oder zieht sich aus den wirklichen Antworten heraus, stellt schon gar nicht mal die Fragen und delegiert es von vornherein an die Glaubensfakultät. Kann sein, kann nicht sein, kann man glauben, muss man nicht glauben, nach dem berühmten Muster. Ich glaube, das ist zu kurz gedacht und das heißt, das Denken nun wirklich zu klein machen. Ich denke, da hat das wirkliche Denken eine große Chance und in dieser Richtung habe ich bisher gearbeitet und werde auch weiter in der Richtung arbeiten.

* * * * * * *

Giordano Bruno zum 400. Todestag

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000 Dozent: Jochen Kirchhoff

Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 33

Transkript als PDF:


* * * * * * *

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich, wie immer zu der nunmehr elften Vorlesung in diesem Wintersemester. Thema ist heute ein konkreter Anlass, der eigentlich erst den 17. Februar 2000 berührt, nämlich der 400. Tag der Ermordung, muss man sagen, Giordano Brunos durch die Inquisition am 17. Februar 1600.

Zuvor, hier liegen wie immer Kassetten-Mitschnitte der letzten anderthalb Jahre aus. Sie können das käuflich erwerben. Das kostet vier Mark. Das steht Ihnen zur Verfügung. Dann habe ich zwei kurze Ansagen. Ich habe Anrufe bekommen, ich soll das auslegen. Ich identifiziere mich nicht damit, aber es könnte für den Einen oder Anderen von Interesse sein. Da gibt es eine Vortragsreihe über Buddhismus, die hier startet, an der Humboldt-Universität am dritten Februar. Das liegt hier aus; und eine weitere Veranstaltung in Rottenburg, auch bezogen auf einen Anruf, den ich … immer es war, damit ist der Sache Genüge getan. Wir müssen da nicht weiter ins Detail hineingehen.

Der Gedanke … oder das Gedenken an Giordano Bruno kommt in diesen Wochen sehr zögernd, sehr mühsam ins Rollen, was mich wundert. Es wäre eigentlich zu erwarten, dass in der Presse, im Rundfunk, im Fernsehen schon in irgendeiner Form etwas geschieht. Bisher ist das nicht der Fall. Meine Bemühungen beim Rundfunk, da etwas zu tun, sind bislang gescheitert. In der Urania, wo ich ja langjähriger Dozent bin, hat man mir mitgeteilt, es gäbe bereits für den 17. Februar einen Vortrag. Der ist schon festgelegt, müsste bald im Programm erscheinen. Also ich werde da nicht auftreten, was ich ursprünglich wollte. Und so beschränke ich mich auf einige Zeitschriftenbeiträge und auf diesen jetzigen Vortrag, der in gewisser Weise vorgezogen ist.

Ich will versuchen, Ihnen in kurzer Form etwas zu vermitteln von der ungeheuren Brisanz, der revolutionären Einzigartigkeit dieses Denkens, das auch für heute, für die Jetztzeit, nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Es ist hier ein sehr naheliegender Gedanke zu sagen: Da hat es einen Philosophen gegeben vor über 400 Jahren, dieser Philosoph ist, da ursprünglich Dominikaner und dann als Ketzer gebrandmarkt, in Rom verbrannt worden. Das sei sozusagen eine Thematik von vorgestern. Und Bruno wird ja in vielen Darstellungen der Philosophie und der Naturwissenschaft als bedeutender Denker gewürdigt, aber immer mit gewissen Einschränkungen.

Die Naturwissenschaftler zum Beispiel sagen, Bruno sei sicherlich wichtig. Man kann auch kaum leugnen, dass er wesentliche Gedankenimpulse weitervermittelt hat, etwa an Galilei, an Kepler, auch an Newton, überhaupt an die spätere Astronomie, auch Astrophysik. Aber meistens kommt dann eine Einschränkung: dass Bruno im Grunde genommen nicht wirklich Naturwissenschaftler gewesen sei. Er sei quasi Poet gewesen, letztlich ein Schwärmer, ein Mystiker, wie es auch manchmal heißt. Sie kennen vielleicht das berühmte Wort des Philosophen Ernst Bloch, der Bruno sehr schätzte, sehr verehrte, der gesagt hat in seiner „Geschichte zur Philosophie der Renaissance“: Bruno sei ein Minnesänger der Unendlichkeit. Das war positiv gemeint, hat natürlich eine gewisse, sagen wir mal, ironische oder spöttische Konnotation ‒ ein Minnesänger der Unendlichkeit. In vielen Darstellungen erscheint Bruno als ein Quasi-Mystiker.

Jetzt gerade wieder vor einigen Wochen ist ein Büchlein erschienen über Bruno von Gerhard Wehr im dtv-Verlag. Ich habe das überflogen, weil da im Wesentlichen nichts Neues für mich drinsteht. Aber mir ist aufgefallen, dass auch da wieder die Komponente des Mystischen herausgestellt wird. Und, auch bezeichnend, und das muss man im Vorfeld sagen, die eigentlich nicht christliche, um nicht zu sagen antichristliche Haltung Brunos, an der überhaupt kein Zweifel ist. Diese antichristliche Haltung wird runtergespielt, wird als eine Konfrontation dargestellt, die nur der Kirche gegolten habe. Das stimmt nicht. Das kann man sehr genau an den Zeugnissen belegen, dass, wie das Hans Blumenberg mal gesagt hat, ein guter Bruno-Kenner, dass die Bruno’sche Kosmologie ins Zentrum, in die Substanz des christlichen Glaubens reicht und dieses Zentrum, die Substanz, attackiert und zwar sehr scharf attackiert und nicht die historische Form, in der der christliche Glauben in den Kirchen sich manifestiert hat.

Dann natürlich ist es klar, dass im Rahmen der Philosophie auch Bruno immer wieder Erwähnung findet. Auch hier findet man eine ähnliche, sagen wir mal, Relativierung. Es wird nicht bestritten, dass Bruno ein wichtiger Denker sei, er hat seinen Platz in der Philosophiegeschichte, etwa in der Reihe beim Eugen Diederichs Verlag, herausgegeben von Peter Sloterdijk. Da werden 19 der wichtigsten Philosophen vorgestellt, unter anderem eben ein Band über Giordano Bruno. Eine sehr schöne Auswahl aus seinem Werk, zum Teil bis dato noch kaum übersetzt, noch nicht übersetzte lateinische Schriften. Also er wird herausgestellt, aber: In vielen Philosophiegeschichten taucht Bruno auf als ein Denker, der letztendlich auch eine Art mystischer Denker gewesen sei mit irrationalistischen Zügen, der nicht scharf, nicht präzise, nicht begrifflich exakt zu denken vermochte. Man bezieht sich dann auf seine oft recht blumige Sprache. Er war Italiener. Vor allen Dingen in seinen italienischen Schriften favorisiert Bruno eine ungeheuer bilderkräftige Sprache, die tatsächlich etwas Poetisches hat, aber im guten Sinne poetisch ist. Und das wird gegen Bruno ausgespielt. Also Brunos Bedeutung wird nicht bestritten, aber er wird letztlich als eine doch mehr oder weniger nur noch historisch bedeutsame Figur hingestellt.

Die dritte große Strömung im Abendland, die sich auf Bruno bezieht, ist natürlich die religiöse Strömung, vor allen Dingen hier die christliche, die christlichen Kirchen. Die tun sich nun in der Tat am allerschwersten mit Bruno. Für die katholische Kirche ist bis heute Giordano Bruno ein Todfeind. Daran muss man überhaupt nichts beschönigen oder verkleinern oder bagatellisieren. Sie werden das erleben, ich sage das voraus für den 17. Februar in Italien, in welcher Form die katholische Kirche dieses Datums gedenken wird. Man hat Galilei, wie Sie wissen, rehabilitiert. Johannes Paul II. hat Galilei rehabilitiert, eigentlich ein Absurdum ‒ wer rehabilitiert da eigentlich wen? Er hat Galilei rehabilitiert ‒ Bruno ist nie rehabilitiert worden und seine Schriften haben bis zum Jahre 1965, als der index librorum prohibitorum, das Verzeichnis der verbotenen Bücher, aufgelöst wurde, auf diesem Index gestanden. Und ich habe mir mal die Mühe gemacht vor Jahren, Lexikon-Artikel nachzuschlagen in Kirchen-Lexika über Bruno. Da stehen unglaub­liche, hanebüchene Dinge drin, eine Herabwürdigung auch der denkerischen Leistung. Noch vor 100 Jahren, als es um die Frage gehen sollte, soll in Rom ein Denkmal errichtet werden, das ist ja 1889 geschehen, hat die Kirche versucht, diesen Mord, diesen Justizmord überhaupt zu leugnen. Bruno sei nie umgebracht worden.

In der protestantischen Kirche ist es nicht wesentlich besser, es ist anders, aber … zumal auch Bruno ein großer Verehrer von Luther war, er hatte in seinen Reden immer wieder darauf hingewiesen, dass Luther für ihn ein wichtiger, bedeutender, auch revolu­tionärer Geist sei. Aber auch da tut man sich sehr schwer, diesen Denker einzuordnen. Kurzum, Bruno ist in gewisser Weise ein Ärgernis geblieben. Und so haben sich relativ wenige Denker, Philosophen, Wissenschaftler direkt und unmittelbar auf ihn bezogen, haben versucht, ihn weiterzudenken, ihn wirklich konsequent weiterzudenken. Von den heutigen Denkern, Philosophen bin ich offenbar der Einzige überhaupt, der das macht.

Ich will jetzt erst einmal in kurzer Form die Situation schildern, wie sie vor 400 Jahren war, damit sie auch mal ein bisschen den historischen Hintergrund haben, obwohl ich das relativ knapp halten will, weil es mir nicht primär um eine historische Darstellung geht. Wenn man das wirklich differenziert machen würde, würden die beiden Stunden dieser Vorlesung hier damit verbracht werden. Und das ist nicht der Fokus. Der Fokus ist eher die Bedeutung Brunos für die Kosmologie heute und für das ganze Verhältnis Mensch-Kosmos. Das will ich noch vorab sagen, dass [das] ein zentral wichtiges Thema ist und gerade heute, gerade in den letzten Jahren, von einer ungeheuren Aktualität und Brisanz ist und zunehmend aktueller und brisanter wird. Und gerade da ist Bruno ein ungeheuer wichtiger Kronzeuge für eine bestimmte Form von, im guten Sinn, im besten Sinne des Wortes, ganzheitlichem, kosmologischem, sehr lebendigem oder auch integralem Denken. Was geschah vor 400 Jahren? Jetzt mal historisch. ‒ An diesem 17. Februar des Jahres 1600 wurde Bruno auf dem Blumenplatz, [dem] Campo dei Fiori in Rom bei lebendigem Leibe verbrannt. Warum hat die Kirche einen Mann hingerichtet, genauer gesagt: ermordet auf brutale Weise? Was war ihm vorzuwerfen, was war der Grund? Kurz, warum wurde Bruno ermordet? Was führte dazu? Die Frage ist nicht in letzter Sicherheit zu beantworten, und zwar deswegen nicht, weil die Prozessakten verschwunden sind. Wir haben also nicht die Akten des Prozesses mit allen Details. Wir wissen, es hat in den langen Jahren der Kerkerhaft Brunos, Bruno war ja ein Jahr in Venedig in Kerkerhaft und dann sieben Jahre in Rom, man hat wiederholt Befragungen Brunos durchgeführt. Unter anderem war maßgebend bei diesen Befragungen beteiligt der Kardinal Bellarmino, der dann auch in den ersten Gesprächen mit Galileo 1616 eine Rolle spielte. Also man hat viele Befragungen durchgeführt. Es ist auch einiges durchgesickert, was der Gegenstand dieser Befragungen war. Aber wir wissen letztlich nicht genau, was die zentralen Punkte der Anklage waren. Bruno hat noch einige Wochen vor seinem Tode, er bekam da die Gelegenheit, etwas aufzuschreiben ‒ normalerweise durfte er nichts aufschreiben im Kerker ‒ eine kurze Schrift abgefasst und diese dem Papst öffentlich übergeben. Diese ist aber, wie ein Chronist bemerkt, ungelesen beiseite gelegt worden. Wir wissen nicht, was in der Schrift dringestanden hat.

Wenn man die gesamte Situation sich vergegenwärtigt, dann kommt man auf zwei Punkte, die mit großer Wahrscheinlichkeit den Anstoß gegeben haben. Nicht, dabei ist, entgegen einer verbreiteten irrigen Überzeugung, der Kopernikanismus. Bruno ist nicht als ein Märtyrer des Kopernikanismus auf dem Scheiterhaufen gelandet. Den Koperni­kanismus, die Lehre des Kopernikus, hat die Kirche bis zu diesem Zeitpunkt relativ gelassen betrachtet, entgegen dem, was in vielen Büchern geschrieben wird, aus einer ganz anderen Perspektive heraus. Dazu will ich nachher noch einiges sagen. Also die Kirche hat die Lehre des Kopernikus teils völlig missachtet, teils mit einer gewissen Gelassenheit betrachtet, und zwar im Sinne der Lehre von der doppelten Wahrheit: Es gibt eine religiöse Wahrheit, das glaubte die Kirche, [das] sei die von ihnen vertretene. Und dann gibt es eine davon abgetrennte philosophische Wahrheit. Also das war es nicht. Was war es dann?

Es war, wenn wir den Dokumenten glauben können, auch wenn man die Schriften Brunos sich anschaut, erstens, der Gedanke der Unendlichkeit des Weltalls, und zwar die Unendlichkeit des Weltalls als eines allbeseelten, als eines alllebendigen, als eines von unvorstellbar vielfältiger Intelligenz und Leben erfüllten Universums. Das war ein Punkt, der in den Gesprächen, die Bruno geführt hat mit den Kardinälen, soweit wir davon wissen, immer wieder angesprochen wurde, er solle Abstand nehmen von dem Wahn, von dem Wahn der vielen Welten. In diesem Zusammenhang kam nicht vor die Bewegung der Erde, ob sich die Erde um die Sonne bewegt, ob sie um ihre Achse rotiert und Ähnliches war überhaupt kein Thema in diesen Auseinandersetzungen. Man könnte sogar soweit gehen zu sagen, dieser Platztausch, den Kopernikus vorgenommen hatte von Erde und Sonne, war durchaus kompatibel mit dem katholischen dogmatischen System.

Die zweite Komponente betraf seine radikal antichristliche Haltung. Soweit wir wissen, hat da vor allen Dingen ein Buch eine Rolle gespielt, das bis heute zu den ganz großen Raritäten auf dem Büchermarkt gehört. Es ist nicht zu bekommen auf dem Büchermarkt, oder ganz schwer nur, man muss sehr große Mühe darauf verwenden, die Schrift ,Spacio della Bestia trionfante‘, zu deutsch ,Die Vertreibung der triumphierenden Bestie‘. Das ist eine große, sagen wir mal, moralische Allegorie, die davon ausgeht, dass die 48 Sternbilder gleichsam negative Eigenschaften, Laster, Fehler, Irrtümer verkörpern, und dass man in einer umwälzenden Revolution des Himmels nun alle diese Laster, Irrtümer, Fehler durch Tugenden, durch Wahrheit ersetzen müsste. Und in diesem Zusammenhang wird auch erwähnt der Grieche Orion, und wer den Text genauer liest, ich kann gerne, wenn das irgendwie infrage steht, das betreffende Zitat auch vorlesen, ich habe es in meinem Bruno-Büchlein auch gebracht, dieser Orion wird mit scharfen Worten attackiert, verspottet, angegriffen, dieser Orion ist Jesus von Nazareth selber. Es ist also gar kein Zweifel daran, dass Bruno zu den wenigen Kritikern des Christentums gehört, die auch den Stifter mitkritisiert haben. Das ist ein Skandal, auch heute noch für viele Christen, sie können sich damit nicht abfinden, wie wir … ich habe immer wieder, ja auch im Laufe der Jahre mit Lesern auch damals meine Biografie, Monografie gesprochen, die das gar nicht verstehen können und die sich dieser … Da hat wohl Bruno in irgendeiner Form einen kardinalen Irrtum begangen.

Aber es ist so, Bruno attackiert das Christentum nicht nur im Sinne der katholischen kirchlichen Institutionen, sondern er attackiert das Christentum im Kern. Es gibt sehr scharfe Worte über den Jesus von Nazareth, die er auch im privaten Gespräch, wie man aus Denunziantenberichten weiß, immer wiederholt hat. Und da könnte mal eine Stelle vielleicht als Beispiel dienen, die das untermauert. Ich sage noch mal, es gab zwei Gründe. Der eine Grund war die aktuale Alllebendigkeit des Universums und die Unendlichkeit. Das zweite war die radikale Frontstellung gegen das Christentum, wobei das Christentum im Kern, in der Substanz tatsächlich getroffen wurde. Dieses Buch ist nicht umsonst über die Jahrhunderte hinweg ein Skandal gewesen und ist auch heute noch, würde ich sagen, für Jeden, der das vorurteilsfrei liest, ein Schock. Wenn man nicht verblendet ist und gleich Abwehr entfaltet, muss man das erst einmal so zur Kenntnis nehmen. Das ist erstaunlich und verblüffend und auch wirklich skandalös, in einem jetzt mal wertfreien Sinne gesprochen. Es gibt verschiedene Äußerungen von Denunzianten, die das der Inquisition weitergetragen haben, dass Bruno solche Dinge auch im privaten Gespräch geäußert hat, das muss man sich mal vorstellen. Das, was ich jetzt vorlese, stammt aus dem Jahre 1591, dass ein Philosoph allen Ernstes im privaten Gespräch, als er sich unbelauscht fühlte, in unfassbarem Leichtsinn eigentlich, eine unfassbare Naivität, solche Dinge äußerte in Venedig, wo das der Boden der Gegenreformation war, die in mächtiger Form natürlich versuchte, den verlorenen, gegen die Reformation verlorenen Boden zurückzugewinnen und überall Spitzel hatte.

Er ist einem Spitzel auf geradezu unsagbar naive Weise auf den Leim gegangen, diesem venezianischen Adligen Giovanni Mocenigo, der ja einen legendären Ruf und Ruhm dadurch erlangt hat. Der schreibt in seinem ersten Denunziationsschreiben vom 23. Mai 1592. Wilhelm Reich zum Beispiel, der späte Wilhelm Reich, war ein glühender Bewun­derer von Bruno und bezieht sich auch immer wieder auf diese Schlüsselszenen, auch mit Mocenigo. Mocenigo schreibt, 23. Mai 1592: „Ich denunziere Ihnen hochwürdige Vater, gezwungen von meinem Gewissen und auf Befehl meines Beichtvater, dass ich den Giordano Bruno aus Nola bei verschiedenen Gelegenheiten, indem er sich mit mir in meinem Hause unterhielt, sagen hörte, es sei ein großer Blödsinn seitens der Katholiken zu behaupten, das Brot verwandele sich in Fleisch, er sei ein Feind der Religion, er sei ein Feind der Messe. Ihm gefalle keine Religion. Christus sei ein Betrüger gewesen und habe, wenn er, um das Volk zu verführen, betrügerische Werke ausübte, leicht voraussagen können, dass man ihn hängen werde. Es gebe unzählige Welten, und Gott schaffe deren unaufhörlich unzählige, denn er behauptet, Gott wolle auch alles, was er kann. Christus habe nur scheinbare Wunder verrichtet und sei ein Magier gewesen. Die Seelen, die von der Natur geschaffen würden, wanderten von einem Tier zum anderen, und wie die niederen Tiere aus der Verwesung entstehen, so entstünden auch die Menschen, so oft sie nach den Fluten ins Leben zurückkehren. Unser katholischer Glaube sei voll von Lästerung gegen die Majestät Gottes. Man müsse den Brüdern die Lehrtätigkeit und überhaupt das Einkommen wegnehmen, da sie die Welt beschmutzen und alle Esel seien, und unsere Ansichten seien die Ansichten von Eseln.“ ‒

Wer die Schriften Brunos liest, der weiß einfach, dass diese Dinge genau so gesagt worden sind. Selbst der Hinweis auf die Seelenwanderung, hier Reinkarnation, ist korrekt. Ungenau wiedergegeben in der Paraphrase, in diesem Denunziationsschreiben aber voll­kommen korrekt. Die Metapher des Esels spielt bei Bruno eine ganz große Rolle. Er hat eine eigene kleine satirische Schrift geschrieben über den Esel, und der Esel wird immer wieder herangezogen, um akademische Ignoranz und Dummheit zu geißeln. Also das ist …, daran kann kein Zweifel bestehen. Wir wissen übrigens auch, dass Bruno seinen Mitgefangenen schon in Venedig, in der Kerkerhaft in Venedig, sehr freimütig viele von diesen Dingen erzählt hat. Einige, selbst Angeklagte der Inquisition, haben das dann den zuständigen Inquisitoren weitererzählt, in der armseligen Hoffnung, sich selbst zu retten, den Anderen zu denunzieren: Der ist noch furchtbarer als ich selber, damit ich mich rette. Das ist überliefert worden. So sind diese Gedanken zum Teil dann auch noch weiter getragen worden. Allerdings, soweit wir das aus den Quellen wissen, hat keiner dieser Betreffenden, die da versucht haben, ihr Leben zu retten, auf diese Weise etwas davon gehabt. Sie sind alle genauso umgebracht worden durch die Inquisition. Also sie haben sich selber nicht gerettet mit dieser erbärmlichen Denunziation.

Einer der besten Kenner Brunos in Italien, heute wahrscheinlich der beste Kenner Brunos, ist der Italiener Anacleto Verrecchia, mit dem ich seit kurzem in regem Kontakt stehe. Wir haben jetzt zum ersten Mal länger telefoniert und wollen uns in Kürze treffen in Wien. Und er will sich auch einsetzen, dass mein neues Buch ins Italienische übersetzt wird. Und er schreibt zu dem Punkt, das Buch ist 1999 erschienen, „Giordano Bruno – Nachtfalter des Geistes“, eine exzellente Biographie Brunos. Er schreibt in diesem Buch: „Manche seiner satirischen Attacken gegen das Christentum, zum Beispiel im ,Spacio‘, also ,Vertreibung der triumphierenden Bestie‘, sind noch vernichtender als jene von Voltaire. Sie sind aber auch radikaler als die Kritik Nietzsches. Denn sie schonen nicht einmal die Figur Christi, der im Gewand des Orion der Satire ausgeliefert wird. Sie erinnern eher an die antichristliche Kritik eines Celsus oder des Kaisers Julian, des berühmten Kaisers Julian Apostata. Wenn man genau hinsieht, ist die ganze Philosophie Brunos radikal antichristlich.“

Soweit also Anacleto Verrecchia. Wenn Sie eine Biographie lesen wollen, mein Büchlein von damals ist ja keine Biografie, ist ja eine Monografie, der biographische Teil ist ja nur ein kleiner Teil daraus, dann kann ich Ihnen unbedingt den Anacleto Verrecchia empfehlen, der mit einer ungeheuer differenzierten Recherche, nun würde ich behaupten, die zentrale, gewisserweise die Standard-Biographie von Giordano Bruno vorgelegt hat, die in gewisser Weise bisher gefehlt hat. Also, Bruno wurde angeklagt, behauptet zu haben, der Kosmos ist unendlich, überall gibt es lebendiges Wesen, es gibt überall lebendige Intelligenz. Warum war das ein Skandal für das Christentum? Naheliegenderweise, weil, wenn das so ist, wenn wir sozusagen umgeben sind von einem brodelnden Leben, wenn überall auf den verschiedensten Ebenen, in den verschiedensten Seinsformen, Intelligenz, intelligentes Leben existiert, dann ist die Einzigartigkeit der Erde dahin und natürlich auch die Einzigartigkeit dieser Religion. Und es ist kein Zufall, dass im Zusammenhang mit dieser Kontroverse gerade von christlicher, auch kirchlicher Seite die Urknalltheorie gerne herangezogen wird. Sie wissen, dass ich sie scharf kritisiere, dass die Urknalltheorie herangezogen wird, um gerade die christliche Schöpfung mit zu untermauern und die moderne Kosmologie in ihrer Grundüberzeugung, dass Leben nur oasenhaft da ist, wird herangezogen und geradezu favorisiert, begeistert aufgegriffen. Ich erinnere mich an eine lange Diskussion, die ich hatte vor 30 Jahren mit einem Pfarrer über diesen Punkt. Er sagte: Was wollen Sie denn? Es ist doch ganz klar und nun mittlerweile zweifelsfrei erwiesen, dass wir wahrscheinlich, das sagte er Mitte der 60er Jahre, allein sind im Universum. Dann ist das Ganze ja nur eine gigantische Veranstaltung, dann sind wir doch zentral, und dann ist das Christentum eben zentral. Dann müssen wir uns gar nicht damit beschäftigen, dass es vielleicht nur eine provinzielle Angelegenheit sei. Das war ein Einwand, der erst mal sehr stark war. Und die schroffe Kritik am Christentum tat das ihre.

Bruno hat auch andere, nicht nur die katholische Version, auch die calvinistische und die protestantische Version kennengelernt. Er war längere Zeit in Genf. Ich will jetzt kurz etwas zur Biographie sagen, und ist auch da in Ungnade gefallen, in den Kerker geworfen worden, hat dann Genf verlassen. Am gnädigsten mit ihm verfahren sind dann die Protestanten in Wittenberg, in der Luther- und Melanchthon-Nachfolge. Was insofern eigenartig ist, als gerade die Protestanten zunächst Diejenigen waren, die den Koperni­kanismus, als dessen revolutionären Vollender ja Bruno sich selbst sah, ganz scharf abgelehnt haben. Sie wissen ja vielleicht, dass Luther darüber spottete und auf Bibelstellen hinwies, die dem widersprechen. Auch Melanchthon tat das. Also was war vorausgegangen, jetzt rein biographisch? Ich will das in aller Knappheit skizzieren, um das zu verdeutlichen, wie kam das, dass Bruno in die Fänge der Inquisition geraten konnte?

Bruno ist 1548 geboren, wahrscheinlich im Januar oder Februar, wir wissen es nicht genau. Nur mal zum historischen Kontext: Galilei, Galileo Galilei, 1564 ‒ also ungefähr ein Generationsgenosse. Galileo ist ein bisschen jünger, Kepler 1570, nur um, dass Sie mal den Zusammenhang haben. Als Galilei im Jahre 1592 28-jährig Professor für Mathematik in Padua wird, er bekommt die Professur in Padua, bevor er später nach Florenz geht, gerät Bruno in die Fänge der Inquisition in Venedig. Also Bruno, Januar/Februar 1548 geboren, in Nola bei Neapel. Dort, wo auch ein Denkmal steht von Bruno, neben dem Denkmal in Rom auf dem Campus dei Fiori. Bruno ist sehr früh in den Dominikaner-Orden eingetreten. Und was wir wissen über diese Zeit im Dominikaner-Orden, er wurde noch zum Priester ordiniert und so weiter, deutet darauf hin, dass er offenbar sehr früh Schwierigkeiten hatte, Schwierigkeiten bekam mit den Ordensoberen. So wird berichtet, dass er als 18-Jähriger, also relativ früh, etwa alle Heiligenbilder aus seiner Mönchszelle verbannt habe, mit dem Hinweis darauf, dass sei Götzendienst, was immerhin erstaunlich [war] für einen 18-jährigen Dominikanermönch in dieser Zeit, dass er das als Götzendienst bezeichnete. Dann hat er wohl sehr früh in der Klosterbibliothek auch Schriften gelesen, die Zweifel geweckt haben, unter anderem schon damals offenbar die Schrift, die Hauptschrift des Kopernikus über die Kreisbewegung der Himmelskörper, die ja 1543 erschienen war. Ich sage es noch mal, das war wirklich in der Bibliothek des Klosters zu finden. Und zwar deswegen, weil dieses Buch in seiner Brisanz, in seiner revolutionären Sprengkraft gar nicht erkannt worden ist, weil der Platztausch zwischen Sonne und Erde erst einmal, ich sag es noch mal, im Grundsatz kompatibel war mit dem dem katholischen Dogma. Also, Bruno kam früh in Schwierigkeiten, wir wissen nichts Genaueres.

Man kennt nur eine kleine Episode, dass er einmal nach Rom beordert worden war vom damaligen Papst, der etwas wissen wollte über die Gedächtnisleistung von Bruno. Bruno war bekannt dafür schon als Mönch, dass er ein phänomenales Gedächtnis hatte. Er konnte seitenweise auswendig in Diskussionen Aristoteles zitieren. Das hat er später in Diskussionen mit seinen Gegnern auch immer gemacht. Er kannte seine Gegner immer besser als sie sich selbst. Er kannte die Originaltexte, auf die sie sich ja bezogen, Aristoteles war ja der philosophische Übervater der Epoche, kannte er viel genauer und besser als die, die diese Texte gegen ihn verwendet haben. Also der Papst hat ihn nach Rom beordert aufgrund seines hervorragenden Gedächtnisses, und er hat sozusagen eine Präsentation dieses Gedächtnisses geliefert. In seiner Philosophie spielt die Gedächtnisschulung eine zentrale Rolle. Er hat darüber auch viele Vorlesungen gehalten und auch einige Schriften abgefasst, von denen allerdings nicht alle erhalten sind, einige sind verlorengegangen. Bruno ist dann 1576 im Alter von 28 Jahren in eine schwierige, sehr schwierige Situation gekommen. Es gab Anklagepunkte gegen ihn. Er musste einen Prozess wegen Ketzerei gewärtigen. Wir wissen nicht genau die Punkte. Wessen wurde er angeklagt? Warum, wissen wir nicht. Tatsache ist, er kam in Schwierigkeiten und glaubte diesen Schwierig­keiten nur zu entgehen, indem er den Orden in einer Nacht- und Nebelaktion verließ. Das geschah 1576.

Bruno verließ den Orden und irrte nun erst einmal für die nächsten Monate in Italien umher, versuchte sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er hat kurze Zeit später, das ist erhalten, ein Drama, ein satirisches Drama geschrieben, „Il Candelaio“, der Kerzenhalter, wo er das Mönchsleben verspottet. Und, ein wunderbares satirisches Theaterstück, was wirklich auf die Bühne gehörte und in dem er das Mönchsleben im Kloster geißelt. Also 1576 verlässt Bruno das Kloster, begibt sich also auf eine lange Wanderschaft, zunächst in Italien und dann, wichtig, zentral wichtig, in Frankreich, erst in Toulouse, dann längere Zeit Paris. Man muss wissen, wenn man von Frankreich redet, dass Frankreich damals ein wirklich schwieriger Boden war. 1572 war die berühmte Bartholomäusnacht, die Ermordung der Hugenotten. Es war ein riesiges Blutbad. Zehn­tausende wurden abgeschlachtet in einer einzige Nacht im August 1572. Es war also ein wirklich schwieriger Boden, und Bruno hat auf sich aufmerksam gemacht über seine Gedächtniskunst. Er hat erstmal Vorlesungen gehalten über die Gedächtniskunst und wurde vom damaligen König in Frankreich gefördert. Und hatte dann auch die Möglichkeit zu schreiben. Wenig ist erhalten aus der Zeit. Man muss sagen, dass Bruno in der ihm verbliebenen Zeit ein Riesenwerk hinterlassen hat von ungefähr 50 Schriften, von denen zwanzig verloren gegangen sind. Also wir haben nur dreißig Schriften tatsächlich erhalten, zwanzig Schriften sind verlorengegangen, vor allen Dingen die Schriften aus der frühen Zeit sind fast alle verloren gegangen. Mit Ausnahme dieser Schrift „Il Candelaio“, „Der Kerzenhalter“.

Bruno ging dann nach England in Begleitung von Michel de Castelnau, des französischen Botschafters in London. Und das war die berühmte, in vielen Biographien ja auch mit Recht herausgestellte fruchtbare und ruhigste Zeit überhaupt im Leben Brunos in den Jahren 1584/85, zum Teil auch 1586. Er lebte in der Butcher Road in London unter schwierigen Bedingungen. Zum Beispiel hat er sich geweigert, Englisch zu lernen, was schwierig war damals in London. Viele konnten Italienisch, aber er hasste die englische Sprache. Das hat ihm die Sache nicht erleichtert. Er hat also kein Englisch gelernt, er wollte es nicht. Und er hat dann in relativ schneller Folge hintereinander seine großen italienischen Dialoge abgefasst. Zunächst einmal die Schrift „La Cena de le Ceneri“, „Das Aschermittwochsmal“, bezogen auf ein Gespräch, eine Gesprächsrunde, die tatsächlich stattgefunden hat, wo er im Kreise von Gelehrten, Doctores, zum Aschermittwoch des Jahres 1584, also im Februar, also er hat über dieses Gespräch eine gigantische, brillante Satire abgefasst, und in diese Satire baut er nun, Stück für Stück, sukzessive seine neue und andere Kosmologie ein, ein einmaliges literarisches Meisterstück. Auch Kritiker Brunos sagen, es ist ein Meisterstück der Literatur, also ein großes Stück Literatur. Wie er das geschafft hat in einem packenden, brillanten, einem Prestissimo an Einfällen und Dialogen, witzigen Episoden, dann darin, seine Kosmologie zu verpacken, kann man sagen, aber auch mit scharfen, kritischen Tönen gegen die Engländer. Das hat ihn so in so große Schwie­rigkeiten gebracht, dass er fast des Landes verwiesen worden wäre. Er musste dann in der nächsten Schrift „De la causa principia et uno“, „Über die Ursache, das Prinzip und das Eine“ darauf Bezug nehmen, also die nächste Schrift dann „Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen“, wo er seine All-Einheits-Philosophie umreißt.

Viele halten dieses Buch für die Hauptschrift von Giordano Bruno. Es ist das am meisten zitierte und auch erwähnte Buch Brunos. Schopenhauer zum Beispiel war ein so großer Verehrer dieses Buches, dass er es ins Deutsche übersetzen wollte, was dann nicht geschehen ist, aber er hatte es geplant, „Von der Ursache ..“ ins Deutsche zu übersetzen. Dann gleichzeitig entstand 1584 die zweitwichtigste kosmologische Schrift Brunos, die Schrift „Vom Unendlichen, dem All und den Welten“. Hier stellt Bruno seine Kosmologie der Unendlichkeit dar. Er stellt diese dar in einer argumentativen Konfrontation mit Aristoteles. Er geht jeden einzelnen Punkt der aristotelischen Kosmologie durch und versucht, ihn zu widerlegen. Ich meine, ich habe diese Texte mehrfach gründlich durch­gearbeitet. Ich meine, dass diese Argumente, die er bringt, auch intellektuell von einem ungeheuren Scharfsinn sind und auch heute überhaupt nichts von ihrer Brisanz eingebüßt haben.

Eines der Hauptargumente etwa von Aristoteles war, es könnte nur eine Welt geben, weil, wenn man sich dazu bequemen würde, dass es mehrere Welten gäbe, dann würde kein Halten mehr sein. Ich habe das ja schon mal in anderem Zusammenhang angedeutet, es könnte nur eine Welt geben, eine kugelförmige Welt, und diese Welt dürfte keinen Ort im Raum haben. Sie erinnern sich vielleicht an diese Ausführung. Wenn man annehmen würde, diese Welt habe einen Ort im Raum, dann wäre es eine Kugel im Raum, und es könnte da noch andere Kugeln im Raum, andere Kosmen im Raum geben, und dann wäre der Raum nicht mehr zu befrieden, dann würde er ins Unbegrenzte quasi sich ausweiten und das ließe sich gedanklich argumentativ nicht mehr einbinden. Deswegen müsste man sich dazu bequemen: Es kann nur eine Welt geben und so weiter. Dann die genannte Schrift „Spaccio de la bestia trionfante“, 1585, eine Satire, eine moralisch-ethische Satire mit diesen genannten Ausfällen, auch was den Orion betrifft, und dann eine Schrift, die den Titel trägt „Die heroischen Leidenschaften“ [„De gli heroici furori“], wo er eine Sammlung von Gedichten vorführt, zum Teil von ihm selbst, und diese Gedichte dann philosophisch interpretiert.

Bruno ist dann in Schwierigkeiten geraten, wie immer in seinem Leben, und musste London verlassen. Er ist dann nach Paris zurückgegangen. Wir sind jetzt im Jahre 1586. Immerhin hat er sein … hatte er sich schon einen gewissen Namen gemacht durch diese Bücher, die in gewissen Kreisen auch gelesen wurden, ganz bewusst übrigens [für] die Verwendung der italienischen Sprache [entschieden]. Er war der Erste überhaupt, der diese Gelehrtensprache Latein zugunsten des Italienischen zur Seite legte. Die Schriften sind also aus gutem Grund [in] Italienisch abgefasst. Er war der Erste bis dato, der das gemacht hatte. Er ist dann allerdings später zum Lateinischen zurückgekehrt. Er ging dann nach Paris zurück, 1586. Und es kam da zu einem der spektakulärsten Ereignisse in der Biographie Brunos, zu einer Diskussion im Collège de Cambrai, zu einer öffentlichen Disputation über seine Thesen. Er hatte dann eine Reihe von Thesen aufgestellt gegen die Peripatetiker und Aristoteliker seiner Zeit und hat über einen Schüler, Jean Honnequin, wie das damals üblich war, in der öffentlichen Disputation diese Thesen verteidigen wollen. Es gab dann turbulente Szenen, es gab Gebrüll im Saal, es gab Angriffe, es gab Prügeleien der Studenten untereinander. Das, was wir davon wissen, muss ziemlich heftig gewesen sein. Und Bruno hat es dann vorgezogen, was ihm Biographen zum Teil verübelt haben, nicht wieder zu erscheinen, was verständlich ist. Er ist dann zu einer anberaumten Diskussion am nächsten Tag nicht mehr gekommen, um dem auszuweichen. Kritiker haben natürlich gesagt, seine Thesen seien schwach gestützt, er hatte Angst vor der Argumentation. Das ist kaum anzunehmen, dass er Angst vor der Argumentation hatte. Er hatte nur Angst vor der aufgeheizten, vor der mob-ähnlichen Stimmung im Saal, die ihm das überhaupt gar nicht mehr ermöglichte, seine Sachen vorzutragen.

Bruno ist dann nach Deutschland gegangen, also damals das Deutsche Reich, und hat lange Zeit in Wittenberg gelebt. Wittenberg, da toleriert von den Lutheranern, das muss man sagen. Die Lutheraner haben zwar in keiner Weise seine Philosophie akzeptiert, auch nicht mal honoriert, aber er ist in Ruhe gelassen worden. Er konnte in Ruhe arbeiten. Von Wittenberg ging er nach Helmstedt, hat auch da längere Zeit gelebt und gearbeitet und ist dann nach Prag gegangen. Wie er es überhaupt fertiggebracht hat, in diesem unruhigen Wanderleben unter ständigen finanziellen Schwierigkeiten auch unter ständiger Anfeindung, dann noch ein viele tausend Seiten umfassendes weiteres, nun in lateinischer Sprache abgefasstes Werk an, ans Licht zu bringen, ist rätselhaft. Denn allein der pure Umfang dieses Werkes ist so erstaunlich, dass es kaum vorzustellen ist, dass Jemand in diesen schwierigsten Lebensumständen überhaupt in der Lage war, das aufzuschreiben. Die vielleicht wichtigste kosmologische Schrift Brunos hat den Titel „De Immenso“, „Vom Unermesslichen“. Diese Schrift ist bis heute nicht übersetzt. [mittlerweile übersetzt]. Das ist eigentlich einer der ganz großen Skandale der Geistesgeschichte, dass eine der größten Schriften der Kosmologie bis zum heutigen Tage nicht übersetzt worden ist. „De Immenso“, ein großes Lehrgedicht nach dem Vorbild des Römers Lucretius über den Kosmos, das noch hinausgeht über die Schrift „Vom Unendlichen“. Hier findet sich übrigens nur ein kleiner Aspekt unter ganz vielen Aspekten, der erste Hinweis jemals eines Menschen auf die Rotation der Sonne, 1591. Bruno ist der erste Mensch überhaupt, der klar sagt, dass auch die Sonne rotiert. In fast allen Darstellungen über die Frage der Sonnenrotation wird entweder Kepler oder Galilei als erster angegeben. Kepler war der zweite und Galilei der dritte, wenn man denn überhaupt in solche Prioritäten denken möchte, wenn die überhaupt einen Sinn ergeben.

Auf jeden Fall, Bruno. In dieser grandiosen Schrift verkündet er noch einmal, noch wieder auf einer neuen, höheren Ebene seine These von einem alllebendigen, allbeseelten, von einem von hoch differenzierter Intelligenz auf allen Ebenen erfüllten Universum. Jetzt kommt der entscheidende Punkt, der rätselhaft in der Biographie bleibt: Warum ist er nach Italien zurückgegangen? Er war doch … , konnte doch relativ ruhig leben in Wittenberg und in Helmstedt, in Prag schon weniger. Warum ist er nach Italien zurückgegangen? Er hatte in Frankfurt auf der Buchmesse, schon damals ein wichtiger Umschlagplatz, 1592, eine Einladung bekommen, dieses venezianischen Adligen Mocenigo. Der wollte ihn als Haus­lehrer praktisch in sein Haus holen, in seine Villa. Diese Villa steht noch, die kann man heute besichtigen, besuchen in Venedig. Auch die Gasse vorne heißt nach Mocenigo. Also er hat Bruno eingeladen, bei ihm zu wohnen. Bruno hat es abgelehnt, hat in Padua gewohnt, ist immer gependelt, ist dann zum Unterricht für Giovanni Mocenigo nach Venedig zurückgegangen, hat den unterrichtet, und wir wissen nicht genau, worin eigentlich unterrichtet. Vermutlich handelte es sich um eine Technik, das Gedächtnis zu schulen, und das war in den Augen von Mocenigo so eine Art, eine Art von Magie. Bruno galt als Magier, als Künstler, weil sich keiner vorstellen konnte, dass einer so ein phänomenales Gedächtnis hat. Schließlich hat er den ganz großen Fehler begangen. Er hat sich dann einquartiert in die Villa Mocenigos. Keiner weiß, warum. Alle Biografen haben darüber gerätselt, wie konnte er einen so unvorstellbaren Fehler machen. Wie konnte er so naiv sein, nicht zu wissen, dass der Mocenigo nur darauf lauerte, dass der längst seine Kontakte zur Inquisition hatte und ihm längst das merkwürdig vorkam, was der Bruno ihm erzählt hat. Schließlich hat er ihn denunziert bei der Inquisition. Ich habe hier einen kurzen Auszug aus dem Schreiben vorgelesen.

Bruno ist dann festgesetzt worden und zunächst in die berüchtigten Bleikammern in Venedig gekommen. Dann hat es erste Verhöre gegeben, Bruno ist gefoltert worden und hat zunächst in einem ersten Aufwallen der Verzweiflung, auch Biographen unverständ­licherweise haben sich zum Teil auch darüber erregt, über diese Zugeständnisse, hat er einen Teil seiner Lehre zurückgenommen. Im allerersten Moment, Anfang Juni 1592 aufgrund dieser Folterung. Nun wahrlich hätte keiner der Biographen irgendwie Grund, sich über diesen Punkt gerade zu erheben, aber es taucht immer wieder auf. Man wundert sich darüber (…) als Fürst der Ketzer, dass man den Venezianern von Seiten Roms das nicht mehr zutraute. Es gab ein Tauziehen zwischen Rom und Venedig. Irgendwann ist dann Bruno in Rom gelandet, und dann verlieren sich die Wege Brunos. Wir wissen nur den Kerker, in dem er gesessen hat. Ich habe lange vermutet, dass es die sogenannte Engelsburg gewesen sei. Durch … eine Engelsburg, in der sogenannten … Durch Anacleto Verrecchia erfahre ich, dass es nicht stimmt, sondern [dass es] ein anderer Kerker [war]. Man muss wissen, geschichtlich noch, um das zu verstehen, dass ungefähr zur gleichen Zeit war der große Prozess gegen Tommaso Campanella, 1599, auch ein Dominikaner, berühmter Philosoph, Verfasser ja des Buches „Der Sonnenstaat“, utopischer Sozialismus. Marx hat ihn sehr geschätzt, [hat] ein Riesenwerk hinterlassen, das nicht übersetzt ist. Also Campanella, zwanzig Jahre jünger als Bruno, hatte einen politischen Aufstand inszeniert gegen die Machthaber, hat also versucht, seine Ideen vom Sonnenstaat politisch durchzusetzen, ist in Kerkerhaft gekommen. Seine Mit-Aufrührer sind alle umgebracht worden. Er selber kam mit dem Leben davon, blieb aber 27 Jahre in Kerkerhaft, konnte dann aber fliehen. Ihm ist es tatsächlich gelungen zu fliehen. Er ist nicht hingerichtet worden. Er konnte dann vieles … ist dann nach Frankreich gegangen, nach Paris und hat da noch relativ friedlich lange Jahre gelebt.

Also, viele der Inquisitoren witterten in Bruno auch einen politischen Revolutionär. Und schließlich hat man dann den Versuch unternommen, die Hinrichtung, die lange geplant war, auf die Centenar-Feier zu legen, ganz bewusst auf das Jahr 1600. Das sollte ein Höhepunkt sein dieser Feier, denn in diesem Jahr war in Rom, das weiß man aus den Quellen, zwischen einer und drei Millionen Menschen anwesend. Also Rom war angefüllt mit Pilgern, und der damalige Papst Clemens VIII. glaubte, mit der Hinrichtung eines in Europa mittlerweile sehr bekannten Denkers ein Zeichen zu setzen. Bruno wurde dann … , das wurde noch immer wieder hinausgeschoben, und schließlich in einer Zeitungsnotiz vom 12. Februar heißt es, und das zeigt gut die Stimmung im damaligen Rom, da heißt es in einer Zeitschrift am 12. Februar: „Heute glaubten wir eine feierliche Hinrichtung zu sehen, und man weiß nicht, warum sie verschoben ist.“ Also richtig Enttäuschung, wenn man dieses Spektakel nicht hat. „Es handelt sich um einen Dominikaner aus Nola, einen sehr hartnäckigen Ketzer, der vergangenen Mittwoch im Palast des Kardinals Martinuzzi abgeurteilt wurde, als Vertreter verschiedener ungeheuerlicher Ansichten, bei denen er mit Hartnäckigkeit verblieb. Und gleichwohl hört man, das jetzt noch täglich Theologen sich um seine Bekehrung bemühen. Und in summa, wenn ihm der Herrgott nicht hilft, will er als verstockter Ketzer sterben und lebendig verbrannt werden.“

Man weiß nicht, warum die Hinrichtung aufgeschoben wurde. Man weiß nur, dass am 8. Februar 1600 formal das Todesurteil verkündet wurde. Das war in der damaligen Inquisition so, dass der Delinquent den weltlichen Mächten ausgeliefert wurde, mit dem Hinweis, ihn möglichst milde und ohne Blutvergießen hinzurichten. Also eine abgrundtiefe Verlogenheit, die darin steckte. Die Kirche selbst war [es] nicht, haben sich nicht sozusagen die Finger mit Blut beschmutzt. Sie haben das an die weltliche Macht, an den Gouverneur von Rom weitergegeben, der faktisch ein Büttel des damaligen Papstes war. Man weiß, dass, als Bruno am 8. Februar 1600 das Todesurteil verkündet worden war, er nur einen Satz gesagt haben soll, der mehrfach von verschiedenen Quellen überliefert worden ist. Der Satz hat folgenden Inhalt. Nachdem er das Urteil sich angehört hat, er musste niederknien, hat sich das Urteil angehört. Vor ihm waren also die prunkvollen Kardinäle aufgebaut im Ornat. „Ihr verhängt das Urteil vielleicht mit größerer Furcht, als ich es annehme.“ Ein berühmter Satz, viel zitiert, auch bewundert. Denken Sie an Bertolt Brecht „Mantel des Ketzers“. Also ein Satz, der wirklich ein weltgeschichtlicher Satz, ein wahrer Satz, kein kolportierter Satz, keine Legende. Ihr verhängt das Urteil vielleicht mit größerer Furcht, als ich es annehme. Dazu schreibt Anacleto Verrecchia in seiner Bruno Biographie: „Das sind furchterregende und denkwürdige Worte, die das Fundament der Peterskirche erschüt­tern, die man am Felsen der Geschichte festmachen möchte und die allein schon genügen, die Größe des moralischen Charakters Giordano Brunos verständlich zu machen.“ Und dann der Schlusspunkt, der 17. Februar selber, Rom, ich sage es noch einmal, war angefüllt mit Schaulustigen, war vollgepackt mit Pilgern. Und dann heißt es hier, das ist [erst] sehr spät aufgefunden worden in einem Bericht über diese Hinrichtung, von einer Bruderschaft von Sankt Johannes dem Enthaupteten. Da heißt es wörtlich, ich zitiere das als Letztes zu diesem biographischen Teil. Dieses Dokument war lange verborgen und ist erst im 19. Jahrhundert ans Licht gekommen: „Um zwei Uhr nachts wurde die Bruderschaft benach­richtigt, dass am nächsten Morgen die Hinrichtung eines Unbußfertigen stattfindenn werde. Um sechs Uhr morgens versammelten sich die Trostspender und der Kaplan entsandt aus Sola und gingen zum Gefängnis in der Tor di Nona.“ Dort hat Bruno einge­sessen, nicht in der Engelsburg. „Dort betraten sie die Kapelle und sprachen die üblichen Gebete für den zum Tode verurteilten Giordano Bruno, ein abtrünniger Bruder aus Nola, ein verstockter Ketzer. Er wurde von unseren Brüdern mit Liebe ermahnt. Auch riefen wir zwei Patres der Dominikaner, zwei von den Jesuiten, zwei von der neuen Kirche des heiligen Hieronymus. Sie zeigten ihm mit großem Eifer und mit großer Gelehrsamkeit seinen Irrtum. Er jedoch beharrte bis zum Ende in seiner verdammten Widerspenstigkeit und verdrehte sich das Gehirn und den Verstand mit tausend Irrtümern. Ja, er ließ nicht nach in seiner Halsstarrigkeit. Nicht einmal, als ihn die Gerichtsdiener zum Campo del Fiori abführten. Dort wurde er entkleidet“, auch [eine] äußerste Demütigung, der Hinzu­richtende wurde also ausgezogen. „Dort wurde er entkleidet, an einen Pfahl gebunden, lebendig verbrannt“, übrigens geknebelt. Vielen wurde die Zunge herausgerissen. Das hat man bei Bruno nicht gemacht. Man hat ihm aber einen Knebel in Mund gestopft, dass er nichts sagen kann, weil man Gefahr [sah], weil man Angst hat, dass Bruno noch in seinen letzten Minuten etwas sagen würde. Man hat ihn also geknebelt. „Dort wurde er entkleidet, an einen Pfahl gebunden und lebendig verbrannt. In all dieser Zeit wurde er von unserer Bruderschaft begleitet, die ständig ihre Litaneien sang, während die Confrontatori bis zum letzten Augenblick versuchten, seinen hartnäckigen Widerstand zu brechen, bis er schließ­lich sein elendes und unglückliches Leben aufgab. Ein Augenzeuge berichtet, was noch geschehen ist, als ein schauriger Schlusspunkt. Man hat ihm dann durch die Flammen hinweg an einem langen Stab, damit sich die Betreffenden nicht ihre Arme irgendwie ankokeln, an einem langen Stab ein Kruzifix vors Gesicht gehalten, das er küssen sollte, er hat sich angeekelt abgewandt, wie ein Zeitgenosse berichtet, der dieser Szene beigewohnt hat.

Und was dann geschah in der Wirkung danach, ist beispiellos. Die Schriften wurden, soweit die Kirche ihrer habhaft werden konnte, alle eingezogen und vernichtet. Das hatte zur Folge, dass tatsächlich für zwei Jahrhunderte hinweg zum Beispiel diese Schrift ,Die Vertreibung der triumphierenden Bestie‘ in Europa kaum aufzufinden war. Die war wie verschollen. Es war wie eine Sage in Europa, dass [es] überhaupt dieses Buch gibt. Die Schriften Brunos kamen auf den Index, und erst jetzt ging die Kirche in Konfrontation zum Kopernikanismus. Erst jetzt. Das heißt, die Haltung, die dann eingenommen wurde der aufkommenden modernen Naturwissenschaft, Kosmologie gegenüber, geht zurück auf diese Auseinandersetzung mit Bruno. Erst jetzt wurde die Kirche hellhörig, und das kann man ganz deutlich zeigen an den Gesprächen, die Bellarmin, einer der Kardinäle, die das Todesurteil mit unterzeichnet haben, dann mit Galilei führte. Alle haben sie geschwiegen. Galilei erwähnt in seinem, in seinen Büchern, Bruno nie, mit keinem einzigen Wort, obwohl man nachweisen kann, dass er in vielerlei Hinsicht auch von Bruno stark beeinflusst ist. Zum Beispiel übernimmt er zum Teil wörtlich in seinem Dialog die Argumentation Brunos, warum man nichts merkt von einer bewegten Erde. Das berühmte Beispiel mit dem Stein, den man an einem Mast runterfallen lässt auf einem Schiff. Da war ja immer das Argument gewesen, dass der Stein ein bisschen hinter dem Mast aufkommen müsste, weil sich ja das Schiff unter dem fallenden Stein wegbewegt hat. So meinte man also, dass wenn ein Stein zu Boden fällt, die sich bewegende Erde ja unter dem Stein hinweg drehen müsste, hinwegbewegen müsste. Bruno hat nachgewiesen, dass es nicht der Fall ist. Und das hat Galilei in seinen Discorsi übernommen. Kepler erwähnt Bruno meines Wissens nur einmal, nur in einem Brief, in einer Briefstelle erwähnt er Bruno und erwähnt die Unhaltbarkeit der Theorie von den unendlichen Welten, vom unendlichen Weltall mit einem interessanten Argument; und zwar bringt Kepler folgendes Argument: Das kann nicht stimmen, weil, wenn es stimmen würde, dann hätte die Bewegung kein Bezugssystem. Also das ist ein eigenartiges Argument, das hat er gegen Bruno gewandt. Also Kepler in einer Briefstelle an einen Freund äußert sich zu Bruno in diesem Sinne negativ, absolut negativ. Das haben übrigens dann im Laufe der nachfolgenden Generationen fast alle gemacht, fast alle Philosophen, fast alle Naturwissenschaftler, die Kirchenleute sowieso, fast ausschließlich sich negativ geäußert, wenn sie überhaupt sich geäußert haben. Und eine gewisse Verän­derung hat sich dann erst im späten 18. Jahrhundert ergeben.

Und darauf will ich dann eingehen nach der Pause. Ich mach eine kleine Pause, ich habe ein bisschen überzogen. Das macht aber nichts. Wir machen mal fünf Minuten vielleicht nur Pause. [Ich möchte Ihnen jetzt einige] zentrale Punkte der Kosmologie darstellen und auch die Wirkungsgeschichte in einigen zentralen Aspekten beleuchten.

Ja, an der Stelle, das finde ich richtig. Die ist damals revolutionär gewesen, und das ist sie auch heute noch. Da sollte man sich keinen Illusionen darüber hingeben. Das ist sie auch heute noch. Bruno musste dafür am 17. Februar [1600] in Rom auf dem Scheiterhaufen sterben, doch seine Gedanken [werden] noch im neuen Jahrtausend Wege weisen. Gut, dass das ganze Universum selbst göttlich, lebendig und überall von Geist erfüllt sei, das ist im Prinzip richtig hier paraphrasiert. Das wird häufig mit dem Schlagwort oder Stichwort vom Pantheismus versehen. Bruno wird ja in vielen Philosophiegeschichten als ein quasi-Pantheist hingestellt, der deo sive natura im Sinne von Spinoza, also, der mehr oder weniger die Gottheit, das Göttliche, den Gott gleichsetzt mit dem Universum. Das stimmt nicht. Da macht Bruno sehr wohl einen Unterschied, obwohl er, ich greife jetzt nur mal auf, weil das hier in der Formulierung auftaucht, Bruno vertritt weder die These von einem vollständig transzendenten Gott noch die These von einem vollständig immanenten Gott. Er vertritt die These von der paradoxen Einheit von Transzendenz und Immanenz, das wichtig, in diesem Sinne ist er im engeren Verständnis, kein Pantheist. Für ihn hat die Gottheit auch eine transzendente Dimension. Sie geht nicht vollkommen auf in der Welt. Insofern ist eine Gleichsetzung von Universum und Gott nicht zutreffend. Aber es fließt auch die gesamte Weisheit, die unendliche Schöpferkraft in dieses Universum ein. Das war ja ein wichtiger Gedanke überhaupt bei Bruno, dass er sagte, und das ist in der Tat ein Argument, was in direkter Konfrontation mit Aristoteles entwickelt wurde, er sagte, es hieße die göttliche Schöpferkraft beschränken und einschränken, verkleinern, wenn man annähme, dass die Gottheit, die eine unendliche Welt hätte schaffen können, sich begnügt hätte mit einer nur endlichen Welt. Und das ist eine wesentliche These bei Bruno, dass die Göttlichkeit … , die Unendlichkeit der göttlichen Schöpferkraft, müsste ihr Äquivalent haben, in der Unendlichkeit der Schöpfung. Deswegen ist die Schöpfung selber im engeren Sinne nicht identisch mit Gott, wiewohl göttlich.

Das ist ein schwieriger Punkt. Ein gewisses Paradoxon taucht da auf, eben die Einheit von Transzendenz und Immanenz. Das hat die Wirkungsgeschichte Brunos übrigens entscheidend mitbeeinflusst. Denn dass Bruno aus der Vergessenheit heraus­geholt wurde, fast zwei Jahrhunderte nachdem seine wichtigen Schriften entstanden waren, geht genau auf diesen Punkt zurück. Denn der Goethe-Freund Friedrich Heinrich Jacobi hatte im Zusammenhang mit seiner Polemik in den 80iger Jahren des 18. Jahrhunderts gegen den Spinozismus, gegen diese Lehre der Einheit von All und Gott, eine Lehre, die er als Atheismus bezeichnete, scharf polemisiert und nun nach Quellen gesucht dieses Pantheismus. Und im Zuge dieser Recherche nach Quellen des Pantheismus stieß er dann auf Giordano Bruno, hat nur eine einzige Schrift herangezogen, „Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen“, und hat hier Auszüge aus dieser Schrift veröffentlicht. Und diese Auszüge haben dann eine ungeheure Wirkungsgeschichte Brunos ausgelöst. Denn diese Auszüge haben dann zum Beispiel die deutschen Idealisten aufgegriffen, allen voran Schelling, haben diese Texte gelesen, auch Goethe hat das gelesen, er hatte auch schon einen anderen Kontext Giordano Bruno gelesen, und das hat dann eine enorme Wirkung in Deutschland ausgelöst.

Überhaupt [war] die Hauptwirkung Brunos in Deutschland zu verzeichnen, nicht in Italien. Das geht so weit, ich habe mit Verrecchia darüber korrespondiert, auch kürzlich lange telefoniert, warum sein Buch, das in Deutsch erschienen ist, nicht auf Italienisch erschienen ist. Also ein Italiener schreibt eine Biographie über seinen großen Landsmann Giordano Bruno, aber dieses Buch ist nur auf Deutsch erschienen. Er selber spricht fließend Deutsch, hat es italienisch geschrieben, aber auch mitübersetzt mit einem Freund. Er sagte mir, es gibt es einen Grund dafür, Herr Kirchhoff: Italien ist beherrscht von Pfaffen und von Kommunisten. Deswegen, die mögen alle den Bruno nicht, deswegen ist es nicht so. Ich war also verwundert darüber, dass dieses wunderbare Buch nicht auch im Italienischen erschienen ist und habe mich immer gewundert darüber, dass meine Bruno-Monografie, die vor zwanzig Jahren erschienen war, überhaupt nicht ins Italienische übersetzt worden ist. Ich meine, die Italiener, das ist doch einer ihrer bedeutendsten Geister, vielleicht überhaupt der bedeutendste Geist der italienischen Geistesgeschichte. Es wäre doch naheliegend, dass sie sich auch damit auseinandersetzen. Das tut man Italien nur sehr bedingt. Es gibt neuerdings eine Zeitschrift, die „Bruniana und Campanelliana“ [korrekter Titel] heißt, eine gerade ins Leben gerufene Zeitschrift, die sich dem Thema widmet. Aber es ist sehr, fast möchte man sagen, unterkühlt. Und es gibt im Wesentlichen nur auch eine akademische Auseinandersetzung damit, und keine wirklich lebendige Auseinander­setzung. Also diese Texte, die Jacobi in Auszügen veröffentlicht hatte, haben dann eine enorme Wirkung ausgelöst im deutschen Idealismus und haben dann eine Bruno-Welle hervorgerufen, die bis weit ins 20. Jahrhundert hineinging. Aber immer gab es diese Vorbehalte gegen Bruno, das habe ich ja schon angedeutet. Immer diese Vorbehalte: Ist er denn wirklich ein ernst zu nehmender, exakter Denker, Naturphilosoph oder Naturwissen­schaftler? Da gab es immer Fragen. Ist das nicht letztlich Schwärmerei, zu sagen, das Universum sei unendlich belebt? Noch Sloterdijk in seinen dicken Bänden über Sphären, vor allem im zweiten Band, äußert sich dazu und sagt: Wer heute noch ernsthaft solche Thesen vertritt, das sei heute pure Literatur, schon im 19. Jahrhundert, pure Literatur oder schlechte Poesie. Obwohl er andererseits ein großer Bewunderer von Bruno ist und auch immer wieder bewundernde Worte für Bruno findet, so ist doch für ihn die Leblosigkeit des Universums ausgemachte Sache. Dass wir da draußen im All nichts zu suchen haben, ist für ihn ausgemachte Sache. Wir müssen uns beschränken auf diesen Globus. Und da, meint er, irrte Bruno entscheidend.

Wovon war Bruno ausgegangen? Das muss man nochmal im Moment in seine Erinnerung rufen, weil das viele nicht mehr wissen. Was war denn überhaupt die Frage, nachdem das epochemachende Buch von Kopernikus erschienen war? Worum ging es denn? Auch wenn es zunächst gar nicht verstanden worden war. Welche Fragen standen an? Das sind vor allen Dingen sieben Fragen, die ich als kopernikanische Herausforderung bezeichne. Ich nenne mal diese sieben Punkte, mit denen sich nun jeder Naturwissen­schaftler, jeder Kosmologe seitdem auseinandersetzen musste, ob er wollte oder nicht. Kopernikus’ Werk hat sieben Grundfragen aufgeworfen, und diese sieben Grundfragen mussten in irgendeiner Form behandelt werden. Man muss vielleicht noch dazu sagen, dass das Werk des Kopernikus 1543 erschienen war, mit einer Vorrede an den Papst, in dem sicheren Gefühl, dass von der Kirche keine Opposition kommen könnte und dass Kopernikus die Fixsternsphäre, die gewaltige Hohlkugel, die die Welt umgibt, in der geozentrischen [solarzentrischen] Kosmologie beibehielt. Folgende sieben Punkte mussten alle seitdem behandelt [werden], [sind] auch behandelt worden.

Erster Punkt: Unsere Sinne glauben nicht an Kopernikus. Warum? Warum wirkt der irdische Boden unter unseren Füßen so, als ob er ruhe? Wie kann etwas wie ruhend wirken, sich aber zugleich rasend schnell bewegen? Das war eine Frage, die ungeheuer brisant war. Denken Sie auch an die berühmte Stelle in dem Galilei-Drama von Brecht, wo darüber gespottet wird, wenn die Erde sich tatsächlich so rasend schnell bewegt, müsste doch ständig ein Gegenwind wehen, müsste man irgendwie merken. Das war Punkt eins. Für die gesamte Naturwissenschaft und Philosophie danach, die sich mit dem Kosmos beschäftigt, war es die Frage: Warum merken wir nichts von dieser rasenden Bewegung? Zweiter Punkt: Warum bewegen sich die Gestirne, einschließlich der nun aus der kosmischen zentralen Position entbundenen Erde? Die Warum-Frage in Bezug auf die kosmische Bewegung ist zugleich die Frage nach den bewegenden Kräften. Sie wissen ja, ich habe das ja verschiedentlich gesagt, dass die moderne Physik die Fragen letztlich nicht geklärt hat, dass man letztlich eine ursachelose Perpetual-Bewegung annimmt. Ich habe Ihnen ja in der letzten Vorlesung auch versucht, meine Überlegungen dazu vorzustellen. Also die Warum-Frage in Bezug auf die kosmische Bewegung, ist zugleich die Frage nach den bewegenden Kräften. Die Nachfolger des Kopernikus eliminierten auch die die Planeten tragenden Kristallsphären oder -schalen. Damit schwebten oder hingen die Gestirne nun frei im Raum. Das war ja die Annahme, dass die Gestirne daran befestigt sind an diesen gigantischen, unsichtbaren Hohlkugeln.

Drittens: Wie lässt sich die Gravitation erklären, die nun jedem Himmelskörper zugesprochen werden musste? Was ist überhaupt diese Gravitation? Welche Kraft liegt ihr zugrunde und welchen Ursprung hat sie? Warum ist sie so raumüberbrückend und mächtig? Auch da, das habe ich ja schon angedeutet, hat die Mainstream-Physik eigentlich keine Antwort.

Viertens: Ist der Kosmos endlich oder unendlich? Die Frage kam auf. Kopernikus sagt an einer Stelle seines Werkes: ob die Welt endlich oder unendlich ist, wollen wir dem Streit der Naturphilosophen überlassen. Er wollte sich zu der Frage nicht äußern. Auch Galilei hat die Frage zurückgewiesen. Diese Frage hat er in der Schwebe gelassen, während Kepler sich eindeutig gegen eine Unendlichkeit ausspricht. Ist der Kosmos endlich oder unendlich? Sollte er endlich sein, wie lassen sich die Grenzen dieser Endlichkeit bestim­men? Was ist jenseits dieser Grenzen, wenn da überhaupt etwas im raumzeitlichen Sinne ist? Die Frage war mächtig, und Bruno ist augenscheinlich der erste Denker, der konsequent mit seinem ganzen intellektuellen Scharfsinn die Frage der Unendlichkeit des Universums denkt. Das ist ja ein Gedanke, der eigentlich nicht gedacht werden kann. Nicht, Sie erinnern sich, Sie kennen das vielleicht aus der Philosophiegeschichte, dass ja Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“, in den „Antinomien der reinen Vernunft“, die These vertritt, diese Frage ist nicht entscheidbar, vom Geist aus. Man kann beides verfechten. Man kann die Endlichkeit, und man kann die Unendlichkeit genauso logisch intellektuell dar­stellen. Genau die Frage: Hat die Welt einen Anfang, oder hat sie keinen Anfang? Beides ist möglich und beides ist ein nicht auflösbarer Widerspruch. Der Geist, der Intellekt kann das nicht entscheiden.

Fünfter Punkt: Kopernikus entdeckte die Planeten-Natur der Erde. Er macht ja die Erde zum Planeten. Warum sollte dieser Planet, wenn er schon derart erhoben und auch kosmisch relativiert wurde, eine Sonderrolle einnehmen? Gibt es auch anderswo intelligentes Leben? Die Frage ist ja sofort naheliegend. Wenn dann der Planet Erde keine Einzigartigkeit im Kosmos hat, dann muss man fragen: Gibt es auch anderswo intelligentes Leben? Im Sinne der kopernikanischen Logik müsste die Frage bejaht werden. Bruno hat die Frage bejaht. Galilei hat sich zu dieser Frage überhaupt nicht geäußert. Übrigens auch noch Newton nicht. Die Frage hat dann erst eine Rolle gespielt in der Kosmologie des 18. Jahrhunderts und ist dann auch im Sinne Brunos positiv bejahend beantwortet worden, von Voltaire und vielen anderen.

Sechster Punkt: Wie stellt sich das Mensch-Kosmos-Verhältnis in der nun unvor­stellbar entgrenzten Welt dar? Wie kosmisch ist der Mensch? Also die Frage: Was ist denn jetzt, wenn die Welt unvorstellbar entgrenzt ist, überhaupt mit dem Mensch-Kosmos-Verhältnis? Dann muss man das ja erst vollkommen neu denken.

Und die siebente Frage, die theologisch natürlich die brisanteste ist: Was ist mit Gott, der Gottheit, dem Göttlichen in der neu entdeckten Weite des Raumes? Mit anderen Worten: Wo bleibt Gott, wenn denn die Welt sich ins Unvorstellbare ausweitet? Diese Frage hat ja noch im 18. Jahrhundert in vielen Diskursen eine zentrale Rolle gespielt, so zum Beispiel in der ganzen Auseinandersetzung, von mir ja schon mehrfach erwähnt, zwischen Leibniz und Newton. Da geht es immer um die Frage: Wo bleibt Gott im Universum? Und der Vorwurf des Atheismus wurde schnell erhoben, das war auch politisch, auch soziologisch ein gravierender Vorwurf, das darf man nicht vergessen von heute aus. Noch Fichte musste seine Professur in Jena, seine Philosophie-Professur aufgeben, ich glaube 1792, wenn ich es richtig weiß, weil er den Verdacht auf sich zog, Atheist zu sein. Also der Vorwurf des Atheismus war noch dazu angetan, Jemanden von seinem Lehrstuhl zu entbinden. Insofern war die Frage wirklich eine auch politisch-soziologische Frage, eine wirklich brisante Frage: Wie steht es eigentlich mit Gott im Universum? Ist der Gott in der Welt? Ist er ein transzendentes Wesen, wie Newton annahm, außerhalb der Welt? Und, greift er in das Universum ein? Repariert er sozusagen sein kosmisches Uhrwerk immer wieder? Oder läuft das vollkommen von alleine, wie das Leibniz annahm? Einmal angestoßen, läuft es unendlich weiter. Und Leibniz und andere haben ja darüber gespottet, dass Newton ja meinte, Gott muss immer wieder in die Welt eingreifen, damit dieses Räderwerk nicht zum Stillstand kommt. Damit hat er natürlich … also mit diesen sieben Fragen war jeder konfrontiert.

Bruno hat versucht, diese sieben Fragen zu beantworten auf eine ungeheuer weitreichende und revolutionäre Weise, auch von heute aus, das muss man noch mal sagen, das kommt ja auch hier in dem … , in den Sätzen zu dem Urania-Vortrag zum Ausdruck. Auch von heute aus ist das eine ungeheuer brisante und weitreichende Frage, auch die Frage des möglichen extraterrestrischen Lebens: Welche Formen hat dieses Leben? Welche organischen Formen gibt es? Welche Bewusstseins-Formen gibt es? Wie steht es überhaupt mit dem Lebendigen in der Welt? Das wird häufig in den geschichtlichen Darstellungen so dargestellt, übrigens falsch dargestellt, als ob Bruno der Auffassung gewesen wäre, dass es eine unendliche Zahl von Sonnensystemen gäbe, wobei jeweils immer ein Planet in einer bestimmten Sonnenentfernung Leben tragen könne. Bruno hielt ja die Sonnen und Fixsterne selber für bewohnt, worüber viele Nachfahren, Nachkommen eher irritiert waren. Was meint er damit? Er war ernsthaft der Auffassung, es gibt sozusagen, es bedarf gar keiner Planeten. Auch die für ungeheuerlich heiß und glühend gedachten Himmels­körper sind im Grunde genommen, auf eine für uns unvorstellbare Weise bewohnte Himmelskörper. Also Bruno glaubte wirklich an die Allgegenwart des Lebens in diesem Universum, also ein wirklich in toto lebendiges Universum. Wobei er immer wieder gesagt hat, dass wir uns nicht unbedingt eine Vorstellung machen könnten von der Erscheinungs­form, von der Manifestation, von dem Wesen, von der Art dieses Lebendigen. Aber er war davon … ging davon aus, dass das Lebendige überall vorhanden sein müsste.

Ich will mal eine kurze Passage vorlesen von Bruno, die seine, auf eine wunderbare Weise, seine Erkenntnistheorie zeigt. Bruno ging von einer bestimmten Grundannahme aus in seiner Erkenntnistheorie, er hatte eine Erkenntnistheorie. Auch das haben viele gar nicht gesehen. Bruno selber, das muss man vielleicht noch ergänzen, führt seine Philosophie zurück auf eine zentrale Intuition, auf eine zentrale Intuition, ich habe das ja schon mal angedeutet, im Alter von 30 Jahren, auf ein quasi Erleuchtungs-Erlebnis, das er auch eingehend beschreibt. Er hätte im Jahre 1578 als 30-jähriger eine Art von, wie würde man heute sagen, kosmisches Bewusstsein erlangt und habe in diesem einen Moment, in einem blitzartigen Augenblick der Erhellung seine gesamte Kosmologie geschaut. Das kann man so stehen lassen. Immerhin muss man sagen, wenn man das jetzt mal anzweifeln möchte, dass in dieser Intuition eine Fülle von Elementen drin waren, die er auf gar keinen Fall [vorher] wissen konnte. Beispiel ist die Rotation der Sonne. Er war der erste Mensch überhaupt, der die Rotation der Sonne behauptet hat. Er war der erste Mensch, lange vor Kepler, der gesagt hat, dass die Planeten[bahnen] nicht kreisförmig sind, sondern elliptisch. Er war der Erste, der gesagt hat, das jenseits des Saturns, der noch als der letzte Planet galt, weitere Planeten sind und so weiter. Woher wusste er das? Wie konnte er das wissen? Es gab kein Fernrohr zu Brunos Zeit. Das Fernrohr wurde bekanntlich erst 1609/1610 erfunden, also viel später. Er hat nie durch ein Fernrohr geschaut. Er hat es einfach erschlossen aufgrund von einfachen Überlegungen oder geschaut in irgendeinem verän­derten Bewusstseinszustand, den [hat man] bei ihm durchaus unterstellen können, ja, in gewisser Weise unterstellen müssen.

Ich geb jetzt mal diese Stelle seiner Erkenntnistheorie, die stammt aus einer lateinischen Schrift. Ich habe das aus dem Lateinischen ins Deutsche hier übersetzt. Da geht es um die Stufung der Erkenntnis. Ich lese das mal vor, es ist eine halbe Seite hier:

„Im eigentlichen Sinne wird die Erkenntnis aufgefasst als ein Vermögen zur Aneignung der erkennbaren Dinge. Und dies geschieht auf vielerlei Weise.“ Jetzt stuft er das. „Es gibt zunächst die Sinnes-Erkenntnis. Es folgt der Verstand, welcher allein dem Menschen eigentümlich ist, also das Vermögen, welches aus dem durch die Sinneswahr­nehmungen erfüllten und im Gedächtnis Gespeicherten etwas außerhalb der Sinneswahr­nehmung hervorbringt und erschließt, so aus den einzelnen Dingen das Allgemeine und aus dem Nacheinander eine gewisse logische Aufeinanderfolge. Und diese Erkenntnis wird diskursiv genannt.“ Also das ist relativ vertraut. Immer erstaunlich, dass Jemand das um 1590 formuliert, aber relativ vertraut, „insofern als der Intellekt aus einem erkannten Ding zu einem anderen zu Erkennenden fortschreitet.“ Also die intellektuelle Erkenntnis, die sinnliche Erkenntnis. Dann gibt es die intellektuelle Erkenntnis, die verstandesmäßige Erkenntnis, die diskursive, die logisch-diskursive Erkenntnis. Dritte Stufe: „Es folgt die Vernunft“, als eine höhere Stufe gesehen, „die Dasjenige, was der Verstand auf diskursive Weise und mittels der Beweisführung und, wie ich auf eigene Weise sage, mittels der logischen Schlussfolgerung und des kausalen Ablaufs erfasst und begreift.“ Also der Intellekt als Kausal-Sinn. Nimmt in gewisser Weise Kant vorweg, „durch eine gewisse einfache Intuition ein unmittelbares Anschauen aufnimmt. Sie wird intellectio genannt, gleichsam eine interne Lectio, ein innerliches Lesen, und sie ist eine Art lebendiger Spiegel, zugleich sehend, und die sichtbaren Dinge in sich selbst bergend.“

Also, die Sinnes-Erkenntnis, dann der Verstand, das Logisch-Diskursive, dann die Vernunft als die dritte Stufe, als die höhere Stufe, die er auch als eine Art von lebendigem Spiegel bezeichnet, eine Art Schau „zugleich sehend und die sichtbaren Dinge in sich selber bergend“. Vierte Stufe. „Es folgt der Geist.“ Der Geist wird noch darüber gelegt, über Verstand und Vernunft, mens [lat.], oft auch als intellectus bezeichnet, meint nicht Intellekt. „Es folgt der Geist [mens] über aller Vernunft und rationalen Erkenntnis, welcher in einem einfachen Akt des Schauens ohne vorher Vorausgehendes oder Begleitendes, logisch-diskursives Denken und ohne Zahl und Trennung alles erfasst, einem Spiegel vergleichbar, der lebt und zugleich so vollkommen ist, dass das Licht, der Spiegel und alle Formen und Gestalten miteinander identisch sind.“ Unglaubliche Aussage, „also einem Spiegel vergleichbar, der lebt und zugleich so vollkommen ist, dass das Licht, der Spiegel und alle Formen und Gestalten miteinander identisch sind, welche eher ohne Trübung und Vereinzelung sieht und ohne zeitliche, der Veränderung unterworfene Aufeinanderfolge, wie ein Haupt, welches vollständig Auge ist, und überallhin in einem Akt das Höhere und Tiefere, das Vorher und Nachher und das unteilbar ist, auch das Innere und das Äußere sieht.“

Also, der Geist als mens ist eine höchste Stufe. Wie könnte man das nennen, um das verständlich zu machen, eine Art intuitive Gesamtschau jenseits der Vereinzelung, auf die sich Bruno immer wieder in seinen Schriften beruft. Also: sinnliche Erkenntnis, Verstand, Vernunft und dann Geist als diese höchste Bewusstseins-Fakultät, die das Ganze unmit­telbar schaut, auch in einem Akt, in dem Subjekt und Objekt zusammenfallen. Also eine sehr weitgehende, hochinteressante und auch brisante erkenntnistheoretische Grundfigur, die hier aufgefächert wird.

Was übrigens die genannte Intuition anbelangt im Alter von 30 Jahren, so will ich noch diese eine Stelle wenigstens kurz vorlesen, weil sie zeigt, was hier gemeint ist. „Sie“, die Strahlen Apollons sind gemeint, „offenbaren die göttliche Güte, Einsicht, Schönheit und Weisheit, die je nach den verschiedenen Wesensordnungen, wie sie durch leidenschaftlich Liebende aufgenommen werden. Das aber geschieht, sobald der Getroffene nicht mehr mit diamantartiger Oberfläche das eindringende Licht zurückwirft, sondern durch die Glut und Helligkeit aufgeweicht und bezwungen, in seinem ganzen Wesen lichtartig wird. Er selbst wird gleichsam Licht, indem dieses sein Fühlen und Denken durchdringt.“ Das haben sie in allen, auch spirituellen Traditionen der Welt, die Lichtwerdung des Geistes. Das finden Sie in den „Upanishaden“, das finden Sie überall, in der Sufi-Mystik und sonstwo, immer diesen Grundgedanken. „Er selbst wird gleichsam Licht, in dem dieses Sein Fühlen und Denken durchdringt. Das ist am Anfang, bei der Zeugung, noch nicht der Fall, wenn die Seele gerade eben berauscht aus dem Lethe und ganz durchtränkt aus den Wassern des Vergessens und der Verworrenheit hervorgeht. Da ist der Geist noch zu sehr in die Gefangenschaft des Körpers und in den Dienst des vegetativen Lebens eingeengt.“ Und jetzt auf sich bezogen: „Der Begeisterte, der hier spricht, bekennt, sechs Lustren, das sind 30 Jahre, in dieser Verfassung verharrt zu haben und in ihrem Verlaufe noch nicht zu jener Reinheit der Einsicht gelangt zu sein, die ihn befähigt hätte, zur Wohnstatt der fremden Gestalten zu werden, die immer an die Tür der Vernunft pochen und sich allen in gleicher Weise darbieten. Schließlich aber ließ die Liebe, die ihn bis dahin vergeblich von verschiedenen Seiten her und zu verschiedenen Malen angegriffen hatte, ebenso wie man sagt, dass die Sonne für jene, welche im Innern der Erde im tiefen Dunkel sind, vergeblich leuchte und wärme, sich in den geheiligten Lichtern nieder. Sie zeigte ihm durch zwei intelligible Gestalten die göttliche Schönheit. Diese band ihm nämlich durch die Sinngestalt der Wahrheit die Vernunft, und erwärmte ihm durch die Sinngestalt der Güte das Gefühl. So wurde das materielle und sinnliche Begehren überwunden, das vorher triumphierte, das trotz der Vortrefflichkeit der Seele ungebrochen blieb. Nun konnten jene Strahlen, welche vom erleuchtenden und wissenden Geist, von der Sonne der Einsicht ausgesandt wurden, leicht durch seine Augen eingehen, und zwar die der Wahrheit, durch die Pforte der erkennenden Kraft, die der Güte durch die Pforte des Begehrens ins Herz, das heißt ins Grundwesen des Gefühls. Als er so zum ersten Mal in dieser Weise erwärmt und im Geist erleuchtet wurde, war jener siegreiche Punkt und Augenblick erreicht, von dem gesagt wird: vicet instant, der Augenblick siegt.“

Also eine ganz klare Schilderung, eine Art von Erleuchtungserfahrung mit Bildern der neuplatonischen Licht-Metaphysik, das ist klar. Bruno bedient sich hier der Bilder der philosophischen Tradition. Bruno versucht, diese sieben Fragen auf seine Weise zu beantworten. Und was ihn auszeichnet, ist, dass er niemals die lebendige Ganzheit, niemals die lebendige Gestalt aus den Augen verliert. Sein Denken ist niemals ein analytisch- intellektuelles Ding, obwohl er hochgradig intellektuell auch denkt und argumentiert, wirklich messerscharf und luzide argumentieren kann. Ich sage es noch mal: Seine Argumente, die er bringt in dem Buch „Vom Unendlichen“ gegen die Endlichkeitsvor­stellung des Aristoteles sind auch intellektuell ein Bravourstück. Das ist so messerscharf durchdacht, dass ich bis zum heutigen Tage noch niemanden kennengelernt habe, der in der Lage gewesen wäre, diese Argumente aus den Angeln zu heben. Man kann natürlich sagen, diese Prämissen stimmen gar nicht. Allein diese ganze Argumentation ist in sich falsch, das sei unhaltbar ‒ kann man machen. Aber wenn man erst einmal auf bestimmte Grundprämisse sich einlässt, und das muss man immer beim Denken, dann muss man anerkennen, dass diese Argumente wirklich stark sind. Und wie gesagt, ich kenne bis zum heutigen Tage keine wirklich substanziellen oder diese aushebelnden Gegenargumente. Der Skandal Brunos besteht darin, dass er es nie lassen kann, polemisch zu werden, dass er unermüdlich fast jeden Zeitgenossen und aus der Vergangenheit attackiert. Und das haben ihm viele Biographen als Unduldsamkeit ausgelegt oder als Unfähigkeit, Frieden zu halten. Er hat unermüdlich scharfe Attacke, hat wo er es konnte, ist er aufgetreten und hat irgendwo Fehler ausfindig gemacht. Kaum war er in Genf bei einer seinen ersten Vorlesungen an der Universität, da hat er mitgeschrieben und hat dann genau alle Fehler aufgelistet, die gemacht worden sind und hat dann dieses Paper mit den Fehlern des Professors an der Universität angeschlagen. Und kurze Zeit später ist er der Universität verwiesen worden und wegen Verunglimpfung des Lehrpersonals auch eingekerkert worden vorübergehend.

Also eine Grundeigenschaft, die ihm anhaftet, und in allen Diskussionen hat er eine ungeheure Vehemenz und Leidenschaftlichkeit an den Tag gelegt, immer auch getrieben von einer Leidenschaft im Denken, die in der Geistesgeschichte singulär ist. Also ihm war, was immer zu tun, um die vollständige Deckungsgleichheit von Denken und Leben. Es wäre für ihn undenkbar gewesen, dass Jemand das eine sagt, verkündet und denkt und das Andere lebt. Also diese Schizophrenie, die ja doch sehr verbreitet ist, wäre für ihn unlebbar gewesen. Er hat immer versucht, tatsächlich eine Deckungsgleichheit zu realisieren und sich damit im Grunde nur Feinde gemacht. Auch in den nachfolgenden Jahrhunderten, kann man sagen, nur Feinde gemacht, denn er macht es vielen seiner Leser auch heute kolossal schwer, denken Sie an das, was er über das Christentum gesagt hat, da mitzugehen. Da versucht man dann zu relativieren, abzuschwächen und das Ganze in seiner ungeheuren Schärfe nicht gelten zu lassen. Und gerade das ist aber die Herausforderung. Gerade das immer wieder kolossal Unbequeme und ich finde das so schön, schön ist gar kein Ausdruck, also zutiefst adäquat, dass Anacleto Verrecchia in diesem Buch auch diese Schicht bei Bruno immer wieder heraushebt. Das ist also ein Buch, das auch mit einer Leidenschaft geschrieben ist und keineswegs irgendwie abgeklärt, akademisch von außen. Und natürlich haben wir uns da gefunden an der Stelle, das ist klar und auch erkannt. Und es gibt natürlich jetzt einen sehr guten und interessanten Dialog, sozusagen. Das ist genau der hier, auf den ich gewartet habe, in Italien. Ich war immer verblüfft darüber, dass in Italien sich so wenig tut. Das scheint tatsächlich sich zu ändern.

Also, um zu einem gewissen Schluss zu kommen, wenn man das überhaupt sagen kann. Ich bleibe ja sowieso am Thema, denn ich will ja nächstes Mal auch über Weltseele, Weltäther und Weltgeist sprechen, noch einmal über diese kosmische Triade, da greife ich ohnehin das noch mal auf, es ist ja ohnehin ein Leitthema. Also um zum Schluss zu kommen, erst einmal vor der Diskussion sei noch ergänzt kurz, dass in diesem Band hier über Bruno vom Diederichs Verlag auch erstmalig seine sogenannten Magischen Schriften übersetzt sind. Bruno hat auch Schriften zur magia naturalis abgefasst, zur Natur und Magie und zu Fragen der psychischen Wechselwirkungen. So erwähnt Sloterdijk etwa in seinem Buch „Sphären II“ auch eine Schrift von Bruno, die er für eine der interessantesten hält, die sich mit der psychischen Fesselung beschäftigt, auch in der Liebe. Also Bruno war auch ein leidenschaftlicher Mensch und hat sehr viel geschrieben, auch über die Fesselung in der erotischen Liebe als Grundmuster von Zusammenhang überhaupt. Und er war auch Derjenige, der in seiner Schrift „Die heroischen Leidenschaften“ erkennt, es immer verstanden hat, als Leidenschaft, niemals als eine rein intellektuell von der Person des Einzelnen abgelöste Erkenntnisbemühung.

[Ein Handy klingelt …] Schönen Gruß! Das kam sogar im Tristan, gestern war ich in der Philharmonie, und da war tatsächlich bei einer leisen Stelle, einer Gustav- Mahler-Sinfonie, da ging das Handy los bei jemand.

Ich will das erst einmal dabei bewenden lassen. Ich selber, wie Sie wissen, versuche ja auf meine Weise viele dieser Gedanken weiterzudenken, auch wenn Sie an diese beiden letzten Bücher denken, da ist es sehr dezidiert geschehen. Da spielt Bruno eine ganz zentrale Rolle und insofern ist er für mich ein wichtiger Gewährsmann, was nicht bedeutet, dass ich in irgendeiner Form nun alle Aussagen so nehme, wie sie vor über 400 Jahren formuliert worden sind. Das wäre absurd. Darum kann es auch gar nicht gehen. Es kann nur darum gehen, die entscheidenden Impulse dieses Denkens aufzugreifen und weiter zu denken. Und dass das so wenig geschieht, ist bedauerlich. Das hat Gründe, die vielfältig sind.

* * * * * * *

Naturphilosophie des Wassers

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 32

Transkripte als PDF:


* * * * * * *

Ich begrüße Sie sehr herzlich und hoffe, dass Sie die Jahreswende gut verbracht haben, ohne allzu große Hysterien und Einbrüche psychologischer und sonstiger Art, und wir gehen in die letzte Runde hier in dieser Vorlesung, noch weitere vier Vorlesungen und ganz kurz zuvor: Ich habe hier liegen eine Seminar-Ankündigung. Ich habe das heute Abend genannt „Flüsse-Ströme-Wirbel als kosmische Wirkgrößen. Kann die Naturphilosophie des Wassers auch kosmologisch fruchtbar gemacht werden?” Worum geht es?

Es geht bei dem Thema nicht in erster Linie und ausschließlich gar um die Philosophie des Wassers oder um die Phänomenologie des Wassers. Eher sekundär oder indirekt. Es geht primär um die Frage, ob sich aus einer vertiefteren Betrachtung des Wassers als Wirbel, als Strom, als Fluss, etwas ableiten lässt für eine kosmische Betrachtung. Dieser Gedanke ist nicht neu. Er wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder gedacht. Immer wieder hat es Versuche gegeben, bestimmte hydrodynamische Prinzipien, die wir aus der Empirie kennen, zu übertragen auf kosmische Zusammenhänge. Ich habe das auch verschiedentlich getan, unter anderem in meinem letzten Buch. Ich werde dazu noch einige Stellen nachher vorlesen bzw. paraphrasieren. Auch andere haben das getan. So zum Beispiel Ervin Laszlo in seinem Buch „Kosmische Kreativität”. Auch er macht den Versuch, das Meer, den Ozean, das Wasser überhaupt heranzuziehen, um kosmische Vorgänge, unter anderem die kosmische Bewegung, verständlich zu machen. Also darum geht es.

Ich will noch einmal auf zwei Punkte eingehen bzw. an diese anknüpfen, die für heute Abend wichtig sind. Ich habe ja in einer eigenen Vorlesung gesprochen über die Frage der Bewegung, der kosmischen Bewegung, die Frage dargestellt, es gab ja auch Antworten dazu: Was treibt die Gestirne voran? Was ist die Ursache der Gestirnbewegung? Ich habe einleitend damals gesagt, möchte es hier auch noch einmal sagen: Dass die Frage in der Mainstream-Physik weitgehend ungeklärt ist. Das ist eine unbeantwortete Frage. Ähnlich übrigens wie die Frage nach der Ursache der Bewegung im Mikrokosmos. Also auch die atomare oder subatomare, partiell auch die molekulare Bewegung, sind, was die Kausalebene betrifft, mehr oder weniger ungeklärt. Es gibt mathematische Modelle, die diese Vorgänge beschreiben, aber kausal, das heißt, von der Ursachenebene her, wird das nicht wirklich erklärt. Man muss mehr oder weniger zurückgreifen, und das tut man auch, auf eine ursachelose Perpetual-Bewegung, wie ich das verschiedentlich genannt habe, also eine nicht kausal gegründete und bestimmte Bewegung. Das unterstellt man mehr oder weniger auch bei den kosmischen Bewegungen, die, wenn man es genau betrachtet, auch wenn das niemals so direkt genannt wird, letztlich in der Mainstream-Physik darauf hinauslaufen, dass man ein kosmisch-mechanistisches Perpetuum mobile unterstellt oder postuliert, denn eine wirkliche Ursache wird gerade ausgeschlossen. Ich habe Ihnen das erläutert im Zusammenhang mit der geradlinig-gleichförmigen Bewegung, die ja das gleichsam platonische Urbild der Bewegung überhaupt in der mechanischen Physik, nicht erst seit Newton, aber vor allen Dingen und verstärkt dann seit Newton war, also die Vorstellung, dass eine geradlinig-gleichförmige Bewegung kräftefrei verläuft, physikalisch mehr oder weniger identisch ist mit Ruhe und auch keiner kausalen Kraft bedarf.

Das ist ja die Pointe dieser Überlegungen, die man mit gewissen Abstrichen schon bei Galilei findet. Dies ernsthaft anzunehmen oder zu unterstellen, würde der herrschenden Physik nach ja gerade bedeuten, dass man quasi zurückfällt in eine vor-Galileische oder vor-Newtonsche Betrachtungsweise. Ich habe Ihnen dann in anderem Zusammenhang auch, Ihnen, erklärt oder versucht zu erklären, dass Newton selber das ganz anders gesehen hat und dass man hier unterscheiden muss zwischen der Newtonschen Physik, wie sie in Lehrbüchern steht, und der eigentlichen Newtonschen Physik, wie sie sich in seinem Hauptwerk, in den „Principia” finden. Das ist nicht nur ein wissenschaftsgeschichtliches Moment, sondern das ist ein prinzipielles Moment. Darüber habe ich auch in verschiedenen Zusammenhängen gesprochen.

Eine geradlinig-gleichförmige Bewegung als das gleichsam platonische Urbild der Bewegung ist natürlich, und das ist auch nie ernsthaft abgestritten worden, nicht nur ein kausales Paradox, wie das Carl Friedrich von Weizsäcker nennt, sondern auch, wie das selbst von Physikern nicht bestritten wird, eine Fiktion. So etwas ist in der Form nie beobachtet worden, kann aber aufgrund ganz bestimmter Prämissen postuliert werden. Was wir beobachten, sind ganz andere Bewegungen: Wir beobachten vielfältige Bewegungen, und im Lebendigen sind es etwa Orbitalbewegungen. Es sind Bewegungen zirkulärer Art. Es sind Spiral-Bewegungen, es sind wirbelförmige Bewegungen. Es sind lebendige Bewegungen, die niemals den Charakter der geradlinig-gleichförmigen Art haben.

Also lebendige Bewegungen sind etwas grundsätzlich Anderes. Und es ist zu vermuten, dass die Annahme einer geradlinig-gleichförmigen Bewegung in dem unterstellten Sinne in Konfrontation mit der lebendigen Natur zu einer Art Kollision führt oder führen muss, die dann auch mittel- oder langfristig naturzerstörerische Folgen hat. Das habe ich ja auch in verschiedenen Zusammenhängen ausgeführt. Also das vorab.

Dann nochmal zu der Frage, weil es für den Zusammenhang heute wichtig ist, der Kräfte. Es ist sehr schwierig, eine klare Definition zu geben, was Kräfte sind. Kräfte sind das, was bewegt, in gewisser Weise also ein Kausalfaktor, engl. „force” oder „forces”. Und die Frage ist, und das hat Newton bewegt und viele andere bewegt, und ich habe mich dazu auch eingehend geäußert und darüber wirklich viel nachgedacht im Laufe von 15, 20 Jahren. Was sind Kräfte? Das spielt wirklich für das Thema eine entscheidende Rolle, auch für die hydrodynamischen Vorgänge, die man analogiemäßig für den Kosmos auch annehmen kann. Was sind Kräfte? Sind diese Kräfte mehr oder weniger das Gleiche wie der Stoff oder die Materie, den oder die sie bewegen? Oder haben diese Kräfte eine eigene qualitas? Haben sie eine eigene Qualität? Sind sie etwas ontologisch ganz Anderes? Wobei man dann, wie das Newton getan hat, das muss man aber nicht, zu der Annahme kommen kann, man müsste von einem Dualismus ausgehen. Hier der Stoff, die Materie, die träge Materie, der träge Stoff, der dunkle Stoff, und hier eine Bewegungskraft, eine immaterielle Entität, die man ja auch dann als eine hyperphysische, wenn man so will, als eine metaphysische Entität betrachten kann, die die Materie vorantreibt.

Kepler hat das sehr beschäftigt. Galilei hat die Frage offengelassen. Newton hat eine Antwort darauf gegeben, und diese Frage ist sehr viel im Laufe der Jahrhunderte ventiliert worden. Ich selber habe darauf auch Antworten zu geben versucht, aber auch einige dieser Antworten dargestellt. Aber das ist wichtig, grundsätzlich bei jeder Gestalt, auch bei der lebendigen Gestalt, wie ich das im letzten Semester im Sommer dargestellt habe: Was sind die Kräfte der lebendigen, der organischen Gestalt? Und was können wir aus der organischen, lebendigen Gestalt ablesen über die Kräfte, die in ihnen wirksam sind? Also eine ganz wichtige, entscheidende Frage. Das wird uns auch beschäftigen.

Dann letzter Punkt der Vorbemerkung. Ich hatte in der Vorlesung vor der Weihnachtspause gesprochen über die ja bewegende und auch uns alle in irgendeiner Form betreffende Frage: Ist die Erde in irgendeiner Form als ein kosmisches Lebewesen, als ein großer Organismus anzusehen? Vielleicht überhaupt die Gestirne, wie das Giordano Bruno und andere angenommen haben? Und wenn wir die Frage bejahen, wenn wir sagen: Ja, das ist so, das könnte so sein, dann muss man unterscheiden zwischen einer eher schwachen Form, indem man sagt, sie ist ein quasi-Lebewesen, sie ist quasi lebendig, aber nicht wirklich ein Lebewesen. Und der starken Form, die so aussehen würde, dass man sagt, die Erde ist tatsächlich ein Lebewesen, mit allen Merkmalen, Strukturmerkmalen und Ingredienzien eines solchen Lebewesens, unter anderem auch mit der Qualität des Bewusstseins. Das hatte ja Giordano Bruno ganz dezidiert in seiner Kosmologie formuliert: Gestirne sind Großorganismen mit einem über-ichhaften, also das menschliche Bewusstsein weit übersteigendem, kosmischen Bewusstsein, einer Art kosmischer Wahrnehmung, die wir uns nicht vorstellen können, zu denen [der] wir im Grunde auch in unserem normalen Bewusstsein gar keinen Zugang haben. Diese Frage erst einmal an den Anfang gestellt und eine Frage etwa, die in dem Zusammenhang von erstaunlicher Tiefe sein kann, wenn man sie wirklich aufnimmt und zulässt, ist die Frage: Was hält die Gestirne im Raum? Was hält die Gestirne im Raum?

Eine Frage, die die Astronauten zum Beispiel in ihrer Wahrnehmung der Erde aus einer bestimmten Entfernung, mit einer gewissen Erschütterung angerührt hat. Wenn Sie die Zeugnisse lesen, die Dokumente, die Aussagen vieler Astronauten über ihre Gefühle im Rückblick auf die Erde, es ist ja bekannt und sehr weltweit verbreitet worden, dann stößt man immer wieder auf das Erstaunen darüber: Was hält eigentlich das Gestirn im Raum? Man spricht dann meistens davon, dieses Gestirn, überhaupt die Gestirne, schweben im Raum, oder sie hängen im Raum. Wenn man mal genauer betrachtet, was für Verben hier verwendet werden, da wird meistens von „schweben“ oder von „hängen“ gesprochen. Nun, „hängen“ und „schweben“ sind beides Begriffe, natürlich aus der Erfahrung der Erdoberfläche. Ein Luftballon schwebt in einem Medium Luft. Wenn man den Vergleich, wenn man die Analogie zulässt, müsste man sagen: In welchem Medium schwebt dann eigentlich dieser Planet und auch ein anderer Planet? Gibt es ein universales Fluidum, ein Medium, das quasi dieses Gestirn trägt? Dann wäre ja der Vergleich sinnvoll. Er wird ja immer wieder herangezogen. Beim Hängen ist es wieder anders, es hängt ja an etwas. Ein Astronaut spricht mal von „A Christmas Tree Ornament“, wie eine Christbaumkugel. Die Überraschung auch, dass das so ist und wie das so ist. Natürlich kann man sagen, was hält den Mond ‒ die Gravitation der Erde, was hält die Erde ‒ die Gravitation der Sonne, was hält die Sonne und so weiter. Man landet irgendwann bei der Frage: Was hält die Gestirne überhaupt im Raum? Und dann muss man weiter fragen: Was ist dieser Raum? Was für Eigenschaften hat dieser Raum, dass er die Gestirne tragen kann? Und dann ist man bei der Frage, unter anderem bei der Frage, die ich auch dargestellt habe, der sogenannten Raumenergie und auch der von mir umrissenen Äther-Frage.

Ich habe verschiedentlich auch angedeutet, dass man die Frage so beantworten kann, dass man sagt, wie ich das ja versucht habe mittels der sogenannten Radial-Feldes: Das Gestirn hält deswegen im Raum, weil es aus dem Mittelpunkt seiner selbst eine eigene Strahlung ins All schickt, in die Unendlichkeit oder Unermesslichkeit des Raums, und dass sich alle gravitativen Kräfte im Zentrum quasi in sich selber aufheben oder auflösen und das Gestirn auf diese Weise den Kontakt mit dem Unermesslichen hält, weil es selber in sich durch diese radiale Verstrahlung am Unendlichen teilhat, andernfalls dass der Raum [das] wirklich wie eine Christbaumkugel zerdrücken würde. Also eine sehr weitreichende These, die hier nur in aller Knappheit noch mal anführen möchte. Das wäre also ein Angebot, quasi was die Gestirne im Raum hält, also eine eigene, vom Gestirn ausgehende Radial-Energie oder Raum-Energie, die gleichsam dem Raum verschwistert ist und in die Unermesslichkeit des Raums reicht. Das sozusagen die eine Unermesslichkeit, von der anderen Unermesslichkeit getragen wird.

Bei Giordano Bruno gibt es Hinweise auf diese Gedanken, obwohl sie nicht in der letzten Konsequenz weiterentwickelt worden sind, 100 Jahre vor Newton. Newton hatte die Sachen anders gedacht, hatte die radiale Form der Gravitation ja anders interpretiert. Auch darüber habe ich schon gesprochen. Das vorab.

Übrigens, der Naturforscher, der sich wie wenige andere im 20. Jahrhundert mit der Frage des Wassers beschäftigt hat, der Österreicher Viktor Schauberger, 1885 bis 1958, stellt, wie ich zu meiner Verblüffung festgestellt habe, in einem seiner Bücher aus den frühen 30er Jahre mit dem Titel „Unsere sinnlose Arbeit“, guter Titel, eine Reihe von Fragen, von denen er meint, die Wissenschaft kann sie nicht beantworten. Ich mache das auch gerne, denken Sie an meine 30 Fragen zur Schwere, [die] in dieser Form, in dieser gebündelten Form, wie sie in meinem Buch auftaucht, noch nie gestellt worden sind. Und in dieser gesammelten Form stellt auch Schauberger Fragen. So ist die erste Frage, die er stellt in diesem Buch, das entnehme ich hier dem Buch des englischen Architekten Callum Coats, der ein Spezialist für Schauberger ist: Wieso hält sich die Erde schwebend? Das ist die allererste Frage, die er stellt. Das ist ja im Grunde genommen nur eine andere Umschreibung der Frage: Was hält die Erde im Raum? Wobei die Frage des Schwebens hier bereits in gewisser Weise eine Einschränkung bedeutet. Ich habe das ja angedeutet, denn die Analogie des Schwebens der Erde mit einem Luftballon in dem Medium Luft setzt ja bereits etwas voraus, was man nicht unbedingt voraussetzen kann. Ich werde darauf noch eingehen. Das Buch ist auf dem Literaturverzeichnis, und es ist exzellent. Callum Coats „Natur-Energien verstehen und nutzen“, eine exzellente Gesamtdarstellung der Wasserforschung von Viktor Schauberger.

Ich bringe mal einige Zitate am Anfang, die, um jetzt mal direkt auf das Wasser hier auf der Erde zu kommen, die Eigenarten, sagen wir mal die Merkwürdigkeiten, Anomalien und auch rätselhaften Fragen beleuchtet, die das Wasser aufwirft. Denn das ist wirklich ein zwar Jedermann geläufiges Phänomen, das aber, wenn man das genauer betrachtet, einen Abgrund von Fragen aufwirft. Zum Beispiel am aller naheliegendsten die Frage: Wie ist es möglich überhaupt, dass zwei Gase in dieser Form sich zu diesem flüssigen Element verbinden können, was wir phänomenologisch-empirisch als Flüssigkeit wahrnehmen? Wie ist das möglich?

Ein anderer wichtiger Wasserforscher ist Wilfried Hacheney. Ich habe das Buch erst spät entdeckt und konnte es nicht mehr auf die Literaturliste setzen. Er schreibt in diesem Buch „Wasser ‒ ein Gast der Erde“, Wasserforscher seit vielen Jahrzehnten, auch Physiker, der sich wohl wie kaum ein anderer nach Schauberger und Theodor Schwenck und wenigen Anderen mit dem Wasser so intensiv beschäftigt. Also Wilfried Hacheney schreibt in diesem Buch „Wasser ‒ Ein Gast der Erde“:

„Ein ehrlicher Wissenschaftler müsste zugeben, dass er nicht weiß, was Wasser ist, was es wirklich ist.“ Chemische Formel ist bekannt. Das ist nicht die Antwort, was Wasser ist. „Es ist weder mit physikalischen noch mit chemischen Mitteln der gängigen Naturwissenschaft erklärbar. Es folgt keinem ihrer Gesetze. Wasser ist ein Geheimnis, ein substanzielles Nichts, in Anführungszeichen. Eine naturwissenschaftliche Unmöglichkeit. Allein dass es flüssig ist, ist nicht erklärbar mit den Gesetzen der Naturwissenschaft. Nach denen müsste es nämlich gasförmig sein. Das ergibt sich aus der Gesetzmäßigkeit des periodischen Systems durch die Stellung des Sauerstoffs. Aber auch alle anderen Eigenschaften, die chemische Stabilität, die Fähigkeit, Wärme zu speichern, die ist ja enorm bei Wasser, Wärme zu transportieren, Wärme abzugeben, sind Eigenschaften, die so ohne Weiteres nicht erklärbar sind. Wir kommen mit den gewöhnlichen Methoden der Naturwissenschaft, dem Phänomen des Wassers nicht näher. Wir kommen mit den gängigen Vorstellungen nicht aus. Der Versuch, eine Qualität quantitativ zu erfassen, muss scheitern. Wasser ist als empirisches Phänomen, auch phänomenologisch erst einmal, eine Qualität. Wir erfahren Wasser auch als den Archetypus des Flüssigen überhaupt. Auch die Vorstellung von einer Dynamik der molekularen Struktur und der so ins Wasser eingeschriebenen Information können nicht ausreichen, sind doch allein die Begriffe ,Struktur‘ und ,Information‘ nur imaginäre Substitute für die Vermittlungsfähigkeit von Kräften durch das Wasser.“

Eine zweite Stelle aus diesem wunderbaren Buch hier über das Wasser, nach Protokollen aufgeschrieben, nicht ein geschriebenes Buch, sondern nach Tonbandmitschnitten zusammengestellt. „Es gibt also keinen Stoff, der uns solche Hinweise auf unsere offenbarte Welt gibt, wie das Wasser. Leben, Kälte, Wärme, Tod ‒ das Wasser ist mit diesen Vorgängen direkt oder indirekt auf geheimnisvolle Weise verbunden, und es ist das Wasser, das uns am deutlichsten zeigt, wo wir anfangen müssten mit unserer Forschung. Und es zeigt, wo Wissenschaft beginnen sollte. Wasser fordert uns heraus, unser wissenschaftliches Weltbild zu überdenken, und es fordert uns heraus, über die Begrenzung hinauszukommen.“

Zweites Beispiel stammt aus meinem Buch „Was die Erde will“. Da habe ich im Zusammenhang mit der Frage der Geo-Logik der Mineralien, wie ich das genannt habe, auch einen Abschnitt drin über das Wasser. Ich will das mal hier im Mittelteil des Buches vorlesen, weil das auch noch mal von einer ganz anderen Warte aus die Fragen hier aufwirft: „Von den subjektlosen Subjekten im Mineralreich war bereits die Rede“, das war vorher, „auch Minerale haben ganz offensichtlich eine Art von planetarer kosmischer Wahrnehmung“, ich habe das begründet vorher, „auch eine Wahrnehmung der aus ihrem Schoße entspringenden Sphäre des Organischen. Und vollends offenkundig wird das bewusstseinsträchtige Mineralreich in den klassischen vier Elementen“, denken Sie an meine Vorlesung im Sommer, „also in den so verschiedenartigen und tief reichenden Wirkungen, welche durch Erde, Wasser, Feuer und Luft ausgelöst werden. Wasser als Ur-Medium und als Archetypus des Flüssigen ist der Grundstoff des Lebens. Ohne Wasser als Träger von Lebensprozesse wäre die Erde das, was der Mars heute ist, ein Wüstenplanet. Wasser ist ein Mineral, in gewisser Weise ein Mineral. Es ist ein Mineral als Flüssigkeit in der Form von Eis und als Gas bzw. Wasserdampf“, also ein Mineral als Flüssigkeit, in der Form von Eis und als Gas bzw. Wasserdampf. „Wer in Wasser eintaucht, hat nicht das Gefühl, in Totes einzutauchen. Und doch ist Wasser in der reinen chemischen Form, H²O, also ohne organische Beimengungen, tot.“ Das sogenannte destillierte Wasser ist im Grunde genommen tot und langfristig oder sogar mittelfristig und kurzfristig auf Organe schädlich. „Doch existiert Wasser auf diesem Planeten praktisch niemals außerhalb lebendiger Prozesse, deren Träger es ist. Insofern sagt die nackte chemische Formel nichts aus über Tod und Leben. Sicher können Gewässer umkippen und dann biologisch tot sein, etwa durch extreme Schadstofzufuhr. Aber der Normalfall ist dies nicht. Neben die Bedeutung von Wasser im biologischen Sinn für die seelische Qualität des Wässrigen, des Flüssigen. Von der Verbindung des Flüssigen, Wässrigen mit dem Pflanzlichen wurde bereits gesprochen.“ Und so weiter.

Und eine letzte Stelle in dem Buch von Callum Coats über Schauberger. Eine letzte Stelle, im Mittelteil des Buches, in dem Abschnitt, der uns noch beschäftigen wird, auch über die Anomalie des Wassers. Callum Coats schreibt, bezugnehmend auf die Forschungen von Schauberger: „Leben ist Bewegung, und das Wasser verleiht ihm den Ausdruck seines andauernden Zustands von Bewegung und Verwandlung, sowohl äußerlich als auch innerlich. Auch Pflanzensaft und Blut fließen wie Wasser. Wieso nur konnte man zu der Vorstellung gelangen, dieses Lebensmolekül, das unzählige Lebensformen auf unserem Planeten hervorbringt, sei so leblos, wie es in der klinischen Sichtweise des Chemikers als anorganische Substanz H²O definiert wird. Dieses kryptische Symbol stellt eine krasse Fehlinterpretation dar“, wohlbemerkt was die Qualität, die eigentliche Qualität des Wassers anlangt. Es geht nicht darum, dass diese Formel als solche chemisch gesehen falsch ist, darum geht es nicht, dass kein Missverständnis auftaucht. Es geht um die Qualität, um die empirische, phänomenologische Qualität dessen, was Wasser ausmacht und was es bewirkt. „Wäre Wasser bloß das sterile destillierte H²O, als das es die Wissenschaft gegenwärtig beschreibt, dann wäre es für jedes Lebewesen Gift. H²O oder sogenanntes juveniles Wasser ist steriles destilliertes Wasser frei von allen sogenannten Verunreinigungen. Es hat keinen ausgeprägten Charakter, keine ausgeprägten Qualitäten. Um zu reifen, absorbiert es die Merkmale und Eigenschaften von allem, das im Kontakt mit ihm kommt oder von ihm angezogen wird. Das sind vor allem Spurenelemente, Mineralien, Salze und sogar Gerüche. Würden wir ständig reines H²O trinken, so würden die Mineral- und Spurenelement-Vorreiter in unserem Körper schnell ausgeschwemmt und uns schwächen und schließlich umbringen. Wie ein heranwachsendes Kind nimmt juveniles Wasser, gibt aber nichts. Erst wenn es reift, das heißt entsprechend mit Rohstoffen angereichert ist, ist es in der Lage zu geben, sich frei und bereitwillig auszuteilen, damit sich das übrige Leben entwickeln kann.“ Und so weiter. Also das als Vorabfrage dazu.

Das Wasser hat eine ganze Reihe von Merkwürdigkeiten, die einfach hingenommen werden müssen, die phänomenologisch nicht weiter hinterfragt werden können. Eine dieser Eigenschaften, Eigenheiten habe ich auch in einem anderen Kontext bereits erwähnt im Sommersemester, unter anderem im Zusammenhang mit meinen Aussagen über die vier Elemente. Nicht nur in dieser Vorlesung, auch in anderem Kontext. Das ist etwa die Frage des Anomalie-Punktes des Wassers: Warum hat das Wasser bei 4 Grad Celsius die größte Dichte und ist dort am energiereichsten? Wenn das nicht so wäre, würde Eis nicht auf der Wasseroberfläche schwimmen können, bekanntlich. Warum gerade als einzige Flüssigkeit dieser Anomalie-Punkt bei 4 Grad Celsius? Auch das ist viel umrätselt worden. Letztlich kann man es nicht immanent begründen, man muss es hinnehmen als eine Gegebenheit. Trotzdem bleibt es eigenartig, denn wenn es nicht so wäre, würde organisches Leben in dieser Form gar nicht möglich sein. Hier heißt es in diesem Buch von Coats, in dem Abschnitt über den Anomalie-Punkt des Wassers:

„Auch das anomale Expansionsverhalten des Wassers ist ein Faktor von großer Bedeutung. Das Verhalten des Wassers unterscheidet sich von dem aller anderen Flüssigkeiten. Während durchweg alle Flüssigkeiten beim Abkühlen immer dichter werden, erreicht allein das Wasser seine größte Dichte bei einer Temperatur von 4 Grad Celsius. Das ist der sogenannte Anomalie-Punkt, der entscheidend für die Kraft des Wassers ist und einen großen Einfluss auf seine Qualität hat.“ Das ist eine wesentliche These von Schauberger, dass diese Eigenschaft auch verantwortlich ist für Wasserqualität. Also Schauberger hat sehr intensiv geforscht über die Frage: Was ist eigentlich Wasserqualität? Wann hat das Wasser die reinste und beste und auch dem Organismus zuträglichste Qualität?

„Unterhalb dieser Temperatur dehnt sich Wasser wieder aus. Bei 4 Grad Celsius hat es mit einer Dichte von [0,999975] Gramm pro Kubikzentimeter das kleinste Raumvolumen und lässt sich praktisch nicht weiter komprimieren. Plus 4 Grad Celsius bezeichnet außerdem die Temperatur, bei der Wasser seinen höchsten Energiegehalt hat.“ Was nicht selbstverständlich ist, es müsste nicht so sein, ist aber so, „und einen Zustand aufweist, den Schauberger als Indifferenz bezeichnete. Mit anderen Worten, bei seinem höchsten natürlichen Grad von Gesundheit, Vitalität und lebensspendenden Potenzial befindet sich Wasser im Zustand seines höchsten inneren Energiegleichgewichts und in einer thermisch und räumlich neutralen Verfassung. Eigenartig. Warum ist das so?

Um die Gesundheit, Energie und Lebenskraft des Wassers zu schützen, müssen gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, mit denen wir uns später befassen werden. Für den Augenblick ist vor allem wichtig, dass die 4 Grad Anomalie entscheidend für die vielfältigen Funktionen des Wassers ist. Im folgenden Abschnitt sollen Schaubergers Theorien über den Temperaturgradienten und ihre Umsetzung behandelt werden.“ Das bezieht sich auf die Temperatur bei Strömungen. Er hatte genaue Forschungen angestellt: Wo ist das Wasser am kältesten? Er hat damit auch viele Wasser-Forscher seiner Zeit verblüfft, hat festgestellt, dass das Wasser immer da am kältesten ist, wo der Längswirbel in der Mitte eines Stromes liegt und hat in vielerlei Hinsicht überraschende Dinge einfach phänomenologisch festgestellt. Als Forst-Mensch, der er ursprünglich war, hat er einfach genau hingeguckt und hat dann gemessen.

„Steigt die Temperatur des Wassers auf über 4 Grad, so dehnt es sich aus, wird es kälter als dieser Wert, und das ist auch eigenartig, so beginnt es sich ebenfalls auszudehnen und sein spezifisches Gewicht verringert sich. Diese anomale Ausdehnung unterhalb von 4 Grad ist wichtig für das Überleben der Fische, denn wenn das Wasser sich weiter ausdehnt und abkühlt, kristallisiert es bei null Grad schließlich zu Eis und bildet an seiner Oberfläche eine schwimmende, Isolierschicht, die das Leben darunter vor den schädlichen Auswirkungen der tiefen winterlichen Lufttemperatur schützt.“ Und so weiter. Also eine Frage, die in dem Zusammenhang immer wieder gestellt wird, ist die nach dem Anomalie-Punkt des Wassers.

Eine andere Merkwürdigkeit ist, dass man sich offenbar, mit aller Vorsicht gesagt, zu der Annahme bequemen muss, dass Wasser in irgendeiner nicht genau bestimmbaren Form die Fähigkeit hat, Geist quasi zu speichern oder im eher nüchternen Jargon gesagt, Information zu speichern. Das ist ja wichtig im Zusammenhang mit der Frage, wie es möglich ist, dass zum Beispiel bei extremen homöopathischen Potenzen, wo ja praktisch überhaupt kein Molekül der Ursprungssubstanz mehr vorhanden ist, trotzdem die Wirkung die gleiche bleibt, ja noch gesteigert wird. Es hat in Frankreich in den 80er Jahren umfangreiche Untersuchungen über diese Frage gegeben und auch kontroverse Untersuchungen. Ein sehr schönes Buch, was dies darstellt, habe ich auf der Literaturliste, es stammt von dem Michel Schiff „Das Gedächtnis des Wassers“. In diesem Buch stellt er sehr eingehend diese Fragen dar und auch den rätselhaften Punkt, wie es möglich ist, dass das Wasser offenbar eine derartige Qualität, eine Bewusstseinsqualität, eine Geist- und Wirkqualität weitergeben kann, auch wenn es, was die Ursprungssubstanz betrifft … , also wenn die Ursprungssubstanz gar nicht mehr darin vorhanden ist. Es gibt mal eine kleine Stelle hier aus diesem Buch „Das Gedächtnis des Wassers“. Damit fängt er an. Es hat damals umfangreiche Forschungen gegeben, die das zweifelsfrei bestätigt haben, und das warf dann wieder eine ganze Reihe von Fragen weiterhin auf, die nämlich nach dem Zusammenhalt der Materie überhaupt. Das ist wesentlich weniger geklärt als sich der Laie, der sogenannte Laie, das wertneutral gesagt, das vorstellt. Im Grunde ein Mysterium. Warum hält die Materie überhaupt zusammen? Was sind überhaupt die inneren Kräfte, die zum Beispiel eine Flüssigkeit in dieser schmiegsamen Form gleichzeitig, ungeheuer dehnbar, zusammenhalten? Die Fragen sind ungeklärt, und auch in der Quantenmechanik war das ein ganz großes Problem. Schon in den 20er Jahren wurde es viel diskutiert. Wie kommt es eigentlich, dass die Stoffe in ihrer Gestaltform so konstant ist? Was hält das wirklich zusammen? Denn wenn es nur ganz kurz … , ganz kurze Strecken Überbrückende Wirkkräfte wären, müsste auch feste Materie ständig quasi zerbröseln, auseinanderfallen, kollabieren. Hier heißt es am Beginn:

„ ,Homöopathische Verdünnungen‘ und ,Wassergedächtnis‘ sind zwei Begriffe, die bei friedfertigen und intelligenten Menschen zu einer heftigen irrationalen Reaktion verleiten könnten.“ Das ist so, weil das Buch, das kann ich nur kurz andeuten, ist eine große Dokumentation über die … , auch ein Stück Wissenschaftsgeschichte, dass nämlich die Wissenschaft damals sehr scharf reagiert hat und die Untersuchungsergebnisse von Benveniste und anderen angezweifelt hat. „Dieses Buch berichtet über wissenschaftliche Untersuchungen homöopathischer Verdünnungen und damit verwandter Phänomene sowie über die Art und Weise, wie diese Studien bislang von den meisten Wissenschaftlern aufgenommen wurden. Diese Experimente und die Reaktion darauf führten zu einem lange andauernden wissenschaftlichen Disput.“ Der ist bekannt geworden in der Fachliteratur als Benveniste-Affäre, auch ein Stück Psychologie, kollektiver Psychologie über die Frage: Wie verhält sich die etablierte Wissenschaft, wenn Ergebnisse zutage treten, zweifelsfrei empirisch untermauerte Ergebnisse, die schlechterdings nicht erklärbar sind, die nicht hineinpassen in diese Frage? Ich habe über diese Frage übrigens auch viel, das habe ich glaube ich schon mal gesagt, mit Volker Rohleder diskutiert, einem der führenden Homöopathen in Deutschland, der auch Kontakte hatte mit Physikern, und über diese Frage viel diskutiert hat. Die Frage ist letztlich ein ungeheures Rätsel, wie das möglich ist. Denn wenn man sich dazu bequemt, das es wirklich so ist, müsste man vollkommen neu denken über die Innenstruktur auch von Materie überhaupt.

„Einer der Lehrer an meinem ehemaligen Gymnasium“, schreibt Michel Schiff, „pflegte seinen Schülern zu sagen, er glaube nicht an die Existenz von Atomen. Zum Glück unterrichtete in meiner Klasse ein verständigerer Lehrer, der mir seinen Enthusiasmus für die Naturwissenschaft vermitteln konnte. Ich erinnere mich noch daran, was er über Atome sagte: Wie kann jemand ihre Existenz bestreiten? Vielleicht spielten diese Worte zwei Jahrzehnte später eine Rolle, als ich mich entschied, ein klassisches Lehrbuch über Atomphysik ins Französische zu übersetzen, ein Buch von Born und anderen über moderne Physik. Ich hatte dieses Werk als Student benutzt. Womöglich hat diese Äußerung meines Lehrers auch dazu beigetragen, dass ich mich noch nach 40 Jahren meines [Lebens ?] sehr für Publikationen interessierte, die der Verbindung zu widersprechen schienen, dass Atome und Moleküle die Grundlage der chemischen und biologischen Wechselwirkungen sind. Wie allgemein bekannt ist, werden in der homöopathischen Medizin häufig Lösungen eingesetzt, die so stark verdünnt sind, dass von der ursprünglich vorhandenen aktiven Substanz kein einziges Molekül mehr vorhanden ist, das chemisch oder biologisch wirken könnte. In den 80er Jahren legte ein renommierter Wissenschaftler Beweise für den umstrittensten Aspekt der Homöopathie vor.“ Nicht, das ist immer wieder versucht worden, angezweifelt worden, immer wieder hat es Versuchsreihen gegeben, manchmal tauchte das auch in der Presse auf, bis heute, Versuchsreihen, die davon ausgegangen waren, dass man es in irgendeiner Form verifizieren könnte oder eben endgültig widerlegen kann. Also: „In den 80er-Jahren legte ein renommierter Wissenschaftler Beweise für den umstrittensten Aspekt der Homöopathie vor. Er hatte gezeigt, dass Wasser die Eigenschaft hat, sich an frühere Kontakte mit biologisch aktiven Substanzen zu erinnern, in Anführungszeichen.“ Das ganze Buch heißt ,Das Gedächtnis des Wassers’“.

Hier muss natürlich mal eine kurze Anmerkung machen, auch jetzt erkenntnistheoretisch_philosophisch: Ist es zulässig, in diesem Kontext den Begriff „Gedächtnis“ zu verwenden? Denn wenn hier eine Geistqualität, und das ist ja letztlich die Information, Information ist ja nur ein nüchternes Wort für Geistqualität, also, wenn eine Geistqualität hier quasi eingespeichert ist und als Wirkqualität auch weitergegeben werden kann, ist es zulässig, in dem Kontext dann zu sagen: Ja, es gibt eine Art Gedächtnis? Setzt nicht das Wort, der Begriff ,Gedächtnis‘ dann in irgendeiner Form ein Bewusstsein voraus? Das müsste man dann bejahen. Oder man verwendet den Begriff ,Gedächtnis‘ nur quasi Begriff, als Verdeutlichungsbegriff. Der Frage sind wir auch schon mehrfach nachgegangen. Ist ja auch wichtig im Zusammenhang mit der Frage, ob etwa Mineralien eine Art von Bewusstseinsqualität haben, was ich glaube, obwohl es letztgültig nicht beweisbar ist, und dass sie vielleicht auf Grund dieser Bewusstseinsqualität überhaupt reagieren können auf bestimmte Geist- und Wirkfaktoren, die sich als sogenannte Naturgesetze manifestieren.

Also: „Er hatte gezeigt, dass Wasser die Eigenschaft hat, sich an frühere Kontakte mit biologisch aktiven Substanzen zu erinnern, in Anführungszeichen. Dieser Forscher war der Franzose Jacques Benveniste. Er hatte das Team geleitet, das auf diesem Gebiet mehrere bahnbrechende Erkenntnisse erzielen konnte. Nach vierjährigen experimentellen Arbeiten über hohe Verdünnungen publizierte sein Team ein Artikel in ,Nature‘, der einflussreichsten Zeitschrift. Die Reaktion auf die Abhandlung waren sehr heftig. Schon einige Tage nach ihrer Veröffentlichung besuchte der Chefredakteur von ,Nature‘ Benvenistes Laboratorium in Begleitung eines für die Aufdeckung wissenschaftlichen Betrugs spezialisierten Physikers und eines professionellen Magiers.“ Das wird oft gemacht. Etwa, Sie werden das vielleicht in der Presse verfolgt haben, mal bei den philippinischen Heilern, da wird oft ein Trick … , wenn man das genau untersuchen will, was passiert da wirklich? Da schickt man manchmal im Verbund einen Physiker und dann auch einen Trickser, also einen Magier, einen Trickmagier. Und da hat es schon eigenartig Ergebnisse gegeben, manches war wirklich getrickst, Anderes konnte man beim besten Willen nicht als Trick und Betrug entlarven. Aber einiges war wirklich Betrug, auch bei diesen philippinischen Heilern.

„Kurz nach ihrer fünftägigen Visite veröffentlichte dieses wissenschaftliche Einsatzkommando in ,Nature‘ einen Bericht mit dem Titel ,High Dilution Experiments A Delusion‘, ,Experimente zur hohen Verdünnung, eine Täuschung‘ und so weiter. Das ganze Buch stellt jetzt diese Geschichte sehr eingehend dar, was da wirklich passiert ist.

Und nur noch kurz zu der Frage der Existenz oder Nichtexistenz oder Nicht-Nachweisbarkeit und Nicht-Beweisbarkeit einer Substanz im Wasser bezogen auf die Avogadro-Zahl, das hat hier der Volker Rohleder im Sommer 98 auch dargestellt. „Außerdem lernten wir im Chemieunterricht die Avogadro-Zahl kennen, sie ja ziemlich genau den Wert von 6 * 10²³ und gibt die Anzahl von Atomen bzw. Molekülen in einem Mol der betreffenden Substanz an. Also enthält ein Mol Wasserstoff-Gas ebenso viele 2-atomige Moleküle wie ein Mol Sauerstoff-Gas, das ebenfalls aus 2-atomigen Molekülen besteht. 1 Mol Wasserstoff-Gas wiegt 2 Gramm und 1 Mol Sauerstoff-Gas wiegt 32 Gramm. Weil die Bildung von Wasser doppelt so viele Wasserstoffatome wie Sauerstoff-Atome erfordert, folgt wieder das Massenverhältnis 1:8. Die Anzahl der Teilchen in einem Mol, die Avogadro-Zahl, ist mit fast einer Billiarde [10¹⁵] Milliarden [10⁹] unvorstellbar groß, aber sie ist nicht unendlich hoch. Beispielsweise hat 1 Mol Wasser eine Masse von 18 Gramm und enthält wie gesagt 6 * 10²³ Wasser-Moleküle. Wir nehmen ein Zehntel davon, dann ein Zehntel dieses Zehntels und so weiter. Machen wir das insgesamt 23 Mal, dann erhalten wir ein Häufchen von nur sechs Molekülen, das wir nicht mehr in zehn gleiche Portionen aufteilen können. Die wiederholte Teilung durch 10 entspricht der Methode zum Herstellen homöopathischer Verdünnungen. Stellen wir uns vor, von einem Wirkstoff sei eine geringe Menge, nämlich 10¹² Moleküle in einem bestimmten Volumen Wasser gelöst. Eine sogenannte Dezimal-Verdünnung erhält man, indem man ein Zehntel der gegebenen Lösungsmenge mit dem 9-fachen dieses Volumens an Wasser auffüllt. Damit hat die neue Lösung das gleiche Volumen wie das ursprüngliche, aber eine zehnmal geringere Konzentration. Mit anderen Worten, sie enthält im selben Volumen zehnmal weniger Wasserstoff-Moleküle, nämlich 10¹¹.“ Und so weiter.

Also die Frage ist damals kolossal intensiv diskutiert worden. Sie wird auch heute noch diskutiert, und sie ist letztlich eine offene Frage. Und sie ist natürlich eine Schlüsselfrage für die Homöopathie überhaupt, weil in der Homöopathie ja bekanntlich gerade Hochpotenzen extremer Größenordnungen eine zentrale Rolle hierbei spielen. Auch hier stellt man sich die Frage, was hat dieses Wasser für eine seltsame Qualität, dass es überhaupt in der Lage ist, eine solche Geistqualität zu speichern und weiterzugeben? Übrigens, was viele nicht wissen, übrigens auch in dem Buch nirgendwo erwähnt ist, ist, dass der Dichter und Dramatiker August Strindberg Anfang des Jahrhunderts zum Teil schon im späten 19., Anfang des vorigen Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts und Ende des 19. Jahrhunderts verschiedentlich vollkommen unabhängig von der Homöopathie solchen Fragen nachgegangen ist und zum Beispiel der Frage, warum die Eisblumen am Fenster etwa bestimmte Formen aufweisen. Er hat dann geforscht als Autodidakt und Privatgelehrter, der er war, neben seiner Tätigkeit als weltbekannter Dramatiker, hat also nachgeforscht und hat festgestellt, dass diese Formen, die sich als Eisblumen am Fenster bilden, ganz bestimmte Bärlapp- und Farngewächse sind. Wie kommen die da hin? Was bedeutet das, und [er] hat dann ähnliche Überlegungen angestellt: Wie ist es möglich, dass im Wasser, in der kristallisierten, in der eisförmigen Gestalt sich solche Bärlapp- und Farngewächse plötzlich zeigen? Er kam da zu einer ganzen Reihe von hochinteressanten Schlussfolgerungen, sicherlich zum Teil auch dilettantisch und nicht immer unbedingt überzeugend, aber hochinteressant, weitgehend vergessen. Ich bin vor vielen Jahren mal auf diese Texte gestoßen, weil mich Strindberg als Autor sehr interessiert hat. (…)

Ich habe nur zwei Beispiele genannt: die rätselhafte Speicherfähigkeit, wenn man es so nennen möchte, von Geistqualität und Wirkqualität, schlichter Information durch Wasser und den Anomalie-Punkt. Es gibt auch andere. Berühmt geworden ist ja Schauberger durch sehr genaue Beobachtungen in oder an Strömen, an Flüssen, an Wasserfällen. So hat er zum Beispiel sich gefragt, was vor ihm in der Form offenbar noch niemand gefragt hatte: Wie es möglich ist, dass Forellen in der Lage sind, einen Wasserfall hoch zu hüpfen, wie das möglich ist, denn das ist nicht zu bezweifeln, es ist wirklich möglich. Oder dass sich Forellen in relativ großer Geschwindigkeit gegen die Strömung, gegen eine relativ mächtige Strömung sogar, also relativ schnell bewegen und sogar in einem Fluchtverhalten sich gegen die Strömung, also flussaufwärts, bewegen. Er hat darüber sehr genaue Forschungen angestellt und hat auf diese Weise Gesetzmäßigkeiten herausbekommen, die vor ihm noch gar keiner in Augenschein genommen hat, nicht einmal im Ansatz. Eine dieser Beispiele will ich noch mal eben verlesen. Das ist besser, hier Callum Coats das Wort zu erteilen, als wenn ich das selber paraphrasieren, er ist wirklich der Fachmann für diese Fragen, und insofern erlaube ich mir mal hier mehr als sonst hier vorzulesen, weil es einfach sehr schön zusammengestellt ist, besser als ich es jetzt hier paraphrasieren könnte. Callum Coats hat seit Jahrzehnten sich beschäftigt mit der Forschung von Viktor Schauberger, die übrigens auch sein Sohn Walter Schauberger, gestorben 1994, und auch dessen Sohn Tilman weitergeführt hat, [also] eine ganze Generation da.

Schauberger hat ja, sagen wir mal in der Szene im weiten Sinne, einen etwas zweifelhaften Ruf bekommen, in vielem mehr oder weniger zweifelhaften Publikationen wird ja kolportiert, einige werden das kennen, und das hat den Namen Schauberger belastet, er habe für die Nazis irgendwelche Flugobjekte gebaut, und die einschlägige Literatur schwirrt von Gerüchten darüber. Und es ist sehr schwer, darüber eine genaue Information zu bekommen. Die Quellenlage ist undeutlich: Was hat er da nun genau entwickelt. Was hat er gebaut? Wie erfolgreich war er? Auch dann Kontakte später zum russischen und amerikanischen Geheimdienst. Er war dann in Amerika. Es gab also eine sehr tragische Entwicklung dieses Mannes, sehr verbittert, dann gestorben 1958, also wirklich sehr verbittert. Und da gibt es viele Rätsel, und das hat den Namen in ein Zwielicht gebracht, wie manche andere Namen in dem Zusammenhang. Das muss man einfach sagen, weil viele, wenn sie von Schauberger hören, denken daran, denken an Flugobjekte, die er für die Nazis gebaut hat, weil er auch dann versucht hat, und das ist wichtig, seine Beobachtung am Wasser technisch umzusetzen. Er hatte ja dann eine eigene Form der Technikkritik entwickelt. Er hatte dann die These vertreten und auch zunehmend untermauert, dass die normale Technik hier, die auf dem Explosionsprinzip beruht, auf der Verfeuerung von Energien, dass die lebensfeindlich ist und den Planeten und das Lebendige langfristig zugrunde richtet, und dass man ein ganz anderes Prinzip an die Stelle dessen setzen müsste, dass er Implosionsprinzip nannte, also das genaue Gegenteil von Explosion. Das eine, also eine Bewegung von innen nach außen, in gewisser gewalttätiger Form, das andere eine spiralförmige Bewegung nach innen, eine Art von Implosion, mit der … , mittels derer eigene Kräfte, eigene Energien freigesetzt werden, auf eine schöpferische Weise. Und er hat dann auch versucht, durch sehr genaue Experimente anhand dieser Wirbelbewegungen nach oben und der sogenannten Levitationskräfte, wie das dann Hacheney und andere genannt haben, Maschinen zu bauen.

Also ein Antriebssystem, und das ist bis heute vollkommen umrätselt: War er da wirklich erfolgreich, oder ist er nie über bestimmte rudimentäre Formen hinausgekommen? Wer sich damit beschäftigt, der kommt in eine gewisse Unsicherheit und auch Verwirrung, weil die Quellenlage ist wirklich undeutlich. Vieles wird spekuliert und man weiß es einfach nicht. Und da möchte ich mich auch nicht darauf einlassen, weil man hat keine klaren Dokumente. Ich will das nur einfach sagen, weil der Name Schauberger aufgrund dessen einfach in gewisser Weise ins Zwielicht geraten ist, kann man sagen. Ungerechtfertigt eigentlich, denn er war wirklich einer der ersten Grünen, wenn man so will, seine Technikkritik sehr berechtigt ist, sehr fundiert und auch gut durchdacht, und er scheint hier auch unglücklich manchmal in seinen Begriffen, die axial-radiale Bewegung, als die nach außen gehende, das ist nicht logisch nachvollziehbar der Begriff, warum axial-radial? das ist nicht aus der Sache ableitbar. Also die explosive Bewegung nach außen, die eine zerstörerische Qualität hat, und die radial-axiale Bewegung die nach innen, die implosive Qualität. Das berühmte Forellen-Beispiel möchte ich kurz erwähnen noch mal mit den Worten von Callum Coats, ich sage es noch mal, der das so genau beschreibt, das ist besser, als wenn ich es paraphrasieren würde. Eines der berühmtesten Beispiele von ihm:

„Schauberger, der sich über Forchheimer“, Forchheimer war ein Professor für Hydrologie und für Wasserforschung an der Universität, der sich interessierte für Schauberger und ihn immer wieder begleitet hat und versucht hat herauszukriegen, was meint dieser Schauberger eigentlich? Ist das haltbar, was der macht? Ist das Unfug, ist das verifizierbar? Und so weiter. Also „Schauberger, der sich über Forchheimers aufrichtiges Interesse freute, suchte nach praktischen Beispielen, anhand derer er ihm etwas über die Substanz des Wassers, sein inneres Wesen und über die eigentümlichen Phänomene beibringen konnte, die bei der Entwicklung von Energien im Wasser auftreten, vor allem im Zusammenhang mit der Wirbelbewegung“. Ist ja ein in der Physik weitgehend ungeklärtes Phänomen. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Physiker darüber, der es mir auch zugestand, dass die Wirbelforschung also eher schwach beleuchtet ist in der Mainstream-Physik. Dafür mag es gute Gründe geben. „Eines Tages bereitete er eine Vorführung für Forchheimer vor. Er nahm ihn in einen bestimmten Teil des Waldes mit, wo sie an einen reißenden Gebirgsfluss kamen, in dem es, wie Schauberger wusste, Forellen gab. Er zeigte auf eine Forelle, die inmitten dieses rauschenden, kalten Wassers, dort, wo die Strömung am schnellsten war“, also im mittleren Bereich, wo das Wasser kälter ist und schneller, Längswirbel, also „er zeigte auf eine Forelle, die inmitten dieses rauschenden kalten Wassers, dort, wo die Strömung am schnellsten war, reglos auf der Stelle verharrte.“ Vollkommen rätselhaft: Wie ist das möglich? „Anscheinend gelang es ihr mühelos, diese Position zu halten. Dabei zuckten ihre Flossen nur ganz sporadisch und ganz gelegentlich. Als Schauberger ein Stöckchen oder auch nur den Schatten des Stöckchens über sie hielt, reichte dies aus, um die Forelle blitzschnell flussaufwärts schießen zu lassen. Sie flüchtete niemals flussabwärts, sondern beschleunigte stets flussaufwärts.“ Naiv, wenn man zum ersten Mal dieses Beispiel hört, würde man annehmen, dass die Forelle einer Fluchtbewegung [folgend] natürlich sich der Strömung des Flusses hingeben würde, sozusagen von ihr sich tragen ließe, mit der Strömung. Das Gegenteil war der Fall. „Sie flüchtet niemals flussabwärts, sondern beschleunigte stets flussaufwärts. Höchst merkwürdig, denn normalerweise würde man die Bewegung flussabwärts für den schnellsten Fluchtweg halten, da sie dann mit der Strömung verliefe. Nachdem sich die Dinge wieder beruhigt hatten und die Gefahr vorbei war, kehrte die Forelle an ihren vorigen Standort zurück. Schauberger bat Forchheimer zu erklären und jetzt den Wissenschaftler, den Professor für Hydrologie, fragte er: Können Sie das erklären? Schauberger bat Forchheimer zu erklären, warum die Forelle stromaufwärts und nicht stromabwärts floh und warum sie dazu überhaupt in der Lage war. Als dieser keine Antwort wusste, antwortete Schauberger schelmisch: Nun Professor, weil sie keine akademische Ausbildung hat. Wären Sie in diesem reißenden Fluss, Sie würden fortgeschwemmt. Reglos in fließendem Wasser zu verharren, wird der Forelle durch folgenden Vorgang möglich.“ Er hat das genau erforscht, und zwar ganz präzise, empirisch, phänomenologisch. Was passiert wirklich mit dieser Forelle in diesem reißenden Strom? Also nicht spekuliert, sondern nur genau hingeguckt. Also: „Reglos in fließendem Wasser zu verharren, wird der Forelle durch folgenden Vorgang möglich. Sie sucht sich immer den Teil des Gewässers, jenen Bereich der Bachströmung aus, in dem das Wasser am dichtesten und am kältesten und der Längswirbel am stärksten ist.“ Also diese Hauptströmung ist ja eine Längswirbelströmung. „Hierbei spielt ein von Schauberger entdeckter Faktor eine wichtige Rolle.“ Das hatte vor ihm noch keiner gesehen. „Die Fließgeschwindigkeit eines jeden Wasserteilchens ist mit einer spezifischen Temperatur verbunden.“ Das haben dann viele angezweifelt, auch Wasserforscher, das stimmt nicht. Er war der Erste, der überhaupt den Zusammenhang herstellte. Also: „Die Fließgeschwindigkeit eines jeden Wasserteilchens ist mit einer spezifischen Temperatur verbunden. Überschreitet es diese kritische Temperatur, kommt es zu Turbulenzen. Beim Umfließen des Forellenkörpers beschleunigt sich jeder einzelne Wasserstrang. Dadurch wird die oben erwähnte kritische Strömungsgeschwindigkeit im Verhältnis zur spezifischen Temperatur überschritten. Mit anderen Worten, durch Ablenkung an der Masse des Forellenkörpers wird jeder einzelne Wasserstrang dazu gebracht, je nachdem, wie nahe er dem Fisch kommt, mit unterschiedlich stark überhöhter Geschwindigkeit zu strömen. Infolgedessen bildet sich an den Flanken der Forelle eine Reihe von Wirbeln, die eine Bewegungskomponente entgegen die Hauptstromrichtung besitzen.“ Was rätselhaft ist und zunächst Erstaunen macht, aber empirisch fundiert ist. Also „eine Reihe von Wirbeln, die eine Bewegungskomponente entgegen der Hauptströmungsrichtung besitzen. Die vereinte Wirkung dieser Gegenbewegungen im direkten Kontakt mit den rückwärtigen Bereichen des Forellenkörpers liefert die Schubkraft, die dem Abwärtsstrom des Wassers entgegenläuft. So entsteht an der Längsseite des Forellenkörpers ein Unterdruck bzw. ein Negativschub. Er ist dem Druck der Hauptwasserströmung entgegen gerichtet. Die Forelle verharrt in der Zone ausgeglichenen Drucks, die ihr eigener Körper bildet. Wenn die Forelle stromaufwärts beschleunigen will, beginnt sie ihre Kiemen zu bewegen. Das Wedeln mit den Kiemenflächen verstärkt die Wirbel an ihren Flanken.“ Also durch die Wirbel, die an den Flanken entstehen ist das möglich. „Das Wedeln mit den Kiemenfächern verstärkt die Wirbel an ihren Flanken. Dadurch wird der Aufwärtsschub größer als der Abwärtsdruck. Je schneller die Forelle also mit ihren Kiemenfächern wedelt, desto schneller bewegt sie sich gegen die Strömung. Und wenn ihre Kiemen sozusagen volle Kraft voraus geben, bewegt sie sich blitzschnell stromaufwärts. Der gesteigerte Ausstoß von sauerstoffarmem, CO²-reichem und daher Kohlenstoff-geladenem Wasser aus den schneller arbeitenden Kiemen hat außerdem ein energetisierenden Effekt.“ Und so weiter. Vielleicht ist das in der ersten Form nicht unbedingt sofort nachvollziehbar, aber das kann ich mir jetzt in dem Moment ersparen, das nochmal zu lesen oder zu paraphrasieren. Auf jeden Fall ist das empirisch gut fundiert. Es gibt die Möglichkeit, auch im rasenden Strom, für eine Forelle, quasi zu stehen, auch bei einem Wasserfall zu stehen oder sich sogar mit relativ hoher Geschwindigkeit gegen die Strömung zu bewegen. Das und diese und viele andere Bewegungen haben Schauberger veranlasst anzunehmen, dass es eine, wie übrigens dann auch Hacheney und andere, dass es eine durch Wirbelbewegungen verursachte antigravitative Kraft gibt, die er Levitationskraft nannte. Ein Begriff, den ja auch Hacheney mehrfach verwendet, eine Levitationskraft.

Sie werden sich vielleicht erinnern, dass ich im Zusammenhang mit der Frage der antigravitativen Energie des Lichtes auch in ganz anderem Zusammenhang diese Fragen ventiliert habe, wie es überhaupt kommt, dass sich Pflanzen aufrichten, wie es kommt, dass etwas Flüssigkeit aus dem Boden nach oben wie gesaugt wird, oft oberhalb, nach weit oberhalb des Erdoberflächenspiegels. Was für eine Kraft gewissermaßen die Säfte aus dem Boden herauszieht und die Wachstumsprozesse ja gegen die gravitative Saugwirkung, wenn man das so nennen will, überhaupt möglich macht. Es ist auch für etwa für die Photosynthese zentral wichtig. Alle diese Fragen haben innigen Zusammenhang, und ich denke, dass man das auch empirisch untermauern kann, dass tatsächlich Licht aus welchen Gründen auch immer, einen, Licht jetzt, einen, zwar minimal, aber doch spürbaren und für die organische Welt wesentlichen antigravitativen Faktor enthält. Und der wahrscheinlich auch zu tun hat, das wäre noch empirisch zu fundieren, das könnte man tun, wenn man sich der Mühe unterzöge, das in breiten Versuchsreihen zu machen, vielleicht auch einen Zusammenhang hat mit der Frage von Wachen und Schlafen der Lebewesen. Nicht, das habe ich ja auch schon angedeutet im Sommer einmal in einem Zusammenhang, dass die Lebewesen oberhalb der Fische … , Schlafen und Wachen, das ist letztlich medizinisch, physiologisch und auch physikalisch nicht geklärt. Hier könnte also eine Antwort darauf liegen, dass das Licht einen gravitations-vermindernden Effekt hat. Von meiner Radialfeld-Hypothese aus wäre es auch vollkommen verständlich, weil durch das Gegeneinanderwirken der Radialfelder ja Licht entsteht und durch die Veränderung, durch die Zustandsänderung des Radialfeldes notwendig auch die gravitative Wirkung sich verändert. Und dann müsste man diese Frage noch einmal neu betrachten.

Ich habe kürzlich mit einem Mediziner und Astronomen über diese Frage gesprochen, ein langes Telefongespräch darüber [geführt], der auch sagte, das müsste sich belegen lassen. Das müsste man durch lange Versuchsreihen über große Zeiträume eigentlich empirisch untermauern können. Er hält hier die These für sehr stark und auch für durchaus diskussionswürdig. Aber es ist bisher, soweit ich weiß, noch nicht wirklich empirisch erforscht worden, weil man einfach erstmal die These akzeptieren müsste als eine ernsthafte Hypothese. Und das wissen Sie, das habe ich auch oft gesagt, es ist da schon schwierig. Man kann ja eine Hypothese nur dann wirklich empirisch untermauern, wenn man sie erstmal wirklich ernst nimmt. Wenn man sich der Mühe unterzieht, mal wirklich einen Moment zu sagen, gut, das ist eine Hypothese, die gucken wir uns mal genauer an. Nicht, wie die Frage der Lichtgeschwindigkeit. Das habe ich Ihnen ja auch erläutert. Ich habe ja die Behauptung, kann man sagen, aufgestellt, dass man nachweisen müsste, auch das ist nie wirklich versucht worden, dass die Lichtgeschwindigkeit am Äquator geringer ist als an den Polen. Ich habe das auch begründet. Bis zum heutigen Tag gibt es keine genauen Untersuchungen darüber, wie die Lichtgeschwindigkeit variiert in Abhängigkeit vom Breitengrad. Es gibt zwar gewisse Hinweise darauf, aber hundertprozentig beweisbar, belegbar, aufgrund der vorliegenden Messergebnisse ist es bislang nicht, müsste sich aber, meine ich, nachweisen lassen, und das wiederum noch in Differenz zu den verschiedenen Tageszeiten. Das ist auch noch wieder ein Unterschied. Und dann müsste man tatsächlich, auch das habe ich gesagt, das Sonnenlicht messen. Man dürfte also kein künstliches Licht messen. Das ist sehr schwierig dann. Das würde sehr aufwendige Versuchsanordnung im Gefolge haben, müsste aber möglich sein.

Also das habe ich in meinem letzten Buch hier auch dargestellt und sage das ja auch öfters in Vorträgen, aber es ist naheliegenderweise äußerst schwierig, das wirklich empirisch zu untermauern. Das setzt sehr weitgehende experimentelle Anordnungen voraus und würde, wenn man das wirklich durchführt, enorm viel Geld kosten, würde also enormen Aufwand bedeuten, das wirklich technisch zu verifizieren. Und man macht es ja nur, das wissen Sie, wenn man wirklich meint, die Hypothese ist diskussionswürdig, wie das ja etwa, weil ich hier sage das nur deswegen, weil hier der „Spiegel“ liegt mit Einstein, dazu habe ich mich ja geäußert zu dem Artikel, weil das ja, als das 1919 da war, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, diese berühmte Sonnenfinsternis-Expeditionen in Brasilien und auf dieser tropischen Insel, hat man ja die Hypothese erst einmal ernst genommen. Da gibt es tatsächlich eine Krümmung der Lichtstrahlen, und dann gab es bestimmte Überlegungen: Wie stark ist die Krümmung, wie groß ist die Krümmung? Und als das dann wenigstens im Grundsätzlichen, in der … qualitativ ungefähr, das war’s nämlich erst einmal, nur bestätigt wurde, war das ja dann ein sensationeller Beleg erst einmal von dieser These aus für die Allgemeine Relativitätstheorie, die dann in einem Nachschlag die Spezielle Relativitätstheorie weltberühmt machte, für die es aber gar kein Beleg war, das ist in der Öffentlichkeit selten genau gesehen worden. Nicht, also diese Lichtablenkung in Schwerefeldern, ich habe das hier auch erläutert, wie man das auch anders interpretieren kann, ich hatte es auch an der Tafel hier, galt als Beleg überhaupt für die Relativitätstheorie, ist aber nur, wenn überhaupt, ein Beleg für die Krümmung von Strahlen, die man auch anders interpretieren kann. Hat zunächst mal mit der speziellen [Relativitätstheorie] sowieso nichts zu tun.

Also, Schauberger hat versucht Maschinen zu bauen, die auf diesem Levitationsprinzip beruhen. Das hat auch Hacheney gemacht, angeblich mit Erfolg. Ich muss sagen, ich weiß es nicht, kann es nicht beurteilen, wenn er sogar auf dem Markt Maschinen angeboten hat, Apparate mit levitiertem Wasser. Ich kann es nicht beurteilen, ich habe darüber auch nur gelesen und gehört, ich habe es nicht irgendwie empirisch fundieren können. Ich will es nur sagen, weil vielleicht viele davon gehört haben oder wissen. Also Hacheney ist auch Praktiker und Techniker, der lange auch für die Wasserwerke gearbeitet hat als Berater, kennt sich also in diesen Fragen bis ins Detail aus. Und das scheint, was ich in diesem Punkte ja wirklich als Laie beurteilen kann, fundiert zu sein, aber ich weiß es nicht. Insofern muss ich das mit aller Zurückhaltung sagen und auch mit allen Vorbehalten.

Ja, ich möchte gar nicht mehr so lange machen, ich möchte gerne noch, damit wir auch noch ins Gespräch kommen können, ich bin ein bisschen im Zeitverzug … Ich wollte eigentlich noch zwei Dinge bringen jetzt, ohne auf den Schauberger noch näher einzugehen. Ich kann ihnen da dringend empfehlen, sich damit selbst sachkundig zu machen. Das könnte man nur in mehreren eingehenden Vorträgen darstellen. Das will ich so eigentlich nicht machen. Es gibt übrigens auch eine Zeitschrift, in der das geschehen ist: ,Zeitgeist‘, mir auch bis vor Kurzem unbekannt, die auch ein eigenes Forum haben, Forum kontrovers, die mich vor einigen Wochen gefragt haben, ob ich einen Vortrag halte, das geschieht im Februar in Stuttgart. Die das dann bringen wir in Ihrer Zeitschrift. Ich kannte die Zeitschrift bis dahin nicht. Interdisziplinäres Forum für Neue Wege in Wissenschaft, Medizin, Kunst und Philosophie. Die bringen auch sehr viel zu der Frage des Wirbels und der Wirbelbewegung, und haben hier einen eigenen Artikel „Wirbel um den Wirbel“, da stellen Sie Hacheney, Theodor Schwenck, berühmter Autor, Anthroposoph des Buches „Das sensible Chaos“, und auch Viktor Schauberger dar. Und das Titelbild, was hier drauf ist auf der Zeitschrift, stammt aus dem Buch von Theodor Schwenck „Das Sensible Chaos“, also über das Wasser, also die Bewegung, wenn man einen festen Gegenstand durch ruhendes Wasser, kommen solche Formen zustande, die man ja generell in der Natur findet, in vielfältigster Form auch in kosmischen, kosmologischen Zusammenhängen.

Ich wollte noch als Letztes, um das jetzt … in gewisser Weise auch zum Punkt zu kommen, der Frage der kosmischen Umsetzbarkeit solcher Überlegung jetzt noch mal etwas darstellen über die Frage, wie man das für die Gestirnbewegung fruchtbar machen kann. Ich habe das ja schon getan in anderem Zusammenhang, im Zusammenhang mit der Frage des Willens. Und ich will das noch mal hier Ihnen darstellen, im Zusammenhang mit der Bewegung der Gestirne, in meinem Verständnis, wie ich das in dem Buch habe, plausibel gemacht habe, warum die Gestirne sich bewegen, und ich bediene mich hier zum Teil auch hydrodynamischer Bilder, was schon Andere auch getan haben. Das ist also für sich genommen nicht neu, nur in der Art und Weise ist es neu und anders. Ich habe im sechsten Kapitel am Schlussteil, es geht hier um die Frage der kosmischen Bewegung, den Abschnitt „Warum sich die Erde bewegt – Grundprinzipien der kosmischen Bewegung jenseits von Newton und Einstein“. Ich habe hier einleitend einige Bemerkungen gebracht und will Ihnen mal einige Stellen hier vorlesen, die auch Bezug nehmen auf die Strömungsvorgänge im Kosmos und die Gestirne. Da heißt es hier in den Grundprämissen: „Gestirne sind keine trägen und schweren Massen, die nach mechanischen Gesetzen bewegt werden. Dies folgt aus der Wirklichkeit und Wirksamkeit der Radialfelder.“ Das habe ich Ihnen erklärt. „Die Aufhebung oder Auslöschung der Gravitationswirkungen aufgrund der bis in die tiefsten Tiefen der Gestirne wirklichen bzw. wirksamen Radialfelder entmaterialisiert die Gestirne in gewisser Weise. Ein Himmelskörper mit eigenem Radial-Feld ist als ein Ganzes jenseits der Materie. Die eigentliche Bewegung wird über das Radialfeld vermittelt, nicht direkt die Materie bewegt sich. Jede Bewegung, die er vollführt, ist in diesem Sinne materiefrei, sie ist rein energetisch und folglich nicht gleichzusetzen mit Fall-, Wurf- oder Stoß-Prozessen materieller Körper auf der Gestirnoberfläche.“ Das widerspricht radikal den Newtonschen Prinzipien. „Gestirne sind kosmische Großorganismen, die offenbar mit einem eigenen überichhaften Bewusstsein ausgestattet sind. Gestirne haben ein kosmisches Bewusstsein unvorstellbar Reichweite.“ Und so weiter. Und jetzt zu der Frage der Strömungsprinzipien im Bewegungsablauf. Ich lese das mal vor, weil das, denke ich, wenn man das nachvollziehen will, das auch verstehen kann, zumindest als eine Denkmöglichkeit, besser als ich es jetzt hier sozusagen freihändig paraphrasieren könnte, das sind nur zweieinhalb Seiten. Dann werden sie sehen, wie ich hier die Strömungsphänomene heranziehe: „In allgemeinster Form und nur auf die Ebene der Radialfelder bezogen lässt sich sagen: Jede Gestirnbewegung ist eine Folge der Verschiebung oder Verlagerung von Radial-Energie in der Durchdringungszone zweier oder mehrerer Radial-Felder. Das sich bewegende Gestirn folgt einer Art Energiegefälle. Genauer und differenzierter gesagt, vollzieht sich offenbar folgender Vorgang. Jedes Radial-Feld stößt alle anderen Radial-Felder in der näheren oder weiteren kosmischen Umgebung ab. Die elektrische und magnetische Abstoßungskraft gleichnamiger Pole scheint hier ihre Wurzeln zu haben. So halten die Gestirne idealtypisch betrachtet ihre jeweilige Position im Raum stabil. In allen Verbindungslinien zu benachbarten Gestirnen bzw. deren Radial-Feldern ergeben sich Durchdringungszonen der unterschiedlichsten Art.“ Radial-Energie ist die energiereichste Strahlung überhaupt, die Materie grundsätzlich durchschlägt. „Die Radial-Energie wird abgebremst, gekrümmt, in Schwingung versetzt, Gravitationswellen und eine potenziell unbegrenzte Vielzahl an elektromagnetischen und analogen Wellen-Phänomen durchjagen den Raum. Durch diese Wechselwirkung, wieder idealtypisch betrachtet, ist jedes Gestirn umgeben von einer über das eigene Radial-Feld vermittelten, sich aus unendlich differenzierten Schichten zusammensetzenden Kugel von Strahlungszonen. Diese Kugel ist potenziell unendlich groß. Wären die Strahlungszonen exakt gleichartig, so müsste das Gestirn ruhen. Das geschieht nirgendwo. Das Gestirn bewegt sich in einer gekrümmten, aber angenähert geraden Linie dorthin im Raum, wo der wechselseitige Verstrahlungswiderstand der Radial-Felder am geringsten ist. Das Radial-Feld bewegt sich entlang eines Gefälles zwischen zwei Potentialen. Das radialenergetische Strömen oder Fließen entlang eines Gefälles, einer Potenzialdifferenz als Bewegungsursache, macht die Vorstellung einer ursachelosen Perpetualbewegung nach herrschendem Muster hinfällig.“ Das ist die Ursache nach meiner Überzeugung, die causa, eine jedenfalls, die man nennen kann, nicht das Ganze. „Insofern bedarf die Gestirnbewegung entgegen der Schulmechanik tatsächlich einer fortwährend angreifenden und einwirkenden Kraft. Erlischt diese, kommt auch die Bewegung zum Stillstand. Dies hat Gültigkeit für jede Bewegung, also auch für die bis dato völlig rätselhaften atomaren bzw. subatomaren Bewegungen.“

Das habe ich Ihnen erläutert im Zusammenhang mit der sogenannten Raumenergie, dass man auch von dorther verstehen kann, warum überhaupt im Mikrobereich, im atomaren, subatomaren Bereich so eine rasende Bewegung ständig aufrechterhalten wird. Auch das wird ja im Normalfall als eine ursachelose Perpetualbewegung hingestellt, die man mathematisch beschreibt, etwa in der Quantentheorie, aber deren Ursache nicht erfasst werden kann und die einfach als akausal gelten. „Auch die Achsendrehung eines Gestirns ist die Folge eines Strömens oder Schließens entlang eines radial-energetischen Gefälles, Ausdruck der Differenzierung, in der jedes Gestirn umhüllende Kugel von Strahlungszonen.“ Ich sage nochmal: Die Radial-Energie ist die feinste, die energiereichste Strahlung, letztlich die Grund- oder Ur-Energie oder Raum-Energie, was die materielle Wirklichkeit betrifft. „Das Gestirn bewegt sich, weil die Radial-Energie wie eine Flüssigkeit einem Gefälle folgt, die aus einer Instabilität in den Relationen der Radial-Felder resultiert. Die Bewegung hat eine bestimmte Richtung im Raum, wie eine Flüssigkeit, die einem Potentialgefälle folgt. Nun wird das sich bewegende Gestirn aus allen anderen Richtungen radial-energetisch beeinflusst, überall, überall im Universum. Die Bewegung des ganzen Gestirns folgt der größten Potenzialdifferenz, dem stärksten Gefälle. Die Achsendrehung folgt dann notwendig dem, Anführungszeichen, zweitstärksten Gefälle. Der Verstrahlungswiderstand, den das Radial-Feld des Gestirns gemäß der Stärke des Radial-Feldes besitzt, erfährt in der Bewegungsrichtung des ganzen Gestirns eine Verminderung. Das Gestirn wird von dort quasi angezogen, aus dieser Richtung [weist auf die Zeichnung an der Tafel] Ein Radial-Feld, das nun seitlich einwirkt, idealtypisch genau im rechten Winkel zur Bewegungsrichtung stößt notwendig auf zwei verschiedene Widerstands-Potenziale. Hier [bezieht sich auf die Zeichnung an der Tafel], auf dieser Seite ein anderes Widerstands-Potenzial als auf der anderen Seite, zwei verschiedene Widerstands-Potenziale. So dreht sich das Gestirn von der Gesamtbewegungsrichtung weg in Richtung auf das seitlich einwirkende Radialfeld. Das Ganze ist ein absolut gewaltloser und schwereenthobener Vorgang ohne jede Materialität.“ Also was letztlich die Relationen bewirkt ist nicht die Gestirnmaterie, sondern es sind die Energien, die Radial-Energien. „Man kann versuchen ihn auf die verschiedenste Weise anschaulich zu machen und damit ins Bild zu bekommen, etwa hydrodynamisch. Die Gestirnkugel treibt gleichsam auf einem Strom.“ Das wäre die Gesamtbewegung, der einem Gefälle folgt, quasi einem Gefälle, die Bewegung des ganzen Gestirns, in der Potenzialdifferenz. „Zugleich gibt es ständig von der Seite einwirkende Wirbelbewegungen, die zwar die Gesamtbewegung nicht ändern können, aber die Kugel zur Rotation veranlassen“. Also aus dieser Richtung [bezieht sich auf die Zeichnung an der Tafel], unendlich differenziert im Einzelnen.

Im Prinzip sind Überlegungen dieser Art nicht neu. Es hat sie in der einen oder anderen Form immer wieder gegeben seit dem 17. Jahrhundert, unter anderem im Zusammenhang mit der Fluidum-Theorie, die im ausgehenden 19. Jahrhundert mit Blick auf die elektromagnetischen Phänomene reaktiviert wurde. „Vor hundert Jahren war das eine kolossal intensiv diskutierte Theorie, heute fast vergessen, zusammen mit der elektromagnetischen Materie-Theorie oder der Äther-Theorie. Äther und Fluidum wurden meist materiell oder quasi materiell vorgestellt. Mein Ansatz schließt alle materiellen oder quasi materiellen Wirk-Elemente aus. Er ist rein energetisch, bezogen auf die Primordial-Energie, die Radial- oder Raum-Energie. Auch als Driften wären die genannten Bewegungsvorgänge modellhaft zu veranschaulichen, sowie Varela und Maturana den Begriff für die Biologie verwenden oder im Rahmen des sog. Chreoden-Modells, das Sheldrake für seine Theorie der morphischen Felder heranzieht. Als Chreode gilt die Bahn einer Kugel in einer epigenetischen Landschaft.“ Das ist jetzt nicht wichtig, der andere Punkt. Es geht noch wesentlich weiter, hier nur als in ganz knappster Form, in aller skeletthafter Form, der Versuch, Bewegung, Gestirnbewegung von der Ursachenebene aus verstehbar zu machen, als eine Bewegung entlang eines Gefälles, quasi wie eine Flüssigkeit oder wie auf einer Wasseroberfläche dahin-Treiben.

Mit aller Vorsicht gesagt, weil alle Vergleiche dieser Art letztlich oder sehr schnell zu sehr kompakten oder materiellen Analogien verleiten. Das ist nicht gemeint. Es sind Bilder, das sind letztlich Bilder für einen Energie-Prozess, für feinststoffliche, wenn man es so nennen will, energetische Wechselbeziehunen. Das heißt also, Bewegung geschieht auf Grund einer radial-energetischen Differenz, und die hydrodynamischen Überlegungen haben Hilfscharakter. Das findet man übrigens auch in ganz anderer Form bei Ervin Laszlo in seinem Buch „Kosmische Kreativität“. Auch er ist bemüht, an verschiedenen Stellen seines Buches, die Bewegung der Gestirne mit solchen Analogien zu erklären. Er benutzt mehrfach auch den Vergleich der Meeresoberfläche. Zum Beispiel heißt es hier an einer Stelle, ich zitiere das hier: „Obgleich das Meer im Gegensatz zum Quanten-Vakuum ein lineares Medium ist, kann seine Wechselwirkung mit den Schiffen als dynamische Metapher der Interaktion angesehen werden, die zwischen den beiden Energiearten des Universums stattfindet.“ Das wäre im Einzelnen zu weitgehend diese Laszlo-These hier noch einmal zu erläutern, die sogenannte Psi-Feld-Theorie.

Ich meine, das auch auf diese Weise verstehbar gemacht werden kann, wie überhaupt Materie entsteht, dass nämlich Materie entsteht in einem sehr intensiven, starken Gegeneinander von radial-energetischen Strömungen, die sich verwirbeln und aufsplittern und in Wellenbewegung geraten. Wie ich auch glaube, ich habe das hier auch dargestellt und wie ich meine auch begründet, dass die ganze Frage nach dem Teilchen-Welle-Dualismus der Quantentheorie auf diese Weise eine gewisse neue Akzentsetzung erfahren kann, dass nämlich der Wellen-Aspekt letztlich der primäre ist und nicht der Teilchen-Aspekt. „Der Teilchen-Welle-Dualismus der Quantentheorie kann in der Radial-Feld-Hypothese aufgelöst werden. Aus den radial-energetischen Wechselwirkungen ergibt sich, dass der Wellen-Aspekt der Teilchen der primäre ist. Zumindest ist das eine Möglichkeit. Der von Ervin Laszlo und anderen eingebrachte Vorschlag, Teilchen als soliton-ähnliche Gebilde zu begreifen, lässt sich auch von der Radial-Feld-Hypothese aus plausibel machen. Das Soliton als Einzelwelle scheint ein getrenntes Teilchen zu sein, ist aber dem ihm zugrundeliegenden Meer der Radial- und Raumenergie ständig verbunden. Das Soliton ist das Meer. Die quasi-Teilchen oder Solitone sind zugleich hochkomplexe nichtlineare Wirbel, gespeist und bewegt, und zwar unaufhörlich, von ihr radial-energetischen Matrix, also ein ständiger Vorgang, der Bewegung verursacht und der auch, glaube ich, in der Lage ist, in diesen sehr starken Wechselwirkungen in bestimmten kosmischen Konstellationen Materie entstehen zu lassen, in einem Wirbelungsvorgang. Wahrscheinlich sind auch so die Galaxien-Strukturen zu erklären, dass in diesen großen Wirbel-Bewegungen tatsächlich auch auf diese Weise auch Materie entsteht. Aber das ist ein weites, schwieriges Feld. Auf jeden Fall kann man mit einigem Recht solche Überlegungen anstellen und man kann vergleichsweise aus, sagen wir mal hydrodynamischen Beobachtungen auf der Erdoberfläche, gewisse Schlussfolgerungen dann auch ableiten, mit aller Vorsicht. Ich bin mir immer bewusst bei all diesen Überlegungen, dass wir uns hier im Bereich der Modelle und der Bilder bewegen, das lasse ich nie aus meinem Bewusstsein. Genau das, das wissen Sie ja, sage ich ja immer wieder bei vielen Theorien, dass das gerade nicht geschieht, dass also eine erkenntnistheoretische Grundlagenreflexion einfach fehl; die ist durchaus hier vorhanden.

Es ist der Versuch, das verstehbar zu machen, mit aller Vorsicht, immer in dem klaren Bewusstsein, dass hier eine Möglichkeit vorliegt und dass hier Bilder verwendet werden und dass diese Bilder natürlich eine ganz bestimmte Vorstellung induzieren, die so in der Form immer auch fragwürdig ist. Das ist klar, also insofern sei das mit allem Vorbehalt gesagt.

Das ist übrigens eine … die Vorstellung, dass Materie durch energetische Wirbelbewegung entsteht, ist auch im Prinzip eine sehr alte Vorstellung. Ich habe selber kürzlich … bin wieder auf eine Stelle gestoßen, die ich gar nicht mehr im Kopf hatte, aus meinem Schelling-Büchlein, vor fast 20 Jahren geschrieben. Beim Durchblättern fiel mir diese Stelle wieder auf, ich hatte sie gar nicht mehr im Kopf, dass Schelling in seiner Naturphilosophie um 1800 ganz ähnliche Gedanken äußert, die wiederum Bezug haben zu der Diskussion seiner Zeit, auch im Zusammenhang mit Messmer und anderen. Da schreibt er einmal über die Wirbelbewegung, die in der Materie, im Stoff, da heißt es hier: „Natur ist nie ohne Bewegung, alle Konstanten sind Fiktionen.“, habe ich geschrieben. Dann: „Die Scheinprodukte der Natur“, Schelling, „sind Hemmungspunkte der an sich unendlichen Tätigkeit, aber in jedem Hemmungspunkt ist noch das Unendliche.“ Das wäre auch nach meiner Überzeugung der Fall, weil die Radial-Energie in sich unendlich ist, letztlich sind das Unendlichkeitsprozesse. Ich schreibe weiter: „Die ewige Schöpferkrafte der Natur wird gleichsam aufgehalten durch eine diametral entgegengesetzte Strömung, der resultierende Widerstand mündet in eine Art Wirbel.“ Jetzt Zitat Schelling: „Ein solcher Wirbel ist jedes ursprüngliche Naturprodukt, jede Organisation, zum Beispiel: Der Wirbel ist nicht etwas Feststehendes, sondern beständig Wandelbares aber in jedem Augenblick neu Reproduziertes“, ist also eine unaufhörliche Speisung durch die Wirbel-Bewegung, die nie zur Ruhe kommt. „Kein Produkt in der Natur ist also fixiert, sondern in jedem Augenblick durch die Kraft der ganzen Natur reproduziert.“ Zitatende.

„Dies sind erstaunliche Aussagen, die erst aus der späteren Feldtheorie verständlich werden. Die kleinsten Einheiten der Natur sind nach Schelling keine materiellen Teilchen des im Sinne des materialistischen Atomismus, sondern Kraft-Wirbel, Zentren unaufhörlicher Bewegungsvorgänge. Schelling sagt wörtlich: ,Ur-Aktionen der Produktivität der Natur‘. Das Atom als Geschehen, als Bewegung, als dynamische Kraft“, das wäre es auch im Sinne meiner Überlegung zu den radial-energetischen Wechselwirkungen, „das ist der Kern des Schellingschen Atomismus. Als Leitgedanke dient die Vorstellung von der wesensmäßigen Einheit aller physikalischen Kräfte.“ Noch einmal Schelling: „Und so wäre es dann wohl Zeit, auch in der organischen Natur jene Stufenfolge aufzuzeigen und den Gedanken zu rechtfertigen, dass die organischen Kräfte Sensibilität, Irritabilität und Bildungstrieb alle nur Zweige einer Kraft sind, ebenso ohne Zweifel wie in Licht, in der Elektrizität usw. nur eine Kraft in ihren verschiedenen Erscheinungen hervortritt. Wenn in der organischen Natur nur der allgemeine Organismus gleichsam sich kontrahiert, so müssen in der allgemeinen Natur wenigstens die Analoga aller jener organischen Kräfte vorkommen.“

Damit war ja Schelling, ich habe das in verschiedenen Kontexten ja auch erwähnt, einer der Gründerväter der elektromagnetischen Feldtheorie, er war überhaupt der erste Denker, der gesagt hat: Elektrizität und Magnetismus sind im Prinzip das Gleiche. Und einer seiner Schüler, Hans Christian Oersted, der Däne, hat dann 1810 über seine ersten Versuche, angeregt durch Schelling, überhaupt dann den Elektromagnetismus ins Rollen gebracht und in die Physik eingeführt. Und als dann Faraday 1832 die elektromagnetische Induktion entdeckte, fühlte sich Schelling bestätigt. Es gibt einen berühmten Vortrag, den Schelling dazu gehalten hat.

Also auch hier taucht die Vorstellung des Wirbels auf. Natürlich ist das viel älter, auch für kosmische Prozesse. Denken Sie etwa an die recht grobe und auch nicht haltbare, aber doch interessante Vorstellung, die Descartes entwickelt hat über die Wirbelbewegung, die dann durch die Newtonsche Gravitationstheorie erst einmal widerlegt worden ist. Aber auch der Gedanke ist naheliegend und auch im Grunde alt. Auch bei Kepler gibt es Überlegungen dieser Art, dass man Bewegungen auch als Wirbelvorgänge deuten kann, also das nur als Anregung zu diesen Vorgängen. Das Ganze wäre eine wirklich ganz eigene Vorlesung zur Frage der Bewegung. Auch hochinteressant, wie ist das im Laufe der Zeit gedacht worden. Und eins steht fest, das kann man sagen aufgrund der gesamten Entwicklung der letzten Jahre in der sogenannten New Science, dass die herkömmlichen Theorien alle nicht stimmen. Das kann man mit Sicherheit sagen, jedenfalls alle voller Widersprüche und Anomalien sind, ob das die Massenanziehungs-Hypothese ist oder alle anderen Theorien dieser Art. Es gibt viele gute Gegengründe und Argumente, die in den letzten 15, 20 Jahren entwickelt worden sind, in der sogenannten New Science. So kann es nicht sein, aber man sucht natürlich nach Möglichkeiten, das verständlich zu machen. Und da gibt es verschiedene Ansätze, und mein Ansatz ist einer von diesen, der, wie ich glaube, am weitesten geht.

Gut, ich will dann erst mal zum Gespräch öffnen und will sagen, dass ich dann in der nächsten Vorlesung, das heißt heute in einer Woche ein sozusagen Gedenk-Vortrag über Giordano Bruno halten möchte. Das ist nicht der 17. Februar, aber 17. Februar ist vorlesungsfreie Zeit. Ich habe für verschiedene Zeitschriften was gemacht. Das ist aber noch nicht erschienen. Die erste Zeitschrift, wo was erscheinen wird von mir über Giordano Bruno ist die Astronomie Zeitschrift „Sterne und Weltraum“. In der Ausgabe vom Februar. Die kommt Ende Januar raus. Da ist ein zehn Seiten-Artikel über Giordano Bruno drin, „Sterne und Weltraum“, das kriegen Sie überall am Kiosk, diese Zeitschrift. Und dann kommt auch in der wissenschaftskritischen Zeitschrift „raumzeit“ Ende Februar ein Artikel und noch in einer dritten Zeitschrift ein längerer Artikel darüber. Aber die „Sterne und Weltraum“ kriegen sie am Kiosk. Kostet, glaub ich, 24 Mark. Ich weiß es gar nicht genau. Oder 18 Mark. Ich habe es nicht im Kopf. Relativ umfangreiche Zeitschrift. Sie sehen das manchmal in den Anzeigen am Kiosk. Da habe ich mich dazu geäußert, weil der zuständige Chefredakteur mich schon im Sommer gefragt hat, ob ich das mache, obwohl ich ihm gleich gesagt habe: Sie kennen ja Sachen von mir und wissen, dass ich durchaus nicht Mainstream-mäßig denke. Ob sie … , ob er das trotzdem akzeptiert dachte gut, machen wir gerade deswegen. Also das finde ich immerhin eine faire und großzügige Geste für eine immerhin vollkommen traditionelle Zeitschrift. Denn „Astronomie und Weltraum“ ist eine populäre Zeitschrift für Astronomie, die nun wahrlich keinerlei herausragende Theorien veröffentlicht. Und ich war erstaunt, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, immerhin auf zehn ganzen Seiten dieser Zeitschrift das darzustellen. Fand das gut und habe das auch gemacht. Und das wird also in Kürze erscheinen.

* * * * * * *

Schwachstellen der Himmelsmechanik

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000 Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 26

Transkript als PDF:


* * * * * * *

Ich war erstaunt, vorgestern, nein gestern, in dem neuen „Spiegel”, ein Essay zu finden eines Teilchenphysikers, der viele der Thesen hier zum ersten Mal in einer solchen Öffentlichkeit präsentiert, an kritischen Tönen, was die Mainstream-Physik betrifft, etwa die gigantischen Teilchenbeschleunigen, was ich seit Jahren in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder auch gesagt habe; ich war vollkommen verblüfft, dass hier zum ersten Mal seit 20, 25 Jahren im „Spiegel” zu lesen, von einem Physiker, der offenbar wirklich nachgedacht hat, der weitergedacht hat. Ich kann Ihnen das dringend empfehlen.

Ich will Ihnen mal einige kurze Passagen hieraus vorlesen, die mir aus der Seele gesprochen sind. Ich dachte manchmal schon bei der Überschrift, das könnte von mir sein. Ich war auch verblüfft. Und der Titel ist „Sperrt das DESY zu. Der Teilchenbeschleuniger DESY bei Hamburg, der jedes Jahr 250 Millionen Mark verschlingt, liefert nur irrelevante und langweilige Ergebnisse. Der Öffentlichkeit wird [das] verkauft als ganz tiefe Forschung, als Grundlagenforschung. Ein Musterbeispiel dafür”, heißt es in der Überschrift, „wie die moderne Physik den Laien für dumm verkauft” ‒ was ich immer wieder sage. Der Laie wird für dumm verkauft und glaubt alles oder ist vollkommen hilflos bei dem ihm präsentierten Ergebnis. Schon eine mit Formeln vollgeschriebene Tafel lässt die meisten in die Knie gehen. Dabei ist das, was an Physik, an substanzieller Physik, an substantieller Natur­philosophie dabei geleistet wird und dem zugrunde liegt, oft ganz dürftig, auf aller­dünnstem Boden gebaut. Also, „Sperrt das DESY zu”. „In Deutschland”, schreibt hier Hans Grassmann, der Physiker ist, Teilchenphysiker: „In Deutschland ist die Zahl der Studien­anfänger im Fach Physik in den letzten Jahren auf die Hälfte gefallen, und das ist gut so. Es war die höchste Zeit. Sicher wird nun wieder die Forderung kommen nach noch mehr Geld für die Forschung, um die Labors noch reicher auszustatten, die jungen Leute anzulocken mit der Aussicht auf einen sicheren Job, eine sichere Rente. Zugegebenermaßen würde ein solcher Geldregen die Hörsäle wieder sofort füllen, fragt sich nur wofür.” Und dann kommen einige sehr deutliche Worte. „Wie es um das Verhältnis unserer Gesellschaft zu den Naturwissenschaften bestellt ist, konnte schon vorher wissen, wer nur wollte. Es reicht, in einen Laden zu gehen und sich ein paar Bücher über eine der gegenwärtigen Mode-Theorien zu kaufen, Chaostheorie etwa.” Sie werden sich erinnern, dass über 10, 12 Jahre der Büchermarkt überschwemmt war mit Chaostheorie. In jeder Talkshow wurde das abgehandelt, und das galt als eine revolutionäre, bis dahin noch kaum wahrgenommene Weise, Physik zu verstehen.

„Chaostheorie etwa. Ich”, jetzt Hans Grassmann, „habe mir also Bücher über Chaostheorie gekauft, mehr als ein Dutzend, sicherheitshalber. Da lese ich Zeugs wie dies:”, das werden Sie kennen, das steht in fast allen der einschlägigen Büchern drin. „Die Küste Englands sei unendlich lang, das kriege man nur durch Fraktale in den Griff, deswegen brauche man die Chaostheorie.” Vielleicht kennen Sie diese Überlegungen, dass man einen Dimensionenwechsel vollzieht, indem man in die Fraktale reingeht, was natürlich logisch unsinnig ist. Man bleibt natürlich auf einer Dimensionsebene. Man kann nicht durch ein sogenanntes Fraktal die Dimension wechseln. „Also, die Küste in England sei unendlich lang, das kriegt man nur durch Fraktale in den Griff, deswegen brauche man die Chaostheorie. In Wahrheit ist die Küste Englands aber nicht unendlich lang, sie besteht ja aus einer endlichen Zahl von Atomen endlicher Ausdehnung. Sollten wir die Existenz der Atome bereits wieder vergessen haben? Ein einzelner Schmetterling im Urwald, so lese ich weiter, könne einen Orkan auslösen, vielleicht in New York, vielleicht in Europa. Das müsse berechnet werden. Denn, damit es nicht unversehens einen Orkan gibt in New York. Die herkömmliche Physik kann das nicht, also müsse eine Chaostheorie her. Aber wenn tatsächlich ein einziger Schmetterling eine relevante Auswirkung aufs Wetter hätte, so gäbe es sicher keinen Wetterbericht bei all den Milliarden von Schmetterlingen und Vögeln und Blättern.” Und so geht das immer weiter.

„Ich weiß, trotz der Lektüre all jener Bücher bis heute nicht, was das eigentlich sein soll, die Chaostheorie ‒ ich glaube, es gibt sie gar nicht.” Das würde ich verschärfen und weitertreiben im Hinblick auf die sogenannte Mainstream-Kosmologie. Ich glaube, es ist gar keine Theorie, die in irgendeiner Form substanziell wäre. Eigentlich gibt es sie gar nicht. Nur des Kaisers neue Kleider sind noch nicht wirklich erkannt worden, ich sage aber voraus, dass es in den nächsten Jahren geschehen wird. Und da wird ein großes Aufwachen sein über das, was man ernsthaft über Jahre, Jahrzehnte hinweg geglaubt hat. „In diesen Büchern steht nichts, was man verstehen könnte, denn das Falsche oder Inhaltslose lässt sich nicht verstehen. Aber es fehlt vielen Menschen am Mut zu denken: Ich versteh‘ es nicht. Folglich ist es entweder schlecht erklärt oder einfach nur unsinnig, sondern sie glauben, es liege an ihnen, wenn sie nichts verstehen. Wissenschaft könne man offensichtlich nicht begreifen als Laie und bräuchte das wohl auch gar nicht, sonst würden jene Bücher doch wenigstens den Versuch unternehmen, es zu erklären. Auf die Spitze getrieben wird der Trend”, immer noch Hans Grassmann „das Wissen hinwegzulügen durch die Behauptung, Wissenschaft könne gar nicht verstanden werden ohne Mathematik, das ist ein wichtiger Punkt. Als eines von vielen Beispielen ein Artikel aus der ,Zeit‘. Zitat: ,Naturwissenschaft lässt sich mit Bildern popularisieren, aber nur mit Mathematik verstehen‘, heißt es da. Stimmte das”, jetzt weiter Grassmann, „so dürfte niemand die Bewegung der Erde um die Sonne verstehen, und wir müssten immer noch glauben, es sei die Sonne, welche sich um die flache Erde dreht, denn kaum einer versteht die Differentialgleichungen, welche die Bahn der Planeten um die Sonne beschreiben. Selbst die Mathematiker, die doch eigentlich, die doch angeblich als einzige die Physik verstehen, müssten noch beim mittelalterlichen Bild des Sonnensystems verharren, denn die den Planetenbahnen zugrunde liegende Differentialgleichungen sind prinzipiell unlösbar.” Der sogenannte Fachmann weiß das. Es ist nicht lösbar. Schon drei Körper im Wechselspiel miteinander widersetzen sich jeder wirklichen mathematischen Beschreibung mittels Differentialgleichungen. Das war ja einer der Punkte, der auch dann die sogenannte Chaostheorie mit vorangetrieben hat. „Ebenso wenig kann man aus der Mathematik, die Existenz der Atome ableiten, oder die Thermodynamik, noch sonst etwas? Woher kommt das? Warum versuchen so viele Leute dem sogenannten Laien einzureden, er verstünde die Physik nicht? Es liegt am Geld, woran sonst? Denn, leider lässt sich viel Geld damit verdienen, den Laien für dumm zu verkaufen. Es hat sich ein riesiger Markt gebildet, auf dem nichts getan wird, als den Laien für dumm zu verkaufen. Ein Bombengeschäft, weil man verkauft, ohne irgendetwas selbst zu produzieren. Aber was ist es eigentlich, was man verkauft?” Jetzt kommen bedenkenswerte, auch gesellschaftspolitisch bedenkenswerte Sätze. „Es ist das Ansehen, welches die Forschung einmal zu Recht genossen hat. Die Autorität, die früher einmal der Verstand besaß, die werden zu Cash-Flow, in bunte Büchlein verpackt voller Fraktale. Dieser Ausverkauf ist verheerend für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für den einzelnen Laien, weil auch jeder Fachmann Laie ist auf allen Gebieten außer seinem Fachgebiet. Wenn ich aber als Physiker nicht mehr über Philosophie nachdenken darf, weil ich ja kein Fachmann bin, wo soll das enden? Wenn ich am Ende selbst als Physiker nicht mehr über Physik nachdenken darf, weil ich ja kein Mathematiker bin, der doch einzig die Physik verstehen könne, angeblich ‒ wo soll das hinführen?”

Dann kommt er auf das Beispiel der Teilchenbeschleuniger, zu denen ich mich ja immer wieder in den verschiedensten Zusammenhängen geäußert habe, als eine gigantische Veranstaltung, bei der die Öffentlichkeit wirklich rundum getäuscht wird. “Beispiel DESY Hamburg, Groß-Forschungslabor für Teilchenphysik mit weit über 1000 Mitarbeitern und um die 250 Millionen Mark Etat pro Jahr. Wissen Sie, lieber Steuerzahler, was die Teilchenphysiker am DESY tun und vor allem, warum Sie es tun? Sie möchten es gerne wissen? Bitte sehr. Dies ist es, was das DESY tut.” Er hat selbst dort gearbeitet, einige Jahre. „Neben einigen wenigen wichtigen und einigen weniger wichtigen Dingen, studiert man vor allem Pomeronen, Struktur-Funktionen und Lepto-Quarks. Der Reihe nach. Ein Pomeron ist” ‒ jetzt kommt ein wunderbarer Satz ‒ „Wenn man sich vorstellt, es gäbe ein Teilchen, das es aber gar nicht gibt und dann berechnet, wie es aussähe, wenn es es gäbe.” Das ist eine pointierte, charakteristische Bemerkung, die keinem absonderlich oder fremdartig erscheinen müsste, der sich mit der Sache näher beschäftigt hat. „Also ein Pomeron ist, wenn man sich vorstellt, es gäbe ein Teilchen, dass es aber gar nicht gibt, und dann berechnet, wie es aussähe, wenn es es [doch] gäbe. Als am Ende des besagten Vortrags ein Theoretiker den DESY-Mann darauf hinwies, dass heutzutage niemand mehr an die Existenz eines Teilchens namens Pomeron glaube, da war die Antwort: Man könne doch messen, was man wolle, es sei doch egal, wie man das dann nenne, warum nicht Pomeron? Die Struktur-Funktion des Protons beschreibt, wie das Proton ein Bestandteil des Atomkerns aus kleineren Quarks und Gluonen-Teilchen zusammengesetzt ist, denn das Proton ist kein punktförmiges Teilchen, sondern es hat eine innere Struktur. Entdeckt wurde dies in Stanford vor über 40 Jahren. Die Proton-Struktur wurde inzwischen, Zeit genug war ja, ziemlich genau vermessen. Das DESY ist nun damit beschäftigt, jährlich neue Weltrekorde der Messgenauigkeit aufzustellen, zum Beispiel zu messen, ob das Proton bei einer bestimmten Energie 200 oder doch eher 205 Gluonen enthält. Eine Frage, die weder für den Rest der Physik noch für den Rest der Welt irgendeine Bedeutung hat, im Grunde genommen nicht einmal für die Struktur-Forscher selbst, denn die Messungen werden allmählich genauer als die theoretischen Vorhersagen, sind also von nichtssagender Genauigkeit. Auf diese Kritik antwortete der DESY-Mann: Man könne nun einmal so genau messen mit den Geräten, die man habe, deshalb tue man es. Derartige Argumente sind zwar schlüssig, insofern, als sie in sich widerspruchsfrei sind. Man kann tatsächlich messen, was man messen kann. Und wenn man ein teures Messgerät hat, so soll man es nutzen. Aber diese Schlüssigkeit wird erkauft um den Preis, die Frage nach der Relevanz der Messung explizit auszuklammern.”

Und dann wird die Frage gestellt, ist das überhaupt noch Physik? Ich kann das hier auslassen. Er verneint das, das ist im Grunde keine Physik mehr im eigentlichen Sinne, wie Physik ursprünglich gemeint war, und dann heißt es hier ganz am Ende des Artikels: „Wir befinden uns in einem Teufelskreis. Die Physik ist eindeutig auf dem Rückzug aus unserer Gesellschaft, und das führt zu Zuständen, wie sie am DESY herrschen. Und das DESY wiederum, indem es behauptet, seine sinnlosen Massenproduktionen von Zahlenkolonnen sei Physik, treibt diesen Rückzug weiter voran, unter Dampf gehalten von einer Unmenge verbrannter Steuergelder.” Und dann am Ende hier: „Glaubte der DESY-Manager nicht, die öden Zahlenkolonnen, die das DESY produziert, das ist nicht die Physik. Die wahre Physik ist anders. Sie ist etwas außerordentlich Lebendiges, das von den letzten und äußersten Dingen handelt, vom Leben zum Beispiel, davon, woher die Welt kommt und warum sie da ist. Und davon, dass da draußen keineswegs das Nichts auf uns lauert, sondern dass Etwas ist, das sagt uns die Physik. Von Schönheit handelt sie und vom Denken, somit vom Bewusstsein.”

Erstaunlich der Schlussteil. Auf jeden Fall ein brillantes Plädoyer für Denken, für naturphilosophisches, physikalisches Denken. Ich habe im Ende des letzten Semesters Ihnen versucht zu sagen, dass ich keinen substanziellen Unterschied mache zwischen Naturphilosophie und Physik. Das ist Denken über Natur, und Newton, wie Sie wissen, hat sich selber primär als Naturphilosoph verstanden und nicht in diesem engeren Sinne als Physiker, was auch viele nicht wissen, was aber historisch zweifelsfrei belegbar ist, das zuvor. Also ich kann Ihnen das ans Herz legen, diesen Artikel, erstaunlich, wahrscheinlich werde ich mich zu einem Leserbrief durchringen, diesmal zustimmenden und durchaus begeisterten Leserbrief.

Zweiter Punkt als Einstieg, gehört auch zum Thema. Sie werden sich vielleicht erinnern, was schwierig ist in einer Zeit, wo Events die Aufmerksamkeit beanspruchen und man schnell wieder beim nächsten ist. Fast weiß heute keiner mehr etwas von der Sloterdijk-Debatte, die doch so lange die Medien beschäftigt hat. Vielleicht wissen Sie noch, dass es in Potsdam eine Konferenz gegeben hat über die Frage der Weltformel. Es war ein ungeheures Medienereignis und jeder, der sich damit näher beschäftigt hat, weiß, da ist nichts rausgekommen. Man hat keine neuen Erkenntnisse gefunden, und das war auch voraussehbar. Aber die Medien haben sich darauf gestürzt und nun ist etwas Interessantes passiert. Das ist mir zugekommen, das will ich Ihnen nicht verschweigen. Ich bin seit vielen Jahren bekannt, einige wissen das, mit einem der … , wahrscheinlich dem besten Newton-Kenner und -Forscher der Gegenwart, der Ed Dellian, der die Newtonschen „Principia” herausgegeben hat und auch neu übersetzt hat, der den großen Briefwechsel von Samuel Clarke mit Leibniz, 1715/16, herausgegeben und übersetzt hat. Und Dellian hat nun ein Flugblatt, halb heiter, halb ernst gemeint als Berlin-Flyer nun in diese Konferenz gegeben und folgende Fragen einfach mal aufgeworfen an die hehre Gemeinschaft: Warum fallen Körper? Und: Warum fallen alle Körper, schwer oder leicht mit derselben Geschwindigkeit? Und dann hat er ein Beispiel gegeben aus dem Bestseller von Stephen Hawking „Eine kurze Geschichte der Zeit”, „A Short history of Time”, gleich aus den ersten Seiten und ganz deutlich und ohne dass man daran zweifeln müsste, dargelegt, dass hier an entscheidender Stelle sowohl physikalischer als auch mathematischer Unsinn steht. Mittlerweile hat der Rowohlt-Verlag reagiert. Er hat versprochen, eine Passage zu streichen, Hawking selber hat nicht reagiert. Da heißt es nämlich, wie er in diesem Flyer zeigt, das Buch ist zwölf Jahre lang Bestseller gewesen, die meisten haben darin gelesen, sind natürlich auf diese Passagen nicht gestoßen, haben darüber hinweg gelesen. Da schreibt Hawking, in der deutschen Ausgabe ist es wie folgt übersetzt: „Nun wird ersichtlich, warum alle Körper gleich schnell fallen”, ja ein wichtiges Problem der Physik, wie kommt das überhaupt, dass alle Körper gleich schnell fallen, im Vakuum? Weiter Hawking in der Übersetzung hier: „Ein Körper mit doppeltem Gewicht wird mit doppelter Schwerkraft zu Boden gezogen, aber besitzt auch die doppelte Masse, was nur die halbe Beschleunigung bedeutet. Nach dem zweiten Newtonschen Gesetz heben sich diese beiden Wirkungen exakt auf, sodass die Beschleunigung in allen Fällen gleich ist.” Wer das mitgedacht hat, ich lese es nochmal vor, müsste feststellen, dass das hanebüchen ist, was hier steht, noch mal, sowohl physikalisch als auch mathematisch: „Nun wird ersichtlich, warum alle Körper gleich schnell fallen. Ein Körper mit doppeltem Gewicht wird mit doppelter Schwerkraft zu Boden gezogen. Aber er besitzt auch die doppelte Masse, was die halbe Beschleunigung bedeutet. Nach dem zweiten Newtonschen Gesetz heben sich diese beiden Wirkungen exakt auf, so dass die Beschleunigung in allen Fällen gleich ist.” Jetzt zeigt Dellian auf eine schlichte Weise, die jeder 14, 15-jährige verstehen kann, dass diese Aussage Unsinn ist. Allein der Nebensatz, die doppelte Masse, was nur die halbe Beschleunigung bedeutet, ist physikalisch so unsinnig, dass jetzt die Herausgeber im Rowohlt-Verlag für die nächste Ausgabe diesen Teilsatz gestrichen haben, der aber eine Einführung ist, der nicht von Hawking selber stammt. Wenn man diese Gedanken jetzt weiter verfolgt, ich will das mal abkürzen, wenn ich das eingehend darstellen würde, würde ich eine halbe Stunde dazu brauchen, müsste man sagen, dass ein Körper, der zu Boden fällt, eine Gegenkraft produziert, die diese Kraft, die den Körper zu Boden zieht, genau ausgleicht. Dann käme Null raus, das wäre null. Und dann bleibt die Frage, wenn Hawking recht hätte, wenn das auf Null rauskommt, das wäre mathematisch so, das wäre Null, nicht, Masse mal Beschleunigung gleich minus Masse mal Beschleunigung, 2 m*a = – 2 m*a. Das ergibt Null. Warum fallen Körper, wenn doch 0 rauskommt? Also eine durchaus berechtigte Frage: Wie ist es überhaupt möglich, dass Körper zu Boden fallen? Wenn denn, wie diese an sich unsinnige mathematische Gleichung nahelegt, das Ergebnis Null ist. Wie kann ein Körper bei einer Null-Kraft fallen, sich überhaupt bewegen? Und da sind wir bei einem wichtigen Punkt, was ich Ihnen heute versuchen möchte darzustellen, bei der Frage nämlich der Bewegung überhaupt.

Es ist .., wen das interessiert, der kann das gerne hier sich anschauen, das ist auf englischer Sprache abgefasst, weil Ed Dellian, der fließend Englisch spricht, das der hehren Versammlung der Weltformel-Konferenz in Potsdam vorgelegt hat, auf Englisch, mit Fragen eben dann „Why do bodies fall nevertheless?” Er hat das hier vorgerechnet, dass das unsinnig ist. Der Herausgeber bei Rowohlt hat ihm das auch zugestanden, die wollen das ändern. Und dann „Why do all bodies heavy or light nevertheless fall at the same rate?” als Frage. Es war vorauszusehen, dass niemand darauf reagiert hat. Niemand. Nur der Verlag, der Rowohlt-Verlag, der die Übersetzung produziert und veröffentlicht hat, hat darauf reagiert. Sonst keiner der beteiligten Herren, meistens waren es Herren, waren wohl auch einige Damen dabei. Auf jeden Fall, es war vorauszusehen. Dellian hat mir den Flyer hier zukommen lassen, und wir haben darüber auch korrespondiert. Auf jeden Fall ein interessantes Beispiel dafür, dass dem sogenannten Laien, dass der sogenannte Laie, sag ich mal, so weit mit Grassmann gesagt, für dumm verkauft wird, dass er nicht einmal merkt, wenn vollkommen offensichtlich ja auch, für jeden Mittelschüler begreifbarer mathe­matischer oder physikalischer Unsinn geschrieben wird. Es fällt ihm gar nicht auf, weil er sozusagen mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist und sein Geist gleich von Seite zu Seite weiter springt, um die ungeheure Geschichte des Kosmos, die hier aufgerollt wird, zu begreifen. Und der Gedanke, dass hier nichts weiter geschieht, als das, was ich eine Ontologisierung nenne, kommt wenig oder kaum auf, dass hier mathematische Modell­vorstellungen ontologisiert werden, sie werden zur physikalischen Wirklichkeit, ja überhaupt zur objektiven Wirklichkeit, wenn nicht gar Wahrheit, emporgeschraubt. Was man machen kann, das ist ja ein gängiges Verfahren. Man kann mathematische Modelle ontologisieren, man kann sagen: Was wir ausrechnen, so oder so, hat auch eine wie immer geartete eigenständige physikalische Wirklichkeit, eine objektive Realität, wie seltsam fremdartig, ja absurd, widersprüchlich, paradox diese auch sein mag.

Die Frage ist also heute, warum sich die Gestirne bewegen. Ja, was überhaupt Bewegung ist. Es ist eine der für mich seit Jahren beklemmendsten, erstaunlichsten, ja geradezu schwindelerregenden Beobachtungen, dass die wenigsten Menschen von dieser Frage in irgendeiner Form tangiert sind oder gar nicht beunruhigt sind dadurch, dass es auf diese Frage überhaupt keine Antwort gibt. Die Frage etwa: Warum bewegt sich ein Gestirn um ein anderes? Warum fällt ein Körper zu Boden? Warum bewegt der Mensch seinen Leib und so weiter? All diese Fragen, die eng miteinander zu tun haben, sind im herkömmlichen Verständnis nicht beantwortet. Ich will Ihnen das versuchen zu zeigen, weil es zunächst verblüffend ist, weil der sogenannte Laie denkt, er hat doch diese vielen Physik-Bücher mit den Formeln und all dem, was er lernt. Das kann doch nicht wahr sein, dass die Physiker das gar nicht erklären können. Es ist wirklich wahr, und man kann es wirklich von diesem Hörsaal aus in alle Welt rufen, sämtliche Physiker, Nobelpreisträger eingeschlossen. Was ist die Ursache der kosmischen Bewegung? Es gibt keine Antwort darauf. Es gibt bestimmte Formen, die Bewegung mathematisch zu beschreiben. So oder so. Es gibt aber keine wirkliche Kausalerklärung. Ich will Ihnen das versuchen zu erläutern. Das kann ich nur tun, indem ich einen Blick richte auf die Ausgangssituation der neuzeitlichen Naturwissenschaft im 16. Jahrhundert, wo die Frage ja zum ersten Mal eine brennende und aufwühlende Frage war.

Nachdem Kopernikus die geozentrische Welt, das mittelalterliche Weltbild entthront hatte, war ja die Frage plötzlich wie nie zuvor aufgebrochen: Was ist die kosmische Bewegung? Warum bewegen sich die Gestirne? Das war ja die Frage. In der mittelalterlichen Kosmo­logie war darauf eine sehr klare Antwort gegeben worden. Eine, kann man sagen, fiktive, eine religiöse Antwort, eine spirituelle Antwort. Aber es war der Versuch einer Antwort. Diese Antwort sieht etwa folgendermaßen aus, ganz vereinfacht gesagt: Es gibt jenseits dieser gigantischen Hohlkugel, von der ich Ihnen erzählt habe, den sogenannten unbeweg­ten Beweger, das Göttliche. Aristoteles sprach vom unbewegten Beweger. Und dieses Göttliche senkt sich nun stufenförmig von Sphäre zu Sphäre, immer weiter hinab zur Erde hin, und bewegt die sphärischen Hohlkugeln, diese gewaltigen Kristallschalen kräftefrei und Kraft des einen göttlichen Grundimpulses quasi von oben aus, wobei ich Ihnen versucht habe zu erklären letztes Mal, dass dieses Oben kein wirkliches Oben ist. Denn diese gigantische Hohlkugel im Sinne der mittelalterlichen Kosmologie kennt kein Außen. Denn wenn Sie ein Außen kennte, ich hab das versucht zu erläutern, dann müsste man sagen, dass danach, dahinter, auch noch Raum existiert, und dann müsste es weitergehen, dann ist ja kein Halten mehr, dann müsste man fragen: Gibt es ähnliche andere Kugeln in diesem ja dann unermeßlichen Raum? Das hatten ja schon die Pythagoreer gegen die geozentrischen Schalen-Theoretiker eingewendet, dass das so sein müsste. Und darauf hatte Aristoteles 300 v. Chr. das Argument gebracht, so dürfe und könne man grundsätzlich nicht fragen, weil außerhalb der Schale der kugelförmigen Welt kein Raum existiert. Das ist wichtig. Also man kann nicht fragen, wo ist diese Kugel? Diese Kugel ist nirgendwo. Weil, es gibt keinen Ort im Raum, den sie einnehmen könnte. Wenn es einen Raum-Ort gäbe, dann müsste es auch andere Raum-Orte geben, in denen im Prinzip ähnliche Kugeln möglich sind. Wenn man so weit geht, dann ist der Raum unendlich. Da kommt man notwendig zum Gedanken der Unendlichkeit des Universums. Denken Sie an die berühmte Denkfigur des römischen Naturphilosophen Lukrezius, der die Gedanken ventiliert hat, was passiert, wenn ich am Rande dieser Kugel stehe und schieße einen Pfeil jenseits dieser Kugel. Bleibt der Pfeil erhalten wie er ist, geht der Raum da weiter? Verschwindet er aber auf eine unbegreifliche Weise, dann ist da wirklich kein Raum. Also die Raum-Frage war zentral.

Also, man ging ja in der mittelalterlichen Kosmologie davon aus, dass die Erde nicht nur im Mittelpunkt des Kosmos ist, sondern mitsamt der Menschheit auf ihr auch zutiefst erlösungsbedürftig ganz unten. Ich habe Ihnen das ja auch versucht zu erläutern, dass die berühmte Kopernikanische Kränkung, die Sigmund Freud als These in die Welt gesetzt hat, einfach eine Fiktion ist. Diese Kopernikanische Kränkung hat es nie gegeben, obwohl unzählige Wissenschaftshistoriker mit Inbrunst immer wieder neu diese These vertreten haben, Kopernikanische Kränkung, Darwinistische Kränkung, Psychoanalytische Kränkung. Diese Kopernikanische Kränkung hat es nie gegeben, weil das Selbstbewusstsein des Menschen ist in der Renaissance, seit der Renaissance, enorm angestiegen und keineswegs verkleinert worden. Fast könnte man sagen: Das Gegenteil war der Fall. Die vorhandene Kränkung des Menschen ganz unten im Kosmos ist jetzt umgepolt. Also, hier war eine Frage ganz einfach beantwortet mit dem Göttlichen. Es gibt also einen göttlichen, unbewegten Beweger, der senkt sich quasi auf diese gewaltigen, kristallenen, durchsichtigen Hohlkugeln herab, von Stufe zu Stufe herab gemindert und diese bewegen sich kräftefrei. Das ist wichtig, ohne Kräfte und auch ohne dass es notwendig gewesen wäre, dass hier physikalische Wahrscheinlichkeiten vorliegen. Denn wenn man das System sich anschaut, mittels dessen mathematisch-geometrisch diese Bewegung beschrieben wurde, dann ist das ja ein Kreis-System, ein sog. Epizykel-System. Es gibt den Hauptkreis, und auf diesem Kreis ist ein zweiter Kreis, der Epi-Zykel, und mittels dieses Epizykel-Systems konnte man Gestirn-Positionen mit erstaunlicher Genauigkeit voraussagen. Diese Sphären greifen vielfältig ineinander. Wie gesagt, physikalische Wahrscheinlichkeiten konnten nicht ins Spiel kommen, weil um diese ging es nicht, weil nur hier unten, ganz unten auf der Erde, dem Wohnplatz der erlösungsbedürftigen Menschheit, griffen physikalische Wahrschein­lichkeiten. Vielleicht muss man noch sagen, was auch der Sloterdijk in seinen „Sphären” mit Recht vermerkt: Der Mensch stand ja auch in diesem Weltbild nicht wirklich im Mittelpunkt, sondern im Mittelpunkt sitzt der Teufel, im mittelalterlichen Weltbild, siehe Dante, „Divina Commedia”, „Göttliche Komödie”, ganz unten in der kosmischen Mitte sitzt der Satan, steckt da drin.

Lesen Sie diese eindrucksvollen Passagen bei Dante. Der Mensch hat von vornherein eine mittlere Position, ganz unten der Satan, etwas weiter oberhalb der Mensch und dann etwa in der Mitte zwischen irdischer Sphäre und Fixstern-Sphäre die Sonne. Ich habe Ihnen das erläutert, das war doch dann wesentlich größer gedacht, als es meistens gesehen wurde. Man kann das auf ungefähr 100 Millionen Kilometer schätzen. Also diese kleinen Abbildungen, die man dann immer sieht, dass gleich nach der Saturn-Sphäre dann die Fixsterne-Sphäre kommt, so simpel ist das nicht gedacht worden, weil es ist riesig vorgestellt worden, also knapp 100 Millionen Kilometer. So, nun war die Frage aufgetaucht: Wenn nun die Erde selbst plötzlich ihren ruhenden Status im geozentrischen Weltall verliert, dann muss sie sich bewegen, dann muss es eine Rotationsbewegung geben, es muss eine Bahnbewegung geben und dann muss man das ganze auf eine ganz neue Weise sich anschauen. Dann muss man neu fragen: Wie kommt überhaupt Bewegung zustande? Wie entsteht Bewegung?

Das Thema, um das es hier geht, habe ich in meinem Kopernikus-Büchlein vor vielen Jahren als die Kopernikanische Herausforderung bezeichnet. Ich will kurz mal diese Punkte nennen, die ich damals hier aufgeschrieben habe. Also die Kopernikanische Heraus­forderung, [19]84 geschrieben, ‘85 erschienen, zeigt die Punkte, die als Fragen aufbrachen für den damaligen Menschen, der sich auf diese Fragen überhaupt einließ. Ich lese das mal kurz vor.

Erster Punkt in dieser Kopernikanischen Herausforderung. „Warum entzieht sich die Bewegung der Erde der unmittelbaren sinnlichen und physikalischen Erfassung, das tut sie? Die physikalische Registrierungsmöglichkeit der Rotation als einer Form der Beschleu­nigung im theoretischen Rahmen der klassischen Mechanik kann hier unberücksichtigt bleiben. Anders gesagt, warum ist die irdische Physik abgeschottet gegenüber der rasenden Bewegung der Erde?” Das wissen Sie alle. Das ist ja der Haupteinwand gewesen gegen Kopernikus, dass diese Lehre der unmittelbaren Sinneserfahrung widerspricht. Wir spüren nichts davon, also kann es nicht sein. Denken Sie an die berühmte Stelle im Drama „Leben des Galilei” von Bertolt Brecht, wo ja die Kardinäle spotten darüber, es müsste ständig irgendwie eine torkelnde Bewegung zu verspüren sein, eine Art Gegenwind. Aber all das ist nicht der Fall. Also muss man plausibel machen, warum bewegt sich die Erde, obwohl wir nichts davon merken?

Zweiter Punkt. Welche Kräfte treiben die Gestirne auf Ihrer Bahn entlang? Diese Frage wurde besonders drängend nach der gedanklichen Überwindung der die Planeten tragenden materiellen Sphären, also feinmateriellen, feinstofflichen Sphären. Was bewirkt die Rotation der Erde, der Gestirne? Also warum bewegen sich die Gestirne? Welche Kräfte treiben die Gestirne auf ihrer Bahn entlang, wenn man den unbewegten Beweger im geozentrischen Weltbild nicht mehr heranziehen will?

Dritter Punkt. Wie lässt sich die gestirnbezogene Relativität der Schwere erklären? Diese Frage lässt sich in zwei Fragen auffächern. 3.1: Welche Wirkungsform hat die Schwere? 3.2: Welchen Ursprung hat die Schwere wenn die Raumstruktur als Führungsfeld im aristotelischen Sinn wegfällt? Ganz kurz gesagt, Aristoteles stellte sich das vor, dass die Schwere quasi zurückzuführen ist auf die Struktur des Raums. Alle Dinge streben zum Mittelpunkt des Universums, das heißt zum Erdmittelpunkt hin.

Vierte Frage: Ist der Kosmos endlich oder unendlich? Wenn er endlich ist, wie lassen sich die Grenzen dieser Endlichkeit bestimmen? Gibt es leeren Raum außerhalb der Endlichkeit? Oder hat Aristoteles doch recht, wenn er auf die radikale Andersartigkeit und Raumzeit-Entrücktheit des Außerhalb-der-materiellen-Welt verweist? Das habe ich ja angedeutet. Die Frage ist ja keine akademische, keine theoretische Frage, sondern doch ungeheuer wichtig. Auch existenziell ist ja die Wo-Frage, wo befindet sich der Mensch? Wo sind wir in diesem Weltall? Also eine zentral wichtige Frage, ja auch für das Selbst­verständnis des Menschen. Die Frage musste natürlich neu ventiliert werden. Fünftens. Wenn die Erde zum Himmelskörper erhoben wird, das wurde sie ja durch Kopernikus: Gibt es noch weiterreichende Analogien als die bloße Bahnbewegung, zum Beispiel? Sind auch andere Gestirne von lebenden Wesen bewohnt? Diese Frage stellt Kopernikus gar nicht, und er stellt auch nicht die Frage einer möglichen Achsendrehung anderer Himmelskörper. Er kommt nicht auf den Gedanken, das lag ihm vollkommen fern zu fragen: Wenn sich die Erde dreht, warum dreht sich zum Beispiel die Sonne nicht? Er ging davon aus, dass es nicht der Fall ist. Er wusste nichts von einer Rotation der Sonne. Der erste Mensch überhaupt, der die Rotation der Sonne als These behauptet hat, war Giordano Bruno in seiner Schrift „De Immenso”, 1591, und der zweite einige Jahre später Kepler, ich glaube 1597. Vorher war nie von einer Rotation der Sonne die Rede. Es war also vor, wohlbemerkt, vor den minutiösen Sonnenflecken-Beobachtungen Galileis mittels des Fernrohrs.

Sechstens. Welches Verhältnis hat der aus der kosmisch-graphischen Mitte vertrie­bene Mensch zum Kosmos? Das ist wichtig. Die Frage nach dem Ort des Menschen im Kosmos ist ja grundsätzlich die Frage nach seiner Beziehung zum Universum überhaupt, ja eine zentral wichtige Frage, die Mensch-Kosmos-Frage: Welches Verhältnis hat der Mensch zum Universum? Kennt ihn quasi das Universum, meint ihn das Universum, oder ist es eine monströse Veranstaltung, die den lebendigen, leidenden, liebenden, denkenden, schaffenden Menschen gar nicht meint und kennt? Also die Frage, zentral wichtig: Welches Verhältnis hat der aus der kosmographischen Mitte vertriebene Mensch zum Kosmos? Siebtens. Wenn die geozentrische Seins-Hierarchie zerstört ist, wenn das ist: Welche Funktion hat das Göttliche, hat dann die Gottheit in der entgrenzten Welt? Die Frage nach Gott, die dann sofort in dem Zusammenhang selbstverständlich aufkam und auch die gesamte Diskussion in den darauffolgenden Jahrhunderten immer mitbestimmt hat. Ich habe Ihnen ja das im Wintersemester in einer Vorlesung versucht zu sagen oder zu zeigen, wie in dem großen Briefwechsel zwischen Samuel Clarke und Leibniz diese Frage zentral ist, und beide Kontrahenten sich gegenseitig immer Atheismus vorwerfen, ständig. Der eine sagt, diese Position würde faktisch zum Atheismus führen, und das wird als Replik zurückgegeben, d. h. ein ganz zentraler Punkt: Wo bleibt Gott in dieser so gesehenen Welt? Ich habe das oft gesagt, dieser Briefwechsel gehört zu den spannendsten intellektuellen Briefwechseln, die es überhaupt gibt. Zu dieser Frage, denn hier werden alle Grundfragen 1715/16 ventiliert, die heute noch genauso brennend, spannend sind wie früher. Die Frage: Was ist der Raum? Was ist die Zeit? Was ist Bewegung? Was ist das Göttliche? Was ist Immanenz? Was ist Transzendenz? Wie können wir Kräfte denken? Und da sind wir schon bei einem entscheidend wichtigen Punkt, der in dieser ganzen Frage dann zentral war, die Frage nach den Kräften. Wenn wir Bewegung verstehen wollen, jedwede Bewegung, auch eine rasend schnelle subatomare Bewegung, egal welche Bewegung, dann müssen wir ja auch hier die Frage stellen dürfen: Was sind, welcher Natur sind die Kräfte, die diese Bewegung vorantreiben? Wenn die Frage nicht zugelassen ist, wenn man sagt, die Frage nach den Kräften darf bei Bewegung nicht gestellt werden, dann läuft es mehr oder weniger auf die Idee hinaus, dass es eine Art von perpetuum mobile gibt. Und wenn ich vorhin plakativ gesagt habe, dass die herrschende Physik keine Erklärung hat für Bewegung, dann kann man das noch weiter zuspitzen und sagen: Was letztlich behauptet wird, übrigens auch für die subatomare Bewegung, ist eine ursachelose Perpetualbewegung, eine ursachelose ewige Bewegung. Bewegung, einmal angestoßen, geht unendlich weiter. Und das ist der einzige Ansatzpunkt, der in der klassischen Mechanik überhaupt gefunden wurde, zur Frage der Ursache der Bewegung, nämlich dieses Phantasma der geradlinig-gleichförmigen Bewegung. Annahme: Wenn ein Körper keine Kräfte-Einwirkungen erleidet, befindet er sich in Ruhe, oder er bewegt sich in einer geradlinig gleichförmigen Bewegung us quad infinitum, unendlich weiter, wenn er nicht daran gehindert wird, in den Raum hinein. Eine unvorstellbare Idee, dass dieser Körper also tatsächlich mit absoluter Geradlinigkeit bis in die Unendlichkeit und Ewigkeit hinein voranjagt, mit einer offenbar ganz genauen Wahrnehmung für die Umwelt. Das ist ja das berühmte Trägheitsgesetz.

Man hat deswegen verschiedentlich oder man findet verschiedentlich in Physik-Lehrbüchern die interessante, fast biologistische Vorstellung, Trägheit sei eine Art Fühl-Organ, können Sie in Physik-Büchern lesen, für die Raumzeit-Metrik. Also plötzlich wird die Trägheit ausgestattet …, wie ein Organ verstanden, ein Fühl- Organ für die Raumzeit-Metrik. Also, diese Bewegung geht unendlich weiter, und hier kommt der Punkt ins Spiel, der letztlich die ganze klassische Mechanik bestimmt hat. Jeder Physiker weiß, dass eine geradlinig-gleichförmige Bewegung in diesem Sinn eine pure Fiktion ist. Es ist eine hilf­reiche Fiktion, wenn man denn die Kräfte in diesem Kontext eliminieren möchte, aber es ist eine pure Fiktion. Niemand hat jemals in dieser Welt eine absolut geradlinig-gleichförmige Bewegung gesehen, noch dazu eine, die us quad infinitum sich in den Raum hinein erstreckt. Das ist aber die Grundannahme letztendlich, auf der die sogenannte klassische Mechanik und Himmelsmechanik immer aufgebaut hat.

Wenn ich der Annahme bin, dass Bewegung letztlich im Sinne einer platonischen Grundform, einer geradlinig-gleichförmige ist, also wenn das Wesen der Bewegung die Geradlinigkeit ist in diesem Modell, dann brauche ich die Kräfte gar nicht mehr. Dann kann ich davon ausgehen, dann kann ich postulieren, eine solche Bewegung ist kräftefrei, was auch geschieht, das ist ja Elementarwissen oder Elementarpostulat möchte ich eher sagen, der Mechanik. In allen Physik-Lehrbüchern steht das ganz zu Anfang, als eine ganz elementare Geschichte, die man ganz früh begriffen haben muss, um überhaupt weiter­zudenken, dass nämlich eine geradlinig-gleichförmige Bewegung nicht unterschieden wird von der Ruhe. Das ist ein wichtiger Punkt. Es leuchtet ein, auch ohne dass man in die Subtilitäten dieser Frage hineingeht, dass das eine Fiktion ist und dass es in sich unbeweisbar ist. Und Weizsäcker sagte einmal: Diese geradlinig-gleichförmige Trägheits­bewegung sei ein kausales Paradoxon. Und eine Fiktion.

Und ich will das noch kurz vor der Pause sagen. Es war also ein wesentlicher Schritt, die Frage nach den Kräften, die Himmelskörper bewegt, erst einmal quasi zurückzunehmen mit dieser Fiktion einer geradlinig-gleichförmigen Trägheitsbewegung, die dann durch die gravitativen Wirkungen der Himmelskörper so herumgebogen wird und dann auf unend­liche, quasi unendliche Zeiträume beibehalten wird. Das ist ja eine erstaunliche Annahme, eine geradezu schwindelerregende Annahme. Das müsste ja auch dann Newton aufgefallen sein. Er hat verschiedentlich dann über diese Sache nachgedacht und hat dann sich vorgestellt, es gibt eine berühmte Briefstelle bei Newton, dass Gott, um das Sonnensystem zu schaffen, Newton war ja auch zutiefst Theologe, dass also Gott, um das Sonnensystem zu schaffen, die Schwerkraft der Sonne habe verdoppeln müssen, und dann habe er aus der göttlichen Hand die Himmelskörper, die dann Planeten wurden, zur Sonne hin fallen gelassen. „Let fall them towards the sun”, heißt es in der Briefstelle, zur Sonne hin fallen gelassen, und dann würden sie durch die nunmehr doppelte gravitative Kraft der Sonne herumgebogen, um nun einer eigenen und nicht mehr zu stoppenden Bewegung zu unterliegen. So jedenfalls hat das die klassische Mechanik gedeutet.

Newton selber hat es anders gesehen. Newton hat nicht geglaubt, das ist auch wichtig für den Kontext hier, dass das Sonnensystem .., von dem er letztlich ausging, für ihn war letztlich mehr oder weniger das Sonnensystem auch das Universum, er hat sich ernsthaft gefragt, ob diese von ihm entdeckten Gesetze überhaupt außerhalb des Sonnensystems gelten. Also er beschäftigt sich primär mit dem Sonnensystem. Er hat also nicht geglaubt, dass diese Kräfte in sich immanent eine solche Bewegung aufrechterhalten können. Er meinte, Gott, der große Uhrmacher, müsste dieses Sonnensystem immer neu nachstellen, worüber Leibniz spottete, er hielt es für eine schlechte theologische Denkfigur, dass Newton einen Rückgriff nötig hatte auf die auf die göttliche Instanz. Also Newton glaubte nicht, dass eine immanente mechanistische Erklärung von Bewegung möglich ist, er hielt das für absurd. Es kommt auch in dem Briefwechsel von Samuel Clarke und Leibniz heraus, dass eine pure Immanenz der Bewegung eine Unmöglichkeit ist, was Leibniz behauptete.

Letzte Bemerkung vor der Pause. Newton… Können wir weitermachen? Ich sehe, dass ich zeitlich ein bisschen jetzt unter Druck gerate. Etwas zu lange hier aufgehalten mit der Kopernikanischen Herausforderung.

Nochmal zur Newton-Leibniz-Kontroverse, obwohl das schon wichtig ist, weil da Grundfragen angesprochen werden, nämlich die nach Immanenz und Transzendenz. Das ist ja nicht eine Frage, die eine unerhebliche wäre, zu fragen, werden die Gestirne von einem göttlichen Willen aus gelenkt, von einer göttlichen Instanz, von Kräften, die man auch, was Newton tat, als spirits bezeichnen kann? Bei Newton manchmal fast synonym „forces“, Kräfte und „spirits“, Geister, oder sind das einfach vollständig immanente, nach mecha­nistischen Prinzipien ablaufende Vorgänge? Wofür man sich entscheidet, für das Eine oder für das Andere, hat ja ungeheure Auswirkungen für das menschliche Selbstverständnis. Deswegen sind solche Fragen so wichtig, sind ja in keiner Weise, sagen wir mal, wissenschaftsgeschichtliche Fragen, sondern es sind ja zentral existenzielle Fragen. Die Frage nach dem Mensch-Kosmos-Verhältnis ist existenziell und essenziell. Kein Mensch kann ernsthaft dieser Frage ausweichen. Er mag das vertagen. Er mag das für den Moment beiseite legen oder stellen, weil ihm seine Alltagsgeschäfte wichtiger sind. Aber in der tiefsten Tiefe kann kein Mensch dieser Frage ausweichen, genauso wenig wie er der Frage nach dem eigenen Tod ausweichen kann, der Frage nach dem eigenen Verhältnis zur Sexualität, zum Eros, zum Leib, zur Erde und all dem anderen. Es sind also ganz zentrale Punkte. Darum geht es. Und das ist auch wichtig, um die Bewusstseinsverfassung, die herrscht, zu verstehen und auch Ansatzpunkte zu finden, die vielleicht einen Grad, einen kleinen Grad von Hoffnung beinhalten, dass diese desaströse Entwicklung, die wir alle kennen und auch ja beklagen, vielleicht durch neue, andere Impulse in eine andere Richtung gelenkt werden kann oder könnte. Deswegen sind die Fragen wichtig, und deswegen müssen sie immer wieder neu gestellt werden. Und deswegen ist es wichtig, sich nicht mit Antworten allzu flacher Weise abspeisen zu lassen, sondern tiefer nachzufragen. Wirklich, was sind diese Kräfte? Und da möchte ich noch mal ansetzen. Das war immer ein großes Problem bei jedweder Erklärung von Bewegung überhaupt: Was sind Kräfte? Hier, Hermann von Helmholtz, den man sieht, wenn man durchs Hauptgebäude reinkommt, die Statue, hat gesagt: Eine Erklärung eines physikalischen Phänomens ist nur dann wirklich vollständig, wenn man das Phänomen oder die Phänomene auf die letzten in ihm oder in ihr wirksamen Naturkräfte zurückgeführt habe. Also eine Erklärung wäre dann nur wirklich gegeben, wenn man auf diese letzte Ebene der Naturkräfte kommen könne. Was sind dann diese Kräfte? Das hat Newton ja beschäftigt und viele andere und mich auch seit vielen Jahren, was sind Kräfte? Materie sind sie jedenfalls nicht. Diese Kräfte sind nicht Materie. Wenn man den Feldbegriff heranzieht, was ja häufig geschieht, dann ist man zunächst einmal nicht wesentlich weiter, weil man nur einen neuen Begriff gefunden hat oder verwendet. Dann bleibt ja die Frage, was sind dann diese Felder ontologisch? Sind das irgendwelche geisterhaften Wesenheiten im Raum, vielleicht sogar der Raum selbst? Oder was ist das? Warum kann man dann nicht sagen, es tun ja auch einige, in gewisser Weise tue auch ich das, zu sagen: Das sind letztlich metaphysische, eigene, immaterielle Entitäten. Kein Mensch würde ernsthaft annehmen, ein Feld sei etwas Materielles. Es ist immateriell. Was sind diese immateriellen Entitäten, die eigentlichen Wirkkräfte in der tiefsten Tiefe? Es sind offenbar Energien, die die Materie durchdringen, durchwirken und auch steuern müssen. Und Newton, um noch einmal kurz auf ihn einzugehen, hat sich mit einer Frage beschäftigt, die auch in diesem Buch eine zentrale Frage ist: Was hat der menschliche Wille als ein substanziell und in der Tiefe freier Wille, der den eigenen Leib bewegt, zu tun mit den Kräften, die die Gestirne vorantreiben? Gibt es da einen Zusammenhang? Da ist ja eine zunächst verblüffende Frage, aber doch eine sehr naheliegende Frage. Wenn wir kraft eines Willens-Impulses den eigenen Leib bewegen können, daran zweifeln wir nicht, obwohl man eigentlich daran zweifeln könnte, man könnte ja sagen, ich sagte es ja auch mehrfach, dass die These vertreten wird, wir sind nur höhere Automaten, also gäbe es diesen Willen gar nicht, der die Materie beeinflussen und steuern kann. Also wenn wir das können, das ist ja unsere unmittelbarste Erfahrung, dass wir das können mittels des Willens ‒ warum soll nicht prinzipiell und grundsätzlich Bewegung in der tiefsten Tiefe als Kraftwirkung Willenswirkung sein?

Wenn Sie die Literatur zu dieser Frage im Laufe der Jahrhunderte sich anschauen, was ich getan habe, dann werden Sie immer wieder auf einen Punkt stoßen, der verblüffend ist und der Staunen macht, dass nämlich immer wieder gesagt wird, schon von Newton selber, aber auch von Mystikern, Jacob Böhme zum Beispiel, von Philosophen wie Schelling, Schopenhauer, in gewissem Sinne auch Nietzsche und vielen anderen, dass diese Kräfte in der Tiefe Willenskräfte sind. Und es gibt immer wieder Überlegungen, diesen Willen sogar bis in die kleinsten Teilchen der Materie zurückzuverfolgen. In einigen extremen Deutungen der Quantentheorie wird gesagt, Cochran zum Beispiel ist ein Fall, er sagt: Letztlich haben sogar die Elementarteilchen eine Art eigenen Willen, auf welcher Ebene und welchen Grades auch immer. Das heißt also, die Frage nach dem Willen ist keine spekulativ müßige oder gar rein mystische oder poetische oder religiöse Frage, sondern eine zentral wichtige Frage: Was bewegt Materie? Ich sag’s nochmal, wenn die Frage überhaupt zugelassen wird. Man kann natürlich auch sagen, und das geschieht ja im Mainstream, diese Frage als solche ist schon eine schlechte oder falsche Frage, weil wir mathematische Modelle haben, mittels deren wir Bewegung beschreiben können. Das können wir ja. Das ist ja nicht zu leugnen, dass es möglich ist, auch wenn sie ganz verschiedener Art sind. Und wenn also die Frage zugelassen wird: Was sind letztlich Kräfte? Dann kommt man mehr oder weniger deutlich auf die Antwort, dass diese Kräfte immaterielle, metaphysische Entitäten sind, und dass es letztlich Willenskräfte sind, wenn diese Analogie zutreffend ist, wenn die Analogie erlaubt ist.

Das ist eine Grundfrage. Wenn ich Analogien anwende, dann ist immer die Frage, ist das legitim? Darf ich einen Begriff, den ich aus meiner eigenen Erfahrung kenne, aus meiner Innen-Perspektive kenne, darf ich diesen Begriff anwenden zur Naturerklärung. Also bis zu welchem Grade ist so eine Analogie zulässig? Ich würde sagen, sie ist nicht nur zulässig, sie ist sogar unvermeidlich. Denn mehr oder weniger machen wir das ohnehin ständig, wir können gar nicht anders. Wir würden von der Welt absolut nichts erkennen können, wenn wir nicht bis zu einem gewissen Grade immer auch Analogien heranziehen, wenn wir nicht immer mittels Analogien denken. Anders geht es gar nicht, denn allein der Kraft-Begriff ist ja zunächst einmal ein Begriff aus der unmittelbaren eigenen Erfahrung des Menschen als Körperkraft, als Willens-Kraft, als Willens-Energie. Das ist ja eine ganz unmittelbare innere Erfahrung des Menschen, die er dann auch außen voraussetzen darf, ja muss, wenn denn Erkennen, ich sage es noch mal, überhaupt möglich sein soll, das muss man immer einschränkend sagen.

Man kann natürlich sagen, was einige extreme Skeptizisten sagen: Es gibt überhaupt keine Erkenntnis letztlich. Wir projizieren immer nur, wir machen Analogiebildung, wir sind alle Analogisten, gute oder schlechte. Das ist eine mögliche Position, die aber, wenn man sie weiter verfolgt, in große Selbstwidersprüche kommt, weil es sich nachweisen lässt und zweifelsfrei belegen lässt, dass bestimmte Formen von Erkenntnis, bestimmte Ebenen von Erkenntnis wirklich möglich sind. Man kann tatsächlich die Projektion bis zu einem gewissen Grad überschreiten. Also, nichts spricht dagegen, dass die Kräfte in der tiefsten Tiefe tatsächlich metaphysische willensmäßige Energien sind, die tatsächlich auch etwas zu tun haben mit dem menschlichen Willen. Das heißt nicht, dass der menschliche Wille die Gestirne antreibt, das hat auch Newton nicht gesagt, aber er hat einen tiefen Zusam­menhang, einen inneren Zusammenhang versucht herzustellen, eine tiefe Analogie. Und wenn man sagt, diese Analogie ist falsch oder sie darf nicht sein, dann muss man die Gegenfrage gestatten: Was sind dann diese Kräfte? Wie ist es möglich, dass diese Bewegungen, etwa eben diese Gestirnbewegungen, mit dieser erstaunlichen Regel­mäßigkeit und Gleichmäßigkeit ablaufen? Dass das rein mechanistische Prinzipien sein sollen, wie behauptet wird, ist ein pures Postulat – das ist ja ein pures Postulat. Eine geradlinig-gleichförmige Bewegung ist nie beobachtet worden. Alle Bewegungen, auch die Satelliten-Bewegungen der künstlichen Satelliten, kommen nach relativ kurzer Zeit zum Erliegen. Es gibt überhaupt keinen Beobachtungszeitraum, der lang genug ist, um zweifelsfrei zu belegen, dass überhaupt Körper über längere Zeiträume hinweg sich nach mechanischen Prinzipien bewegen können. Wir haben ja nur einen ganz kleinen Beobachtungszeitraum, der uns zur Verfügung steht. Man muss das postulieren. Man muss sagen, das ist so, weil die Prämissen so sind und nicht anders. Aber beweisbar, empirisch beweisbar ist es nicht. Insofern bleibt die Frage nach wie vor erst einmal eine offene, eine aufwühlende, und es ist verständlich, dass, sagen wir, religiöse oder spirituelle Menschen erst einmal schlicht, naiv und ohne tieferes Nachdenken die Auffassung haben: Das sind göttliche Kräfte, das ist letztlich ein gottgefügtes Gesamtes. Das hat auch Newton so gesehen und für ihn war Naturwissenschaft letztlich Gottesbeweis, nicht, bis hin zur Gravitation, zu den Bewegungen.

Gerade die ungeheure Regelmäßigkeit der Gestirnbewegung war für ihn ein Beweis für die Existenz Gottes, worüber Leibniz spottete, obwohl doch Leibniz auf seine Weise Theist war, nur auf andere Weise. Und beide haben ja auch gerungen, und das ist ja bis heute zentral, was diese Willens-Energien wirklich sind, ob es wirklich eine Art von freiem Willen gibt, mittels dessen man Materie beeinflussen kann. Auch die Frage, ob Gott frei ist, ob der Mensch frei ist, welche Freiheitsgrade es überhaupt gibt in der Welt. Ja, ungeheure Fragen, die auch natur-, so eigenartig das klingen mag, die auch naturphilosophische, ja physikalische Fragen sind. Naiv könnte man ja sagen, was hat der menschliche Wille, ob er nun frei ist oder nicht, zu tun mit der Gestirnbewegung? Wieso konstruiert Newton und nach ihm viele andere, und ich tue das auch in diesem Buch hier, einen Zusammenhang, der doch zunächst gar nicht einsehbar ist. Er ist verständlich, fast notwendig, wenn diese Welt als Einheit verstanden wird. Und dann ist in der Tat auch wieder eine Prämisse, von der man ausgehen muss, diese Welt ist in gewisser Weise eine Einheit. Wenn sie diese Einheit nicht ist, sie also auseinanderfällt in vollkommen disparate Elemente, quasi ein Scherben­haufen, dann müsste man das Ganze nochmal vollkommen neu denken. Aber es spricht eigentlich nichts dafür, dass dieser Scherbenhaufen die Wirklichkeit sein soll. Eher spricht alles dafür, dass die Welt tatsächlich eine Art Einheit ist und dass dann auch unser Bewusstsein, auch unsere Willens-Energien ein integraler Teil dieser Einheit sind und dass deswegen auch dieser Zusammenhang vollkommen legitim hergestellt werden kann, ja hergestellt werden muss geradezu.

Ich will Ihnen mal zwei kurze Passagen aus diesem Buch vorlesen, die das noch etwas berühren, um Ihnen einige Akzente zu setzen, die vielleicht zum Weiterdenken anregen könnten. Bei der Frage nach den Kräften, nach den Willens-Energien, die Materie vorantreiben, nach den immateriellen Entitäten im Sinne von Newton, von mir aus auch nach den spirits, die nicht widerlegt sind, in keinster Weise, auf keiner Ebene. Die Mechanisten, die das behaupten, postulieren Prinzipien, die nicht beweisbar sind. [Auf] Seite 92 heißt es hier, „Materie, Bewusstsein und Weltseele“: „Im Übrigen kann man schon mit einem Minimum an erkenntnistheoretischer Reflexion zu der Feststellung gelangen“, das ist hier im vierten Kapitel, „dass ausnahmslos alle Dinge, alle Phänomene, alle Wesen der Natur ihre Innenseite haben, auch die über weite Strecke tot wirkende Materie. Ein Stoff, der einfach nackt und brutal purer Stoff ist, also Stoff als Es, ohne den Ansatz eines bewusstseinsmäßigen Wir oder Ich, ist ein Phantom. Er kann allenfalls intellektuell postuliert, aber niemals empirisch verifiziert werden. Wie sollte das auch möglich sein? Jede Verifizierung kann ja nur über das Medium des menschlichen Geistes geleistet werden“, wie anders, sonst ist sie unsinnig. „Jede Verifizierung kann ja nur über das Medium des menschlichen Geistes geleistet werden und damit allein wäre der Stoff als pures bewusstseinsloses Es aufgehoben. Wenn in Physik-Lehrbüchern gelegentlich Trägheit“, also diese geradlinig gleichförmige Trägheit bis in die Ewigkeit hinaus, was pure Metaphysik ist, also reinste Metaphysik, „wenn in Physik-Lehrbüchern gelegentlich Trägheit als ein der Materie innewohnendees Fühl-Organ für die Raumzeit-Metrik bezeichnet wird, dann wird damit, ohne dass dies beabsichtigt wäre, die Materie selbst zum Lebewesen erklärt, das mit Wahrnehmungsorganen ausgestattet ist. Ein Fühl-Organ, das in der Lage ist, immer und überall und mit absoluter Korrektheit die Raumzeit-Metrik zu registrieren und dann auch noch diese Wahrnehmung an die Materie, offenbar instantan, d. h. ohne Zeitverlust, zu vermitteln, kann durchaus als Ausdruck eines kosmischen Bewusstseins gewertet werden.“

Hier kommt übrigens der zentral wichtige Faktor Zeit ins Spiel. Vergeht bei der Übermittlung von Kraft auf Materie, Zeit oder nicht? Newton nahm an, dass hier eine gewisse Zeit vergeht. Leibniz nahm an, dass das synchron, absolut synchron verläuft. Eine wichtige Frage, die ich Ihnen mal sozusagen als Denkaufgabe stelle: Wenn man einen Tisch wegzieht und die Gegenstände auf dem Tisch, die sich dort befinden, wenn sie nun, nach dem weggezogenen Tisch zu Boden fallen, gibt es eine gewisse Verzögerung oder fallen sie sofort? Mal als Denkaufgabe, fallen sie sofort, oder scheinen sie einen Moment lang wie zögernd zu verharren, und dann fallen sie, oder fallen sie gleich? Newton würde sagen, da gibt es einen zeitlichen Zwischenraum, Leibniz würde sagen, sie fallen sofort, absolut synchron. Das ist ja genauso mit dem Willen, wenn Sie einen Willens-Impuls [setzen], dann gibt es eine Verzögerung, das kann man auch sogar bis zu einem gewissen Grade empirisch verifizieren. Also, „dieses kosmische Bewusstsein ist unter-ichhaft“, also das der Materie, „ohne deswegen und ausschließlich es-haft zu sein. Und die Präzision und Weite dieser Wahrnehmung übersteigt offenbar das ich-hafte empirische Bewusstsein des Menschen bei Weitem. Denn der Mensch hat im Normalfall diese Wahrnehmung ja gar nicht. Materie, das Anorganische überhaupt, kann schlechterdings nicht in einem absoluten Sinne tot, d. h. ein ewiges und ewig unerlöstes Es sein. Schon die Annahme von Naturgesetzen, wie immer nun diese bestimmt und ontologisch fundiert gedacht werden, macht ein pures Es unmöglich. Die Naturgesetze deuten auf einen die Gesamtheit der Materie durchwaltenden Logos, der überhaupt so etwas wie Ordnung ermöglicht.“ Das ist nicht Logik im ursprüng­lichen, engeren Sinne, sondern einfach Geist.

„Naturgesetze, nach denen sich die Materie richtet und ausrichtet, setzen eine Art Elementar-Wahrnehmung der Materie voraus. Man mag die These eines unter-ichhaften kosmischen Bewusstseins der Materie als solche für abwegig oder fremdartig halten und überhaupt der Materie jede Wahrnehmungsfähigkeit, jede bewusstseinsmäßige Innenseite absprechen. Dann allerdings müsste auf eine andere Weise plausibel gemacht werden, warum dieser blinde und tote Stoff so präzise auf Gesetze reagiert, die ganz offensichtlich nicht dieser Stoff selbst sind, sondern ihn in Gänze durchdringen und bestimmen.“ Das müsste man dann plausibel machen, wenn man dann diese Prämisse ablehnt. Das kann man nicht plausibel machen, das ist unmöglich. „Was sind Naturgesetze anderes als strukturierter Geist, als anordnendes Bewusstsein? Die Naturgesetze, die wir kennen und in Formeln bannen, müssen nicht die wirklichen und eigentlichen Naturgesetze sein, nicht die wirklichen und eigentlichen Geistprinzipien, die das Universum bestimmen und vor denen unsere Naturgesetze abzuleiten wären.“ Sie kennen vielleicht die These von Roger Penrose, dem bekannten Mathematiker und Physiker, der immer wieder darauf hinweist, diese Naturgesetze, die wir kennen, sind nicht die eigentlichen Naturgesetze. Hinter ihnen sind die eigentlichen Naturgesetze. Wir kennen sozusagen nur den Vorhof dieser Naturgesetze, weil wir letztlich nicht wissen, was Gravitation und was Bewusstsein ist. Und erst wenn wir das wüssten, würden wir einen Zipfel erhaschen von den eigentlichen Naturgesetzen. „Aber darum geht es hier primär nicht. Dadurch wird lediglich die Fragestellung verschoben, nicht aber aufgehoben.

Die Kernfrage ist doch in diesem Kontext, warum reagiert die Materie auf den in den Naturgesetzen manifestierten Geist?“ Das tut sie ja ständig, unaufhörlich. Warum tut sie das? Warum reagiert sie auf dieses Logos-Prinzip? „Dieser Geist muss von kosmischer Dimensionalität sein, ein allgegenwärtiges, ja allmächtiges Etwas, das jeden Widerstand mühelos überwindet. Die Materie gehorcht und zwar nicht einfach so und blind und tot, sondern über das Medium einer Primärwahrnehmung, die zu ihren Eigenschaften gehört. Die Materie reagiert auf den Logos. Ja, vielleicht ist sie strukturell nichts anderes als eben dieses ,auf-den-allgemeinen-Logos-Reagieren’.“ Da gibt es eine wunderbare Formel von Schopenhauer, die sagt, Materie selber ist die Kausalität. Materie selber ist die Manif­estation der Kausalität. „Wenn die Primärwahrnehmung Bewusstsein oder eben Geist ist, oder Materie, wenn auch in unter-ichhafter Form, dann ist das Verhältnis von Naturgesetz und Materie ein solches zwischen zwei Ebenen oder Formen oder Dimensionen von Geist, auf der einen Seite eine unter-ichhafte Elementarwahrnehmung, auf der anderen Seite eine geisthafte Formkraft, die die Gesetze überhaupt ausmacht. Jedes Naturgesetz richtig verstanden, widerlegt den Materialismus. Nicht zufällig haben sich die Naturwissen­schaftler seit jeher schwer getan, klar zu sagen, was eigentlich Naturgesetze sind, zumal diese ja als ewig und unwandelbar gelten. Was für die Naturgesetze gilt, gilt analog auch für die Form. Auch Form ist nicht einfach Materie, nicht einfach toter Stoff. Sie ist im Stoff und über dem Stoff, manifestiert sich aber zugleich als Stoff.“ Auch eine brennende Frage, was überhaupt Form an der Materie ist.

„Auch auf der subatomaren Ebene tritt uns die Materie als Form entgegen, auch wenn wir wenig, fast gar nichts wissen über die wirkliche Wirklichkeit dieser rätselhaften, Tiefen-Welt, in der die Fühlhörner des mathematischen Geistes hinein zu reichen scheinen. Warum eigentlich? Auch das, wenn es so sein sollte, müsste zu denken geben. Und es ist durchaus konsequent, wenn Platoniker wie Heisenberg die mathematische Form über­haupt zum Wirklichkeitsgrund erklären. Dann verschwände der Stoff und nur die Form, in diesem Falle als mathematische vorgestellt, bliebe. Ganze Zahlen scheinen in der subatomaren bzw. atomaren Welt eine zentrale Rolle zu spielen. Sie scheinen als konstitutive Wirkprinzipien zu agieren, mit durchaus eigener, von der Materie losgelöster Wirklichkeit.“

Ein Zitat was ich hier bringe, das will ich noch kurz vorlesen, von Ernst Jünger zur Frage von Geist und Stoff: „Die Physik, die zu so scharfsinnigen Gleichungen von Kraft und Stoff vorgedrungen ist, bedürfte der Ausdehnung in neue Dimensionen, um uns zu lehren, dass der Stoff gleichzeitig Geist ist und so gesehen nichts außerdem. Dort müssen die feinsten, die immateriellen Teilchen sein. Erst so erklärt sich die Macht der Phänomene, und zwar nicht nur der physikalischen, sondern auch der biologischen und moralischen, deren Ähnlichkeit auf eine unteilbare Einheit hinweist und deren Divergenz auf die perspektivische Beschränkung des exzentrisch gewordenen Beobachters. Das Vegetative ist schon in den Elementen, das zeigen die Eisblumen. Die Eisblume ist nicht genetisch älter als die Rose, sie ahmen beide ein verborgenes Bild nach“ usw.

Dann heißt es hier, und dann will ich an dieser Stelle erst einmal abbrechen, mit dem vierten Kapitel hier: „Ich will nicht den mindesten Zweifel daran lassen“, dass wissen Sie, „das habe ich auch in anderem Kontext oft gesagt, dass ich die hier skizzierte Vorstellung eines kosmischen Alllebens oder allgegenwärtigen Bewusstseins in der Grund­richtung akzeptiere, ja, für die einzig befriedigende Denkmöglichkeit halte.“ Ich gehe wirklich so weit zu sagen, die Annahme einer Universal-Intelligenz, eines Alllebens ist die einzige befriedigende Denkmöglichkeit überhaupt, den Kosmos zu betrachten. „Alle anderen Denkansätze, etwa der eines wesenhaft oder überwiegend toten Universums, aus dem uns dann das anthropische Prinzip retten soll, führen konsequent weitergedacht in einen Irrgarten der Widersprüche, Zirkelschlüsse und Paradoxien. Schon Giordano Bruno hat dies in seinen kosmologischen Schriften von 1584 bis 1591 überzeugend dargestellt. Ähnlich überzeugend, und ich glaube bis heute unwiderlegt, wie den Gedanken der aktualen realen Unendlichkeit des Universums. Alles, was in diesem Buch gesagt wird über Gravitation, Äther, Gestirnbewegung und Ähnliches, ist nicht abzulösen von dieser grundlegenden These der absoluten Existenz des kosmischen Alllebens. Der das kosmische Allleben zusammenfassende Begriff heißt Weltseele. Weltseele ist das Alpha und Omega meiner gesamten Argumentation. Dieses Universum ist wirklich in toto lebendig, muss in toto lebendig sein, weil es lebendige und bewusstseinserfüllte Wesen hervorgebracht hat“, und so weiter.

Ich habe das ja in verschiedenen Zusammenhängen auch verdeutlicht. Ich will Ihnen jetzt nochmal eine zweite kurze Passage vorlesen zur Frage der Bewegung, aus dem sechsten Kapitel. Das sechste Kapitel hier hat den Titel „Welcher kosmische Wind bewegt das Raumschiff Erde? ‒ Umrisse einer neuen Theorie der Gestirnbewegungen“. Es macht den Versuch, die causa, die Ursachen der Gestirnbewegungen aufzuzeigen und stellt am Anfang Bewegung überhaupt noch einmal vor bzw. zeigt die Frage, um deren Klärung es hier geht, ehe dann die eigentliche conclusio hier vorgetragen wird mit dem Titel „Warum sich die Erde bewegt ‒ Grundprinzipien der kosmischen Bewegung jenseits von Newton und Einstein“. Ich lese mal den Anfang hier vor. „Das Rätsel der Bewegung, Phäno­menologie und Kausalität“, weil das noch mal den Punkt berührt, der grundsätzlich berührt ist bei der Frage nach der Bewegung, es geht ja um jede Bewegung, jede nur denkbare Bewegung, auch um die subatomare Bewegung. Wenn wir nicht von einem perpetuum mobile ausgehen wollen, müssen wir uns dazu bequemen, nach der causa, nach der Kausalität dieser Bewegung zu fragen.

Also, Zitat am Anfang des sechsten Kapitels: „Diese Welt ist eine Welt unaufhörlicher und allgegenwärtiger Bewegung, von der Mikrowelt der subatomaren Teilchen über den Mesokosmos, mittleren Kosmos der menschlichen Erfahrungssphäre bis zu den Groß­formationen der Galaxiengruppen und vielleicht noch darüber hinaus. Alles Lebendige und alles Tote, das tot Erscheinende, ist voller Unruhe, jagender, gehetzter Bewegung in aberwitziger Geschwindigkeit, etwa der Elektronen im Atom oder jeder Art Teilchen und Wellenstrahlung, die uns unausgesetzt durchdringt, steht neben ruhiger, getragener wie gelassen wirkender Bewegung. In der Makro-Perspektive des Sonnensystems ist die Bewegung der Planeten von dieser Art. Streng gesetzmäßig ablaufende rhythmische Schwingungen in festen Bahnen und Grenzen, etwa die Bewegung eines einzelnen Pendels oder die Achsendrehung der Erde, stehen neben chaotisch wirkenden Turbulenzen, etwa der atmosphärischen Vorgänge bei Sturm und Gewitter oder der Ausbreitung einer Erdbebenwelle. Leicht Berechenbares, etwa der fallende Stein, steht neben Bewegungen, die sich jeder Mathematisierung entziehen, oder diese auf einer Ebene der Kompliziertheit heben, die sie praktisch undurchführbar macht, etwa die Bewegung eines vom Baum fallenden Blattes in einem Herbststurm hat sich bis heute der mathematischen Erfassung entzogen. Manches entzieht sich grundsätzlich und aus prinzipiellen Gründen der Berechenbarkeit. Das gilt für den größten Teil der lebendigen Bewegung, genauer der Bewegung der Lebewesen. Wie sich der Wein, der eine Hauswand hoch wächst, bewegt, ist nicht vorhersagbar. Noch weiter entfernt von der mathematischen Erfassung ist die Bewegung eines Delphins im Meer oder die eines spielenden und hüpfenden Kindes.“

Es kommt eine kurze Passage, die ich auslassen kann, über Musik. Dann geht es weiter. „Jede Bewegung ist eine Mischung“, denken Sie an das, was ich vorhin gesagt habe, „oder ein komplexes Ineinander von zwei Polen von Freiheit und Notwendigkeit, Zwang. Der zu Boden stürzende Felsbrocken hat keine Freiheit, dies nicht zu tun, wenn er etwa von einem Bergsteiger herausgetreten wurde. Er muss die sich rasend beschleunigende Sturzfahrt Richtung Erdmittelpunkt antreten, die dann irgendwann zum Stoppen kommt. Alle der Schwere unterworfenen Wesen, also alle physischen Körper überhaupt, haben diesen dem Radialfeld entsprechenden Drang, sich gleichmäßig beschleunigt Richtung Erdmittelpunkt zu bewegen. Dieser Erdmittelpunkt ist der große allgewaltige Attraktor für alle Körper. Auch der ruhende Körper will eigentlich fallen oder stürzen, will zum großen Attraktor fallen, will in den Erdmittelpunkt hineinstürzen, quasi in den Erdkern. Der feste Boden verhindert die Vereinigung mit dem Ursprung. Wird dieser Boden weggezogen, setzt sich jeder Körper ohne Ausnahme sofort Richtung Erdmittelpunkt in Bewegung.“ Es kommt hier eine Antwort auf die Frage, die ich vorhin gestellt habe, lasse ich jetzt weg. „Vom Körper aus gesehen ist Gravitation also ein unaufhörlich vorhandener Bewegungsdrang hinab in die Tiefen des Gestirns. Dass die Gravitation bewirkende Radialfeld macht alle Körper als Körper unfrei. Ein mit Bewusstsein begabter Stein, so meint Spinoza, würde sich für frei halten“, berühmte Aussage von Spinoza. „Er würde glauben, dass sein Fallen einem von ihm ausgehenden freien Willens-Impuls entspreche. Spinoza benutzt dies als Veranschaulichung für die Unfreiheit des menschlichen Willens. Wie Leibniz glaubt er nicht an einen freien Willens-Impuls des Menschen, mittels dessen dieser zum Beispiel seinen eigenen Leib bewegen kann. Das hält er für unmöglich. Spinoza glaubt wie Leibniz, dass der Mensch das nicht kann. Wenn er glaubt, es zu können, dann müsse es sich um eine Täuschung handeln. Der Mensch auf dieser Ebene, also der der Erfahrung der empirischen Realität, hält sich für frei, ist es aber nicht, in diesem Sinne. Von Descartes über Spinoza und Leibniz und Kant bis in die Gegenwart hinein ist genau dies immer wieder behauptet worden. Ist die Welt lückenlos deterministisch gebaut, wie ja die Schulmechanik behauptet, ist natürlich die Freiheit dahin.“ Auch das habe ich verschiedentlich gesagt, dass die herrschende Vorstellung der Kausalität immer Determinismus ist. Fast alle Darstellungen zu diesen Themen setzen Determinismus und Kausalität gleich. Determinismus ist eine absolut lückenlose Kausalität. „Dann erübrigt sich auch eine Betrachtung des genannten Ineinanders von Freiheit und Notwendigkeit in der Bewegung. Dann kann jeder Freiheits­grad bis hinauf zum Höchsten, dem freien Willen des Menschen, nur Täuschung und Schein sein. Die Freiheit lässt sich dann nur retten, wenn man sie herausnimmt aus der empirischen Realität, wie ja im Idealismus von Leibniz und Kant geschieht“, das ist ja einer der Ansatzpunkte überhaupt der kantischen Vernunftkritik. „Aber ich will hier zunächst und überhaupt zentral bei der Erfahrung bleiben, und diese Vorbetrachtung hat nur das Ziel, die Bewegungsfrage als eine phänomenologische und empirische ins Bewusstsein zu rücken. Also, der fallende Stein bewegt sich zwanghaft unfrei. Sein Freiheitsspielraum als Stein ist gleich Null. Mag er in der Mikrostruktur seinen subatomaren bzw. atomaren Aufbaus wirkliche Freiheitsgrade enthalten, ob nun als Bewusstsein oder als Eigenwille oder im Sinne der Quantentheorie, der Stein als ein ganzer ist vollständig unfrei, unfrei wie jeder physische Körper als physischer Körper im Radialfeld des Gestirns. Sicher gibt es das skizzierte Materiebewusstsein, aber dies bewirkt keine Freiheitsgrade in Bezug auf die Schwere. Bewegungen, die sich absolut notwendig vollziehen, sind in erster Linie die der sogenannten toten Körper. Ein Universum toter Körper als Weltmaschine, zusammen­gesetzt aus kleinen und großen Billardkugeln, stellt sich dem entzückten Auge der irdischen Mathematiker und des göttlichen Mathematikers als in Gänze berechenbar dar. Kant meinte, er verstehe, wie sich die Gestirne bewegen und wie sie entstehen, aber er sei außerstande, einen einzigen Grashalm wirklich zu begreifen.“ Wurde oft zitiert. Erstaun­lich, dass da niemand ins Grübeln gekommen ist. Wenn man den Grashalm nicht versteht, wie kann man dann die Gestirne verstehen? „Die Äußerung Kants wird oft angeführt, selten aber als das bezeichnet, was sie eigentlich ist: eine denkerische Bankrotterklärung und eine schwer begreifbare Leichtfertigkeit. Wie kann man ernsthaft die Genesis der Gestirne verstehen wollen oder zu verstehen vorgeben, ohne die Struktur des Lebendigen zu verstehen? Das Lebendige entwickelt sich doch auf eben diesen Gestirnen, muss also mit ihnen und auch mit ihrer Genesis zu tun haben. Später feiert Ernst Haeckel den von ihm bewunderten Darwin als Newton der organischen Welt“ und so weiter.

[Ich] entwickle dann weitergehend von Stufe zu Stufe diese Vorstellung, dieses Wechselspiels von Freiheit und Notwendigkeit und versuche zu zeigen, wie man von dort aus tatsächlich in sich konsistent, schlüssig und bis zu einem gewissen Grade dann auch logisch, tatsächlich Bewegung begreifen und verstehen kann, auch die Bewegung der Himmelskörper. Ich meine, dass das in der Form noch nicht geschehen ist bisher im Denken und kann gespannt sein, wie diese Denkmomente aufgegriffen werden. Noch mal ganz kurz auf einige bündige Formeln gebracht, ehe wir dann zum Gespräch kommen, wo wir dann vielleicht das eine oder andere noch vertiefen können.

Die Frage nach der Bewegung ist die Frage nach den Kräften. Wenn ich die Frage nach den Kräften nicht stellen darf, indem ich sage, Kräfte sind nicht wichtig, mathema­tische Beschreibungen sind das, worum es geht, dann eliminiere ich eine wichtige Ebene bei diesem Thema überhaupt. Ich meine, man kann und man muss und darf die Frage nach den Kräften stellen. Und dann ist die Frage erlaubt, wenn diese Kräfte die tiefste Ebene der Erklärung sind, oder sein sollen, was sind diese Kräfte essenziell und ontologisch und in ihrem eigentlichen Sein? Und hier muss man sich, wenn denn Welt überhaupt erklärbar und verstehbar sein soll, und diese Prämisse allerdings setze ich hier an, dann muss man sich dazu bequemen, dass ein Willens- und Bewusstseins-Prinzip bis in die tiefsten Tiefen auch der sogenannt anorganischen Materie hinein anwesend ist. Nur dann lässt sich wirklich die Welt in einem gewissen Grade auch konsistent vom menschlichen Geist verstehen. Nur aus dieser Analogie heraus ist es möglich. Wenn die Welt ein absolutes Es wäre, ein pures Ding, dann würden wir auf ewig verstrickt sein, notwendig in den Zirkel unserer eigenen Projektion, dann wäre Naturerkenntnis unmöglich. Ich meine, dass die Annahme einer wie immer gearteten Naturerkenntnis letztlich dazu führen muss, dass so etwas wie Geist, Wille und auch Logos in der Welt tatsächlich vorhanden ist und auch mit den Kräften zu tun haben muss. Und dann muss man das Ganze nochmal vollkommen neu denken.

Die Behauptung, dass die Himmelskörper sich nach rein mechanistischen Prinzipien bewegen, ich sage es noch mal, ist ein pures Postulat. Es ist nie bewiesen worden, kann gar nicht bewiesen werden. Ich sage es nochmal, weil der Beobachtungszeitraum, der uns zur Verfügung steht, ein sehr kleiner ist und alle uns beobachtbaren Bewegungen dieser Art nach relativ kurzer Zeit zum Erliegen kommen. Das heißt, empirisch ist es nicht. Es ist eine postulathafte Setzung, könnte man jetzt mal ideologiekritisch sagen, um dieses Wort zu verwenden. Eine Setzung mit der Absicht, die immateriellen, göttlichen, quasi göttlichen Kräfte aus der Welt zu eliminieren. Sie dürfen nicht sein, die Welt muss ein toter Mechanismus sein. Und wenn sie das nicht ist, müsste man vollkommen neu an die Welt herangehen, dann müsste man sie neu betrachten. Dann müsste man neu nachdenken über die eigene Position im Kosmos. Dann wäre man nämlich wirklich schlagartig in einem vollkommen lebendigen, vollkommen intelligenten und bewusstseinserfüllten Universum angelangt. Und da muss man ganz neu die Frage stellen: Wer bin ich in diesem Universum? Dann müsste man quasi das ganze Denken in dieser Richtung noch einmal ganz neu aufrollen. Ich meine, dass es auch notwendig ist. Und nicht nur das, es geschieht auch. Ich sag’s noch mal: Diese Fragen interessieren und bewegen und rühren ja sehr, sehr viele Menschen auch in der Tiefe an. Es ist ja letztlich wichtig, wer wir sind und wo wir sind. Es ist ja keine müßige Frage, und man muss wirklich aufpassen, dass man sich nicht von halb gedachten und letztlich gesetzten und substanziell auch metaphysischen Prinzipien die Sicht verdecken lässt. Und da möchte ich für plädieren, auch in Weiterführung dieses Artikels aus dem „Spiegel“, den ich vorgelesen habe, da wirklich eine Aufmerksamkeit zu entfalten, wirklich eine Wachheit und eine Offenheit. Da kann jeder Mensch, der nicht vollkommen, sagen wir mal, abgedunkelt und verblendet ist, tatsächlich fundamentale, neue, offene Fragen stellen. Die darf er stellen, die müsste er auch stellen. Er sollte nicht die ihm vorgegebenen, allzu schnellen Antworten, auch wenn sie in allen Akademien der Erde als letzte Wahrheit verkündet werden, hinnehmen. Das finde ich einen guten Ansatzpunkt, noch einmal neu zu fragen und nicht zu denken, diese Art Fragen seien naive Fragen. Nicht, wenn angenommen wird, ich sag es noch als Letztes, um nochmal ein konkretes Beispiel zu geben, wenn angenommen wird in der ominösen Urknall-Fiktion, dass der Raum selber sich ausdehnt, dann ist es eine fast-Kinderfrage, die auch Schüler sofort stellen, wenn sie zum ersten Mal davon hören, der Raum dehnt sich aus: Wohin dehnt der Raum sich aus? Wohin? Dann sagen meistens die Physiklehrer: Die Frage kann man nicht stellen, weil es eine schlechte, eine falsche Frage, weil da ist kein Raum. Wenn da noch Raum wäre, kann der Raum sich nicht ausdehnen. Wie kann sich etwas ausdehnen in einen Nicht-Raum, es kann nur Raum sein. Und wenn ich sage, es ist kein Raum, das ist ein Hyperraum, wie es ja in vielen mathematischen Modellen geschieht, dann ist es doch Raum. Oder ich nehme alle unsere vertrauten Kategorien von dem, was Raum ist, vollkommen heraus. Dann bin ich bei Aristoteles gelandet, dann bin ich in der Scholastik, dann bin ich im Mittelalter. Nur ist das Ganze wesentlich vergrößert, aber ich bin letztlich genau wieder an dem Punkt, bestimmte Fragen nicht stellen zu dürfen, etwa die nach dem Außerhalb der Kugel. Das ist dann schwierig, dann sind wir im Mittelalter gelandet dort. Das muss möglich sein, und die Fragen lassen sich auch auf Dauer, glaube ich, nicht weiter verdecken. Und ich sage es noch mal wie einleitend, dass ich glaube, dass irgendwann ein großes Erwachen kommen wird bei manchen Fragen, wie man sich wirklich über Jahre und Jahrzehnte hinweg diese Frage hat wegnehmen lassen, kaum getraut hat, sie zu stellen, weil sie als Scheinfragen abqua­lifiziert worden sind. Aber das sind echte Fragen. Die Frage nach dem Raum ist keine Scheinfrage, auch keine naive Frage, sondern eine ganz tiefe, echte Frage. Wenn sich der Raum ausdehnt, wohin dehnt er sich aus? – Gut, bis dahin erstmal.

* * * * * * *

Auseinandersetzung mit Sloterdijks „Sphären“

Vorlesungsreihe:

„Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000 Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 25

Transkript als PDF:


* * * * * * *

Ja, da ging es ja um die Frage einer grundlegenden Diagnose der Jetztzeit, der Gegenwart, der zeitgenössischen, modernen, postmodernen ‒ wie immer ‒ Bewusstseinsverfassung im ausgehenden 20. Jahrhundert. Was wir hier machen, als einer Parallelveranstaltung in gewisser Weise, hat auch damit zu tun, obwohl es direkt in den Themen ja nicht auftaucht. Ich spreche ja nirgendwo direkt von einer Zeitdiagnose, obwohl implizit natürlich bei all diesen Themen immer auch ein Stück Zeitdiagnose im Spiel ist, wie denn auch anders. Die Frage nach Kosmologie, nach Mensch-Natur-Verhältnis, Mensch-Kosmos-Verhältnis ist ja immer auch eine Frage der modernen, postmodernen Bewusstseinsverfassung und insofern hat sie immer auch zu tun mit Zeitdiagnose. In gewisser Weise dann auch mit dem nächsten Schritt einer möglichen Therapie. Das ist natürlich besonders schwierig.

Wie kann man eine Therapie formulieren, die über eine Aufforderung, sagen wir mal, zu einem wie immer beschaffenen Aktionismus hinausgeht, wieder mal zum hundertsten Mal bestimmen, wenn ich zum zweihundertsten Mal, ließ ich den Satz von Karl Marx auf mich wirken, im Aufstieg hier hoch [zum Vorlesungsraum, die Aussage bezieht sich auf den nachfolgenden Satz von Marx, der im Gebäude zu lesen ist] und dachte immer wieder, er stimmt nicht. „Die Philosophen haben die Welt immer nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Das ist auf einer, sagen wir mal, vordergründigen Ebene, vollkommen richtig, das ist klar. Also, in erster Lesart ist dem Satz nichts entgegenzusetzen. Die einen reden und denken, die anderen handeln. Auf der anderen Seite aber ist natürlich, und das wusste Marx sehr genau, gerade sein Beispiel ist ja sehr signifikant, ist natürlich jede Interpretation von Welt eine philosophische Interpretation, Deutung von Welt, der Erde, des Kosmos, des Menschen-Kosmos-Verhältnisses, ist immer auch eine geistige Tat, ist in diesem Sinne ein reales Geschehen. Geschichte ist immer auch, was immer sie sonst noch ist, die Geschichte von Ideenkriegen. Das kann man festhalten, ohne eine allzu kühne Interpretation der Geschichte hier zu liefern. Geschichte ist immer auch die Geschichte von Ideenkriegen, in der einen oder in der anderen Form. Und das zeigt gerade auch das 20. Jahrhundert auf eine sehr deutliche Weise. Insofern ist jede Deutung eine Tat und deswegen ist im Grunde genommen auch die fast schon leidige Frage, die immer wieder auftaucht: Ja wenn wir diese oder jene Einsicht gewonnen haben, wie lässt sich das umsetzen? Was mache ich nun, morgen, übermorgen, in einem Jahr, in zwei Jahren? Auch die Frage ist verständlich, aber auch wieder zu kurz gefasst, weil eine wirkliche Idee im Kontext dieses Ideenkrieges, deren Zeit gekommen ist, ist notwendig stark, wird sich notwendig früher oder später in der einen oder anderen Form, auf der einen oder anderen Ebene durchsetzen. Das muss nicht morgen sein oder übermorgen oder in 10 Jahren. Aber wenn mich meine Betrachtung der Geistesgeschichte nicht fundamental täuscht, dann ist das in den mir überschaubaren Fällen immer so gewesen. Und insofern, es ist kurz, zu kurz gegriffen, wenn man sagt: Ja, was folgt daraus? Wie setze ich das um? Wenn die Idee stark ist, wenn der Zeitpunkt stimmt, wenn der Kairos, altgriechisch gesehen, richtig ist, dann wird diese Idee auch ihren Weg gehen und wird sich dann auch in irgendeiner Form materialisieren. Und dann natürlich in ein Wechselverhältnis treten, das ist klar. Das muss man natürlich bei all diesen Fragen immer berücksichtigen, dass weiß im Grunde auch Jeder, dass es natürlich ein Wechselverhältnis gibt zwischen den Materialisierungen, die irgendwann eigene Trägheitskräfte entfalten und den Ideen.

Es kann eine Idee jahrhundertelang eine ungeheure Schubkraft entfaltet haben und hat sich so institutionalisiert und so materialisiert, dass die neue, andere Idee ganz große Schwierigkeiten hat, gegen diese Apparate in irgendeiner Form aufzutreten. Und auch dafür gibt es interessante Beispiele. Und gerade heute, bei dem Thema heute, ist das besonders augenfällig. Ich habe ganz bewusst mal, was ich ja sonst nicht mache, in den Ankündigungen der Vorlesungen einen anderen Philosophen und ein Werk eines anderen Philosophen mit in die Titelzeile reingenommen. Ich sag noch mal, das habe ich nicht getan, weil Sloterdijk nun wahrscheinlich der bekannteste und umstrittenste zeitgenössische Philosoph geworden ist, durch diese Debatte, die im Sommer und Spätsommer und Frühherbst losgetreten wurde, das wusste ich damals nicht, als ich die Konzeption gemacht habe. Allerdings war mir bekannt, dass Sloterdijk sicherlich der auflagenstärkste Philosoph der letzten fünfzig Jahre ist, was immerhin ein Signal ist, ein so hoch schwieriges, hoch differenziertes und wirklich nicht einfach zu durchdenkendes, mehr-als-tausend-Seiten-Buch, wie die „Kritik der zynischen Vernunft“ von 1983 hat sich immerhin, so prahlt Sloterdijk in einem Tagesspiegel-Interview, sag ich mal wohlwollend, 120.000 Mal verkauft. Das ist für ein philosophisches Buch enorm, also geradezu schwindelerregend. Man muss vielleicht fragen: Wie oft ist das Buch wirklich gelesen worden? Dann kommen wir wahrscheinlich zu ganz anderen Zahlen. Aber es dürfte bei doch recht vielen im Bücherschrank gestanden haben.

Das gilt auch für dieses monumental dreibändige Werk, von dem mittlerweile erst zwei Bände erschienen sind, der „Sphären“. Ich habe hier den Band in der Hand, über tausend Seiten, „Sphären II – Globen“, erschienen im Frühjahr. Im letzten Jahr erschien Sloterdijks „Sphären I – Blasen“. Im Frühjahr 2000 soll das längst fertiggestellte Werk erscheinen „Sphären III – Schäume“. Es ist klar, dass in dieser Diskussion natürlich auch die Bücher ins Spiel kamen, und vielleicht, ich weiß es nicht, jetzt einen Aufwind erfahren. Auch hier ist es so, dass ich festgestellt habe im Gespräch mit Menschen, die ich kenne, dass zwar der Titel sehr bekannt ist, aber kaum einer hat es wirklich gelesen, allenfalls drin rum gelesen oder rumgeblättert oder kennt so einige vage Ideen daraus. Dabei erschließt sich das Buch nur, und man hat auch den Gewinn davon, wenn man es wirklich ganz liest. Es gibt einfach Bücher, die kann man nicht diagonal lesen, ganz abgesehen von der ganz eigenen Sprache, die Sloterdijk entwickelt hat. Er sagt auch in einem anderen Interview, er habe für diese beiden Bücher eine ganz eigene Sprache entwickelt, die einfach nicht die des Nachrichtensprechers ist. Philosophie kann überhaupt nicht im Jargon der Alltagssprache und des Nachrichtensprechers Wirklichkeit werden. Das ist auch wichtig für das Thema überhaupt der Vorlesung. Deswegen muss ich das noch vorausschicken.

Man kann nur mit gewissen Abstrichen, philosophische Gedanken runterschrauben oder übersetzen in eine für Jedermann, sag ich mal, jede Frau, verständliche Form. Das geht nur bis zu einer bestimmten Grenze, und das ist gerade im Falle von Sloterdijk besonders schwierig, weil er die Dinge nicht von ungefähr in einer bestimmten Form formuliert. Wenn man diese Form außer Acht lässt und versucht, das zu paraphrasieren in der eigenen simplen Sprache, kommt was ganz anderes heraus. Und das ist auch einer der Gründe für diese enorme Debatte, die er losgetreten hat, die alles in den Schatten stellt, was sich in den letzten 50 Jahren, das kann man wirklich sagen, auf philosophischem Gebiet ereignet hat, weil in dieser berühmten Rede bestimmte Formulierungen enthalten sind, die in einem bestimmten Kontext stehen.

Diese Formulierungen herausgelöst aus dem Kontext, besonders da, wo Sloterdijk bewusst provokativ Tabu-Begriffe verwendet, ganz bestimmte Tabu-Begriffe in einer schillernden, einer changierenden, fluktuierenden Form neu fasst, waren die Missverständnisse vorprogrammiert. Sie wissen das vielleicht, es gab ja nur zunächst Mitschriften der Rede, es gab ja gar nicht den Text. Der ist erst sehr viel später dann in der „ZEIT“ veröffentlicht worden. Und dann, von einem bestimmten Punkt an konnte man ihn auch im Internet abrufen. Zunächst gab es ja nur Mitschriften und lange bevor irgendeiner die Möglichkeit hatte, den Text zu lesen, war er schon in der einschlägigen Presse, vor allen Dingen in der „ZEIT“ und im „Spiegel“. Dieser Text [ist] als ein quasi faschistischer abqualifiziert worden. Nicht, aufgrund dieser zugegebenermaßen mehrdeutigen, missverständlichen, in gewisser Weise auch literarisch-provokativen Formulierungen. Das ist wichtig. Und viele Interpreten haben sich in der Debatte selbst als Schlecht-Leser, sage ich mal, geoutet, weil sie offenbar nicht in der Lage waren oder sind, auch nur eine, sagen wir, saubere Philologie zu betreiben, von Philosophie gar nicht zu sprechen. Da ist ein Text, den Text kann man lesen, den Text kann man interpretieren, den Text kann man bis zu einem bestimmten Grade auch verstehen, wenn man sich wirklich der Mühe unterzieht, ihn gründlich zu lesen. Nicht, von vornherein, bei bestimmten Begriffen, die zugegebenermaßen bewusst provokativ eingesetzt werden, gleich einen ganzen, sagen wir mal, moralischen Film ablaufen zu lassen, als ob es bestimmte Tabus gäbe, die einfach nicht angerührt werden dürfen. Das wäre ein eigenes Thema. Ich will das nur vorab sagen, das ist nicht das Thema der Vorlesung heute.

Mir geht es wirklich um das philosophische Buch von Sloterdijk und um die Idee der Sphären und nicht um diese Debatte. Ich will das nur noch einmal erwähnen. Ich empfehle Ihnen dringend, wenn Sie das wollen, wenn Sie Internet-Zugang haben, diese Rede wirklich, wie man so schön neudeutsch sagt, herunterzuladen, oder wie das heißt. Also dass Sie die Rede, wenn Sie es überhaupt interessiert, wirklich lesen und nicht der unsäglichen Presse- und Mediendebatte auf den Leim gehen, sondern wenn schon, dann richtig. Ich finde schon, dass es sich lohnt. Man muss ja damit überhaupt nicht übereinstimmen. Man kann da ganz andere Positionen haben, kann sagen, das stimmt überhaupt nicht, das sollte und das darf man nicht so sagen, oder es ist falsch, halb gedacht, oder Sloterdijk selber weiß gar nicht, was er meint, weil viele Formulierungen so undeutlich sind. Alles legitim, aber das A und O erst einmal der Interpretation wäre eine genaue Lektüre. Das finde ich wichtig. Das macht man doch auch sonst. Man kann doch nicht Philosophie betreiben mit einer schlechten Philologie, wie Nietzsche immer wieder sagt. Apropos, Interpretation der Welt, er sagt: Die Interpreten der Welt sind meistens schlechte Philologen, weil sie den Welt-Text schlecht und oberflächlich deuten. Und das ist wichtig, dass man erst mal den Welt-Text als Philosoph so aufmerksam wie möglich liest, und das heißt auch den Text etwa der modernen Bewusstseinsverfassung, womit wir gleich beim Thema sind.

Diagnose und Therapie der herrschenden Bewusstseinverfassung. Ich will nur eins sagen, ich habe in dem Thema, das habe ich vergessen vorhin, das wollte ich sagen, da hat es doch Kugeln, Kreise, Spiralen, kosmologische, psycho-kosmologische Idee der Sphären. Ich will das mit den Spiralen hier weglassen. Ich will das verlagern auf den 4. Januar 2000, wenn ich spreche über Wirbel-Bewegungen, ausgehend von bestimmten Überlegungen zur Naturphilosophie des Wassers, dann will ich auch die Frage der Spiralen und der Spiral-Bewegung als einer Überlagerung von sphärischen und radialen Bewegungen verdeutlichen. Das will ich hier nicht bringen, nur zur Orientierung, ich will mich jetzt tatsächlich beschränken auf die Frage der Sphären bzw. auf die Frage der Kreise oder Kugeln. Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob die Frage nach den Sphären, „sphaera“ heißt ja griechisch Kugel, eine rein historische wäre. Man weiß, auch der Halbgebildete oder Viertel- oder Achtel-Gebildete, hat irgendwann mal gehört, aha, die Platoniker haben doch die Kugel als die forma perfectissima betrachtet, wie es im Mittelalter dann hieß, die perfekte Form. Nicht, das haben viele gehört und glauben kaum, dass das Thema in irgendeiner Form noch eine Relevanz hätte außerhalb einer historischen Dimension. Das ist nicht so. Das Thema der Sphäre hat eine erstaunliche Aktualität, wenn man es mit der modernen Bewusstseinsverfassung zusammenschließt. Sloterdijk bemüht sich in verschiedenen Teilen seines Buches, keineswegs konsequent und nicht immer überzeugend, aber immer wieder diese Bewusstseinsverfassung der Gegenwart auf den Punkt zu bringen. Da gibt es erstaunliche Übereinstimmungen übrigens mit mir, ich weiß es nicht, ob er Sachen von mir gelesen hat. Letztes Mal habe ich gesagt, dass sei nicht der Fall. Derweil habe ich ihm ein neues Buch zugeschickt mit einem Begleitbrief, bisher noch nichts gehört von ihm, wir werden sehen. Ich habe aber nochmal beim Nachlesen einiger Stellen, ich habe das im Sommer gründlich durchgearbeitet, nochmal beim Nachlesen einiger Stellen jetzt in diesen Tagen festgestellt, dass einige Passagen erstaunlich erinnern an dieses Kopernikus-Büchlein in Teilbereichen, so dass ich fast den Verdacht habe, dass er das kennt, obwohl kein Literaturverzeichnis existiert und die Literaturangaben nur in Fußnoten vermerkt werden, da taucht es nicht auf. Und zwar sagt Sloterdijk, ich will das mal formelhaft an den Anfang, als eine Art Paraphrase an den Anfang stellen und dann anhand seiner Aussagen verdeutlichen. Sloterdijk sagt auf eine Kurzformel gebracht:

Die moderne Bewusstseinsverfassung, an der wir alle mehr oder weniger leiden, die uns eigentlich ständig beschäftigt, ob wir es wollen oder nicht, ist primär eine solche einer fundamentalen Raumkrise. Ich werde das gleich erläutern, sagt Sloterdijk mehrfach: Das ist eine Raumkrise. Und zwar führt er das zurück auf die ontologische Grundfrage, die man ja stellen kann und auch eigentlich stellen müsste: Wo sind wir? Ganz banal: Wo sind wir? Was ist unser Ort in der Welt, unser Ort, unser menschlicher Ort des Einzelnen und der Menschheit als kollektives Subjekt? Was und wo ist unser menschlicher Ort in der Welt? Und wie sind wir kosmologisch und psycho-kosmologisch verortet? Wo sind wir? Und da sagt er, dass der Mensch eigentlich, und da bezieht er sich auf Nietzsche zurück, gar keinen Ort mehr hat. Er bewohnt zwar in gewisser Weise diese Erde, diesen Globus, aber in einem ontologisch-metaphysischen Sinne ist dieser Raum, der einst ein Sphären-Raum war, der das Gestirn umhüllt hat, etwa in der Antike, noch weit darüber hinaus, also dieser Sphären-Raum ist zerstört worden, und da draußen ist gähnende, zermalmende, eisige Leere. Und er interpretiert das Schlagwort der Globalisierung dahingehend, dass er sagt, die Globalisierung ist ein letzter Versuch in gewisser Weise, diese alte Sphären-Metaphysik auf einer neuen Ebene wiederzugewinnen.

Man spricht von Globalisierung und denkt, wie er sagt, semi-metaphysisch, also halb metaphysisch, die alte Kugel mit. Er nennt das dann die letzte Kugel, nämlich die Erde, die letzte Kugel, die den Menschen in irgendeiner Form etwas angeht. Und da gibt es einige ganz wunderbare Passagen. Ich will mal einige Passagen Ihnen zeigen, die den Versuch machen, diese Bewusstseinsverfassung auf den Punkt zu bringen. Das muss ich zitieren. Wenn ich es paraphrasiere, dann kommt das, was in der Differenzierung der Formulierung drin steckt, so nicht voll zum Ausdruck. Deswegen einige Passagen einmal, die sich in verschiedenen Teilen dieses Buches finden. Er teilt das nicht ab, indem er sagt, jetzt spricht er über die Kosmologie, über die Bewusstseinsverfassung heute und dann über die Sphäre, sondern das taucht bei ihm ständig auf. Man muss diese Stellen raussuchen aus diesem großen Werk. Ich gebe Ihnen mal einige Stellen aus dem Mittelteil, betitelt „Der ontologische Kugel-Beweis“, dazu sage ich gleich Einiges. Es gab den gab Versuche in der Philosophie, die Kugel ontologisch, d. h. vom Sein aus als die ideale Form nicht nur zu postulieren, sondern zu begründen. Es gab viele Versuche zu beweisen, wenn das Welt-Ganze eine Form hat, dann kann sie nur Kugelform sein und eben kein Kubus oder sonst etwas sein, sie muss und kann nur eine Kugel sein.

Kapitel 4, „Der ontologische Kugel-Beweis“: „Das von Pascal, dem Jesuiten und Mathematiker, charakteristisch beschworene neuzeitlich atheistische Gefühl, ‒ Zitat Pascal: ,Das ewige Schweigen der unendlichen Räume versetzt mich in Schrecken.’“ Sie kennen das vielleicht, berühmte Passage von Pascal ‒ „das vom siebzehnten Jahrhundert an die schönen Seelen eskortierte, eine komplexe Vorgeschichte, die sich mit den Mitteln einer Theorie der Sphären, Katastrophen und der erworbenen psycho-kosmologischen Immunschwäche in Umrissen rekonstruieren ließe.“ In Umrissen, also die Sphären-Katastrophe entspricht einer psycho-kosmologischen Immunschwäche. Auch das ein Begriff, der in der öffentlichen Debatte eine ungeheure Rolle gespielt hat, dass Sloterdijk den Begriff des Immunsystems, ein medizinischen Begriff, auf Kulturen, auf Epochen überträgt, ohne dass er das in irgendeiner Form biologistisch verengt, also, „die sich mit den Mitteln einer Theorie der Sphären-Katastrophen und der erworbenen psycho-kosmologischen Immunschwäche in Umrissen rekonstruieren ließe. Die Geschichte der empirisch erworbenen Weltängste“ ‒ gibt es ja ‒ „unterschiede sich von einer allgemeinen Geschichte des verletzten Lebens darin, dass sie die Störungen der psycho-kosmischen Immunsysteme zum Gegenstand hätte. Sie handelt von Verschleppung, Exil, Entfremdung und vom Dasein in der inneren Burg der Trennungen.“ Immer wieder bringt er zum Ausdruck, dass die Lage des Menschen innerhalb der modernen Bewusstseinsverfassung die des Exils ist. Sie wissen das vielleicht von einigen meiner Schriften, dass das bei mir auch verschiedentlich auftaucht, unabhängig von Sloterdijk und lange vor diesem Buch, die Vorstellung von einem kosmischen Exil, in das sich der Mensch selber in irgendeiner Form hineinbegeben, hineinkatapultiert hat. „Sie unterscheidet sich zugleich von der Geschichte des Unbehagens in der Kultur ‒ Freud ‒ darin, dass sie nicht so sehr Triebverzicht thematisiert, als vielmehr Form-Entzug. Es müsste hier nicht von Trieb-Schicksalen, sondern von Raumgefühl-Schicksalen, weniger von Beziehungskrankheiten als von Raumkrankheiten der Seele die Rede sein.“ Das habe ich schon angedeutet mit der Formel von Der Raum-Krise. Und eine der stärksten Passagen zu diesem Punkt findet sich im Schlussteil des Buches, in dem letzten Kapitel „Die letzte Kugel“. Ich darf mal auch hier eine Passage vorlesen aus dem Unterabschnitt „Rückkehr zur Erde“. Vielleicht noch vorab. Da setzt sich Sloterdijk anhand einer Schilderung von Alexander von Humboldt aus seinem berühmten Bestseller „Kosmos“, setzt sich also mit einer berühmten Stelle aus diesem Buch „Kosmos“ auseinander, das einer Imagination entstammt, wie es wäre, wenn man die Erde von außen sieht, was damals nur eben mittels der Imagination möglich war. Jeder Globus, den irgendein Gelehrter oder ein Schulkind auf seinem Schreibtisch hatte, zeigte ja schon lange vor der Astronautik immer wieder den Blick auf das Ganze dieser Kugel. Und davon geht er aus, von dieser Überlegung, und entwickelt dann die Gedanken, dass der Blick von außen, als Blick auf einen überschaubaren Globus bereits die Hüllenlosigkeit des modernen Subjekts im All zeigt, letztlich schon sein kosmisches Exil. In ganz anderer Form habe ich das ja in dem Buch „Was die Erde will“ in einem kleinen Abschnitt verdeutlicht, der heißt „Welch Schauspiel, aber ach, ein Schauspiel nur, nach Goethe, warum der Astronaut den Blick auf die Erde möglicherweise in die Irre führt“. „Rückkehr zur Erde“. Aus dem letzten Kapitel dieses Buches:

„Folgerichtig sind es in der Neuzeit nicht mehr die Metaphysiker, sondern die Geographen und die Seefahrer, denen die maßgebliche Weltbildaufgabe zufällt. Ihre Mission ist es, die letzte Kugel im Bild zu präsentieren. Von allen runden Großkörpern kann der schalenlosen Menschheit“, also der ihrer Sphären beraubten Menschheit, „nur der eigene Planet noch etwas bedeuten, die Weltumsegler, die Kartographen, die Konquistadoren, die Weltkaufleute, ja sogar die christlichen Missionare und ihr Nachtrab aus Entwicklungshelfern und aus Touristen, die Geld für Erlebnisse auf fernen Schauplätzen ausgeben. Sie alle verhalten sich aufs Ganze gesehen so“, also auch der moderne Tourist, der von all diesen Dingen gar nichts weiß und vielleicht auch gar nichts wissen will, „verhalten sich aufs Ganze gesehen so, als hätten sie begriffen, dass die Erde selbst es ist, die nach der Dekonstruktion des Himmels dessen Funktion als letzter Großrundung zu übernehmen hatte.“

Er stellt dar, und das ist hochinteressant, das will ich hier einschieben, dass ungefähr um die Mitte des 19. Jahrhunderts herum ein eigenartiger Wechsel passiert ist. Und zwar haben bis dahin seit der Renaissance bis in die Bürgerstuben hinein immer zwei Globen existiert, der Himmels-Globus und der Erd-Globus, was man heute noch in einigen Geografie-Büchern der Schüler sehen kann, wenn man das aufschlägt vorne oder ganz hinten, also bis in die Bürgerstuben hinein gab es zwei Globen. Es gab immer den Himmels-Globus, den Blick gleichsam auf das Ganze, wie es sich darstellt, natürlich, erst einmal, geozentrisch, das heißt von der Erde aus gesehen, mit den Sternbildern, den geozentrisch verfolgbaren Bewegungen und so weiter. Und dann eben die Erde daneben. Aber um die Mitte des 19. Jahrhunderts verschwindet rätselhafterweise dieser Himmels-Globus, und das ist ein kulturgeschichtliches Faktum, an dem nicht zu zweifeln ist, dass aber bis dato noch von Niemandem so interpretiert worden ist, wie das Sloterdijk tut. Er meint nämlich, dass mit diesem Verschwinden des Himmels-Globus aus den Bürgerstuben, das bis dahin niemand erklären konnte, letztlich auch der Himmel als eine bergende Sphäre, als eine bergende Schale, als eine in irgendeinem Betrachte als Heimat anzusprechende Sphäre verschwunden ist. Das heißt also, der letzte Schritt getan ist zu der Hüllenlosigkeit des modernen Subjekts. Ganz andere Frage, ob diese Hüllenlosigkeit nicht selber eine Illusion ist, was ich ja seit Jahren versuche auch zu zeigen. Das Ganze ist noch wesentlich subtiler und differenzierter gebaut, aber erst einmal phänomenologisch kann man zeigen, die Himmelskugel verschwindet. Das zeigt sich sogar im Begriff „Kosmos“. Der Begriff „Kosmos“, letztes Mal hab ich drüber gesprochen, wird teilweise verengt auf die Erde. Wenn Alexander von Humboldt in seinem berühmten Bestseller „Kosmos“ von Kosmos spricht, dann meint er nicht das All, er meint die Erde. Das zeigt sich noch in dem Begriff „Kosmopolit“, das ja nicht unbedingt den Weltall-Bürger meint, sondern den Erden-Bürger, jenseits der nationalen Grenzen. Der Kosmopolit ist der die Erde ganz bewohnender Mensch, jenseits der regionalen und nationalen Begrenztheit, aber nicht unbedingt der Kosmos-Bewohner. Das ist etwas anderes.

Und diese Verschiebung der Bedeutung kann man schon im Hellenismus, also in einigen Jahrhunderten vor Christus, nach Platon, Aristoteles verfolgen. Sehr eigenartig, dass schon da eine gewisse Verschiebung stattgefunden hat. Denken Sie an die Zeitschrift „Kosmos“, das ist eine Zeitschrift über Natur, Flora, Fauna auf dieser Erde. Die physisch reale Erde als unregelmäßig gewölbter, unberechenbar unebener, chaotisch gefalteter und geriffelter Körper galt es im Ganzen zu umrunden und zu erfassen. Darum musste das neue Erdbild, der terrestrische Globus, zur Leitikone der neuzeitlichen Weltanschauung aufsteigen, wie heute, wie ich ja verschiedentlich gesagt habe, das Bild der Erde aus astronautischer Perspektive eine Art Ikone des Zeitalters wirklich darstellt.

Eine Ikone, die sowohl sentimentale Gefühle auslöst, die Erde als zartes Gebilde inmitten der grausigen Kälte und Weite des Alls, aber auch Gefühle des Öko-Management wachruft, wenn das so ist, wenn wir das als Ganzes sehen und erfassen, dann können wir es auch in irgendeiner Form technokratisch bewältigen. „Vom Nürnberger Behaim-Globus von 1492“ ‒ dem Jahr der Amerikaentdeckung durch Kolumbus ‒ „dem ältesten erhaltenen Exemplar seiner Art bis zu den aktuellsten NASA-Erdphotogrammen, ist der kosmologische Prozess der Moderne geprägt von den Gestaltwandlungen und Präzisierungen des Erdbildes in seinen diversen technischen Medien.“ Das geht ja heute so weit, das wissen Sie, dass in vielen Fernsehsendungen, die global … das Bild des Globus wie selbstverständlich dabei ist, sodass man immer den Blick aufs Globale hat. Etwa im Beginn der ZDF-Nachrichtensendung sieht man dann einen stilisierten, einen technischen Globus und um diesen Globus mit irgendwelchen Klängen untermalt Kreise, Ringe, die sich drehen. Das ist die letzte, man könnte sagen, die platteste und abgeflachteste Version, technische Version, gleichsam Cyberspace-Version der alten Sphären, weil archetypisch in der Tiefe der Seele, der Mensch immer noch irgendwie davon angesprochen wird, auch wenn er längst mental glaubt, meint, fühlt, annimmt, das sei alles längst obsolet. „Zu keiner Zeit aber, nicht einmal im Zeitalter der Raumfahrt konnte das Unternehmen, die umrundete Erde zu visualisieren, seine semi-metaphysische Qualität verleugnen“, das hab ich ja schon angedeutet. „Wer nach dem Untergang des Himmels“, also in diesem alten Sinne Himmel, „das Porträt der ganzen Erde versuchen wollte, stand wissentlich oder nicht in der Tradition der alt-abendländischen metaphysischen Kosmografie. Der simpelste Globus-Hersteller, genauso alle diejenigen, die diese Bilder ins kollektive Bewusstsein einspeisen, stehen unbewusst noch immer in dieser Tradition und das ganze Unterfangen ist quasi semi-metaphysisch. Symptomatisch hierfür ist, dass noch Alexander von Humboldt es wagen konnte, seinem Opus Magnum, das zwischen 1845 und 1862 in fünf Bänden erschien ‒ die letzten davon posthum ‒ und zum prominentesten Wissenschafts-Bestseller seines Jahrhunderts aufstieg, den offen anachronistischen Titel „Kosmos“ zu geben. Es war, wie man rückblickend erkennt, die historische Chance, diese monumental-holistische physische Weltbeschrei­bung durch die Mittel der Bildung zu kompensieren, was der Verlust des Firmaments und der kosmischen Cloture den neuzeitlichen Europäern angetan hatte.“ Also, der Verlust der transzendenten metaphysischen Grundorientierung des Menschen, dass die letztlich verloren gegangen ist, ist fast platt, fast banal zu sagen. Aber man musste sich immer wieder vor Augen führen, wenn man überhaupt das Unterfangen versucht, die moderne Bewusstseinsverfassung zu verstehen, wenn man gleichsam in die Eingeweide des moder­nen Geistes hineingehen will, dann muss man an diese Fragen rühren, auch wenn diese Fragen merkwürdigerweise fast in der öffentlichen Debatte Tabu-Fragen sind und selten gestellt und selten direkt auf den Punkt gebracht werden.

„Die Menschen wissen jetzt, damals schon, heute noch mehr, was immer jetzt Wissen meint, die Menschen wissen jetzt, dass sie irgendwo im Grenzenlosen enthalten oder, was jetzt dasselbe bedeutet, verloren sind. Denn was sollte noch in diesem so vorgestellten Raum, ob er nun real oder imaginativ projektiv ist, der Mensch noch für einen wirklichen Ort haben. Dann kann ja nur dieser Globus, die Erde der einzige Bezugsort sein. Der Rest kann, in gewisser Weise, darf den Menschen dann nichts angehen, weil da hat er in gewisser Weise nichts zu suchen. Sie begreifen mit der Zeit, dass sie sich auf nichts so sehr verlassen können wie auf die homogene Gleichgültigkeit des infiniten Raums.“ Das ist auch wichtig, dass ja zur modernen Bewusstseinsverfassung gehört, dass der Mensch hineinkatapultiert worden ist in eine Bewusstseinsverfassung, wo ihm nun ein Raum entgegenatmet und nicht nur in eisiger Kälte, sondern auch ein Raum, der ihn eigentlich gar nicht meint, der ihn nicht betrifft, der ihn nicht wirklich als Mensch umschließt, der nicht wirklich einschließt, sondern der ihn eigentlich in eine trostlose Isolation verdammt.

„Seit Kopernikus rollt der Mensch aus dem Zentrum ins X“, heißt es formelhaft bei Nietzsche. „Sie begreifen mit der Zeit, dass sie sich auf nichts so sehr verlassen können wie auf die homogene Gleichgültigkeit des infiniten Raums.“ Giordano Bruno hat das vollkommen anders gesehen. Das kann man auch anders sehen. Aber erst einmal geht es hier um die kollektive Bewusstseinsverfassung und nicht, wie es hätte anders sein können. Das ist wichtig, dass man das erstmal sieht. „In diesem ist der gemütliche Anteil vernichtet. Das Außen dehnt sich am Ort des Menschen vorbei als eine fremde Größe eigenen Rechts in sich selber aus. Es scheint sein erstes und einziges Prinzip zu sein, mit Menschen nichts im Sinn zu haben.“ Der Raum als gewissermaßen tote Erstreckung, als abgründiges immer weiter, immer weiter, ohne einen metaphysischen Sinnbezug zum Menschen. „Die Einbildungen der Sterblichen, draußen etwas suchen zu sollen, man denke an die Raumfahrt-Ideologien der Amerikaner und Russen, bleiben notwendigerweise sehr labile entmutigbare, wesenhaft autohypnotische Projekte vor dem Hintergrund von Sinnlosigkeit. In jedem Fall gilt, dass der veräußerlichte Raum die Ur-Gegebenheit der neuzeitlichen Naturwissenschaften sei. Aber auch den Wissenschaften vom Menschen liefert der Satz vom Vorrang des Außen ihr Axiom.“

Einige oder vielleicht auch viele werden sich erinnern, dass ich ja wiederholt in dem Zusammenhang, wenn ich von der Bewusstseinsform heute spreche, eine Formel verwende, die einen ähnlichen Charakter hat, schon vor Jahren verwendet habe. Ich sage ja, dass der moderne Mensch in gewisser Weise abgestürzt sei auf die Betondecke des puren Außen. Ich meine das in einem umfassenden metaphorischen Sinne. Der Mensch ist abgestürzt auf die Betondecke des puren Außen. Alles Innen wird immer letztlich als Außen hingestellt. Alle Innenwelten des Menschen werden konsequent reduktionistisch, das wissen Sie alle, denken Sie an die moderne Neurophysiologie, zurückgeführt auf materiell-energetische Vorgänge. Das heißt, damit sind alle Innenwelten als eigene ontologische Größen verdunstet erst einmal im kollektiven Bewusstsein. Das ist nur subjektiv, was der Einzelne glaubt, meint, fühlt, das kann er, das wird ihm nicht abgesprochen. Aber von der Gesamtheit der Bewusstseinsverfassung [her] hat das keine ontologische Wirklichkeit.

Auch das ist ein, kann man sagen, ein furchtbarer, ein deprimierender, ein schockierender Tatbestand. Verständlich, dass dagegen natürlich Fundamentalismen aller Richtung, aller Religionen Sturm laufen, natürlich genau das immer wieder anpreisen. Ich war auf der Buchmesse und da hielt einer einen Vortrag über eine Neuübersetzung des Koran und dieser selbe Herr hat auch ein Buch geschrieben, das wohl Aufsehen erregt hat, ich habe es nicht gelesen: „Islam als Alternative“. Er sagte auch in seinem Vortrag: Das Abendland hat die metaphysische Dimension eingebüßt, hat durch Aufklärung, Wissen­schaft und so weiter diese Dimension eingebüßt, das ist alles abgeräumt worden und mit wohlgesetzten Worten meinte er dann, der Islam sei eigentlich die Alternative, also hier ein plötzlich, so schlagartig, ein fundamentalistisches Konzept als Rettung für die verfahrene Moderne.

Das kann es nicht sein, glaube ich. Aber es ist verständlich erst einmal, dass solche Konzepte dann auch aus den verschiedensten Richtungen auftauchen. Genau den Punkt immer wieder anvisieren. Letztes Stück noch hier. „Was die terrestrische Globalisierung, von der ja ständig die Rede ist, wirklich bedeutet, enthüllt sich, wenn man in ihr die Geschichte einer raumpolitischen Entäußerung erkennt. Eine raumpolitische Entäußerung, die für die Gewinner unerlässlich, für die Verlierer, wie wir wissen, unerträglich, für alle gemeinsam unvermeidlich zu sein scheint. Die letzte metaphysische Information des zu handelnden Erd-Globus an seine Benutzer hatte von Anfang an gelautet, dass alle Wesen, die seine Oberfläche bevölkern, in einem absoluten Sinne draußen sind,“ also hinaus gepeitscht worden sind in dieses Außen, was ich nenne: Abstürzen auf die Betondecke des Außen, „auch wenn sie sich nach wie vor in Paarungen, Wohnungen und kollektiven Symbolhüllen, Systemiker würden sagen in Kommunikationen, zu bergen suchen. Solange die Denkenden angesichts des offenen Himmels den Kosmos als ein solides Gewölbe meditierten, so unermesslich es erscheinen mochte, blieben sie vor der Gefahr geschützt, sich an einer absoluten Äußerlichkeit zu erkälten. Nicht, solange immer noch diese sphärenen, sphäroiden Schalen in irgendeiner Form sich bergend um die Erde legten, das muss man nicht eng geozentrisch denken oder vor-kopernikanisch, auf jeden Fall solange das noch da war, war der Mensch geschützt vor dem eiskalten Anhauch, was auch schon Nietzsche sagt in der „Fröhlichen Wissenschaft“, dieses unermesslichen, kalten, den Menschen gar nicht meinenden Raumes. „Noch war ihre Welt das Haus, das nichts verliert. Seit sie aber den konkreten Planeten, den kleinen Irrstern, der Klimata, Faunen und Kulturen verschiedenster Art trägt, umrundet haben, also haben nun alles, der Globus, den haben sie quasi in der Hand, sie zeigen ihn ständig vor, sie haben ihn, er ist beherrschbar, er ist anschaubar, klafft über ihnen ein Abgrund auf, durch den sie, wenn sie die Augen heben, in ein eisiges Außen hinaus blinzeln. Ein zweiter Abgrund tut sich vor ihnen auf in den Kulturen ferner Erdteile.“ ‒ und so weiter.

Also, dann heißt es hier noch an einer Passage, die ich noch kurze dazunehme. „In diesem Sinne ist die Geschichte der Neuzeit zunächst nichts anderes als die Geschichte einer Raum-Revolution ins Außen.“ Das finde ich eine sehr prägnante Formel, also die Geschichte, die geistige Geschichte der Neuzeit als die Geschichte einer Raum-Revolution ins Außen. Es ist, wenn man das verfolgt und das mal als eine Hypothese gelten lässt, die aber durchaus Einiges für sich hat, also wenn man diese Hypothese verfolgt, dann kommt man dazu, zu sehen das tatsächlich alle Innenwelten, die Menschen gehegt haben, kollektiv, kulturell, immer mehr ausgesetzt dem kalten Windhauch eines Raums, der sie nicht meint, zerfetzt sind, sich aufgelöst haben, verdunstet sind. Also eine Hüllenlosigkeit des Menschen, der nun vollkommen zurückgeworfen auf sich selbst, im extremsten Falle nur noch seinen mehr oder weniger interessantes Privatleben kultivieren kann, weil nichts weiter da ist. Übrigens, das ist nun ein Punkt, der offen bleibt, weil Sloterdijk im dritten Band, hat er noch nicht veröffentlicht, den er „Schäume“ nennt, wo er dann auch den Versuch macht, das jedenfalls kündigt er an, man weiß es nicht, weil man kann den dritten Band ja erst ab März April 2000 dann lesen, kündigt er an, dass er den Versuch macht, sich diesem Faktum zu stellen, das nicht zu beschönigen, nicht schön- oder kleinzureden, das wirklich ernst zu nehmen, dass der Mensch wirklich in der Hüllenlosigkeit sich befindet, aber gleichzeitig dann doch die Seele, das Seelische als eine eigene Wertigkeit, als eine eigensinnige Größe, wie er wörtlich sagt, zu bewahren, also nicht reduktionistisch zu eliminieren. Also einen Mittelweg versucht er offensichtlich, wenn man das so sagen kann.

Das Eine wäre zu sagen, diese Entwicklung hätte nie passieren dürfen, das ist eine Fehlentwicklung. Dann könnte man fragen, wie kommt diese Fehlentwicklung zustande? Wo sind Weichenstellungen, die dazu geführt haben? Oder man kann sagen, diese Entwicklung war unvermeidbar und sie musste so laufen, wie sie gelaufen ist, und es gibt vielleicht die Möglichkeit, auf einer neuen Ebene etwas anderes zu realisieren. Das bezeichnet er mit der Metapher der Blasen, ist undeutlich, man kann nur ahnen aus den Andeutungen der zwei anderen Büchern, was er wirklich damit meint. Auf jeden Fall ist das erst einmal eine grundlegende Analyse der Bewusstseinsverfassung, in dem Sinne eine Diagnose. Die sieht nicht gut aus, diese Diagnose, sie ist nicht hoffnungsfroh, sie ist nicht religiös, sie ist nicht tröstlich, aber sie hat zumindest erst einmal die, sagen wir mal, philosophische Würde, dass sie etwas trifft, was man nicht einfach so aus den Augen verlieren sollte. Man sollte nicht so tun, als ob das so nicht wirklich sei, jedenfalls bewusstseinsmäßig. Phänomenologisch ist das kaum ernsthaft aus den Angeln zu heben. Was immer man im Einzelnen dazu meint und was immer es natürlich an Bewegungen, an Gegenbewegungen immer gegeben hat, bis in die Gegenwart hinein, das ist klar. Aber in einer kollektiven Schicht ist das erst einmal so doch zu konstatieren, wie das Sloterdijk macht, davon geht er aus.

Und jetzt, das will ich nach der Pause Ihnen dann zeigen, versucht er von dort aus, die alte metaphysische Idee der Kugel noch mal neu zu beleuchten und zu zeigen, dass das gesamte Denken der Menschheit, wenigstens soweit es …, also jetzt mal eingeschränkt, das Denken der abendländischen Menschheit, mit Abstrichen auch der nicht-abendländischen Menschheit, der Versuch war, Sphärenbildungen kollektiv zu schaffen. Das ist sein Schlüsselbegriff überhaupt zur Kulturgeschichte, der Begriff der Sphäre und damit auch dann, und das wurde ja viel angegriffen, des Immunsystems. Kulturen schaffen sich eigene Immunsysteme, wo sie gefährliche Viren gleich im Vorfeld unschädlich machen. Nicht, eine biologische Sprache, kann man sagen, ist das legitim? Er bezieht sich manchmal auf Spengler, Sie wissen auch Spengler [ist] sehr viel kritisiert worden, dass er Kulturen als Organismen gesehen hat, die wie Pflanzen sind, werden, wachsen und vergehen, was ja auch bei Spengler nicht biologistisch gemeint ist, aber natürlich gewisse Konnotationen hat, die auch etwas, sagen wir mal, Hinterfragenswürdiges haben. Ist das legitim?

Zu dieser von mir skizzierten, kollektiven Bewusstseinsverfassung, wie sie Sloterdijk beschreibt an vielen Stellen dieses Buches, einige Stellen habe ich genannt, kommt noch ein Weiteres. Sloterdijk sagt ausdrücklich, auch an mehreren Stellen seines Buches, dass die moderne Bewusstseinsentwicklung das alte „Projekt Weltseele“, wie er das nennt, endgültig zerstört habe. Denn das Projekt, in Anführungszeichen, Weltseele, ist für ihn mehr oder weniger identisch mit der Vorstellung einer göttlichen, einer ontolo­gischen, einer kosmischen Kugel als der Gesamtgestalt der Welt. Das ist wichtig. Das ist bei Platon übrigens ganz deutlich, wo ja zum ersten Mal der Begriff der Weltseele auftaucht, im „Timaios“. Da wird die Welt ja auch als eine kugelförmige vorgestellt, also der gesamte Kosmos hat Kugelform, und die Weltseele als ihr Mittelpunkt ist ein integraler Teil einer Medialzone, wie ich das gesagt habe, zwischen dem göttlichen und der physisch-sinnlichen Welt innerhalb dieses Universums. Und die Weltseele, die Vorstellung einer Weltseele als einer geistig-seelischen Wirklichkeit, die alles durchdringt, sei, so Sloterdijk, und mit ihm ja viele andere, unwiederbringlich dahin. Man müsste nun heute von einer ganz neuen Ebene aus zu denken versuchen.

Und, die zur Vorstellung der Weltseele und zur Vorstellung einer ontologischen, einer göttlichen Kugel gehört, nach Sloterdijk, dass es eigentlich im tiefsten Sinne in dieser Kugel kein Außen gibt, das ist jetzt ein ganz wesentlicher Punkt, den man verstehen muss, um die weiterführenden Gedanken auch hier jetzt nachzuvollziehen. In dieser Kugel gibt es nur Innen, kein Außen, eine in toto, also vollkommen von der Weltseele durchpulste Welt, die als sphäroid, als kugelförmig vorgestellt wird, kann es kein Außen geben, und das wissen Sie, das habe ich in verschiedenen anderen Zusammenhängen ja auch verschiedentlich gesagt, dass die antike Kugelvorstellung der Weltganzheit auch in diesem Sinne kein Außen kennt. Das, Sie werden sich erinnern, das sage ich ja manchmal in ganz anderen Zusammenhängen, dass zu den Eigenarten dieser Gesamt-Kugelgestalt der Welt, der kosmischen, der göttlichen, der ontologischen Kugel gehört, dass sie überhaupt kein Außen hat. Warum nicht? Wir würden doch zunächst denken, von unserer normalen Kugelvorstellung, dass jede Kugel, das ist ja fast die Definition einer Kugel, natürlich eine Oberfläche hat. Was sollte eine Kugel sein, die nur eine Innenseite hat, aber keine Außenseite? Das ist unmöglich. Ich habe mir den Spaß gemacht, kann man sagen, mal im Lexikon nachzuschlagen heute morgen, was steht eigentlich in einem normalen bürger­lichen Lexikon unter dem Schlagwort Kugel? Da steht Folgendes, ich lese das mal vor: Kugel, Duden-Lexikon: „Gleichmäßig gekrümmte, allseitig geschlossene Fläche, deren Punkte von einem festen Punkt, Mittelpunkt, gleichen Abstand haben, Radius r.“ Einmal, und dann zweite Bedeutung: „Auch Bezeichnung für den von dieser Fläche begrenzten Körper“, was ja nicht das Gleiche ist. Nicht, das kann man ja auch quasi als sphäroide Blase denken, es muss in diesem engeren Sinne kein Körper sein, also eine Doppelbedeutung. „Auch Bezeichnung für den von dieser Fläche begrenzten Körper, ist r der Radius der Kugel“, das ist jetzt elementare Mathematik bzw. Geometrie, „dann ist die Kugeloberfläche 4 pi r², der Inhalt 4/3 pi r³“, egal wie groß die Kugel ist, egal wo sie sich befindet. Jede Kugel, und das ist ja immer ein großes Argument gewesen der Platoniker und Kugel-Metaphysiker, überhaupt der Metaphysiker, die Platoniker waren, so zu sagen: Ja, das ist doch schon ein Beweis für die reale metaphysische Existenz der Kugel. Denn egal was für eine empirische, eine reale Kugel vorliegt, es werden immer diese gleichen Werte rauskommen, und es wird nie eine Differenz geben, niemals bis in alle Ewigkeit und überall: 4/3 pi r³, dieser Wert ist absolut in diesem Sinne. Also: Was soll eine Kugel, die überhaupt kein Außen hat? Das ist ein Unding, im Grunde eine Absurdität. Was soll das sein?

Wenn ich jetzt noch ein Stück Kreide hätte, wäre es auch schön hier, ja.

Und in der Tat ist die antike, in gewisser Weise auch mittelalterliche Kugel, als eine Kugel ohne Außen dargestellt worden und vorgestellt worden, denn wenn es ein Außen dieser Kugel gäbe, einer Kugel, die auf den Menschen einer kosmozentrischen Erde konzentriert ist, dann ist die Frage nicht mehr aufzuhalten, ob es vielleicht noch eine zweite Kugel gibt, eine dritte, eine vierte, vielleicht gar unendlich viele, solche sphäroiden Blasen in einem dann nicht mehr begrenzbaren Raum, wenn man so weit kommt, überhaupt zu sagen, es gibt eine reale Außenfläche dieser Kugel. Wenn diese Kugel also in einem empirischen Sinne irgendeine Realität hätte, dann müsste man die Frage stellen: Wo ist diese Kugel, wo befindet sie sich? Das ist ein Argument, was schon die Pythagoreer ventiliert haben. Und Aristoteles hat dagegen das ja schlaue Argument vorgetragen: Man darf so nicht fragen. Wenn man nämlich so fragt, dann muss man dahin kommen, weiter zu fragen, was ist denn dahinter? Aristoteles hatte gesagt: Die Frage kann man nicht stellen, weil es ist eine Scheinfrage, weil das sogenannte Dahinter oder Jenseits dieser Kugel ist kein wirkliches Dahinter in einem räumlichen Sinne oder hat kein Jenseits in einem räumlichen Sinne, sondern was da vorliegt, ist so vollständig, qualitativ und ontologisch anders, dass jegliche Vorstellung einer wie immer gearteten Räumlichkeit dahin ist bzw. sich selbst auflöst, dahinter ist kein Raum. Nicht, das war ja die große Frage in der antiken Kosmologie. Die Pythagoreer hatten da zart angeklopft. Ist das denn möglich, dass es vielleicht noch weiter geht? Und Aristoteles hatte gesagt, die Frage kann man nicht stellen, das ist eine Scheinfrage, letztlich ja eine Frage, wie Sie wissen, die in jeder Endlichkeitsvorstellung eine wichtige Rolle spielt.

Sie kennen ja, ich habe das oft gesagt, auch meinen Spott über die Urknall-Fiktion, die ja immer davon ausgeht, dass tatsächlich das Ganze sich ausdehnt. Wohin soll es sich ausdehnen? Ist da Raum, oder ist da kein Raum? Wenn da aber bereits Raum ist, dann kann dieser Raum schlechterdings nur ein unbegrenzter Raum sein. Oder es ist kein Raum. Der Raum entsteht durch sich selber, wohin wächst er, wohin dehnt er sich aus, dann in einen anderen Raum, in einen Hyperraum? Ist das nur ein Begriff oder dieser wiederum ein Hyper-Hyperraum, dann landet man bei Begriffen, die schwierig sind. Dann fragt man, was hat das noch zu tun mit unserer Raum-Vorstellung? Dann landen wir bei vollkommen anderen Raumvorstellungen, was auch möglich ist. Das kann man, das kann man mathematisch, bekanntlich, man kann ja auch andere Dimensionen ins Spiel bringen, man kann sagen, die Frage ist deswegen eine Scheinfrage, weil hier eine fundamental andere Dimension ansetzt, so dass das eine naive Frage ist, eine naiv-realistische Frage zu fragen, wie geht das eigentlich weiter? Auf jeden Fall, in der Antike wurde diese Frage nicht gestellt, und im Mittelalter war es dann so gedacht worden, dass außerhalb dieser Sphäre, nicht als ein wirkliches Außerhalb, das Impereum sich befindet, die göttliche Wirksphäre, das Göttliche, und da eine zweite Kugel auftaucht, eine göttliche Kugel. Das ist also in vielen Abbildungen der mittelalterlichen Sphärologie ganz deutlich zu erkennen. Es gibt diese Welten-Kugel mit der Erde als Mittelpunkt und den verschiedenen Planeten-Sphären drumherum und dann jenseits davon noch eine zweite Kugel, die aber oft deckungsgleich gesetzt wurde. Man darf das nicht allzu naiv betrachten. Selbst diese Kugel, die man sich vorstellte im Mittelalter und in der Antike, war riesenhaft.

Ich habe das in meinem Kopernikus-Buch anhand von Quellen mal rekonstruiert, wie groß man sich das vorstellte, das ging immerhin auf 100 Millionen Kilometer. Man kann sagen, dass ist winzig, gut, aber es ist erst einmal eine recht beachtliche Größe. Man stelle sich vor, dass von der Erdoberfläche bis zur Fixstern-Sphäre ungefähr 100 Millionen Kilometer Abstand ist, nicht, immerhin eine gigantische Entfernung. Winzig vielleicht und sicherlich winzig im Vergleich mit anderen kosmischen Größenordnungen, von denen wir gehört haben, zu denen wir empirisch ja überhaupt keinen Zugang haben, aber von denen wir gehört haben, die wir im Kopf mit uns herumtragen, ist das eine beachtliche Größe. Und das aber ist eine Frage, die so Sloterdijk gar nicht beschäftigt, weil er sich im Detail mit den Fragen gar nicht auseinandersetzen will. Ihm geht es um etwas ganz Anderes. Also diese Frage, die ich eben angedeutet habe, spielt bei Sloterdijk eigentlich keine Rolle. Also diese, sagen wir mal, realen kosmografischen Dimensionen, damit beschäftigt er sich gar nicht, als ob das sozusagen eine Ebene darunter wäre.

Es gibt ja viele brennende Fragen, die sich da auftun, die er ja alle unter den Tisch fallen lässt, die ihn offenbar nicht interessieren. Ihn interessiert die Frage des Bewusstseins. Was für eine Welt wird hier imaginiert? Letztlich eine Welt, wie diese Skizze ja schon zart andeutet, wo der Mensch auf dieser Erde-Sphäre ständig, gleichsam in einem ontologischen Scheinwerferlicht steht. Er wird ständig von allen Seiten angestrahlt. Er ist zwar ganz in der Mitte und in diesem Sinne auch ganz unten, aber er befindet sich ständig in einem ontologisch-kosmischen Scheinwerferlicht. Er ist ständig der Angestrahlte und in irgendeiner Form auch immer der Wichtige und der Gemeinte, wenn man ihm das wegnimmt und nun diese Mittelpunktposition zu einer Staubkornposition irgendwo am Rande des Alls macht, ist natürlich dieses Angestrahlt-werden, erst einmal, jedenfalls auf dieser Ebene, unwiederbringlich dahin. Und da darf man natürlich auch einen zweiten Punkt nicht vergessen, den Sloterdijk nun ausgiebig darstellt. Und dafür ist mein Verdacht, dass er dann doch das Kopernikus-Büchlein gelesen hat, denn ich kenne sonst keinen, der außer mir das damals in den 80er Jahren dargestellt hätte, diesen Punkt. Ich habe nämlich gezeigt, 84/85, dass die berühmte kopernikanische Kränkung, die Freud erfunden hat, nicht, Sie kennen das berühmte Wort ‒ die Darwinsche Kränkung, die Kopernikanische Kränkung und jetzt die Kränkung der Psychoanalyse, dass diese Kopernikanische Kränkung nie existiert hat, die gab es nicht, ist eine Erfindung, ein reines Phantasiegebilde, es hat nie eine Kopernikanische Kränkung gegeben. Die hätte so ausgesehen haben sollen, dass der Mensch nun herauskatapultiert aus dem Mittelpunkt des Alls nun plötzlich seiner Würde beraubt sei ‒ das Gegenteil war der Fall. Gerade durch die Erkenntnis der Planeten-Posi­tion, der Planeten-Qualität der Erde und einer veränderten Position im All ist die Würde des Menschen enorm angestiegen. Gucken Sie sich die Literatur an seit der Renaissance, die menschliche Würde dreht, kann man sagen, etwas umgangssprachlich gesagt, erst richtig auf, auch der Größenwahn, die Megalomanie des Menschen gewinnt so richtig an Schwung. Denn vorher ist zwar der Mensch, der von allen Seiten kosmisch Angestrahlte, aber was wird angestrahlt? Der Mensch nicht unbedingt im Mittelpunkt als einer privilegierten Position, sondern der Mensch ganz unten. Unten, Mitte ist hier unten, der Mensch ist unten, und zwar so tief wie nur möglich. Und deswegen konnten die christlichen Theologen dann mit Thomas von Aquin und anderen im 13. Jahrhundert dieses Weltbild auch so schön, sag ich mal, aufgreifen, weil es in ihr Lösungskonzept reinpasste, weil der Mensch ganz unten ist, auch der erlösungbedürftige Mensch, während Kopernikus ausdrücklich sagt, dass er durch seine Reform, die sich dann zur Revolution auswuchs, bei ihm eher eine Art Reform der Kosmologie, dass er dadurch die kosmische Würde des Menschen wiederherstellt, sagt er ausdrücklich und die kosmische Würde des Menschen, denn das Ganze, sagt er wörtlich propter os, also unseretwegen von dem Demiurgen geschaffen worden. Und das war der eigentliche Skandal für die Kirche, nicht die Umbesetzung der Position, das war es eben nicht, im Gegensatz zu dem, was in fast allen Darstellungen drin steht, die alle nicht richtig gelesen haben diese Texte, steht eindeutig drin, das ist es nicht gewesen. Und [sonst] hätte auch Kopernikus niemals ein Grußwort an den Papst richten können, eine Vorrede, seinem Werk voranstellen können, wo er den Papst direkt anspricht. Das war nicht der Skandal, war nicht die Positionsveränderung, sondern das war etwas Anderes.

Das war eine ontologische Verschiebung des Menschen aus dem kleinen Wesen ganz unten in eine wirkliche kosmische Würde. Und ganz unten heißt auch in einer Welt, die ontologisch gesehen den niedrigsten Rang im Kosmos hat. Hier wird gelitten, hier wird gestorben, hier ist Werden und Vergehen, hier ist Chaos. Während da oberhalb, so war ja die Annahme, sind die himmlischen Sphären immer wunderbarer, je weiter man aufsteigt. Denken Sie an Dante, die berühmte Jenseits-Reise von Dante, der Aufstieg durch die Sphären an einer berühmten Stelle aus der „Divina Commedia“, wo Dante ganz außen ist, in der siebenten Schale und guckt runter auf die Erde, die ganz klein und erbärmlich aussieht. Und er muss darüber lachen. Er musste lachen, ich musste lachen, heißt es, wegen der Kleinheit dieser Erde, könnte man sagen, Dante hat eine sozusagen psychonautische Reise vorgenommen, sozusagen eine außerkörperliche Reise. Tatsächlich, er hat die Erde dann so gesehen und hat das dann in diese Bilder gekleidet. Auf jeden Fall ist da ein Unterschied. Der Einzige, der das überhaupt außerhalb dessen, was ich vor 15 Jahren geschrieben habe, aufgreift, ist eben Sloterdijk. Genau das sagt er auch. Das findet man sonst kaum, weil immer wieder wird es genau umgekehrt dargestellt. Der Mensch sei erst in dem Mittelpunkt des Kosmos gewesen, dort habe er eine würdevolle Position gehabt, dann habe ihn der Kopernikanismus da herauskatapultiert, und nun soll seine Würde dahin sein. Das Gegenteil ist eingetreten. Das Selbstbewusstsein des Menschen ist seit der Kopernikani­schen Revolution enorm angestiegen.

Kurzum, das ist eine Erfindung von Sigmund Freud. Diese Kopernikanische Kränkung hat es nie gegeben. Da könnte man dann auch fragen: Hat es die Darwinistische Kränkung überhaupt gegeben? Man könnte sagen, auch die hat es eigentlich gar nicht gegeben. Und auch die Psychoanalytische Kränkung ist vielleicht auch eine Fiktion. Denn wenn überhaupt, dann müsste man ganz andere Kriterien hier heranziehen. Vielleicht gab es wirklich und sicherlich gab es wirklich eine Art von Kränkung. Nach Sloterdijk würde das höchstens bedeuten, dass es eine sphärologische Kränkung gab, dass der Raum kein bergender Raum mehr war, was aber ein anderes Thema ist. Das war zunächst ja keineswegs in der Kosmologie so gedacht. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein war das … , auch in der Philosophie der Aufklärung galt ja der gesamte Kosmos, das Universum, als von der göttlichen Vernunft durchwaltet. Voltaire noch ventiliert den Gedanken, dass Außer­irdische, von denen er wie selbstverständlich überzeugt war, etwa Sirius-Bewohner, eine viel höhere Intelligenz hätten, als Erdbewohner. Der Kosmos wurde selbstverständlich von den Aufklärungs-Philosophen als alllebendig betrachtet, auch wenn man heute gerne dazu neigt, in der Rückschau die Aufklärung so als eine missratene Entwicklung zu betrachten und das Ganze nur im Sinne [von] Adorno, Horkheimer, von der Dialektik der Aufklärung aus betrachtet, sehr verkürzt. Denn wenn man sich das wirklich anschaut, was damals gedacht wurde, staunt man, und man müsste dann merken, dass noch im 18. Jahrhundert, im aufklärerischen Gedankengut, übrigens auch zum Teil im freimaurerischen Gedanken­gut, von einem wie selbstverständlich vernünftig-allbeseelten Universum ausgegangen wurde. Noch Mozart vertont ein Freimaurer-Lied „Du Seele des Weltalls“. Aber das sind Dinge, die merkwürdigerweise in der Bewusstseinsgeschichte verschoben dargestellt werden.

Diese radikale … , wollen mal sagen, der radikale Bruch der dann einsetzte, war später, und das ist genau die Stelle, die Sloterdijk meint, ungefähr Mitte des 19. Jahrhunderts, als dann die letzten Reste dahin waren und eine ganz neue Entwicklung einsetzte, die man sich genauer angucken muss, das kann ich jetzt hier nicht in der schnellen Form darstellen, aber da verschwand dann der Himmels-Globus aus den Bürgerstuben, wie ich gesagt habe, und es blieb der Erd-Globus, der nun plötzlich der ganze Kosmos war ‒ eigenartigerweise.

Die Vorstellung, dass die Welt eine Kugel ist, ob sie nun eine Außenfläche hat oder nicht, ich habe Ihnen das versucht zu erläutern, ist naheliegend, ist wirklich naheliegend. Denn wenn immer man sich vorstellt, welche Gesamtgestalt die Welt in einem irgendwie vernünftig fassbaren Sinne denn überhaupt haben soll, dann müsste man eigentlich auf die Kugelform kommen. Man wird sie kaum als Würfel imaginieren können. Die Kugel ist eine naheliegende Form, auch wenn man die Kugel so groß denkt, dass sie praktisch quasi unendlich groß ist. Kann man natürlich sagen, gut, eine unendlich große Kugel müsste allein aus logischen Gründen eine unendlich große Oberfläche haben. Dann wird jede Krümmung aufgegeben zugunsten einer Fläche, das ist klar, nicht, eine unendlich große Kugel hat eine Oberfläche, die praktisch eine plane Fläche ist, wenn man dann überhaupt logisch-geometrisch so weiterdenken kann, wenn nicht der Verstand da ohnehin Amok läuft. Aber wenn man überhaupt so weiterdenken will, dann müsste man da hinkommen. Es hat etwas Naheliegendes.

Nicht nur, dass man sagt, die Gestirne, soweit wir sie erst einmal beobachten können und konnten, sind offenbar Kugeln, zwar nicht vollkommene Kugeln, aber doch in einer gewissen Annäherung Kugeln. Und auch die Gestirnbewegungen sind erst einmal kreisförmig und im Sinne des Kopernikus ja auch angebracht auf gewaltigen sphäroiden Hohlkugeln, aus einem feinen ätherischen Stoff angefertigt, da sind also die Planeten, die Gestirne dran befestigt. Und das war ein hochkomplexes System der Bewegung und mit diesem System, das sei nur am Rande erwähnt, wen das näher interessiert, der könnte das dann im Speziellen auch hier unter anderem beim Kopernikus nachlesen, mit diesem System konnte man tatsächlich erstaunliche Voraussagen machen, Sonnenfinsternisse, Mondfinsternisse, Gestirnpositionen konnte man präzise voraussagen, indem man zwei Kreise übereinander schichtete, einen direkt um die Erde und dann auf diesen Kreis gesetzt, ein Epizykel, einen zweiten Kreis, der sich gleichfalls drehte. Und so entstand ein sehr komplexes System von Bewegungsmustern. Die gingen alle von der Grundform des Kreises aus und noch Keplers berühmte Neuerung nach Jahren des Zögerns, also die Annahme, dass die Planeten-Form einen elliptischen Charakter hat, bedeutet keine fundamentale Entthronung des Kreises, denn die damals bekannten Umlaufbahnen waren doch immer noch angenähert kreisförmig. Auch wenn man sagt, sie sind elliptisch, dann ist die elliptische Verformung eine relativ geringe, so dass man aufs Ganze gesehen immer noch sagen kann, die Bewegung ist ungefähr eine kreisförmige, und die Kreisform ist ja auch die einzige Bewegung, die in sich selbst zurückläuft. Und die Kugel hat in diesem Sinne auch eine eigene Ästhetik, eine eigene Schönheit, wenn man so will. Und so kann man, wenn man die antiken Texte sich anguckt, staunen, welche wunderbaren Elogen, Hymnen gesungen wurden von Philosophen auf diese Kugel. Es gibt in einem sehr eindrucksvollen Abschnitt im ersten Teil der „Sphären II“ einen Abschnitt mit dem Titel „Das morpho­logische Evangelium und sein Schicksal“, „morphes“, die Form, Morphologie ist die Lehre von der Form, das morphologische Evangelium ist die Lehre von der Kugel. Und da schreibt er in einer wunderbaren Weise wie in der Antike die Kugel hymnisch-philosophisch gedacht wurde.

Ich les mal eine kleine Passage hier vor, weil es wirklich großartig ist, das könnte ich so nicht paraphrasieren, wie es hier im Original dann klingt. Also das morphologische Evangelium und sein Schicksal, Seite 117, „Sphären II – Globen“: „Für die Modernen, deren Denken von den Tagen der dissidenten Hegel-Schüler an, durch Dezentrierungen und existenziale Exzentrik geprägt ist, gibt es kaum noch einen Zugang zu den vergessenen Welten metaphysischer Kugel-Herrlichkeit. Sie können nicht mehr wirklich begreifen, in welchem Maß die Geistesgeschichte der letzten 2000 Jahre der Triumphzug eines alles überflügelnden morphologischen Motivs gewesen ist“ ‒ also eines Form-Motivs ‒ „auch wenn die Lehrbücher der Philosophie, ja sogar die Archivare der philosophia perennis“ ‒ der ewigen Philosophie, Begriff von Leibniz – „bestenfalls in Andeutungen von der alten Kugel-Ontologie reden und die durchschnittlichen Agenten der Zunft, ihre jungen Wilden inbegriffen, längst wie hinter einer Wand des Vergessens leben, durch die kein Erinnerungsstrahl hindurchdurchdringt. So ändert dies doch nichts daran, dass die alteuropäische Metaphysik, wo sie am meisten bei sich war, eine einzige überschwängliche Meditation der beseelten Kugel und des mitwissenden Daseins in ihr gewesen ist.“ –

Also Philosophie als Meditation über die beseelte Kugel. Er zeigt das ja auch in vielen Beispielen bis in die imperialen Symbole hinein, das wissen Sie, Reichsapfel usw., überall taucht die Kugel als gleichsam kosmisch legitimiertes Herrschaftssymbol auf. – „Es war den klassischen Denkern darum nie um das zu tun, was man heute mit falschem Zungenschlag Letztbegründung nennt, sondern um Letztumfassung, oder wie wir im Folgenden auch sagen werden: um Letzt-Immunität. Nahezu definitorisch ist festzustellen: Die klassische Metaphysik als Onto-Theologie, als philosophische Kosmologie verstanden, war nichts anderes als ein unermesslich umständliches und komplexes Theorieritual zu Ehren Ihrer Majestät, der runden Form.“ – Wunderbar gesagt, nicht, „ein unermesslich umständliches und komplexes Theorieritual zu Ehren Ihrer Majestät, der runden Form.“ Jetzt zu der Frage, die ich vorhin angedeutet habe mit dem Innen-Außen. Sloterdijk interessiert nicht diese, sagen wir mal, raum-ontologische Frage, kommt bei ihm nur am Rande vor, nur am Rande, er eliminiert sie nicht vollständig, aber sie ist nicht wirklich zentral bei ihm. – „Dies hat nur eines zur Voraussetzung. Ich müsste zugeben und nachvollziehen, dass alles Seiende, einschließlich meiner selbst mit meinen Abgründen und Verneinungen etwas ist, was in einem eminenten Sinn innen im Einzugsbereich einer organisierenden Form liegt, woraus nichts anderes folgt, als dass alles, was ist“ – buchstäblich alles, was überhaupt ist, im Sinne dieser antiken Metaphysik – „von einer größten Peripherie umfangen, enthalten, geortet wird.“ – Es gibt in diesem Sinne kein Außen, weil es gibt eben nur Innen, weil die Kugel ist das Ganze und dann auch das Eine bei dem Neuplatoniker Plotin, wenn er von dem Einen redet, das auch das Schöne und das Wahre ist, dann meint er immer die absolute Kugel. Dort bei Plotin, dem großen, Neuplatoniker ist das vollkommen deutlich. – „Im Bild der Kugel verbreitet sich das Evangelium“ – also nicht das christliche, sondern das Kugel-Evangelium – „das Evangelium der totalen Inklusion“ – also des Einschließenden – „nichts Wirkliches kann wirklich draußen sein. Kein Ding existiert abgetrennt vom Korpus und Kontinuum, das des Einen“ – des Einen, das eben als Kugel imaginiert wird. – „Wo alle Gewalt von der Mitte ausgeht, dort gibt es kein absolutes Außen, keinen verlorenen Punkt, kein Seiendes, das schlechthin abseits stehen müsste.“ – Kann es nicht geben, weil, es gibt in dem Sinne räumlich kein Außerhalb, da ist kein Raum, und alles ist durchstrahlt von dieser kosmischen Beleuchtung im ständigen Angeblickt-werden – „es sei denn es stellte sich selbst in rebellischer Absicht hinaus. Weil das zentrierte Ganze alles nach innen holt, indem es jede abständige Stelle ringsum auf sich als Mitte bezieht“ – das ist das Wesen der Kugel, alles ist dann das absolute Bezugssystem, physikalisch gesprochen jeglicher Bewegung, notwendig es kann nicht anders sein – „bildet die Kugel-Totalität niemals nur einen reglosen Block“, dann wäre sie langweilig, dann wäre es eine tote Kugel. Es ist aber eine beseelte, durchpulste, eine alllebendige Kugel. Das macht gerade die Kraft dieser Denkfigur aus über mehr als 2000 Jahre. Also „bildet die Kugel-Totalität niemals nur einen reglosen Block. Sie ist durchpulst von Beziehungsleben der Mitte und von den überreichen Korrespondenzen der epizen­trischen Punkte untereinander. Das ist es, was die Anhänger des Fülle-Prinzips euphori­siert bekennen. Die intelligible Kugel lebt.“

Also diese Kugel ist keine tote Kugel, das ist eine alllebendige, von vielfältigem Leben durchpulste Kugel. Alles ist auf dieses göttliche Zentrum bezogen, und so fern sie lebt, tut sie diese Kraft der Strahlungsmacht und Beziehungsfreude des Zentrums. Das ist auch wichtig. Jetzt muss man einen Schritt weitergehen und aus diesem System den nächsten Schritt wagen in die theozentrische Kugel, so wie sie philosophisch imaginiert wurde. Dann kommt man noch zu einem anderen Bild dessen, was die Kugel überhaupt als Kugel konstituiert. Das ist die göttliche Strahlung. „Die intelligible Kugel lebt, und so fern sie lebt, tut sie dies kraft der Strahlungsmacht und Beziehungsfreude des Zentrums. Dieses“ – also das Zentrum – „sendet in einem unaufhörlichen Platzen seine Radien aus und stellt seine Ganzheit kontinuierlich wieder her, indem es die epizentrischen Punkte zu sich zurückzieht“ – also eine unaufhörliche, radiale Strahlung, die gleichzeitig immer wieder auf das Zentrum zurückstrahlt. „Der Mittelpunkt, Inhaber der Gottes-Stelle im absoluten Kreis, vergewissert sich stets aller Punkte im Raum um sich herum, indem er sie erzeugt und erkennt.“ Erzeugt sie nicht nur, sondern die Dinge sind in diesem Selbstdenken nie getrennt und können nie getrennt sein vom göttlichen Zentrum. „Er formt um sich ein Ganzes, indem er sich ständig ergänzt um jeden noch so fernen Punkt. Ganz ist, was Macht hat, sich zu verausgaben und zu sammeln. Darum lässt die lebendige Mitte die Punkte auf den Radien nicht los. Sie hält sie alle in einem flimmernden Konvent um sich geschart. Und wie der Gotteskinder liebsten Sterne, so hat das Zentrum die Punkte gezählt, das nicht einer ihm fehle an der ganzen unfassbar großen Zahl. Die Ontologie der Kugel, die Grundlehre alt-abendländischer Metaphysik, die umso geheimer wirkte, je offener sie ausgesprochen war und umso mächtiger, je mehr sie in Latenz blieb, ist ihrem Wesen nach“ – jetzt kommt ein wichtiger Punkt – „eine philosophische Meditation über die Unmöglichkeit, das dem Sein etwas verloren gehe. Das Sein wie das Haus verliert nichts, kann nichts verlieren, weil das ist das Ganze.“

Es kann nichts verloren gehen. Und das ist im Sinne der platonischen antiken Philosophie auch eine Denknotwendigkeit, und natürlich hat sich Platon mit der Frage beschäftigt: Was ist dann, wenn die Vernunft zu dieser Einsicht nicht kommen will? Wenn sie sich störrisch stellt, wenn sie dumm bleibt, wenn sie unerleuchtet bleibt? Was macht man dann mit den Menschen, die es einfach nicht einsehen wollen, was so absolut ist? Weil alle Beweise deuten darauf hin. Da gibt es dann richtig, das zitiert auch Sloterdijk, dann deutliche Worte des Königsphilosophen Platon: Diese betreffenden Menschen sind eigent­lich dann gar keine Menschen mehr, weil sie sich der Vernunft verschließen, die doch ganz klar zeigt, dass die ontologische Kugel die absolute Realität ist. Die müssen dann hinter Gitter. Ja, das ist dann die Konsequenz des Königsphilosophen Platon. Da gibt es ja viele sehr herbe Stellen bei Platon. Das ist nicht liberal, das ist nicht demokratisch. Das hat nichts zu tun mit allem, was uns so beschäftigt. Das ist halt ein ganz anderer Charakter. Das sage ich nur mal so am Rande, dass natürlich Platon … , auch schon seine Zeitgenossen haben ihn gefragt, was machst du mit denen, die das gar nicht einsehen wollen, weil sie es für falsch halten oder denen das egal ist, … darf keinem egal sein, weil, so ist doch die Wirklichkeit. Und da ist natürlich noch die alte Gleichsetzung des Sokrates drin: Vernunft, das Vernunftgemäße ist auch das Lehrbare, das steht auch in der Aufklärung drin, man kann das lehren. Und auch das Wahre, das Wahre kann man lehren, und das ist auch vernünftig, ist ja der Grundgedanke der Aufklärung, [dass] man letztlich durch Über­zeugungsarbeit jeden dahin bringen kann, dass er einsieht, wie die Dinge wirklich sind und seinen privaten Phantasien dann den Laufpass gibt.

Also „ihrem Wesen nach eine Meditation über die Unmöglichkeit, das dem Sein etwas verloren gehe. Das Sein wie das Haus verliert nichts kann nichts verlieren. Unmöglich. Wo das Ganze als Kugel angeschaut wird, doch darf und muss im Zweifelsfalle auch jedes Einzelne sich zu ihrem Umfang hinzuzählen.“ Jetzt schöne Formulierung danach – „Ein Umstand, in dem Trost und Zwang ununterscheidbar werden.“ Das ist einerseits sehr tröstlich, natürlich dieses Umfangensein. Andererseits ist natürlich dieser Trost vom Zwang nicht zu unterscheiden, weil, man hat ja keine Freiheit. Da hört dann auch die Freiheit auf, wie ja überhaupt im Denken, die Freiheit in dem Moment aufhört, wo Argumente vorgetragen werden, die eine eigene Stringenz und Evidenz dann noch haben. Man kann dann nicht beliebig sagen: Das sehe ich nicht ein, das will ich nicht. Es gibt bestimmte Evidenzen, die nicht auf der Ebene liegen, die auf jeden Fall nicht auszuklinken sind. Das ist wichtig. Ist ja nicht eine Frage dann eines demokratischen Diskurses, ob die Winkelsumme im Dreieck 180 Grad ist. Das ist einfach gewissermaßen eine nicht-demokratische Größe, einfach eine Wirklichkeit.

Das Denken in diesem Sinne, wenn es echtes Denken ist, ist übrigens nie demokratisch, kann es gar nicht sein. „Wo das Einzelne sein Glück in der Teilhabe am Ganzen finden kann, dort wird das Andenken der Kugel-Mitte selbst unmittelbar zur therapeutischen, ja zur rettenden Übung.“ Das ist ja witzig gesagt, nicht, „das Andenken der Kugel-Mitte wird für den Menschen zur therapeutischen Übung.“ Er kann sich immer darauf zurückbeziehen, was für Chaos er privat hat – schreibt Sloterdijk an mehreren Stellen – wie schlecht es ihm geht, wie er leidet und sich quält, es bleibt doch immer nur eine partikulare Ansicht, eine Facette in dem absoluten Kugelganzen, auf das sie letztlich immer bezogen ist in dieser Vorstellung, in dieser Imagination. „Denn die Kugel aufzeigen bedeutet dann nicht weniger als die frohe Botschaft von der Zugehörigkeit der zerstreuten Punkte zum organisierenden Zentrum zu verbreiten.“ Und das bringt er in engsten Zusammenhang mit dem, was er das „Projekt Weltseele“ nennt. Das, meint er, ist nicht zu trennen. Das glaub ich in der Form nicht. Das kann ich aber heute Abend nicht mehr ausführen, dazu werden wir noch kommen. Er setzt das identisch. Er sagt: Die Vorstellung einer kosmisch-ontologischen, der göttlichen Kugel, ist praktisch identisch mit dem Gedanken der Weltseele. Das muss nicht sein, aber es ist erst einmal in diesem Zusammenhang in sich konsequent, das so zu denken.

Und nun zeigt er, dass auf diese Weise alle Individuen als Geborgene im Kugelganzen natürlich einen gemeinsamen Innenraum haben. Denn wohin sollte auch der Einzelne in seinem je individuellen Innenraum denn gelangen, wenn nicht im Letzten immer wieder nur in diese Kugel? Denn wenn es möglich wäre, dass Jeder sozusagen eigene unregelmäßige Blasen aus sich herauspusten könnte gegen die gesamte Kugel, dann wäre das Ganze letztlich nicht so schön, wie es neuplatonisch und bei Plotin im Besonderen unterstellt wird. Es ist ja immer die alte Frage, die ja auch schon an Plotin gestellt worden: Wie kann er denn ernsthaft von dem Schönen, dem Guten und den Wahren als den Einen sprechen im Angesicht des Elends, des Leides, des Furchtbaren, des Chaos in der Welt? Ob er das nicht sähe? Darauf war immer die Antwort der Kugel-Metaphysiker dieser Spielart, auch der ontologischen Einheitsdenker, dass das nur eine Partikularität ist, sozusagen eine Einzelheit, und dass … keine Einzelheit kann das Ganze sein, und deswegen kann nur das Ganze wirklich in einem absoluten Sinne dann auch schön sein, das ist die berühmte Gleichsetzung des Wahren, des Guten und des Schönen. Was übrigens in unserer Zeit interessanterweise Ken Wilber wie kein anderer immer wieder in den letzten Jahren in seinen Büchern betont hat, und vielleicht kein Zufall, dass er sein letztübersetztes Buch, was im Original den Titel trägt „The Eye of Spirit“, dass das im Deutschen, rätselhaft, vom Krüger-Verlag übersetzt „Das Wahre, Schöne, Gute“ im Titel, „Geist und Kultur im 3. Jahrtausend“ als Untertitel. Da kommt da nochmal diese Grundgleichung zum Vorschein. Darauf würde wahrscheinlich, vermute ich mal, Sloterdijk, wenn er sich der Mühe unterzöge, Wilber zu lesen, das tut er nicht, den liest er nicht, den schätzt er nicht, hält er nicht für für lesenswert, arrogant wie er ist, also dann würde er wahrscheinlich so argumentieren, dass das eine Wiederaufwärmung ist dieses alten Allbeseelungsprojekts der ontologischen Kugel, was auch stimmt, ist es auch in gewisser Weise, das ist vollkommen richtig.

Also dieser Vorwurf, den man da erheben könnte an die Adresse dieses Neo-Idealismus von Ken Wilber, wäre eigentlich auch, wenn man es wertneutral sagt, und nicht in einem abwertenden Sinne meint, vollkommen korrekt. Es ist wirklich eine Art Wiederbelebung, wie überhaupt jedwede Form einer authentischen spirituellen Welt­betrachtung mehr oder weniger, so oder so, sich mindestens nähert einer solchen Vorstellung, sich von ihr nährt und sich ihr nähert. Also beides. Also nicht vollkommen abgekoppelt werden kann, das ist immer eng miteinander verbunden und Sloterdijks Anspruch, das als endgültig erledigt zu betrachten, wirkt eigenartig, zumal er in seinen besten Passagen selber vollkommen dieser Faszination der Kugel verfällt, kann man sagen. Und wunderschöne, über Seiten sich erstreckende Hymnen nochmal singt, als ob er selber Kugel-Metaphysiker wäre und dann in den nächsten Sätzen das alles abräumt und die Bühne freigibt. Da ist überhaupt nichts, das sind alles Gedanken von gestern, die müssen wir und dürfen wir geradezu gar nicht mehr denken, weil, dann würden wir die ganze geistige Entwicklung leugnen, die ja dahin führt, dass das alles nicht mehr existiert, dass der Einzelne hüllenlos vom Eiszeitenhauch des Weltraums angeblasen, vereinsamt in den Trümmern seiner Würde sitzt. Und das ist ja immer noch ein Stück von Würde, die dadurch bewahrt wäre.

Also, die kosmologische, psycho-kosmologische Idee der Sphären, habe ich versucht, Ihnen auf eine ganz knappe Weise, mehr kann das nicht sein in zwei Stunden, auf eine ganz knappe Weise umrissen. Und ich finde es auf seine Weise großartig, dass der Sloterdijk den Versuch macht, nochmal dieses Thema aufzugreifen und in seiner metaphysischen Kraft auch zu zeigen. Das kann ich nicht nur nachvollziehen, sondern das finde ich auch richtig. Das ist eine Denkbemühung, die man begrüßen kann und die tatsächlich vielleicht auch was Zukunftsträchtiges in sich birgt. Ich sage nochmal, ich weiß nicht, was der dritte Band hier mit dem Titel „Schäume“, was das eigentlich jetzt sein soll. Das ist undeutlich, und ich weiß, ich habe auf der Buchmesse mit einem Doktoranden von Sloterdijk gesprochen, der auch sagte, dass Sloterdijk auch in seinen Vorlesungen, Seminaren das gleiche Muster verfolgt wie in seinen Büchern. Er entrollt in wunderbarer Form diese Kosmen alter Denkvorstellung, um am Ende ironisch-zynisch das alles in den Schornstein zu blasen, etwas übertrieben gesagt. Und immer wieder Irritation bei seinen Studenten, so sagte mir der Betreffende: Was ist das? Was, wo steht er wirklich? Was glaubt er wirklich? Das mag viele Gründe haben, vielleicht auch biografische Gründe, das weiß man nicht, warum er sich bemüßigt fühlt, das wo wirklich auch sein Herz schlägt, das spürt man einfach bei diesen Texten, die sind einfach sehr stark, also dass dann in zynischen Bewegungen wieder wie Heinrich Heine und andere, der ja auch die Fähigkeit hatte, das aufzubauen und dann ironisch wegzuwischen, dann wieder zu zerstören. Auf jeden Fall ist es eine lohnende geistige Beschäftigung, und auch in meinem Denken spielt die Kugel eine wichtige Rolle, anders als bei Sloterdijk. Und ich finde es wunderbar, wenn sich da ein Dialog ergeben könnte. Man weiß es nicht. Es ist ja leider heute so, dass leider, dass auch, dass die Denker untereinander, die Wenigen, mit denen es sich überhaupt lohnt, Kontakt zu haben, dann auch wieder so mit ihren Dingen beschäftigt sind und eingepuppt auch wieder in ihrer eigenen Sphäre, dass sie Mühe haben, den Anderen wirklich wahrzunehmen. Das ist leider der Fall. Da gibt es Ausnahmen, sicherlich. Eine Ausnahme, etwa zum Beispiel hier ist Johannes Heinrichs an der Universität und ich. Es gibt schon Ausnahmen, aber häufig genug ist das so, vielleicht ist es in diesem Fall auch anders. Also ich werde Ihnen auf jeden Fall davon Kenntnis geben.

* * * * * * *

Bewusstsein der Pflanzen

Vorlesungsreihe:

„Das lebende Buch der Natur, Teil I
Tiefenökologie und Neue Naturphilosophie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Sommersemester 1999 Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 23

Transkripte als PDF:


* * * * * * *

Ich habe das heute genannt: Was wissen die Pflanzen – Mensch und Pflanze im Wechselspiel von Erde und Kosmos. Worum geht es bei der Frage: Was wissen die Pflanzen? ist im Grunde eine Frage, die darauf zielt, welche Form von Bewusstsein haben diese rätselhaften organischen Wesen, die mit uns die Erde bevölkern, eben die Pflanzen. Es geht also um die Frage nach dem Bewusstsein der Pflanzen und um die Frage, welche Möglichkeiten wir haben, uns in irgendeiner Form in diese Bewusstseinsform, in diese Bewusstseinsebene hineinzubegeben. Können wir das? Ist das möglich? Oder ist da durch unsere Ichhaftigkeit und Mentalstruktur von vornherein eine ontologische Barriere, was ja möglich wäre? Es wäre ja möglich, dass es eine ontologische Barriere gibt, dass wir grundsätzlich keine Möglichkeit haben, wirklich in die tiefen Schichten des Bewusstseins der Pflanzenwelt einzudringen. Obwohl es natürlich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder Berichte gegeben hat von Kulturen, von Menschengruppen und von einzelnen Menschen, die für sich in Anspruch nahmen, genau diesen Zugang zu realisieren oder realisiert zu haben, etwa im Bereich des Schamanismus. Darüber berichtet auf eine sehr eindrucksvolle Weise dieses Buch „Schamanische Wissenschaften“, was ich Ihnen ja schon mal am Anfang des Semesters empfohlen hatte ‚Ökologie, Naturwissenschaft und Kunst‘. Also um die Frage soll es gehen: Wie ist das mit dem Bewusstsein der Pflanzen?

Und wenn ich dann im Thema schon gesagt habe, Mensch und Pflanze im Wechselspiel von Erde und Kosmos, dann ist hier mit Kosmos primär, aber nicht ausschließlich, Licht gemeint. Wie nehmen Pflanzen Licht wahr? Sie wissen alle, dass ohne die sogenannte Photosynthese kein Leben möglich wäre, aber wenn man die dürren chemischen Formeln der Photosynthese sich anguckt, also dass da Stärke entsteht aus Wasser und Kohlendioxid mittels der Lichtenergie über Chlorophyll, den grünen Farbstoff, dann ist das mehr eine chemische Beschreibung als eine wirkliche Erklärung. Was passiert wirklich und eigentlich in der sogenannten Photosynthese? Das ist weitgehend noch ein Mysterium, aber ein zentrales Mysterium, denn letztlich hängt das gesamte Leben auf dem Planeten davon ab. Also um diese Fragen soll es gehen.

Ich muss vielleicht einleitend ganz kurz ein paar persönliche Bemerkungen machen, die ganz angezeigt sein könnten. Ich will das mal über einen Umweg versuchen, also was mein Verhältnis zu Pflanzen betrifft, ganz persönlich. Ich würde es über einen Umweg versuchen. Es gibt einen Essay von Thomas Mann, aus den 20er, 30er Jahren, weiß ich nicht genau, der heißt „Lübeck als Lebensform“ oder „Lübeck als geistige Form“. Ich habe den Essay jetzt nicht mehr gefunden in meiner Thomas-Mann-Ausgabe. In diesem Essay stellt Thomas Mann das Naturverhältnis des typischen Großstädters dar. Er sagt, dass der bürgerliche Mensch, der Großstädter, und er nimmt sich in diese Kategorie hinein, Natur im Grunde genommen nur primär begreift als das Andere seiner selbst und als das Erhabene. Er reist in die Berge, er reist an das Meer. Er genießt ästhetisch Natur und lässt sich anrühren von dem erhabenen Charakter dieser Kulisse. In gewisser Weise wird er auf eine fast transzendente Weise davon berührt. Und das scheint mir typisch zu sein für viele, sagen wir mal, großstädtische Biografien, so auch für meine eigene. Ich habe über Jahre hinweg als Kind und auch noch als Jugendlicher überhaupt kein Verhältnis zu Pflanzen gehabt. Ich wusste gar nicht, was Pflanzen sind. Ich bin im zerbombten Nachkriegs-Berlin aufgewachsen, in einem Stadtteil, war weitgehend aufgewachsen, der vollständig zerstört war. Da gab es allenfalls einige Gärten mit irgendwelchem Gesträuch, dessen Namen kein Mensch interessierte. Ich wusste allenfalls, dass es da Kastanien gibt. Da waren Kastanien auf der Straße, da gab es eine Tuja-Hecke, da gab es zwei Kirschbäume, und da gab es eine Pappel. Also was ich an Bäumen wusste, an Baumnamen wusste, hätte ich wirklich an zwei Fingern abzählen können. Interessierte mich auch gar nicht. Alles andere waren Blumen, das war bunt. Ja, so ist es gewesen.

Und erst über ganz andere Eindrücke, über frühe Eindrücke in den Bergen, auch über diese Wahrnehmung des Erhabenen, des ästhetisch Imposanten und über die dort ja nun existierenden Wälder wurde mir erstmalig als Jugendlicher dann deutlich, was möglicherweise Pflanzen sein könnten, über den Wald, über die Erfahrung des Waldes und dann über die Literatur. Viele Bezeichnungen von Pflanzen habe ich zum ersten Mal in der Literatur gelesen, in Gedichten gelesen oder auch dann in vielen Jahren meines mehr oder weniger dilettantischen Sängertums, dann auch in den Liedern festgestellt. Nicht, „säuselt der Kalmus im nächtlichen Hain“, heißt es in einem Schubert-Lied, ich wusste gar nicht, was ein Kalmus ist. Und „wir saßen so traulich zusammen im kühlen Erlen-Dach“, heißt es in einem Schubert Lied. Ich habe erst durch dieses Gedicht überhaupt gelernt, dass Erlen offenbar am Wasser sich gerne aufhalten, also an einem Fluss etwa oder am Seeufer. Also das nur als Beispiel. Ich bin da bestimmt keine Ausnahme, das muss man vorab sagen.

Ich habe dann immer mit einem gewissen Staunen, fast möchte ich sagen Neid, bei verschiedenen Schriftstellern, etwa Hermann Hesse, gelesen, welche ungeheure Intensität und Genauigkeit sie schon als Kinder für Natur hatten, ganz genau alles benennen konnten, Zusammenhänge erfassten, das war mir vollkommen fremd. Das musste ich mir sozusagen über ganz andere Schienen erst erarbeiten, über die Literatur, über die Philosophie, über bestimmte Formen der Meditation. Ganz allmählich überhaupt ist es mir deutlich geworden, was Pflanzen überhaupt sind, intensive Goethe-Lektüre und so weiter. Und ich glaube, dass das symptomatisch für sehr viele ist. Also das Thema Mensch-Pflanze, es hat mich dann spät erst in meinem Leben wirklich erreicht und hat mich zu einer Wahrnehmung gebracht, die dann allerdings eine besondere Intensität erreichen konnte. Ich weiß nicht, ob sie diese Intensität erreicht hätte, wenn das von vornherein der Fall gewesen wäre. Es ist auch müßig, darüber zu spekulieren. Also das nur als Einstieg, als kurzer biographischer Hinweis darauf, wie das in meinem Falle war.

Und ich habe erst seit einigen Jahren eigentlich eine Wahrnehmung entwickelt und lese auch jetzt noch mal ganz neu Texte, die ich lange kannte, zum Beispiel Goethe-Texte. Ich habe kürzlich jetzt wieder im Zuge der Vorbereitung für die Vorlesung „Die Metamorphose der Pflanzen“ gelesen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl gehabt, ich habe den Text überhaupt halbwegs verstanden. Ich habe ihn bestimmt 10, 12, 15 mal gelesen, im Laufe meines Lebens, ihn dann wieder abgelegt und dann wieder hervor genommen. Gut, das vorab.

Nun, die Frage nach dem möglichen Bewusstsein von Pflanzen geht ja noch weiter. Es ist ja die Frage nach dem Bewusstsein der nicht-menschlichen Welt überhaupt. Darüber habe ich ja in mehreren Zusammenhängen immer wieder gesprochen. Wir haben uns ja auch schon über die Frage verschiedentlich verständigt, ob höher organisierte Lebewesen, etwa Tiere, eine Art von Ich-Bewusstsein haben. Nicht, das ist umstritten, schwer zu sagen. Wahrscheinlich gibt es eine Art Prä-Ich-Empfindung, es gibt viele Indizien dafür. Aber wie sieht es bei den Pflanzen aus? Welche Art von Bewusstsein kann man von den Pflanzen, bei den Pflanzen unterstellen, und wie kann man das wahrnehmen? Wie kann man in Kontakt dazu treten? Goethe hat ja viele faszinierende Hinweise dazu gegeben, wie man das kann, nämlich mittels einer bestimmten Art von gestalthaftem Denken. Goethe nannte das anschauendes Denken oder denkende Anschauung, also das Denken im Schauen von Ideen, also das Schauen von Ideen als Denken, als gestalthaftes Denken. Daraus resultiert ja auch der goethische Begriff des Urphänomens. Das habe ich ja angedeutet.

Nun erschien im Herbst letzten Jahres, von vielen wahrscheinlich gar nicht beachtet, im „Spiegel“, weil ich.., ein Organ, ein Presseorgan, was nun alles andere als orientiert ist auf solcherart eher philosophisch-spiritueller Wahrnehmung, ein merkwürdiger Artikel, der verweist auf neueste molekulargenetische Forschung, das entnehme ich diesem Artikel, die es erst seit 1996 gibt und man glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Nun findet man hier eine ganze Reihe von Aussagen dergestalt, wie wir sie aus spirituellen Zusammenhängen, aus ganz anderen naturphilosophischen Zusammenhängen kennen, unter anderem aus diesem berühmten Buch, wahrscheinlich dem berühmtesten Buch überhaupt über das Thema „Das Geheime Leben der Pflanzen“, was ja vor über zwanzig Jahren erschien Peter Tompkins, Christopher Bird, ein Bestseller, hunderttausende Auflage, das ja auf eine faszinierende Weise das ganze Spektrum aufmacht. Viele verblüffende Bestätigungen gibt es jetzt offenbar. Das kann ich nur so hinnehmen. Ich kann es im Einzelnen nicht nachprüfen aus den Bereichen der Molekulargenetik. Man kommt offenbar jetzt zu der Auffassung, dass was Tompkins und Bird und andere immer behauptet hatten, dass in der Tat Pflanzen sehen, schmecken, riechen, fühlen und hören können. Eine verblüffende Angelegenheit. Die Pflanzen haben kein zentrales Nervensystem. Wie soll das überhaupt möglich sein? Wie geschieht das? Wie kann das sein?

Ich lese mal einige Passagen aus diesem Artikel vor, weil der das auf eine ganz prägnante Weise darstellt, im Herbst ‘98 erschienen: „Die Erforschung der Sinne von Pflanzen, also Sehen, Schmecken, Riechen, Fühlen und Hören hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Dass Pflanzen sensibel auf Einflüsse ihrer Umgebung reagieren, konnte nun auch mit den modernen Methoden der Molekularbiologie nachgewiesen werden“, was jeder eigentlich weiß, jeder, der halbwegs unbefangen Pflanzen betrachtet, weiß das eigentlich, nun hat die Molekularbiologie [das] auch nach­gewiesen, in Anführungszeichen. „Keineswegs tumb ist das Grünzeug“, typischer Spiegel­jargon, „im Gegenteil, Pflanzen, so steht fest“, jetzt scheint es festzustehen, „können sehen, schmecken, riechen, fühlen und wahrscheinlich auch hören. Im Saft ihrer Äste und Blätter schwimmen Phyto-Hormone, die wichtige Botschaften übermitteln. In ihren Stengeln werden Erregung geleitet wie in einem Nervensystem und über Duftstoffe können Pflanzen mit anderen Pflanzen kommunizieren und gezielt nützliche Insekten anlocken. Schon Charles Darwin hatte die These aufgestellt, dass Pflanzen in der Lage sein müssten, das für die Photosynthese wichtige Licht auch wahrzunehmen,“ ‒ von der Photosynthese war ja schon kurz die Rede. „Wie sonst ließe sich das bekannte Phänomen erklären, dass Zimmerpflanzen, die am Fenster stehen, zielstrebig zum Licht hin wachsen? Der Rezeptor, der auch in anderen Pflanzen vorkommt, kann Licht im blauen Bereich“ … da habe ich vorher noch etwas ausgelassen. „1996 gelang es einem Forscherteam um Achim Hager von der Universität Tübingen endlich in der Spitze von Maiskeimlingen einen Rezeptor zu lokalisieren, der dem Seh-Protein Rhodopsin in den Stäbchen der menschlichen Netzhaut ähnelt. Der Rezeptor, der auch in anderen Pflanzen vorkommt, kann Licht im blauen Bereich des Spektrums absorbieren, sehen. Die Kaskade biochemischer Reaktionen, die daraufhin in den Zellen abläuft, bewirkt, dass der Stengel der Pflanze nur noch auf der dem Licht abgewandten Seite weiter wächst. Er krümmt sich, die Blätter wenden sich im optimalen Winkel den Sonnenstrahlen entgegen. Setzt man ein Hütchen auf die Spitze des Keimlings, kann er sich nicht mehr zur Sonne hin ausrichten.“ Das ist der entscheidende Punkt, er ist quasi blind geworden. „Also setzt man ein Hütchen auf die Spitze des Keimlings, kann er sich nicht mehr zur Sonne hin ausrichten. Pflanzen können auch die Konkurrenz benachbarter Gewächse, die versuchen, ihnen das Licht zu nehmen, mithilfe spezieller Rezeptoren erkennen. Die Empfänger registrieren in den Blättern das Verhältnis von hellroten zu dunkelroten Frequenzen im Lichtspektrum. Ist das Verhältnis verändert, schlagen sie Alarm. Eine Nachbarpflanze hat für den die Photosynthese wichtigen hellroten Anteil des Lichtes abgezapft. Stängel oder Stamm müssen dazu gebracht werden, schneller zu wachsen, damit es der Pflanze gelingt, wieder aus dem Schatten der anderen herauszukommen. Dieses Jahr haben Forscher der University of California in Los Angeles herausgefunden, dass Pflanzen auch die Länge der Tage mithilfe spezieller Lichtrezeptoren bestimmen können.“ [Pflanzen haben] offenbar eine ganz feine, sehr präzise Wahrnehmung für Feinheiten des Lichtes und in gewisser Weise auch der gravitativen Verhältnisse „und damit den rechten Zeitpunkt ihrer Blüte. Desgleichen verfügt Grünzeug auch über ein raffiniertes Sonnenschutzsystem, die gefährliche UVB-Strahlung regt die Produktion von farblosen Sonnenschutzsubstanzen an. Im Zimmer allerdings produzieren Pflanzen diese Schutzstoffe nicht. Es ist ein typischer Fehler, sagt Achim Hager von der Universität Tübingen, Zimmerpflanzen im Frühling gleich für längere Zeit nach draußen zu stellen. Dort können sie sich einen Sonnenbrand holen und eingehen. Eine erfolgreiche Pflanze muss jedoch nicht nur sehen können ‒ das wäre der eine Gesichtssinn. Um im Boden Nährsalze wie Nitrate und Phosphate aufzuspüren, müssen ihre Wurzeln über einen ausgeprägten Geschmackssinn verfügen ‒ da geht es ums Schmecken. Auch bei der Abwehr von Schädlingen spielt der Geschmack eine entscheidende Rolle. Der Ökologe Jan Baldwin, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena, wo ein interdisziplinäres Team aus Chemikern, Biochemiker, Ökologen und Genetikern die Interaktion zwischen Pflanzen und Insekten erforscht, konnte das an Tabakpflanzen beobachten, an denen die Raupen des Tabaksschwärmer nagten. Sobald die verletzten Blätter bestimmte Inhalts­stoffe des Raupenspeichels schmecken, bilden sie innerhalb weniger Minuten den Botenstoff Jasmonsäure, der etwa zwei Stunden später in die Wurzel gelangt, um dort die Produktion des Nervengifts Nikotin ankurbelt. Das Nikotin strömt in die Blätter, wo es den gefräßigen Raupen den Garaus macht. Pro Gramm kann die Tabakpflanze dann mehr Gift enthalten als der Rauch von hundert Zigaretten.“

Dann wird gesagt, dass die Tabakpflanze ganz ähnlich wie das Immunsystem der Tiere, über eine Art von Gedächtnis verfügt ‒ auch ein wichtiger Aspekt, da ist von Gedächtnis die Rede. Ein ungeheuer weitreichende Behauptung, dass hier wirklich Gedächtnis vorliegt, … dass es ihr ermöglicht, bei wiederholten Angriffen, das Abwehrgift schneller zu produzieren. Auch Pflanzen sind in der Lage, Düfte wahrzunehmen, zu riechen und Duft zu verströmen ist wahrscheinlich ihre wichtigste Kommunikationsform. Vor allem wird sie genutzt, um sich gegenseitig vor Gefahren zu warnen.“ Und dann heißt es am Ende dieses Artikels, ich will es nicht ganz vorlesen, nur weil wahrscheinlich die meisten von Ihnen den Artikel nicht kennen oder nicht gelesen haben: „Fleischfressende Pflanzen sind ein Musterbeispiel für eine weitere Sinneswahrnehmung der Pflanzen, sie reagieren auf Berührung. Die Venusfliegenfalle beispielsweise klappt blitzschnell zu, sobald sich ein Insekt auf ihren Blättern niedergelassen hat. Die Reize werden dabei nicht wie sonst üblich durch Hormone, sondern elektrisch weitergeleitet. Auch die empfindlichen Mimosen, deren Fiederblätter bei Berührung in sich zusammenfallen, funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip. Auch Temperatur, erstaunlich, auch Temperatur und Richtung der Schwerkraft können Pflanzen erfühlen.“ Denken Sie an das, was ich gesagt habe, über die antigravitative Wirkung des Lichtes, zu diesen Punkten will ich auch im Wintersemester noch mehr sagen, „und vielleicht reagieren manche von ihnen sogar auf akustische Reize.“ Auch das ist ja immer wieder behauptet worden, die berühmten Experimente mit Musik, die sind ja um die Welt gegangen, dass man bestimmten Pflanzen Musik vorgespielt hat, dass sie also indische klassische Musik am liebsten mochten und in zweiter Instanz dann Bach und die sogenannte klassische Musik und dass sie bei Rockmusik sich vom Lautsprecher weit entfernt haben. Alle diese Dinge sind ja bekannt und haben ja eine gewisse Berühmtheit erlangt. Oft wurde darüber gelächelt und gespottet, aber man könnte das auch mal in einem tieferen Sinne naturphilosophisch reflektieren.

„Auch Temperatur und Richtung der Schwerkraft können Pflanzen erfühlen und vielleicht reagieren manche von ihnen sogar auf akustische Reize. Erbsenpflanzen, die die US-Wissenschaftler mit einem Geräusch beschallten, das in Frequenz und Lautstärke der menschlichen menschlichen Stimme ähnelt, wuchsen darauf angeblich doppelt so schnell. Alte Samenkörner, die normalerweise nur noch zu 20 Prozent [wuchsen], keimten plötzlich zu 80 bis 90 Prozent.“ Und dann die entscheidende Schlusswendung, und das führt uns jetzt auf das Thema von Pflanzenbewusstsein überhaupt. „Dennoch werden Pflanzen wohl nie eines der Brandenburgischen Konzerte genießen können.“ Gut, „man muss das eher nüchtern sehen, sagt Boland. Pflanzen können Sinnesreize zwar aufnehmen und weiterleiten, doch für eine bewusste Wahrnehmung fehlt ihnen ein entscheidendes Organ, das Gehirn.“

Nun werfen diese Phänomene ja eine ganze Reihe von Fragen auf. Wenn man wirklich die Analogie so weit treibt, zu sagen, dass die Pflanze wahrhaftig Sinnesorgane entwickelt, die den menschlichen Sinnesorganen entsprechen, oder dass es zumindest bestimmte analoge Formen gibt, dann würde das ja bis zu einem gewissen Grade voraussetzen, dass diese Pflanzenwesenheiten eigene Entitäten sind, mit einer Art von hinter diesen Sinnesorganen stehendem Bewusstsein. Sonst kann man ja Sinnesorgane nicht gleichsam freischwebend als Sinnesempfindungen vorstellen. Man muss davon ausgehen, dass dahinter in irgendeiner Form ein Wesen steht, ein Wesen atmet, ein Wesen lebt.

Nun wird man kaum annehmen können, dass das ein ichhaftes Wesen ist, wir haben ja schon im Zusammenhang mit den Tieren darüber gesprochen, aber man kann doch vermuten, dass hier eine gewisse Schicht von Bewusstsein anwesend ist. Was ist Bewusst­sein? Das kann man nicht definieren. Alle Versuche, Bewusstsein zu definieren, sind mehr oder weniger kläglich gescheitert. Oft wird Bewusstsein aus guten Gründen nicht wirklich definiert. Wir können es deswegen nicht wirklich definieren, weil wir als menschliche Wesen nicht heraustreten können aus diesem Bewusstseinsfluidum. Wir sind unlösbar als Geistwesen, die wir ja sind, zu einem erheblichen Teil eingebunden in dieser Aura, in das Fluidum des Geistes. Und es ist praktisch nicht möglich, einen Standpunkt zu gewinnen, von dem aus wir in irgendeiner Form entscheiden könnten, was Bewusstsein ist. Nur in dem wir selbst das Bewusstsein vorantreiben und ausdifferenzieren, sublimieren, ver­feinern und auf höhere Stufen bringt, haben wir dann eine Möglichkeit, andere, frühere, zurückgelegte Stufen bis zu einem gewissen Grade zu überschauen, in Anführungszeichen. Aber das Bewusstsein ist kein Gegenstand, kein Ding, kein Es, das man von außen betrachten könnte. Dass man sagen könnte, das so oder so aussieht, das geht nicht. Das ist also ein ganz entscheidender Punkt. Wir sind Bewusstseinswesen und können nicht aus dem Bewusstsein heraustreten. Das macht die Sache sehr schwierig. Wir können Bewusst­sein nicht definieren.

Wir haben diese Wahrnehmungen, diese Wahrnehmungen sind eindrucksvoll, wir können aus diesen Wahrnehmungen ganz bestimmte Schlussfolgerungen ziehen. Und wir können fragen, und das ist ja eine Frage, die ich schon einleitend gestellt habe: Was kann der Mensch wirklich wahrnehmen von den Pflanzen? Ich benutze noch mal die Metapher der möglicherweise existierenden ontologischen Barriere. Wir wissen aus schamanischen Zusammenhängen, unter anderem unter Heranziehung psychoaktiver Substanzen, dass es einzelnen Individuen, ja auch Gruppen gelungen ist, dafür gibt es gute Belege, tatsächlich in so was wie ein Pflanzenbewusstsein einzudringen, was häufig genug auch verbunden wurde mit kosmischen Wahrnehmungen, mit sogenannten Devas, wie das im Sanskrit heißt, mit leuchtenden Geistern. Es wurden ganz bestimmte Pflanzen auch verbunden mit Gestirnen. Aber das alles passiert hier auf einer Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstufe, die ja vor der mentalen Stufe liegt. Und die Grundfrage und die Grundschwierigkeit bei dem Thema überhaupt ist, wenn man von der denkenden Anschauung Goethes absieht: Sind wir als Ich-Wesen, als Ich-Wesen und Mental-Wesen in der Lage, unser Bewusstsein so weit zu verändern und so weit einzuschwingen, dass wir tatsächlich dieses Pflanzenwesen dann wahrnehmen? Das ist ein wichtiger Punkt. Zum Beispiel von Jakob Böhme, dem bedeutenden Mystiker im frühen 17. Jahrhundert wird berichtet, und ich habe jedenfalls keine Veranlassung, das fundamental zu bezweifeln, dass er in der Lage gewesen ist, sein Bewusstsein in bestimmte Pflanzen hineinzuversetzen, dass er also in der Lage war, in gewisser Weise sein Bewusstseinsniveau, seine Ichhaftigkeit abzusenken auf einen vormentalen Zustand, aber gleichzeitig ein ichhaftes Wahrnehmen beibehielt. Das ist ja der Punkt. Denn wenn wir nur in einer tranceähnlichen Form reintauchen in Gruppen­seelenbereiche, wie das die Theosophen nennen mit einigem Recht oder in Kollektiv­seelenbereiche, dann ist immer die Frage: Was können wir von diesen Wahrnehmungen mit rüber nehmen in die Ichhaftigkeit? Oder ist das gar nicht mehr in Sprache zu kleiden? Das ist ja auch ein Punkt. Wir sind da ja nicht nur bei der Frage des Ichs und des Bewusstseins, wir sind auch bei der Sprache. Kann man das in Sprache kleiden?

Es gibt ja auch da eine grundsätzliche Barriere dessen, was man ausdrücken kann. Das weiß jeder aus seinen eigenen Erfahrungen in Grenzzuständen, dass es immer wieder Wahrnehmungsfacetten gibt, die sich vollständig der Sprache entziehen, so dass man ganz große Mühe hat, überhaupt in einer halbwegs kohärenten Grammatik zu sagen, was ist wirklich passiert? Und zwar nicht deswegen nur weil diese Erfahrungen so verschwommen sind, so nebelhaft, so ungenau, dass die Sprache deswegen nicht hinkommt, sondern häufig genug, weil sie das Gegenteil sind, weil sie sehr präzise, weil sie sehr direkt, weil sie wirklich sehr genau sind, aber eine Art von Genauigkeit zeigen, die Sprache, unsere Sprache jedenfalls, wie sie sich entwickelt hat, übersteigt. Aus diesem Grunde hat man ja immer wieder in dem Zusammenhang dann eine verschlüsselte Sprache gewählt, eine Sprache, die sich in Symbolen und Bildern ausdrückt. Deswegen kann man dann auch eine dichterische Sprache favorisieren und hat häufig genug das Gefühl, dass diese dichterische Sprache, auch wenn sie verbunden ist, mit einer präzisen Wahrnehmung dessen, was die Sinnesorgane erfassen, da weiter reicht.

Und da ist Goethe ja ein wunderbares Beispiel. Denken Sie etwa an das, was ich zitiert habe letztes Mal über den Faust, der einen Sonnenaufgang erlebt und dann einen Regenbogen über einem Wasserfall sieht. Wenn man dem Text genau nachspürt, dann staunt man, in welcher enormen Präzision hier Goethe diese Art von Wahrnehmung dargestellt hat und Gleichzeitigkeit auf eine tief beeindruckende Weise auch literarisch- poetisch überhöht.

Ich erlaube mir mal Ihnen ein Beispiel zu bringen, das ich für sehr interessant halte, nämlich „Die Metamorphose der Pflanzen“ von Goethe. Ich habe das jetzt in den letzten Tagen ein paar Mal mir durchgelesen den Text, ich sagte das ja schon, vielleicht zum ersten Mal so halbwegs verstanden. Ich will mal einige kurze Passagen vorlesen, weil das eine Form der Pflanzenwahrnehmung ist, die einen Schritt führen mag in die Richtung, um die es geht. Es geht Goethe nicht, das ist wichtig, dass da kein Missverständnis auftaucht, es geht Goethe nicht um eine schamanische Tiefenwahrnehmung in Form einer Absenkung des Bewusstseinsniveaus oder der Ichhaftigkeit. Darum geht es Goethe nicht. Es geht Goethe immer um die Gestalt. Und er hatte ja die Grundüberzeugung, die ja auch eine gewisse Plausibilität hat, auch wenn man sie letztgültig nicht beweisen kann, dass die Dinge sich in der Gestalt zeigen, auch im Sinne der Signaturenlehre von Paracelsus, dass die Gestalt auch etwas aussagt über das Wesen. Also wie eine Pflanze aussieht, sagt etwas aus über das, was sie ist. Während ja in den schamanischen Vorstellungen der Devas häufig gesagt wird, dass die Erscheinung, die Gestalt der Pflanze, nur ein kleiner Ausschnitt ist, dass die Devas, die Pflanzengeister wesentlich weiter führen, auch eine kosmische Verbindung haben, die in der Gestalt selber nicht zutage tritt. Das ist ein Unterschied. Einmal geht also das Wesen quasi in der Gestalt auf und einmal ist ein wirklicher Hiatus von Wesen, Wesenheit, Deva-Wesenheit, kosmischer Wesenheit und Pflanzen­gestalt. Goethe hat das ja immer wieder zum Ausdruck gebracht, unter anderem in folgenden Versen, das ist nicht aus der „Metamorphose der Pflanzen“, aber aus einem anderen Gedicht:

“Müsset im Naturbetrachten immer eins wie alles achten.

Nichts ist drinnen, nichts ist draußen.

Denn was innen das ist außen,

so ergreifend, ohne Säumnis

heilig öffentlich Geheimnis.“

Also der Goethe-Begriff des geheimnisvoll Offenbaren spielt da hinein. Die Dinge sind immer verborgen, verschlüsselt, verschleiert und gleichzeitig offenbar. Nicht, das hab ich ja schon in der ersten Vorlesung angedeutet, dass das eines der großen Mysterien überhaupt der Natur ist. Die Natur liebt es, sich zu verbergen, sagt Heraklit, die sich immer entbirgt in der Gestalthaftigkeit und Ganzheit zeigt und gleichzeitig auf eine rätselhafte Weise sich immer verbirgt, verschleiert. Das kann Jedem [so] gehen, der Naturwahrnehmung hat. Emerson hat das sehr schön und oft gesagt, dass man begreift, dass die Natur sich nie erfüllt. Das, was Erfüllung scheint in der schönen Form, in der ästhetisch gelungenen Ganzheit, ist immer ein Versprechen, eine Andeutung auf etwas dahinter oder darüber Stehendes. Wenn das nicht so wäre, würde man, auch das hat Emerson sehr schön gesagt, in eine Form von Naturvergötzung fallen. Dann würde man die Naturgötzen anbeten und dann ganz in der Gestalt versinken. Jetzt mal kurz zu der „Metamorphose der Pflanzen“, einige Aussagen dazu, die das sehr schön zeigen. „Die Metamorphose der Pflanzen“. Ich lese nicht das ganze Gedicht vor, das wird zu lange, aber ein paar Passagen:

„Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung

Dieses Blumengewühls über dem Garten umher;

Viele Namen hörest du an, und immer verdränget

Mit barbarischem Klang einer den anderen im Ohr.

Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der anderen.

Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz,

Auf ein heiliges Rätsel.“

Zentraler Begriff bei Goethe, das alles durchwirkende Gesetz, nach ewigen ehernen großen Gesetzen müssen wir alle unseres Daseins Kreise vollenden, auf ein geheimes Gesetz, auf ein heiliges Rätsel.

„O, könnte ich dir, liebliche Freundin,

Überliefern sogleich glücklich das lösende Wort! ‒-

Werdend betrachte sie nun, wie nach und nach sich die Pflanze,

Stufenweise geführt, bildet zu Blüten und Frucht.

Aus dem Samen entwickelt sie sich, sobald in der Erde

Stille befruchtender Schoß hold in das Leben entlässt

Und dem Reiz des Lichts, des heiligen, ewig bewegten,

Gleich den zartesten Bau keimender Blätter empfiehlt.

Einfach schlief in dem Samen die Kraft; ein beginnendes Vorbild

Lag, verschlossen in sich, unter die Hülle gebeugt,

Blatt und Wurzel und Keim, nur halb geformet und farblos;

Trocken erhält so der Kern ruhigen Leben bewahrt,

Quillet strebend empor, sich milder Feuchte vertrauend.“

Und dann heißt es in einer sehr eindrucksvollen, präzisen Beschreibung des Pflanzen­wachstums, Sie werden das wissen vielleicht, haben davon jedenfalls gehört, dass Goethe ja der Auffassung war, dass sich die ganze Pflanze aus dem Blatt entwickelt. Er war ja der Auffassung sozusagen, die Blattform ist die Urform überhaupt, die Pflanzegestalt ent­wickelt sich aus dem Blatt. Und er hat ja die These schon auf seiner italienischen Reise entwickelt, dass es eine Art Ur-Pflanze gäbe, als ein gestaltetes Ur-Phänomen als Pflanze, die berühmte Auseinandersetzung mit Schiller darüber, ob das eine Idee sei oder tatsächlich eine sinnlich wahrnehmbare Gestalt.

„Wende nun, Geliebte, den Blick zum bunten Gewimmel,

Das verwirrend nicht mehr sich vor dem Geiste bewegt.“

Jetzt nicht mehr verwirrend, weil jede Pflanze verkündet dir nun die ewigen Gesetze.

„Jede Blume. Sie spricht lauter und lauter mit dir.

Aber entzifferst du hier der Göttin heilige Lettern“

Wobei das eigenartig unklar ist an der Stelle, was hier die Göttin meint. Aus dem grammatischen Zusammenhang ist es nicht klar ersichtlich. Goethe hat übrigens mehrfach die Metapher auch vom Buch der Natur verwendet. Hier spricht er von den heiligen Lettern. Also er schreibt der Natur eine gewisse Sakralität zu: der Göttin heilige Lettern. Was ist hier die Göttin, ist nicht deutlich. Die Pflanze kann es eigentlich nicht sein. Und es ist eine Göttin in gewisser Weise, aber es bleibt undeutlich.

„Überall siehst du sie dann, auch im veränderten Zug.

Kriechend zaudere die Raupe, der Schmetterling eile geschäftig,

Bildsam ändere der Mensch selbst die bestimmte Gestalt.“

Und so weiter. ‒ Also ein wunderbarer Text, den man wirklich Vers für Vers lesen und auch interpretieren muss, um zu verstehen, dass das eine ganz bestimmte Form der Heran­gehensweise an das Mysterium der Pflanzen ist. Goethe war der Auffassung, dass man über die Wahrnehmung, über die gestalthafte ganzheitliche Wahrnehmung der Pflanze heran­kommt an Grundfragen der Gestalt überhaupt, mehr noch als beim Tier. Er glaubte also, dass in der Pflanzengestalt ein tiefes Geheimnis sich verbirgt, auch etwa im Zusammenspiel von Licht und Erde, von Kosmos und Erde und von oben und unten. Es ist ja ein bekanntes Phänomen, aber wenig in der Tiefe bedacht, wie man vermuten kann, dass Pflanzen ja, und Goethe hat das immer wieder herausgestellt, ein doppeltes Wachstum haben, sie wachsen nach unten und nach oben gleichzeitig, das heißt, dem Stamm im Falle eines Baumes nach oben, entspricht immer das Wurzelwerk in die Tiefe hinein. Und auch das ist ja ein tiefes Symbol, wenn man das übertragen möchte auf gestalthaft-bewusste Existenzen, etwa die des Menschen, dann kann man daraus schließen, dass ein Höhenwachstum, ein Wachstum zum Licht, zum Kosmos oder vielleicht sogar zum Metakosmos hinauf nur möglich und nur sinnvoll ist und nur lebbar ist, mit der Verwurzelung, mit einer Tiefenverwurzelung. Und das kann einen zu wirklich tiefgründigen Betrachtungen anregen, wenn man sich mal dieser Wahrnehmung überhaupt öffnet, wenn man etwa diese merkwürdige Stelle bei Bäumen betrachtet. Das kann ich richtig mal als Anregung Ihnen geben, wenn Sie das mal versuchen auf einem Spaziergang, wenn Sie diese Stelle der Bäume sich anschauen, genau die Stelle, an der die Wurzeln in den Boden hineingehen und dann in den Stamm übergehen, also diese Zwischenzone, nicht, also noch nicht Stamm und noch nicht ganz Wurzeln, sondern diese Zwischenzone. Dann merkt man, oder kann spüren, die ungeheure Kraft, mit der sich solche Bäume in den Boden hinein verzweigen. Man hat quasi das Gefühl, wenn man dem meditativ nachspürt, dass die Wurzeln quasi die ganze Erde umspannen, also ein ein richtiges in-die-Breite- und in-die-Tiefe-Gehen.

Und das ist also eine Beobachtung, die Goethe gemacht hat und an der er angeknüpft hat. Und er hat immer wieder versucht, von dort her Grunderfahrung des Menschseins überhaupt abzuleiten, auch in der Blüte zum Beispiel, nicht, wie sich die Blüte dem Licht öffnet, als ein Symbol auch der geisthaften Gestalt. Auch darüber kann man viel nachdenken und kann auch Betrachtungen anstellen, die durchaus sinnreich sind. Das sind also keine müßigen Dinge. Man kann wirklich in einer gewissen Weise, da in einer medita­tiven Form ein bisschen, sagen wir mal, hineinkommen in diese Art von Gestalthaftigkeit und auch in den Wachstumsprozess. Nicht, das ist ja wie erstarrt. Sie können das ja manchmal, auch das kann man ja meditativ verfolgen, an Rindenstrukturen etwa, aber auch an Wurzeln, dass das wie erstarrt ist, wie eine mächtige Bewegung, die im Moment zum Stillstand gekommen ist, was ja kein Zufall ist. Das hat ja die sogenannte Chaostheorie nun wirklich dargestellt, bei aller Kritik an ihr, das muss man ihr ja zugutehalten, die Ähnlichkeit dieser Formen in der Natur, dass zum Beispiel ein Blitz eine ganz ähnliche Grundstruktur aufweist, wie etwa ein Flussdelta oder ein sich Ypsilon-ähnlich aufwärts verzweigender Baum, dass es so verblüffend ist, dass wenn Sie Schattenrisse sehen oder Umrisse, dies nicht unterscheiden können. Ist es eine Flussmündung, ein Flussdelta, es ist eine Blitzstruktur oder es ist die Wachstumstruktur eines Baumes, so ähnlich ist das. Da haben Sie also eine rasend schnelle Bewegung im Falle des Blitzes und im Falle der Pflanze eine ganz langsame Folge [und beim] Baum eine über ganz große Zeiträume sich erstreckendes Wachstum.

Ich mache mal eine kleine Pause, vielleicht wie immer zehn Minuten und dann gehen wir an der Stelle weiter. Sie können gerne in der Pause …

Ich will auch mal ganz kurz an etwas anknüpfen. Der Heiko Lassek, der eben in der Pause bei mir war, wies noch mal auf diesen „Spiegel“-Artikel hin und erwähnte mit Recht, dass der Artikel von der Begrifflichkeit her völlig konfus sei. Natürlich ist er das, denn was macht der Artikel? Der vermischt natürlich zwei Ebenen. Der Artikel aus dem „Spiegel“ bedient sich einerseits einer anthropomorphen Sprache, indem er von Sinneswahr­nehmungen spricht, bedient er sich einer bestimmten Metaphorik und überspringt dabei eigentlich die entscheidende Frage: Was steht für ein wahrnehmendes Wesen oder Bewusstsein dahinter, also jetzt mal, was das materielle Korrelat betrifft, also ein Zentralnervensystem. Die Frage bleibt natürlich vollkommen offen, und der Artikel lässt im Grunde auch offen, ob das nicht überhaupt eine grundsätzlich nur metaphorische Sprache bleiben muss. Dann wäre es vollkommen unsinnig, überhaupt zu reden von Sinnes­wahrnehmungen wie wir sie aus einem tierischen oder menschlichen Bewusstsein kennen. Das ist klar.

Das führt noch mal auf die Frage der Sprache überhaupt. Solche Berichte von Phänomenen oder Messungen bedienen sich ja sehr häufig einer anthropomorphen Sprache. Das ist ja bis zu einem gewissen Grade auch gar nicht vermeidbar. Und da muss man natürlich sehr genau hingucken, um zu sehen, was ist gemeint. Und das ist eine Frage, darüber bin ich mir vollkommen bewusst, dass das natürlich die entscheidende Frage ist, ob es legitim ist, überhaupt solche Begriffe wie „Sinnesreize“ zu benutzen, denn diese selber können wir ja in keiner Weise verifizieren. Aber das habe ich vorhin versucht, vielleicht unzulänglich, anzudeuten mit der Frage nach dem Bewusstseinswesen dahinter. Ich hatte ja gesagt, dass die Phänomene ja nicht gleichsam freischwebend sind, sondern dass dahinter eine Art von Bewusstsein steht, ein bestimmtes Wesen schmeckt, ein bestimmtes Wesen riecht, ein bestimmtes Wesen fühlt. Wer oder was ist dieses Wesen? Ich habe hier an der Grundfrage der Vorlesung „Was wissen die Pflanzen?“ ganz bewusst diese anthropomorphe Ebene auch anklingen lassen. Wie kann man denn von Wissen sprechen? Auch die Frage des Gedächtnisses, und das ist natürlich die Grundfrage: Wie weit kann man überhaupt von Wissen oder Gedächtnis oder Bewusstsein reden ohne ein zentrales Nervensystem? Das ist letztlich nicht entscheidbar. Da kann man wahrscheinlich nur auf bestimmte Tiefenwahrnehmungen unter anderen veränderten Bewusstseinszuständen rekurrieren, um ein Ahnen davon zu bekommen, welche Art von Bewusstsein hier angesprochen ist. Wahrscheinlich geht es nur so von außen, von den reinen Phänomenen, die wir beobachten, die gemessen werden, nicht.

Das ist ja das Grundproblem überhaupt, wenn wir lebendige Wesen betrachten, generell. Wir haben zunächst einmal ja nur im Sinne der Subjekt-Objekt-Trennung, das Phänomen außen. Wir haben es ja nicht innen. Das ist ja die Krux und in gewisser Weise auch die Tragik jedweder Wahrnehmung erst einmal, dass alles, was außerhalb der eigenen Ichhaftigkeit, des eigenen Bewusstseins sich befindet, zunächst einmal für das wahr­nehmende Objekt draußen ist. Im Wir erweitert sich das Ich, aber das Wir noch weiter gefasst, konfrontiert sich einer Welt, die immer das etwas da draußen ist, das wir ja in der tiefsten Ichhaftigkeit gar nicht erkennen können. Und da war ja, wenn ich das noch mal kurz sagen darf, ein wirklich genialer Ansatz in der Richtung von Schopenhauer im frühen 19. Jahrhundert zu sagen: Das ist so, das ist eine unauflösbare Schwierigkeit mit einer Ausnahme ‒ wir haben die Möglichkeit, Natur von innen zu verstehen, durch uns selber, durch unsere eigene Leiblichkeit und können von der eigenen Leiblichkeit auch Analogie­bildung machen. Wir haben uns von innen. Ich habe meine Hand von außen wie ein Objekt, aber ich habe sie gleichzeitig von innen. Andere Menschen habe ich zunächst einmal nur von außen, nur in einer ganz bestimmten, tiefen Wahrnehmung der Anderen kann diese Grenze der Ichhaftigkeit überschritten werden. Das gibt ja auch verschiedene Wahr­nehmungsvermögen, wo das auch der Fall ist, dass man das ganze Bewusstsein einer Gruppe annehmen kann oder auch von anderen Wesenheiten überhaupt, auch oberhalb des Menschen. Aber im Normalfall ist man da sehr eingeschränkt. Das ist eine, eine Krux, aus der man nie rauskommt. Man müsste ja ein sozusagen einen geheimen Zugang haben in das Innere des Phänomens, in das Innere eines Lebewesens. Da kann man nur, wie das Wilber immer wieder betont, interpretieren, was da aus der Tiefe an Signalen kommt. Ich kann es nicht in der Tiefe wissen, dann müsste ich dieses Wesen selber sein. Deswegen ja auch die unsäglichen Missverständnisse, Verständnisse schon zwischen zwei Menschen, weil der eine eben tatsächlich die Innenwahrnehmung des anderen nicht in Gänze haben kann. Er interpretiert das, was er wahrnimmt, bestimmte Gestik, bestimmte Mimik, und dann deutet er, was in dem betreffenden Menschen vorgehen mag. Und so müssen wir dann auch natürlich bewusst sein dort. Wir wissen nicht, was ein Hund, eine Katze, ein Kamel oder ein Krokodil in der Tiefe für ein Bewusstsein hat, das können wir nicht wissen. Und da möge es, mag es auch eine Art von ontologischer Barriere geben, aber es gibt gewisse Möglichkeiten, da reinzukommen, und ein Ansatz ist der, den Schopenhauer da vorträgt.

Und hier in der Pause gab es noch eine andere Bemerkung von jemanden, der hat mich darauf hingewiesen, dass Goethe irgendwo gesagt hat, ich weiß jetzt nicht die Stelle, aber es könnte irgendwo stehen, in der „Farbenlehre“ zum Beispiel, dass wenn man ein Samenkorn imaginativ betrachtet und sich quasi vorstellt, wie aus dem Samenkorn die Pflanze sich entwickelt, dann käme man in die Innenwahrnehmung dieses Wachstumsprozesses hinein. Das haben ja dann die Anthroposophen aufgegriffen. Es gibt ja an der Waldorfschule eine ganze Reihe von meditativen Übungen, die mit Kindern da gemacht werden, Kindern und Jugendlichen, genau in dieser Form. Also sich imaginativ hineinzuversetzen in so ein Wachstum und das dann auch zu zeichnen und zu malen, so dass man quasi die feinstoff­liche Aura dann auch in und über die Farbe wahrnimmt. Ob das der richtige Weg ist oder nicht, kann man dahingestellt sein lassen.

Heute Morgen, beim Durchblättern eines Buches, das ich sehr schätze, Herbert Fritsche „Der Erstgeborene“, ich habe das mehrfach gesagt, [bin ich] noch mal auf eine Stelle gestoßen, wo er sich zur Frage der Photosynthese äußert, auch im Zusammenhang mit einem Thema, was ihn sehr beschäftigt, der Frage, nämlich der Ernährung, also der Einverleibung von organischer Substanz, die ja zermahlen, zerkleinert, zerrieben wird und dann in irgendeiner Form quasi zum Leib Desjenigen wird, der sie aufnimmt.

Eine kleine Stelle mal hier, die ich sehr aufschlussreich finde in dem Kontext über die Photosynthese. Auch Fritsche betont, dass die Photosynthese ein Mysterium ist, das schreibt [er] in 40er-Jahren, das ist auch heute, in den späten 90er-Jahren noch genauso. „Die Sonnenenergie erschafft im grünen Pflanzenleib, eine energetische Organisation von Ganzheit, von Vollwertcharakter, und je weniger dieses Organisationsgefüge angetastet wird, desto besser taugt es zur Nahrung des Menschen.“ ‒ Bestimmte nahrungsphysio­logische Grundannahme ‒ „Das ist keine Theorie, sondern Ergebnis jahrzehntelanger Forschung in der Praxis der Gesund- und der Heilkost. Der Mensch des Alltagslebens braucht aus solchen Tatsachen, die nur dann eindrucksvoll vor ihn hintreten, wenn ihm Gelegenheit gegeben ist, tausende von Krankengeschichten zu überblicken, nichts weiter zu entnehmen als die Wichtigkeit einer rohen pflanzlichen Zukost täglich.“ Jetzt kommt die Stelle, auf die ich eigentlich hinaus will. „Der Mensch ernährt sich, wenn er sich mit Pflanzenkost speist, von Sonne, die in die Pflanze energetisch und organisierend einge­gangen ist. Der Mensch ist gleichsam“, jetzt eine merkwürdige Metapher, „Sonnenesser, selbst der Mensch, der die am wenigsten bekömmliche Nahrung in sich aufnehmen muss. Nicht die chemischen Stoffe ernähren den Menschen, sondern eine aus ihnen gefügte energetische Symphonie. Das bedeutet nichts anderes, als Leben lebt von Leben, letztlich lebt Leben von der Sonne. Es ist noch nicht ausgemacht, ob es nicht auch in dieser Hinsicht von Leben lebt, denn was die Sonne ist, wissen wir noch nicht.

Die Antwort, die der Physiker auf die Frage nach der Sonne gibt, wiegt vielleicht nicht schwerer als eine Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Lebens, und von diesem weiß er nichts. Die Pflanzen sind die unmittelbaren Akkumulatoren und Organisatoren der Sonnenenergie.“ Warum sie das sein können, wissen wir nicht. Wir können nur schluss­folgern mit einigem Recht, dass im sogenannten Sonnenlicht tatsächlich organisierende oder informierende Potenzen enthalten sind, in irgendeiner Form, die tatsächlich diese Effekte auslösen. „Also die Pflanzen, die die unmittelbaren Akkumulatoren und Organisatoren der Sonnenenergie. Sie opfern diese Sonnenenergie, sie opfern ihren Leib dem Tier und dem Menschen. Nimmt der Mensch seine Nahrung aus dem Tierreich, so isst er ebenfalls Sonnenenergie, aber mittelbar.“ Und letzte Bemerkung. „Die Pflanze als Nahrung stellt den Menschen, besonders wenn er sie in unverarbeitetem Zustand“, also als Rohkost, einverleibt ‒ er outet sich hier, wenn man so flapsig sagt, als Rohköstler ‒ „vor eine Verdauungsaufgabe, er muss sie wandeln in leibeseigene Substanz. Wie ein solcher Wandlungsprozess vor sich geht, hat die Physiologie noch nicht klären können. Wohl kennt man die Chemie der Verdauungsvorgänge so weit, dass man die Abbau- und Spannungs­erscheinungen der aufgenommenen Nahrung beschreiben kann, was nach der Auf­schließung, nach der chemischen Zertrümmerung eines Nahrungsintegrals aber vor sich geht, wirklich vor sich geht, um die Art eigentümliche Leibessubstanz des Menschen aufzubauen, weiß man nicht. Die Umwandlung der Pflanze in menschliche Leibessubstanz, die die letzte Etappe der Ernährung ist, bleibt alsweilen ein Geheimnis“ und so weiter.

Also, Fritsche ist diesem Gedanken auch sehr intensiv nachgegangen und ich kann ihn immer wieder nur, das habe ich auch schon getan, dieses Buch empfehlen als ein wirklich hervorragendes Beispiel von einem naturphilosophisch-biologischen Ganzheits­denken, das in vielerlei Hinsicht sich als Alternative anbietet, auch zur Anthroposophie. Also Fritsche kommt auch wie Steiner von der Theosophie her, ist aber ein Steiner-Gegner gewesen. Also er hat ganz andere Schwingungen und Beeinflussungen in seinem Werk, die aber auch interessant sind und tatsächlich weiterführen. Also Herbert Fritsche „Der Erstgeborene“, ist immer noch erhältlich, ist immer mal wieder aufgelegt worden.

Ich will auf ein Büchlein kurz eingehen, das ich auch relativ kürzlich erst erworben habe, was auch mit dem Thema eng zusammenhängt. Wenn Sie auf dem Savignyplatz sind, dem S-Bahnhof, dann müsste Ihnen auffallen, dass es auf einer Wand eine ganze Reihe von Reliefs gibt. Da ist unter anderem ein Satz von Ernst Jünger, der Satz lautet: „Bruder Mensch hat uns schon oft verlassen, Bruder Baum nie.“ Das findet man auf so einer Tafel, Ernst Jünger. Nun ist Ernst Jünger ein vielfältig umstrittener Autor. Trotz alledem, vielleicht gerade deswegen, einer der sublimsten und genauesten Beobachter der Pflanzen im 20. Jahrhundert. Ganz wenige nur, ich kenne eigentlich überhaupt keinen anderen außer Jünger, gab es, die so genau, so subtil und differenziert Pflanzen beobachtet und auch beschrieben haben, wie das bei Ernst Jünger der Fall ist, der ja von Hause aus Zoologe war, wie man vielleicht weiß, und gleichzeitig einer der besten Käfer-Forscher. Jünger hatte ja, seine Frau verwaltet das heute, eine Sammlung von, glaube ich, 50.000 Käfern und einige Käfer hat er überhaupt entdeckt und die sind auch nach ihm benannt worden, und ich wusste [das] nie, ich fand den Satz immer wenn ich am Savignyplatz ausstieg, eindrucksvoll und nachdenkenswert: „Bruder Mensch hat uns schon oft verlassen, Bruder Baum nie. Ich wusste nie woher das stammt, jetzt habe ich es gefunden. Mir ist ein alter Text in die Hände gefallen von Ernst Jünger von 1966, „Grenzgänge“. Da gibt es einen sehr schönen Essay, der heißt einfach „Der Baum“. Der ist so wunderbar, dass man ihn ganz vorlesen müsste. Das würde den Rest der Zeit füllen. Das will ich mir ersparen. Nur 14 Seiten umfassend, ein Text aber, der in vielerlei Hinsicht an Goethe erinnert, wie überhaupt die Präzision der Wahrnehmung Jüngers oft an Goethe erinnert, wobei er sich darin unterscheidet, dass er in vielerlei Hinsicht noch mehrere Schritte weiter geht als Goethe. Erwin Chargaff, mit dem ich darüber mal gesprochen habe, hat mir gegenüber mal halb spöttisch gesagt, Ernst Jünger sei so eine Art Karikatur von Goethe geworden durch seine Sammelleidenschaft und durch seine Art der Naturbetrachtung. Das würde ich nicht so sagen. Ich würde es nicht als eine Karikatur Goethes sehen, sondern [als] eine ganz eigenständige, genuine Heran­gehensweise.

Ich will nur mal kurze Passagen hier vorlesen, weil sie so gut sind, dass wenn man sie paraphrasiert, verlieren sie einfach. Sie werden auch den Text kaum finden, der ist verdeckt, verborgen in der Gesamtausgabe und dieses Heftchen hier ist längst vergriffen. Also Sie kommen nicht mehr an diesen Text sonst normalerweise heran. Nur ein paar kurze Aussagen dazu, vielleicht erinnern Sie sich an das, was ich vorhin gesagt habe über diese merkwürdige Zwischenzone, jene Stelle auch, an der das Wurzelwerk aus dem Boden austritt bzw. in den Boden eintritt, also nicht mehr Stamm und noch nicht Wurzel [ist], also diese Zwischenzone. Einige kurze Passagen aus „Der Baum“, also woraus dieses Zitat stammt: „In jeder Sprache gibt es einen Schatz an Worten, die ihr Wesen ausmachen. Von ihnen lebt das Gedicht, als ob eine Glocke angeschlagen würde, erwecken sie im Menschen eine Aura von Anklängen. Zu ihnen gehört das Wort Baum. ‒ auch in seiner tiefen Symbolkraft, die wir ja alle kennen ‒ Der Baum ist eines der großen Sinnbilder des Lebens, ihr größtes vielleicht. Zu allen Zeiten ist er daher von Menschen und Völkern bewundert, geehrt und auch verehrt worden. Ehrwürdig erschien Höhe und Tiefe, vielhundertjähriges Alter, majestätischer schutzspendender Wuchs. Die persischen Könige ließen alte Platanen mit goldenen Ketten schmücken und bestellten Wärter zu ihrem Dienst. In uralten Eichen wurde bei den Germanen der Allvater verehrt, das Weltall als Esche geschaut“ ‒ das wissen sie, der Weltenbaum Yggdrasil als ein kosmischer Baum, der das ganze Universum trägt ‒ „Aus den Kronen der Wintereiche schnitten die Druiden das Laub der Mistel mit goldener Sichel, um mit ihm die Hörner weißer Stiere zu bekränzen. Die Eibe schirmte als Totenbaum die Gräber keltischer Friedhöfe. Im Rauschen des heiligen Hain zu Dodona vernahmen die Priesterinnen die Stimme und den Ratschluss des Obersten Zeus. Sie lobten ihn im Rundgang. Zeus war, Zeus ist, Zeus wird sein, O gewaltiger Zeus, Du, noch heute in der entgötterten Welt fasst uns ein Bangen, wenn wir im Walde das Kommen und Gehen des Windes hören, dass jetzt kaum die Blätter kräuselt und dann mit den hohen Stämmen, wie auf den Seiten der Wetterharfe spielt.“ ‒

Diese entgötterte Welt, die ein Thema auch ist, was hier herangezogen werden muss, das dürfen wir nie außer Acht lassen. Die ganze Thematik ist ungeheuer erschwert dadurch, dass wir in einer kollektiven Bewusstseinsform leben, die geprägt ist von dem, was Sloterdijk auf eine Formel gebracht, „das Verstummen der Götter“ nennt, was schon Hölderlin beklagt als die Abwesenheit der Götter und was hier Jünger und andere als die entgötterte Welt bezeichnen. Da ist eine fundamentale Wahrnehmung von Wesenheiten der Erde und des Kosmos erst einmal abgeschnitten, und es ist eine große Schwierigkeit, überhaupt erstmal, sich diesen Tiefenwahrnehmungen wieder zu öffnen. Und vielleicht geht es dann nur über zaghafte Schritte, wie sie ja zum Teil auch von Goethe und anderen vollzogen worden sind. Und dann heißt es hier: „Bruder Mensch hat uns schon oft verlassen, Bruder Baum nie. Der Lebensbaum“, letzte kurze Passage, sonst verlieren wir uns hier in diesem Essay, obwohl sich das durchaus lohnen würde, man könnte jeden Abschnitt lesen und interpretieren und vielfältig da assoziieren. „Der Lebensbaum ist wie die Sanduhr ein Sinnbild der Zeiten, die sich im Zeitlosen schneiden, dort ist sie Taile der Wurzelhalt. Dort ist der Punkt, den wir Augenblick nennen. Wir sehen das Vergangene unten, das Zukünftige oben sich ausbreiten.“ Nicht von ungefähr hat etwa der kürzlich verstorbene Biochemiker Friedrich Kramer seine Zeittheorie unter das Etikett gebracht „der Zeitbaum“, als die Zeit, als ein baumhaftes Wesen, der Zeitbaum, also nicht das lineare, sondern das im Grunde nicht-linear sich Verzweigende. „Im Baum bewundern wir die Macht des Urbildes. Wir ahnen, dass nicht nur das Leben, sondern das Weltall nach diesem Schlüssel in Zeit und Raum ausgreift. Das Muster wiederholt sich, wohin wir auch die Augen richten, bis in die Zeichnung des kleinsten Blattes, bis in die Linien der Hand. Ihm folgen die Flüsse von der Wasserscheide auf dem Lauf zum Meere, der Strom des Blutes in den hellen und dunklen Adern, die Kristalle in den Klüften, die Korallen im Riff. Im Urbild wird Unbegreifliches geahnt, der sich in der Erscheinung ausbreitet. Der Augenblick birgt und verbirgt das Überzeitliche, ganz ähnlich wie die materielle Achse des Rades die mathematische verbirgt. Die Zeitenfülle wird aus dem Zeitlosen, der Umschwung wird aus dem Ruhenden genährt. So ordnet sich auch die Entfaltung des kleinsten Samenkornes im Letzten um ein Unausgedehntes.“ Jetzt sehr schön, präzise, tief philosophisch gesagt – „nicht um ein spermatischen, sondern um eine pneumatischen Punkt.“

Es geht also nicht um Sperma, sondern um Pneuma. „Von da erst gibt es oben und unten, rechts und links, Geflecht und Gezweig, Leben und Tod. Das ist ein Wunder, das nur im Gleichnis wie dem vom Senfkorn begriffen werden kann. Der Baum als Urbild erscheint daher nicht nur im Lebens-, sondern auch im Weltenbaum. Wir sehen in allen Elementen, im Stein, im Strom, im Feuer und auch im Sternenzelt“ und so weiter. Also wunderbare Betrachtungen über die Tiefensymbolik auch der Bäume, auch über Wuchsformen bei Bäumen.

Nun, eine Möglichkeit, ich will das noch einmal kurz sagen. Ich hatte doch gesagt, es gibt zwei Möglichkeiten, sich der pflanzlichen Welt geistig zu nähern. Die eine ist im Goetheschen Sinne ein anschauendes Denken oder eine denkende Anschauung. Das ist präzise beobachten, ganzheitlich, gestalthaft mitvollziehen, von mir aus auch imaginativ, um sich dadurch in eine möglicherweise feinstoffliche Ebene von Wirkkräften oder Bildekräften von mir aus auch, um einen anthroposophischen Ausdruck zu verwenden, hineinzubegeben. Das ist möglich, das kann man machen bis zu einem gewissen Grade und kann dann versuchen, das auch in Sprache zu kleiden. Goethe hat das versucht. Zum Teil ist das auch von anderen versucht worden, etwa auch vom frühen Steiner, nicht unbedingt von dem späteren Steiner, sondern von dem frühen Steiner, der Goethe-Forscher war und lange bevor er überhaupt die Anthroposophie entwickelt hat.

Eine andere Möglichkeit ist, dass man eine Bewusstseinsebene versucht zu reali­sieren über Meditation, über eine Tiefenwahrnehmung, mittels derer es gelingt, tatsächlich in Pflanzenwesenheiten hineinzukommen. In diesem Sinne, im schamanischen Sinne also die Devas zu kontaktieren und tatsächlich eine wirklich übersinnliche Wahrnehmung zu entwickeln. Ich sage das mal, bewusst jetzt dieses missverständliche und vielfältig ja auch vernutzte und ja auch fast kaum mehr verwendbare Wort, also zu verwenden. Ich finde das eine sehr schöne Unterscheidung. Da muss ich dem Steiner mal wirklich, selten genug, muss ich ihm da Recht geben. Ich finde es wirklich eine wunderbare Unterscheidung, die er getroffen hat zwischen übersinnlich und untersinnlich. Ich habe das verschiedentlich gesagt, auch in „Was die Erde will“ einmal geschrieben. Das ist eine zentral wichtige Unterscheidung zwischen übersinnlich und untersinnlich. Es gibt die sinnliche Ebene, es gibt die Möglichkeit herauszubekommen, was ist hinter der Sinnenwelt, und die herkömm­liche reduktionistische Naturwissenschaft ist untersinnlich. Sie ist analytisch reduktiv, sie zerkleinert das bestehende Phänomen und versucht dergestalt auf die Tiefen-Kräfte zu stoßen, die das Ganze in Gang halten, ins Untersinnliche quasi einzutauchen.

Steiner meint, dass es eine vollkommen legitime, ja geradezu gebotene Aufgabe des Menschen sei, mit seiner Ichhaftigkeit in die Tiefen der Materie hineinzukommen. Das meine ich überhaupt nicht, ich halte das für eine Regression, im Grunde für einen regressiven Ansatz, weil der Mensch sich dann hineindreht letztlich ins Anorganische. Es ist eine sehr weitreichende These, die ich jetzt hier nur mal kurz andeuten möchte, dass der Mensch sich auf diese Weise hineindreht ins Anorganische und unter anderem deswegen auch solche ungeheuren Explosivkräfte dann entfesseln kann. Ich glaube nicht, dass seine Ichhaftigkeit dadurch gewinnt, wie das Steiner behauptet und die Anthroposophen auch alle sagen das Gleiche.

Aber die Unterscheidung bleibt trotzdem wichtig, dass es eine übersinnliche Möglichkeit der Betrachtung gibt, die das Sinnliche in seiner Gestalthafttigkeit und Ganzheit bestehen lässt, die es nicht unterläuft, aber über die Gestalt und in der Gestalt, diese Wirkprinzipien wahrnimmt oder wahrzunehmen versucht. Das ist der Unterschied. Einerseits ein analytisches Zerkleinern der Gestalt, immer kleinere Teilchen, bis letztlich die letzten subatomaren Teilchen zutage treten, die dann mathematisch gefasst werden. Letztlich die Auffassung, dass die Mathematik dann in dieser Form die Wurzel der Erscheinung ist. Und auf der anderen Seite bleibt die Gestalt in ihrer organischen Ganzheit bestehen. Man geht meditativ, gedanklich und auch spirituell einen Schritt weiter, das ist ein fundamentaler Unterschied. Das muss man einfach heute sagen, weil die Wenigsten heute wissen überhaupt von diesem Unterschied. Weil, es ist aber zentral wichtig, in diesem Sinne also spricht auch schon die romantische Naturphilosophie von Übersinn­lichkeit, also einer Wahrnehmungsform, die Sinnlichkeit einschließt, in diesem Sinne integriert, aber überschreitet, nicht unterläuft.

Und es bleibt eine Grundfrage jedweder Erkenntnis, ich habe das ja in der ersten Hälfte schon angedeutet, wie weit wir in der Lage sind, unser normales Ich-Bewusstsein aufrecht zu erhalten. Das ist ein ganz kritischer Punkt bei allen extremen Erfahrungen. Mir hat kürzlich ein Bekannter erzählt, er war in Brasilien und hat da bei Schamanen ein Lianen-Ritual mitgemacht, Ayahuasca genommen, nicht, eine hochaktive psychoaktive Substanz, mir von diesen Wahrnehmungen erzählt. Das kann man machen als Tourist in Brasilien, wenn man die nötigen Leute kennt, kann man auch dahin kommen. In diesem Buch werden auch verschiedene Berichte in dieser Art vorgestellt mit solchen Ritualen. Aber die Frage bleibt, was hier wahrgenommen wird und was ja auch manche Indianer dann künstlerisch umsetzen, was für Welten da erschlossen werden: In welchem Grade lässt sich das noch in eine halbwegs objektivierbare Sprache bringen, so dass es in irgendeiner Form auch einen Erkenntniswert hat? Wenn ein, sagen wir mal, ein unfass­bares Blitzgewitter von rätselhaften Wesenheiten für ein, zwei, drei, vier Stunden das Bewusstseinsfeld bevölkert und hinterher nur sagen kann, es ist nichts zu sagen, es ist unsagbar, dann ist das kein Erkenntnisgewinn, weder für den Betreffenden selber, noch für alle anderen. Also wichtig wäre es schon, dass man eine gedankliche Klarheit versucht voranzutreiben in diese Grenzbereiche hinein.

Und da ist eine noch ungelöste Schwierigkeit, das muss man einfach sagen. Goethe hatte da eine bestimmte Wahrnehmungsbarriere, die hat er auch bewusst gepflegt. Er hatte Angst vor bestimmten weitergehenden Schritten. Das ist auch legitim, da muss man sich nicht drüber erheben. Das mindert ja seine Größe in keiner Weise. Aber bestimmte Schritte hat er einfach nicht vollzogen, wollte er auch nicht vollziehen. Aber ich meine, dass die Schritte vollzogen werden müssen.

Einer der Autoren, der Co-Autor dieses Bandes hier, ist ein Pflanzenforscher, hier, Wolf-Dieter Storl, ein anderer Co-Autor ist Christian Rätsch, einer der wohl bekanntesten Pflanzenkenner im deutschen Sprachraum. Kein Zweiter, glaube ich, hat so viele Pflanzen erforscht, beschrieben, wahrscheinlich auch probiert, wie Christian Rätsch. Das ist fast schwindelerregend, was er da ständig darstellt. Er stellt zum Beispiel eine hochinteressante Frage, und die möchte ich mal jetzt aufgreifen und gedanklich weiterführen. Er stellt nämlich die Frage, die oft gestellt wird, auch in der Ethnologie, in der Pflanzenforschung: Woher wussten eigentlich die frühen Menschen, dass einzelne Pflanzen psychoaktiv sind, dass sie giftig sind, dass sie für bestimmte Heilzwecke verwendet werden können usw. Woher wussten sie das? Haben sie etwa alles durchprobiert? Das hätten sie kaum überlebt. Es kann nicht so sein, dass in einem „Trial and Error“-Verfahren über Tausende von Generationen das durchprobiert worden ist. Man muss schlechterdings davon ausgehen, dass eine Wahrnehmung bestand davon. Ich lese mal eine kurze Passage vor, von dem Christian Rätsch aus diesem Buch „Schamanische Wissenschaften“, was genau das Thema berührt, das ich versuche zu umreißen:

„Oft wurde schon die Frage gestellt, wie die Heilkunde oder das Wissen um die heilsame Wirkung von Pflanzen durch den Menschen entdeckt wurde. Von Pharmazie-Historikern wird die Frage gewöhnlich mit der ,Trial and Error‘-Hypothese beantwortet. In den meisten Büchern steht das so drin. Danach heißt es, die prähistorischen Menschen hätten sich willkürlich durch die Pflanzenwelt gefressen und dabei Beobachtung ob der etwaigen Giftigkeit oder Heilwirkung des verzehrten Gewächs gemacht. Die daraus resultierenden Erfahrungen wurden weitererzählt, das heißt tradiert. Es hätte demnach Tausende von Generationen erfordert, um zum Arzneischatz der Antike zu gelangen. Ich halte diese Hypothese für absurd“, sagt Christian Rätsch. Ich würde ihm da zustimmen. „Die Heilkundigen der antiken und altorientalischen Kulturen hatten eine viel genauere Vorstellung über den Ursprung ihrer materia medica und ihrer Pharmazie. Beides stammte direkt von den Göttern oder den Götter-Ärzten. In Südamerika gibt es zahlreiche Mythen, die von der Entstehung medizinischer, berauschender und toxischer Pflanzen berichten. Meistens sind solche wirksamen Gewächse“, interessant jetzt diese These, „durch Metamorphosen aus Menschen hervorgegangen, Metamorphosen aus Menschen hervor­gegangen“.

Mir fiel in dem Zusammenhang ein, weil es gerade in der Deutschen Oper läuft, „Daphne“ von Richard Strauss. Da gibt es ja diese eindrucksvolle Szene, dass die Daphne dann in der Flucht vor dem Liebesbegehren des Apollon, dem sie ausweichen möchte, sich in einen Baum verwandelt, in gewisser Weise zurückverwandelt. Also auch diese in der Mythologie verbreitete Vorstellung, dass ein bestimmtes Wesen sich dann wieder verwandeln kann in ein Quellwesen, ein Nymphenwesen, auch in eine Baumnymphe. Sie verwandelt sich also zurück in einen Baum mit einer anrührenden, wirklich ans Herz gehenden Musik, die Richard Strauss da im Finale der „Daphne“ gefunden hat. Wenn Sie die Möglichkeit haben, gehen sie da rein. Es lohnt sich wirklich. Also, „meistens sind solche wirksamen Gewächse durch Metamorphosen aus Menschen hervorgegangen. Ihre Wirkung offenbaren diese Pflanzen den Menschen in Träumen und Visionen, also in der anderen Wirklichkeit, die Indianern als die wahre Wirklichkeit gilt“, und so weiter.

Also, man muss schlechterdings davon ausgehen, dass der sogenannte prähistorische Mensch ein Stück weit die Fähigkeit hatte, tatsächlich in die feinstoffliche Tiefenstruktur der Pflanzen Einblick zu gewinnen. Er hat das einfach geschaut, in gewisser Weise, er hat das nicht alles hemmungslos durchprobiert. Sicherlich ist das dann auch tradiert worden. Sicherlich hat es viele Generationen gegeben, die das immer weiter ausdifferenziert haben, aber die Grundwahrnehmung war eine andere. Und die Frage ist, ob diese Art von Wahrnehmung heute reaktiviert werden kann. Denn dass der sogenannte prähistorische Mensch, von dem hier die Rede ist, ist ja ein vormentaler Mensch, ein Mensch vor der Ichhaftigkeit. Und wir kommen immer wieder an die Stelle, die ja die entscheidende Stelle ist: Können wir als ichhafte mentale Wesen in einer ganz bestimmten Form der Umweltwahrnehmung, können wir an diese Schichten herankommen und davon berichten in einer bis zu einem gewissen Grade objektivierbaren Weise? Darum geht es ja. Es geht hier nicht um eine sinnlich-übersinnliche Sensation, die nicht mitteilbar ist.

Der Storl hat in verschiedenen Zusammenhängen sich zu diesen Fragen geäußert. Ich will noch mal eine kurze Passage vorlesen, weil er das sehr schön auf den Punkt gebracht hat, besser als ich es jetzt könnte, wenn ich es paraphrasiere. Also bin ich mir dann auch nicht zu schade, das einfach mal vorzulesen. Er hat praktisch das Gleiche, was er in dem Buch „Schamanische Wissenschaften“ gebracht hat, noch mal in geringfügig veränderter Form als eigene, als eigenen Zeitschriftenartikel gebracht. Da schreibt er Folgendes, ich zitiere das mal kurz: „Über die Pflanzen-Intelligenzen. Während die meisten Wissenschaftler unseres Jahrhunderts die trans-sinnlichen Aspekte der Vegetation schlichtweg leugneten, entging es dem Philosophen Max Scheler nicht, dass sich dennoch so etwas wie eine ordnende Intelligenz im Verhalten der Pflanzenspezies ausmachen ließ.“ Er erwähnt hier Scheler, Max Scheler, berühmter wichtiger Philosoph auch, in den 20er Jahren bekannt geworden, der gesagt hat, die Pflanzen hätten eine eigene ekstatische Wahrnehmung. Merkwürdig, der Begriff der Ekstase, den man ja aus dem Schamanismus­bereich kennt, etwa durch die Forschung von Mircea Eliade, dass der Schamane der Spezialist der Ekstase sei, also das Außer-sich-treten, nicht, das Ekstatische, die ekstatische Form des Bewusstseins. „Wo aber ist diese Intelligenz lokalisiert?“ Jetzt wird der Bogen zurückgespannt auf das, was wir vorhin gesagt haben. „Wo aber ist diese Intelligenz lokalisiert? Vergeblich sucht man bei einer Pflanze nach Nerven und inneren Organen, die auf ein reflektierendes Innenleben, auf einen noch so trüben Bewusstseinsmittelpunkt schließen lassen. Das ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Scheler spricht daher von einem außerhalb stehenden“, Zitat Max Scheler, „,ekstatischen Gefühlsdrang bei den Pflanzen‘. Auf umständliche Art und Weise drückt er damit aus, was Schamanen schon immer wussten“, sagt Storl. „Die Geistseelen der Pflanzen verkörpern sich nicht unmittel­bar in den sichtbaren Pflanzengebilden, sondern sie befinden sich außerhalb, jenseits, in den Steinen, in der Erde, in der Geister- oder Götterwelt“, also auf jeden Fall in einer anderen Wahrnehmungsschicht, die nur rituell meditativ angegangen werden kann und auch sollte. „Sie sind wahrlich ekstatisch“, griechisch Ekstase, aus sich heraustreten. „Der Mensch muss selber ekstatisch werden, aus dem Alltag heraustreten, will er mit ihnen verkehren.“ Also er kann es nicht in seinem normalen, eingeschränkten Bewusstseins­zustand. Das ist unmöglich. Man kann sich da Pflanzen ins Zimmer stellen und sich daran erfreuen. Das ist wunderbar. Dagegen ist nichts zu sagen. Man kann im Wald Spaziergänge machen und kann seinen seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Das ist was vollkommen anderes, als in die Tiefe dieser Wesen hineinzugehen. „Der Mensch muss selber ekstatisch werden, aus dem Alltag heraustreten, will er mit ihnen verkehren. Der große Religions­forscher Mircea Eliade beschreibt den Schamanen als“, ich habe es schon zitiert, „Meister der Ekstase“. Eines der wichtigsten Bücher von ihm heißt ja, „Ekstase als schamanische Technik“ oder so ähnlich. „Der Schamane hat die Begabung und beherrscht die Techniken, aus dem kulturell genormten Alltag herauszutreten, um mit den Pflanzen-Gottheiten zu reden. Die Pflanzen-Devas sind eine der Gruppen übersinnlicher Wesenheiten, welche die Schamanen und Medizinleute kontaktieren.“

Also das kann man erst einmal ganz eingeschränkt anthropologisch, phänomeno­logisch feststellen. Im Bewusstseinshorizont dieser Menschen ist das so. Eine ganz andere Frage ist, wie ist es wirklich? Aber man kann das mit einer gewissen Nüchternheit erst einmal konstatieren und nicht gleich arrogant glauben, man wüsste die eigentlichen Erklärungen dafür, wozu ja mental geprägte Abendländer immer neigen, dass sie das dann gleich wissen, was das ist, das ist eine Halluzination, oder das ist eine Autosuggestion oder so etwas, da gibt es ja gleich Begriffe, die da abwertend für verwendet werden, nur um den Wirklichkeitsgehalt irgendwie runterzuschrauben. „Also die Pflanzen-Devas sind eine der Gruppen übersinnlicher Wesenheiten, welche die Schamanen und Medizinleute kontak­tieren. Mit dem Begriff sind die Gottheiten oder Archetypen der verschiedenen Pflanzen­arten gemeint, nicht etwa die kleinen Naturgeister oder Elfen, die auch manchmal in eine Blume oder in einen Baum hineinschlüpfen. Der Begriff Deva, Sanskrit-Begriff, ist dem Sanskrit entliehen und bedeutet eine ,himmlische, leuchtende göttliche Wesenheit’“. Etwa in den Upanishaden taucht es immer wieder auf, die Devas, allerdings hier im Sinne von göttlichen Wesenheiten. Also mir ist aus den Upanishaden nicht vertraut, ich kenne die Upanischaden eigentlich recht gut, dass die Devas mit Pflanzen direkt verbunden wären. Meines Wissen ist das nicht so. Nur mit dem Brahman werden sie verbunden, mit dem Atma, in gewisser Weise mit der Weltseele, aber mit den Pflanzen jedenfalls in den Upanishaden nicht. „Das [ist] auch zutreffend, denn die Vegetation ist nicht nur völlig mit dem Sonnenlicht und den Rhythmen des strahlenden Sternenhimmels verbunden, sondern auch in der Tiefenmeditation, im Traum und in der Vision erscheinen die Pflanzenwesen als leuchtende Entitäten.“

Was ist da wahrgenommen worden? Das wird ja berichtet auch aus indianischen Kulturzusammenhängen, in dem Buch ist sehr viel davon die Rede, wie das rituell gestaltet ist, welche psychoaktiven Substanzen in dem Zusammenhang da auch verwendet werden. Auch Christian Rätsch in seinem Beitrag stellt das ausführlich dar, welche Substanzen in dem Zusammenhang ins Spiel kommen, was da auch wahrgenommen wird. Er selber hat natürlich auch viel in dieser Richtung experimentiert. „Sondern auch in der Tiefen­meditation, im Traum und in der Vision erscheinen die Pflanzenwesen als leuchtende Entitäten. Viele Völker sprechen von den Pflanzen“, interessant, „als Sternenwesen, die zur Erde gekommen sind“, eigenartige Verbindung. Was ist da passiert? Pflanzen als Sternenwesen, kann man erst einmal phänomenologisch so stehen lassen. „Dem Cheyenne-Medizinmann Bill Tall Bull zeigten sich die Pflanzengeister in einem blauen Lichtstrahl.“ Könnte sein, das sind ganz andere Wahrnehmungen vielleicht gewesen, die auf diese Weise interpretiert worden sind, auf jeden Fall sehr tiefe Wahrnehmungen. „Die Ducanee-Indianer beschreiben das Wesen der Jahe-Liane als leuchtende Seele. Dem chinesischen Ginseng-Sammler leuchtet die wild wachsende Ginseng-Pflanze, deren kosmische Heimat das Sternbild Orion ist, in der dunklen Nacht entgegen. Die mittelalterliche christliche Theologie lokalisiert die Geister der Pflanzen unter den Licht-Engeln, die die Sonnen-, Mars- und Jupiter-Sphäre bevölkern.“ Das spielt in der mittelalterlichen Medizin ja eine ganz große Rolle, ganz bestimmte Organe werden bestimmten Planeten zugeordnet, ganz bestimmten Pflanzen, ganz bestimmte Metalle. Auch Planeten, etwa das Kupfer der Venus und so weiter. „Also die mittelalterliche christliche Theologie lokalisiert die Geister der Pflanzen unter den Licht-Engeln, die die Sonnen-, Mars- und Jupiter Sphäre bevölkern. Auch die Visionärin von Findhorn, Dorothee McLean, erlebte die Pflanzen-Geister als Licht- Engel.“

Dann schreibt Storl sehr ausführlich über die rituellen Praktiken, die in diesem Zusammen­hang eine Rolle spielen, diätetische Maßnahmen, ganz bestimmte Reinigungs-Rituale, Fasten. Sie erinnern sich vielleicht, ich habe das ja im Wintersemester 97/98 Ihnen am Beispiel von Eleusis auch erzählt, wie man über lange Zeiträume hinweg über ganz bestimmte meditative rituelle Praktiken, unter anderem das Fasten, sich dann kollektiv in einer großen Gruppe in einen bestimmten Zustand hineinversetzt hat, in den dann wahr­scheinlich eine bestimmte psychoaktive Substanz hineinwirkte. Vielleicht erinnern Sie sich, die da waren, das ist nicht sicher, wir wissen es nicht mit letzter Sicherheit, aber möglich ist es, dass in Eleusis tatsächlich psychoaktive Substanzen verwendet wurden. Vielleicht noch eine letzte Bemerkung hierzu, auch im Kontrast zu Goethe. Ich hatte ja ausdrücklich gesagt, dass für Goethe die Gestalthaftigkeit und das Wesen kaum zu trennen sind. Das ist zentral wichtig. Für Goethe geht das Wesen in der Gestalt fast auf. Es bleibt ein Rest, der nicht aufgeht, aber der bleibt dann auch im Geheimnis. Jenseits des Urphänomens kann da nur in einer letztlich religiösen, verehrenden Haltung angegangen werden, nicht mehr wissen­schaftlich. Das betont ja Goethe ausdrücklich. Die Urphänomene sind die letzte Grenze. Hier wird diese Grenze überschritten. „Die Devas sind als Geistwesen nur locker mit den physischen Leibern der Pflanzen verbunden. Daher ist es ihnen möglich, in die Träume, in andere Lebewesen oder gar in Gegenstände hinein zu schlüpfen, um sich kundzutun. Je mehr Bill Tall Bull versicherte, kennen die Pflanzen-Geister die Gedanken des Pflanzen­suchers und wissen um seine Absichten.“ Nicht, jetzt ist wieder vom Wissen die Rede, aber von Pflanzen-Geistern, von eigenen Wesenheiten, die dahinter stehen, die sozusagen das Subjekt sind für mögliche Sinneswahrnehmungen.

Das ist ein Punkt, den ich ja gerade in diesem Sommersemester immer wieder auch angesprochen habe, die Frage der möglichen Subjekthaftigkeit und in der nicht-menschlichen Welt, und wie tief das reicht. Ich vertrete ja die These, dass das in bestimmten Vorformen bis in die sogenannte anorganische Materie hineinreicht. Ich habe das ja immer wieder verbunden mit der Formel von Hahnemann, „der Geistartigkeit der Stoffe“. Ich glaube, dass auch die organische, die anorganische Welt, die in der Tiefe wahrscheinlich gar nicht anorganisch ist, eine Art von Prä-Subjekthaftigkeit enthält, und dass sie auch, sogar wenn sie auf bestimmte sogenannte Naturgesetze reagiert, eine Art von Primär- und Fundamental-Wahrnehmung hat für diese Naturgesetze, für den Logos. Also eine sehr weitreichende Behauptung, für die es aber, glaube ich, eine ganze Reihe von Indizien gibt.

Ich will vor dem Gespräch noch einmal versuchen, ein kleines Resümee zu ziehen, dass wir nochmal die Punkte ins Bewusstsein rufen, in ganz kurzer, in knapper Form gesagt. Wenn es stimmt, dass wir in der ökologischen Krise in einer kollektiv gesehen neurotischen Abspaltung uns befinden, dann ist die Frage nicht nur legitim, sondern auch absolut notwendig, wie wir in Kontakt geraten können, wie wir neu in Kontakt geraten können mit der Erde, mit Pflanzen und Tieren. Also eine elementar wichtige Frage: Wie kommt der Mensch in Kontakt mit der Erde, in Kontakt mit den Pflanzen-Wesenheiten, in welcher Form auch immer? Und da gibt es Möglichkeiten. Ich habe zwei Möglichkeiten angedeutet. Beide sind für ein modernes Mental-Bewusstsein nicht einfach. Es setzt ganz bestimmte, präzise Tiefenwahrnehmungen voraus. Es setzt auch das Risiko voraus, tatsächlich diesen Überstieg zu machen, also jenseits der ichhhaft-mentalen Stufe sich wirklich anzusiedeln. Es setzt also ganz fundamentale Bewusstseins-Veränderungen und -Prozesse voraus. Aber ich glaube, dass ohne diese Bewusstseins-Prozesse überhaupt keine Chance besteht, so etwas wie die ökologische Krise zu verstehen und bis zu einem gewissen Grade auch zu bewältigen. Das habe ich immer wieder gesagt und möchte das hier noch mal sagen: Ohne diese Tiefenwahrnehmung ist das alles öde Ideologie, alles ödes Gerede. Wenn nicht diese tatsächlichen Tiefenerfahrungen sind, ist das alles nur mentales Zeug, was niemanden und nicht in irgendeiner Form bewegen wird. Und deswegen ist es zentral wichtig, dass man in bestimmte Wahrnehmung kommt, in ganz elementarer Wahrnehmung auch von Gestalthaftigkeit und Ganzheit der Natur, auf den verschiedensten Ebenen. Und da kann man, um noch mal Goethe heranzuziehen, von Goethe wirklich viel lernen. Ich habe das auch erst spät verstanden und realisiert, aber es ist wirklich so. Man kann da viel verstehen und ableiten auch.

Ich will hier erst mal einen Schnitt machen und wir können gerne noch ein bisschen sprechen. Wenn’s nicht zu lange geht, können wir noch ein paar Fragen klären.

* * * * * * *

Weltuntergang – Wie sicher ist die Erde?

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 30

Transkript als PDF:


* * * * * * *

Und wie immer habe ich ein paar Ankündigungen. Hier liegt noch mal als Anknüpfung an die letzte Vorlesung [etwas]. Ich habe am Sonntag im Laufe des Tages drei Anrufe bekommen. Alle drei haben mich hingewiesen auf diese ZDF-Sendung über das Licht, ganz unterschiedlich und nicht in unmittelbarer Beziehung zueinander stehend. Kurze Frage ins Auditorium: Wer hat diese Sendung gesehen am Sonntagabend? Das waren doch wohl nur sehr Wenige.

Also jedenfalls ich fühlte mich bemüßigt, aufgrund dieser drei Anrufe mir diese Sendung, die eine Dreiviertelstunde dauerte, anzugucken. Normalerweise hätte ich nach 5 Minuten ausgeschaltet, weil ich ungefähr wissen konnte, auch gewusst habe, was kommen wird. Das war eine populärwissenschaftliche Sendung über die Frage des Lichtes mit mittlerweile hochkomplexen Computersimulationen. Schon allein der Moderator trat aus einem Raumschiff heraus, aus einem Computer-Raumschiff auf die Bühne und führte dann seine wunderbaren Vorgänge vor. Und ich muss gestehen, dass ich erstaunt war, mit welcher Unbekümmertheit Ende 1999 noch einmal die alten, wenigstens partiell längst widerlegten Vorstellungen geradezu mit Inbrunst für ein Millionenpublikum populär aufbereitet und serviert werden. Was war da zu sehen? Ich gebe mal nur einige Beispiele, weil das interessant ist für diese Art von Denken überhaupt.

Der Moderator stellte dar, das haben wir ja schon oft gehört seit Jahrzehnten, die Lichtgeschwindigkeit sei eine nicht überschreitbare Größe im Universum. Es gäbe zwar hin und wieder Experimente, die darauf schließen ließen, dass es Überlichtgeschwindigkeit gibt. Eine Handbewegung wischte diese Bedenken und die vielen Experimente beiseite. Alle hätten sich als Fehler und Irrtümer herausgestellt. Und dann wurden Experimente vorgeführt. Dann brachte der Moderator das beliebte Beispiel eines fahrenden Zuges, von dem aus ein Geschoss abgefeuert wird, nicht, und stellte dar, was Jedermann bekannt ist, elementare Geschichte eigentlich der Physik, dass nun die Geschwindigkeit dieses Geschosses vorne auf dem Zug sich zusammensetzt für einen Betrachter nicht in dem Zug, sondern neben dem Zug, einem ruhenden Betrachter, aus einer Addition, aus der Addition, nämlich der Geschwindigkeit des Zuges selbst und der Geschwindigkeit des Geschosses. Also stellen wir uns zwei Kinder vor in einem Eisenbahnabteil, der eine Knabe, lassen wir es mal Knaben sein, der eine Knabe sitzt mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung, der andere entgegengesetzt der Fahrtrichtung. Die werfen sich nun Bälle zu. Dann würde das für einen ruhenden Betrachter außen folgendermaßen aussehen: Der Ball in Fahrtrichtung, geworfen von dem Ruhepunkt aus, würde sich in seiner Geschwindigkeit errechnen als die Geschwindigkeit des Zuges plus der Geschwindigkeit des Balls. Derjenige, der entgegengesetzt der Fahrtrichtung wirft, würde natürlich auf eine andere Geschwindigkeit kommen. Fahrtgeschwindigkeit des Zuges minus Wurfgeschwindigkeit des Balles. So, nun wird vorgeführt, man habe durch viele Experimente eindeutig und zweifelsfrei belegt, dass dieses sehr einfache sogenannte Additionstheorem der klassischen Mechanik beim Licht nicht zutrifft, dass man nämlich, wenn man auf einem fahrenden Zug sich befindet oder auch wenn man den Zug aus der Ruhe beobachtet, einen Lichtstrahl in Richtung der Fahrtrichtung, also in Fahrtrichtung absendet, dann sei die Geschwindigkeit dieses Lichtstrahls immer c, und zwar ganz egal, wie schnell sich der Zug fährt.

Daraus wird die Schlussfolgerung abgeleitet, unter anderem daraus, dass die Größe c eine nicht übersteigbare Grenzgeschwindigkeit im Universum ist. Punkt eins. Es ist in der Tat so, dass in vielen experimentellen Zusammenhängen zunächst einmal die Bewegung einer Lichtquelle keinen unmittelbaren Einfluss hat auf die Lichtgeschwindigkeit. Das ist übrigens beim Schall genauso, wurde nicht erwähnt, obwohl es interessant ist. Auch beim Schall ist es so. Ein Impuls geht aus, wird fortgepflanzt, und zwar in wellenmäßiger Form. Daraus abzuleiten, dass es unmöglich sei, eine größere Geschwindigkeit als c zu erzielen, ist schon ein Schritt, der überhaupt nicht abgedeckt ist durch das Experiment. Ganz zu schweigen von einer Fülle von Beobachtungen und Messungen in den letzten Jahrzehnten, die darauf schließen lassen, dass auch diese Grundannahme in dieser absoluten Form so nicht stimmt. Punkt eins. Ich sage es nochmal, das gilt auch für den Schall. Dann wird weiter geschlussfolgert, obwohl es nicht direkt angegeben wurde, worauf sich das bezieht, dass man auch in der Lage gewesen sei, zweifelsfrei nachzuweisen, dass ein Impuls nicht schneller sein könne als Licht, und dann wurde herangezogen die Gravitation. Und darüber habe ich hier auch gesprochen vor einigen Wochen, da wurde herangezogen die Gravitation, früher bei Newton als eine Größe verstanden, die instantan wirkt, das heißt ohne Zeitverlust. Also Sie haben einen Körper A und Sie haben einen Körper B, und wenn beide eine gravitative Wechselwirkung aufeinander ausüben, dann wird in der klassischen Mechanik, auch in der Newtonschen Himmelsmechanik, [das ist] nicht identisch, davon ausgegangen, dass hier keine Zeit abrollt, dass das quasi ohne Zeitverlust geschieht, und zwar vollkommen unabhängig von der Entfernung. Das war ja ein ungeheures Rätsel in der Mechanik. Wie kann es sein, dass eine Wirkung, eine Kraftwirkung, möglicherweise über eine unvorstellbare Entfernung hinweg quasi instantan, das heißt augenblicklich, ohne Zeitverlust, sich vollzieht, sozusagen, bildhaft gesprochen: Der Gravitationstropfen von dem Körper A löst sich ab, ohne real den Raum zu durchlaufen, kommt er ohne Zeitverlust bei dem Körper B an. Daraus kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen. Man kann sagen, dieser Gravitationstropfen, um nochmal dieses Bild zu benutzen, durchläuft gar nicht den Raum; er unterläuft quasi den Raum, er findet gar nicht im Raum statt. Oder dieser Gravitationstropfen bewegt sich mit einer unendlichen oder quasi-unendlichen Geschwindigkeit. Dann muss man fragen: Wie ist es möglich? Wie ist es möglich, dass sich so eine ungeheure Geschwindigkeit überhaupt im Universum herstellen kann?

Jetzt wird von diesem Moderator gesagt, und das findet man ja in vielen Büchern, nicht nur in populärwissenschaftlichen Büchern, dass nun bewiesen sei, dass auch nunmehr bewiesen sei, dass auch die gravitative Wirkung sich nicht schneller fortpflanzen könne als Licht. Dafür gibt es bis zur Stunde nicht den Ansatz, aber auch nicht den zartesten Ansatz eines Beweises. Vermutungen in diese Richtung hat es oft gegeben. Bei vielen verschiedenen Physikern und Naturphilosophen, Astronomen wurde immer wieder der Gedanke ventiliert, dass möglicherweise die gravitative Wirkung nicht einfach, quasi unendlich schnell oder instantan abläuft, sondern eine gewisse Zeit braucht von hier nach dort. So wurden die verschiedensten Überlegungen angestellt, wie schnell möglicherweise die gravitative Wirkung sich vollzieht.

Dann wurde weiter angeführt ein Beleg für die nunmehr widerlegte Denkfigur des Newtonschen Gravitationsgesetz: der Merkur. So wurde also gezeigt der Merkur, der sonnennächste Planet, läuft offenbar nicht exakt, nicht streng nach den Newtonschen Gesetzen. Das ist bekannt gewesen, schon lange. Das hat schon viele beunruhigt, und in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts war das ein großes Problem, bekannt in der physikalischen Fachliteratur als die Perihel-Abweichung oder die Perihel-Drehung des Merkur. Man konnte alle Faktoren, alle gravitativen Faktoren im Sonnensystem zusammenrechnen, gegeneinander aufrechnen ‒ man stieß immer auf einen Restbetrag, der nicht aufging. Und es gab dann Überlegungen, die dahingehend formuliert wurden, das Gravitationsgesetz kann nicht stimmen, da muss ein Fehler liegen, und es hat verschiedene Möglichkeiten gegeben oder gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man das korrigieren kann.

Eine davon, ich habe die auch in meinem Buch dargestellt, ist eine weitgehend vergessene von einem Physiker namens Paul Gerber. Paul Gerber hat die These vertreten, nicht als Erster, aber er hat das durchgerechnet: Wenn man davon ausgeht, dass die Lichtge­schwindigkeit auch die ungefähre Geschwindigkeit der gravitativen Wechselwirkung ist, hat dafür auch eine Formel gefunden, dann kann man auf diesen abweichenden Wert kommen. Übrigens ohne jegliche Raumkrümmung, ohne jegliche spezielle oder allgemeine Relativitätstheorie. Das war lange davor. Also man kann das mathematisch in sich konsequent durchrechnen.

Nun habe ich schon angedeutet, als ich über dieses Thema gesprochen habe, dass allein die Abweichung des sonnennächsten Planeten von den sogenannten Newtonschen Gesetzen ja nur deswegen überhaupt aufgefallen war, weil es nicht gelungen war, die verschiedenen gravitativen Störfaktoren restfrei auszugleichen, immer unter der Annahme, dass man genau wüsste, wie die jeweiligen Dichtewerte der Gestirne sind. Ich habe immer wieder gesagt und auch in meinem letzten Buch noch mal klar herausgestellt, das ist eine pure Fiktion. Die Dichtewerte sind nicht bekannt, sie werden eingesetzt in die Gleichungen, um den Formeln genüge zu tun. Und in einem sehr komplizierten Wechselspiel von Faktoren kommt man dann zu der Schlussfolgerung, dass ja nicht nur der Merkur nicht exakt nach den sogenannten Newtonschen Gesetzen läuft, auch die anderen Planeten nicht.

Das hat die verschiedensten Überlegungen ausgelöst, auch im Zusammenhang mit der Chaostheorie, übrigens auch im Zusammenhang mit der Theorie der Eiszeiten; warum überhaupt Eiszeiten entstanden sind, wurde unter anderem darauf zurückgeführt, dass es bestimmte Anomalien in der Bahnbewegung gab. Sie wissen vielleicht, dass die Theorie der Eiszeiten ungeklärt ist. Es gibt viele Theorien darüber, aber eine restlos schlüssige Theorie gibt es bis zum heutigen Tage nicht, was nun wirklich genau die sogenannten Eiszeiten ausgelöst hat. Kurzum, hier wurde auf eine sehr simple, populäre und rundum ober­flächliche Weise nochmal all das Alte vorgeführt und ohne den Hauch, ohne den zartesten Ansatz einer kritischen Reflexion. Dann wurde, was ich besonders empörend fand, ich habe darüber auch schon gesprochen, die berühmte Fiktion der Einsteinschen Raumkrümmung in der Allgemeinen Relativitätstheorie mit einer Computergrafik verdeutlicht, immer wieder ähnlich in dem Falle, wie ein großes Trampolin, wo man eine Kugel hineinfallen lässt, und dann gibt es Dellungen. Und dann: So ist das auch mit den Gestirnen und dann mit wissendem und süffisantem Lächeln, wird dann eine Kugel in diese Kuhle noch ange­stoßen und bewegt sich dann allerdings sehr schnell dann zum Zentrum, sie hält nicht lange die Bahn. Und dann wird gesagt: Die Massen krümmen den Raum. Eine unvorstellbare Absurdität, weil allein rein logisch, dazu muss man nicht alternative Vorstellungen entwickeln über Gravitation und Licht, rein logisch ist ein Körper, ein Etwas im Raum. Wenn ich annehme, dass der Raum ein Netz ist, in das ein Ball fallen kann, hebel ich sämtliche Grundlagen überhaupt des Denkens über Körper, Kräfte und Bewegung aus den Angeln. Dann ist alles möglich, wenn man eine Raumgeometrie aufstellen kann, das kann man mathematisch relativ widerspruchsfrei, dann ist es das Eine, nun zu behaupten, der Raum selber weist eine Krümmung auf, ist eine vollkommen andere Geschichte, wird hier einem Millionenpublikum wiedermal zum wiederholten Male serviert.

Und ich darf vielleicht ganz kurz Ihnen erläutern, weil das nämlich nicht herauskam in der Fernsehsendung, noch mal, was der Hauptpunkt ist in der Beweisführung an dieser Stelle, und das hätte sich angeboten, das auch computermäßig zu simulieren, das ist nicht geschehen. Ich will es kurz mal andeuten, die normale Beweisführung seit der Allgemeinen Relativitätstheorie sieht so aus: Wenn ein Himmelskörper in der Verbindungslinie zur Erde von der Sonne verdeckt wird, also wenn ich hier eine gerade Linie ziehe, die durch die Sonne hindurchgeht, ([bezogen auf eine Darstellung an der Tafel] soll man jetzt eine gerade Linie sein, wo sie es faktisch nicht ist. Also Sie nehmen mir das mal jetzt ab.), dann würde normalerweise dieser Stern nicht sichtbar sein. Faktisch ist es aber häufig so, dass die Position des Sterns an dieser Stelle wahrgenommen wird, dass also ein scheinbarer Ort des Sterns entsteht an dieser Stelle, also der Stern ist um eine Kleinigkeit verrückt im Raum. Er scheint an einem Ort zu sein, wo er sich faktisch nicht befindet.

Und das wurde übrigens auch schon im Ansatz von Newton so erklärt, dass die gravitativen Kräfte der Sonne das Licht beugen, das heißt eine Krümmung verursachen. Das heißt also, dass im Sonnenfeld quasi diese Figur entsteht, maßlos übertrieben jetzt, eine gekrümmte Linie und dass der Betrachter jetzt in der geradlinigen Sichtachse den Stern in dieser Position sieht. Schon in der Newtonschen Himmelsmechanik war davon ausgegangen worden, von Newton selber, dass ja das Licht kleinste Partikel darstellt, dass natürlich auch, wenn diese kleinsten Partikelchen an Schwerefeldern vorbeifliegen, Krümmungseffekte auftreten müssten. Diese Krümmungseffekte kann man ganz anders deuten. Ich habe das auch angedeutet, Sie können das nachlesen in meinem Buch. Man kann die Krümmungseffekte auch deuten als eine Wechselwirkung der Radialfelder der Gestirne, wobei immer in bestimmten Dichtezonen notwendig die Wechselwirkungen eine gekrümmte Form annehmen. Das heißt, die Energien, die Radialenergien erfahren eine Krümmung. Der Raum selber bleibt Raum, wie er ist und war und immer sein wird. Das heißt, der kühne Überstieg aus einer beobachteten Abweichung, von der Größenordnung dieser Abweichung mal ganz abgesehen, zur Annahme einer realen Raumkrümmung und dann auch, und das ist ja die Pointe des Ganzen, eines nicht unendlichen Universums, das Universum biegt sich ja quasi in sich selbst zurück, ist, also diese Annahme ist in keiner Weise zwingend.

Sie ist auch ein Übergriff, der erstaunlich ist, der den meisten gar nicht auffällt. Ganz zu schweigen davon, dass diese Werte hier auch sehr unsicher sind und keineswegs den hohen Präzisionsgrad aufweisen, der oft unterstellt wird. Also man kann dieses Phänomen, an dem nicht zu drehen ist, das ist wirklich ein Phänomen, ein reales Phänomen, vollkommen anders interpretieren.

Was den Raum anlangt, so will ich Ihnen eine ganz kleine Stelle vorlesen in einem Büchlein, was ich gerade lese von dem Philosophen Hermann Schmitz über den Raum, wo er auf eine sehr prägnante Weise darstellt, wie die Raumkonzeption der Physik immer zugrunde liegt und zugrunde liegen muss, auch wenn sie sich darüber gar keine Rechenschaft ablegt. In gewisser Weise, das habe ich auch schon angedeutet, setzt allein die Vorstellung der Geschwindigkeit eines Körpers, einer Energie, einer Kraft, wie immer, bereits die absolute Zeit und einen absoluten Raum im Sinne Newtons voraus. Man kann es gar nicht anders. Es ist unmöglich. Es ist denkunmöglich, das nicht vorauszusetzen. Hermann Schmitz aus seinem Buch „Der Leib, der Raum und die Gefühle“. Kurze Passage über den Raum: „Denkt man an den Raum, so stellt man sich etwas vor, worin sich feste, von Randflächen begrenzte Körper lang, breit und dick an Orten ausdehnen können, die miteinander durch Lagen und Abstände in einem den ganzen Raum überspannenden Netz verbunden sind. Einem beliebig zentrierbaren Koordinatenraum. Diese Raumvorstellung ist vom Sehen fester Körper im zentralen Gesichtsfeld abgeleitet. In einer Welt aus lauter zäh- oder leichtflüssigen oder nebelhaften Gebilden, in der wir selbst mit einem Körper nach Art einer Wolke oder einer Öllache herumglitten, wäre sie auch optisch nicht möglich. Die Orientierung am Sehen fester Körper im zentralen Gesichtsfeld dient der neutralisierenden Objektivierung und Verfügbarkeit des Begegnenden, weil man dabei in Gedanken alles hübsch ordentlich neben- und hintereinander vor sich aufreihen und sich selbst draußen halten kann.“ Also die berühmte Distanz, die der Sehende immer zum Gesehenen hat, im Gegensatz zum Hörfeld, was immer den Einzelnen hineinnimmt. „Jedoch wird sich zeigen, dass Sehen ein Fernsinn ist, der nur über eine Distanz zum Auge funktioniert. Jedoch wird sich zeigen, dass diese Raumvorstellung, die ja ihr gutes Recht und großen Nutzen hat und von der die öffentliche Meinung beherrschende Naturwissenschaft ganz allein zur Kenntnis genommen wird ‒ es wird so getan als gäbe es überhaupt keinen anderen Raum ‒ ein hochstufiges Endprodukt der Entfremdung des Raumes vom Leib ist und tiefere Schichten ursprünglicher Räumlichkeit, ohne die sie sogar logisch den Begriffen nach nicht auskommt, als unentbehrliche Grundlage voraussetzt ‒ also immer voraussetzt und voraussetzen muss.“

Das ist wirklich diese berühmte Geschichte, die ich ja angeführt habe in dem Essay, den ich Ihnen vorgelesen habe das letzte Mal: Wo sind wir? Die Geschichte mit dem Hasen und dem Igel? Der Igel ist wirklich immer schon da, also die gestalthafte Bewusstseinsform, das Subjekt, kann sich selber nie eliminieren. Es ist immer im Spiel, und es ist immer anwesend. Der Hase mag sich zu Tode hetzen oder hetzt sich faktisch zu Tode. Der Igel beziehungsweise das Igelpaar, es sind ja zwei, ist immer schon da. Das heißt, das ist nicht möglich.

Ich will im Sommersemester dann Ihnen das auch noch mal am Beispiel des Raumes intensiver verdeutlichen, was die Leib-Erfahrung mit dem Raum zu tun hat. Das ist nämlich hochinteressant sich klarzumachen, dass die Raum-Erfahrung zunächst mal eine Leib­erfahrung ist, primär eine Leiberfahrung ist.

Dann als letzter Punkt, etwas noch zu dieser Fernsehsendung, weil ich das nun mir angeguckt habe und weil ich dachte, der Großteil von Ihnen hat das gesehen und deswegen sitze ich mal eine Dreiviertelstunde davor am Sonntagabend. Die Sache mit dem Olbers­schen Paradoxon wurde natürlich nicht erwähnt, als ob es gar kein Thema sei. Ich habe mal hier mitgebracht, um das nur mal kurz zu verdeutlichen, ein, sag ich mal Hardcore-Physikbuch, also kein, kein populäres, weiches Werk, sondern ein Grundlagenbuch für den Physiker ‒ „Mechanik, Relativität, Gravitation, die Physik des Naturwissenschaftlers“. Und hier wird ein großer Raum diesem Olbersschen Paradoxon gewidmet. Will mal nur Ihnen den Anfang vorlesen, ich habe Ihnen das ja dargestellt, dass allein das Olberssche Paradoxon ein Beleg dafür ist, dass die herrschende Sonnentheorie nicht stimmen kann. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, dem Paradoxon auszuweichen. Das ist eben genau dieser gekrümmte, auf ein endliches Universum abzielender Raum. Ich lese das mal kurz vor, Teil daraus, [das] Olberssche Paradoxon: „Das historisch erste kosmologische Problem war das Olberssche Paradoxon. 1886 kam Olbers, 1758 bis 1840, Astronom, in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass der Helligkeitsunterschied zwischen Tag und Nacht ein nicht-triviales Problem ist, ja, dass es ihn eigentlich nicht geben dürfe, sondern dass der Himmel immer dieselbe Helligkeit zeigen müsse.“ Es dürfte nie Nacht werden. „In seiner Untersuchung geht er dabei genau nach dem Verfahren der Kosmologie vor. Seine Überlegungen sind so klar und einfach, dass sie sich in wenigen Sätzen wiedergeben lassen. Zunächst stützt Olbers sich auf das physikalische Gesetz, dass bei einer kugelförmigen Ausbreitung von Licht, das zum Beispiel von einem Stern kommt, die Intensität“, heute würden wir sagen der Energiefluss oder Energiestromdichte, „umgekehrt proportional mit dem Quadrat des Abstandes abnimmt“, also das berühmte reziproke Quadrat-Gesetz 1/r², wie auch im Falle aller zentralsymmetrischen und radialen Felder. „Zum anderen wendet er das Weltpostulat in Form zweier Annahmen an.“ Weltpostulat heißt, die grundlegenden Postulate, das grundlegende Postulat über das Universum als Ganzes. „Einmal nimmt er an, dass der Raum im Großen gleichmäßig mit Sternen erfüllt ist, so dass man, wenn man von der Erde aus in die Tiefen des Weltraums vordringen würde, im Durchschnitt immer dieselbe Stern-Dichte anträfe.“ Das kann man hochrechnen, das ist auch plausibel bis zu einem gewissen Grade. „Seine zweite Annahme war es, dass alle selbstleuchtenden Sterne, das schon die, gar nicht mal als solche aufgeführte Prämisse, die ich ja, wie Sie wissen, in Frage stelle und in Frage ziehe, seine zweite Annahme war, dass alle selbstleuchtenden Sterne etwa die gleiche Größe und die gleiche Oberflächenhelligkeit haben wie die in unserer näheren Umgebung von einigen hundert oder tausend Lichtjahren beobachteten Fixsterne. Das heißt, dass sie durchschnittlich von der Art unserer Sonne sind“, was man ja auch mit einigem Recht erst einmal unterstellen kann. „Diese wenigen und einleuchtenden Annahmen haben nun die unerwartete Konsequenz, dass die Erde einem ziemlich konstanten und räumlich isotopen, das heißt von allen Richtungen mit gleicher Stärke einfallenden Lichtstrom ausgesetzt sein müsste.“ Jetzt wird eine mathematische Beweis­führung geführt, die in sich kaum zu entkräften ist. Es ist logisch-mathematisch voll­kommen einwandfrei. Es stellt sich also heraus, dass eine, wenn man alle Störfaktoren verdeckenden Nebel und Ähnliches abzieht, eine Helligkeit herrschen müsste, die etwa das 50.000fache der Sonnenhelligkeit ausmacht. „Also müsste auf der Erde immer dieselbe Helligkeit und eine mittlere Temperatur von 5.000 bis 10.000 Grad herrschen, was offenbar im Widerspruch zu unserer Erfahrung und eigenen Existenz steht.“

Witziger Nachsatz. Das kann man ausrechnen, ich habe das vereinfacht ja gesagt, die Abnahme der Strahlungsdichte mit dem Quadrat der Entfernung wird überkompensiert dadurch, dass die Anzahl, die pure Anzahl der sogenannten Sonnen mit der dritten Potenz der Entfernung zunimmt. Das heißt, es dürfte nicht dunkel werden, es könnte niemals dunkel werden. „Mindestens eine der Voraussetzungen, die Olbers angegeben hat, muss also falsch sein. Oder wir machen, ohne dass es uns bewusst ist, von Annahmen Gebrauch , die wir nicht explizit genannt haben.“ Also er unterstellt immerhin, es könnten noch Annahmen drinstecken in der Theorie, über die wir überhaupt nicht nachgedacht haben. Würde ich auch sagen, dass es der Fall ist. Eine der Annahmen zum Beispiel besteht darin, dass tatsächlich die Sonnen selber Licht verstrahlen. „Olbers selbst schloss aus seinem Ergebnis nicht auf die Falschheit seiner Voraussetzungen, sondern auf die Existenz von Dunkelwolken, die das von den fernen Stern kommende Licht absorbieren. Dieser Schluss ist indessen nicht richtig, da die Dunkelwolken im Laufe der Zeit durch die Absorption aufgeheizt würden, wenn die Prämisse stimmt, bis sie selbst ebenso viel Energie wieder abstrahlen, wie sie durch Absorption erhalten, so dass sie selbst zu Strahlungsquellen würden wie die Sterne. Das hilft nicht. Auch die Annahme einer gleichmäßigen Erfüllung des Weltraums mit Sternen ist nicht wörtlich richtig, denn die Fixsterne treten immer in Anhäufungen als Galaxien auf. Das tut der Olbersschen Überlegung jedoch keinen Abbruch. Denn man braucht die Rolle, die die Sterne in ihr spielen, nur den Galaxien zu geben oder Clustern von Galaxien, kurzum jenen Gebilden, die gleichmäßig im Raum verteilt sind, um zum selben Resultat zu kommen.“

Jetzt die Lösung des Paradoxons, diese Lösung, Interpretation eines gekrümmten, letztlich endlichen, unbegrenzten Raums. „Tatsächlich ist nun, wie wir heute wissen“, ich würde sagen, die wir heute setzen als Prämisse, „eine explizit nicht ausgesprochene und seinerzeit als selbstverständlich erachtete Annahme, falsch, nämlich, dass das Weltall zeitlich unveränderlich sei. Die fundamentale Entdeckung, dass das Weltall expandiert“, oft wird ja von der Expansion des Raums gesprochen, „und seine inneren Maßverhältnisse ändert, greift entscheidend in die Olberssche Überlegung ein. Da diese Entdeckung der erste experimentelle Beitrag zur Kosmologie und daher von grundlegender Bedeutung ist, wollen wir uns hier näher ihr zuwenden.“ Dann wird die Vorstellung ins Spiel gebracht, dieser Denkfigur und auch die berühmte Rotverschiebung in den Galaxien-Spektren der Gestirne, die man auch ganz anders deuten kann, keineswegs als eine Fluchtbewegung, als eine reale Fluchtbewegung der Galaxien. Zum Beispiel heißt es hier dann an einer Stelle als letztes noch „Man wird vielleicht den Einwand erheben, das Bild vom expandierenden Universum hänge nur daran, dass die Rotverschiebung ferner Galaxien als Dopplereffekt gedeutet werde, dass es vielleicht aber eine ganz andere physikalische Erklärung für die Rotverschiebung geben könnte, die keine so unangenehmen Folgen hätte.“ Und dann wird gesagt, wir kennen die Rotverschiebung auch aus anderen Zusammenhängen. Deswegen können wir davon ausgehen, dass es auch im kosmischen Maßstab sich tatsächlich so verhält, und so weiter.

Also man kann an diesem Beispiel sehr schön erkennen, dass die verschiedenen Modellvorstellungen, Hypothesen, Fiktionen sich gegenseitig stützen, wenn das Eine, dann das Andere. Und es ist aufschlussreich, sich dann klar zu machen, was eigentlich passiert, also wie das Denken über das Universum tatsächlich arbeitet, mit welchen Grundvoraus­setzungen es arbeitet und wie das weiter gerechnet wird. Das wäre ein intellektuell mehr oder weniger müßiges Spiel, auch relativ unerheblich für uns alle, könnte man sagen, wenn daraus nicht so weitreichende Weltbildkonsequenzen gezogen würden, die ja das kollektive Bewusstsein in einem unvorstellbaren Maße prägen. Und da liegt das Interessante, auch für die Bewusstseinsgeschichte Interessante. Wenn das nicht so wäre, könnte man sagen, man kann diese kosmologischen Überlegungen, seien sie so oder seien sie anders, auf sich beruhen lassen und das den sogenannten Fachleuten überlassen. Das ist so nicht der Fall, weil, es ist fundamental. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob die Dinge sich so verhalten, oder ob sie sich grundlegend anders verhalten. Ob das, auf eine kurze Formel gebracht, das Universum tot ist und das Leben nur als mehr oder weniger monströsen Zufall kennt, oder ob das Universum alllebendig ist; und wenn es uns ein totes Antlitz entgegenbringt, wir vielleicht nur uns selber darin erblicken, es vielleicht eine gigantische Projektion sein könnte.

Ich habe das ja in meinem letzten Buch versucht darzustellen und auch eine Fülle von Argumenten dafür gebracht, dass wir gute Gründe haben, anzunehmen, dass diese Annahme eines toten Universum letztlich eine kollektive Projektion ist. Und ich glaube ganz sicher, dass diese Art von kollektiver Projektion eines toten Universums auch kausal zu tun hat mit der ökologischen Krise. Das heißt, wer das Universum so betrachtet, wird kurz oder lang auch die Erde, den Boden unter seinen Füßen zerstören. Das heißt, monströse Weltbilder kreieren, früher oder später auch die buchstäblich reale Zerstörung der Lebensgrundlagen. Eines bedingt immer das Andere. Insofern ist das Eine vom Anderen nicht abzukoppeln. Das führt auf das eigentliche Thema heute.

Ich habe ja die Frage gestellt, ob man dem Kosmos trauen kann, das ist ja die Leitfrage heute. Ich will Ihnen mal noch dieses Motto einmal vorlesen, was ich angedeutet habe letztes Mal, um nochmal die Rahmenfrage zu verdeutlichen: Wie sicher ist die Erde? Können wir dem Kosmos trauen, was gemeint ist. Matthew Fox sagt in einem Gespräch mit Sheldrake Folgendes. Er bezieht sich da auf eine Aussage Einsteins. Ich lese das nur mal vor: „Jeder im alten Griechenland und Rom glaubte an Engel“, sagt Matthew Fox, Domini­kaner, Theologe, „sie waren Teil der akzeptierten Kosmologie. Die Frage war jedoch, ob man diesen unsichtbaren Kräften des Universums, die die Planeten und Elemente bewegten, trauen könne oder nicht. Wie vertrauenswürdig ist das Universum? Das ist deshalb so interessant, weil im 20. Jahrhundert Einstein einmal gefragt wurde, welches ist die wichtigste Frage, die man sich im Leben stellen kann? Seine Antwort war:“, interessante Antwort, „Ist das Universum ein freundlicher Ort oder nicht? Das ist die gleiche Frage. Es ist letztlich ein kosmologisches Thema. Können wir dem Kosmos trauen?“

Man kann hier auch die Frage anders formulieren und sagen: Wo sind wir? Das war ja die Frage vom letzten Mal. Welche Stellung haben wir in diesem Universum? Können wir dem Kosmos trauen? Ist das überhaupt ein Kosmos? Ist das nicht vielmehr etwas ganz Anderes? Eine ganz andere, vielleicht monströse, lebensfeindliche Veranstaltung? Also die Frage: Wie sicher ist die Erde? Man muss sich vielleicht einen Moment klarmachen, dass diese Frage eine Frage war, die tatsächlich über Jahrhunderte hinweg auch in der Natur­wissenschaft diskutiert wurde, obwohl das weitgehend aus dem Bewusstsein geschwunden ist, und zwar festgemacht an der Frage: Wie stabil ist das Sonnensystem? Das war die Frage, die die Schwedische Akademie der Wissenschaften 1885 ausschrieb. Der Mathe­matiker Poincaré hat sich dann beworben und hat den Versuch gemacht, die Frage zu beantworten, er ist daran gescheitert. Es war die Frage nach der Stabilität des Sonnen­systems, die auch Newton beschäftigt hatte. Wie kommt es eigentlich, dass die Gestirn­bewegungen so erstaunlich regelmäßig, gleichförmig in gewisser Weise ja lebensfreundlich sind? Ist es möglich, dass das ein in sich konsistentes, rein mechanistisches Netzwerk ist? Oder bedarf es göttlicher, spiritueller Einwirkungen in dieses System?

Ich habe das ja schon in anderem Kontext angedeutet, dass Newton der Auffassung war, dass es im Universum, das war für ihn immer mehr oder weniger das Sonnensystem, ständiger Eingriffe des Göttlichen bedarf, um diese unvorstellbare Ordnung aufrecht zu erhalten. Das wurde schon zu seinen Lebzeiten verschiedentlich heftig bezweifelt. Es gab schon, nicht nur in der Kontroverse mit Leibniz, es gab einen Zeitgenossen, William Whiston, einen jüngeren Zeitgenossen von Newton, der eine ganz andere Auffassung vertreten hatte vom Universum. Die Frage war also: Wie kommt es, dass die Rotation der Erde so regelmäßig ist? Wie kommt es, dass die Gestirne ihren Gang ziehen und dass sich nicht auf eine fundamentale Weise die Dinge verschieben oder verändern? Dass das über einen relativ großen Zeitraum nicht passiert sein kann, kann man daraus schließen, dass Menschen im Allgemeinen ein großes Grundvertrauen haben, wahrscheinlich auch hier alle im Raum, in die Kontinuität und in die Stabilität dieser kosmischen Bewegung.

Keiner von uns geht ernsthaft davon aus, dass jäh, schockartig, durch welche Faktoren auch immer bedingt, plötzlich etwa die Erdrotation sich rabiat verlangsamt oder beschleunigt oder auch die Bahnbewegung der Erde sich rabiat beschleunigt. Wir alle gehen mehr oder weniger fast wie selbstverständlich davon aus, dass diese kosmische Bewegung eine ruhige, eine gleichförmige ist. Und darauf vertrauen wir. Das hat natürlich viele Wurzeln, unter anderem sicherlich auch die christlich-jüdische Wurzel, dass man annahm, dass eine gottgefügte Ordnung nur so beschaffen sein kann, dass uns nicht dieser Boden, auf dem wir stehen, weggezogen werden kann. Also es gibt ein tiefes Vertrauen in die kosmische Bewegung, wenigstens in der mentalen Bewusstseinsverfassung.

In magischen Bewusstseinsverfassungen ist dieses Vertrauen nicht gegeben. Man kann das nun mal an einem beliebigen Beispiel, etwa an der balinesischen Kultur zeigen und vielen magisch beeinflussten Kulturen, wo immer davon ausgegangen wird, dass diese Bewegung aufs Neue gegen die Flut des Chaos errungen werden muss, wo das nicht als selbstverständlich gilt, wo man nicht davon ausgeht, dass morgen wie selbstverständlich wieder morgen sein wird und morgen ein Tag wie heute, sondern dass der Tag, der morgen sein wird, ein quasi gegen den Strom der Finsternis erkämpfter Tag ist. Das kann man in der balinesischen Kosmologie ganz deutlich sehen, wo auch etwa das Wasser als eine chaotische Energie galt, die ständig die kosmische Ordnung gefährdet.

Also, das Vertrauen in die kosmische Bewegung ist erst einmal ein Element, primär ein Element der mentalen Bewusstseinsverfassung, sicherlich noch mit angereichert durch die jüdisch-christliche Grundüberzeugung einer Gesetzesordnung im Universum. Es ist also keine für sich bestehende Selbstverständlichkeit, dass das so ist. Ganz zu schweigen von gefährdeten Gebieten, etwa durch Flutkatastrophen oder Erdbeben, wo natürlich das Grundvertrauen in den Boden, der trägt, keineswegs so gegeben ist. Zwar wird nicht angenommen, dass jetzt die Erdrotation sich rabiat verändert, aber es wird doch letztlich angenommen, dass der Boden sich weiter fortbewegt durch den Kosmos, aber er trägt nicht mit Selbstverständlichkeit.

Sie erinnern sich vielleicht an eine berühmte Geschichte, das ist oft dargestellt worden, anlässlich des berühmten Erdbebens von Lissabon 1756 hat Voltaire gegen die Theorie von Leibniz von diesem Kosmos als dem besten möglichen Kosmos dieser Welt, als der bestmöglichen aller Welten, eingewendet bei einer so großen Anzahl von Toten und Schwerverletzten kann ja nun schlechterdings nicht die Rede sein von einem Kosmos, der nicht auch anders und besser sein könnte. Nicht, die leibnizsche Grundüberzeugung, dass Gott in der Freiheit seiner Wahl die Welt geschaffen hat, in absoluter Freiheit, die die beste aller möglichen Welten ist. Also ein Einwand derart, dass Leid in der Welt, der Schmerz, alles Furchtbare, Entsetzliche in der Welt, widerlegt das. Und das ist natürlich eine ernstzunehmende Facette, die man nie naiv außer acht lassen soll, wenn man von diesen Dingen spricht, auch wenn man etwa eine ganzheitlich verstandene oder kosmisch verstandene Vorstellung der Erde als Ganzheit, als Gaia, als liebevolles, uns alle tragendes Etwas, als kosmische Plattform. Diese kosmische Plattform kann auch wegbrechen, und diese kosmische Plattform kann auch furchtbare Auswirkungen haben. Also man muss da sehr genau unterscheiden. Also, die Frage ist, können wir dem Kosmos trauen, wurde festgemacht an der Frage: Wie stabil ist das Sonnensystem?

Ich mache eine kleine Pause mal früher als sonst. Ich habe letztes Mal immer weit überzogen und dann machen wir mal 10 Minuten Pause.

Ja, die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit, Regelmäßigkeit, Kontinuität der kosmischen Bewegung war von der Newton-Zeit an primär die Frage und noch weit ins 19. Jahrhundert hinein, wie stabil ist das Sonnensystem? Das war ja die Frage der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, eine Preisfrage, die Poincaré versuchte mathematisch zu lösen und zu beantworten. Also, wie stabil ist das Sonnensystem? Zur Frage des Vertrauens in die Bewegung in Weiterführung dessen, was ich vorhin in kurzer Form angedeutet habe, möchte ich eine ganz kleine Passage hier vorlesen aus dem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“: „Das kollektive Vertrauen in die kosmische Bewegung“, eine Passage, die es nochmal von einem etwas anderen Blickwinkel aus beleuchtet: „Die Bewegung der Himmelskörper erfolgt mit erstaunlicher Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit, und es ist verständlich, dass die antiken Griechen gerade hieraus die Vorstellung abgeleitet haben, dass die Welt zwar im Einzelnen Elemente der Unordnung und des Chaos enthält, aber als Ganzes ein Kosmos, ein System der Ordnung und der Harmonie darstellt. Auch der Begriff der klanglichen oder musikalischen Harmonie wurde zunächst primär aus den Bewegungen der Gestirne abgeleitet. Das alte uranfängliche Chaos schien gebannt, und nun herrschte die kosmische Ordnung. Regelmäßigkeit hat mit Voraus­sagbarkeit zu tun, und das Gefühl der Verlässlichkeit stellt sich ein, wenn man weiß, dass auch morgen die Sonne scheinen und alles seinen geregelten, voraussagbaren Gang gehen wird. Das schafft ein Grundgefühl des Getragenwerdens durch eine übergreifende alles durchwaltende Ordnung. Dieses Grundgefühl als Erbe der antiken Kosmosvorstellung ist auch in der modernen Psyche tief und fast unverrückbar verankert. Was immer der moderne Mensch an ökologischem Chaos anrichtet, welche Gewalt- und Schandtaten er der Erde gegenüber begeht, in der Tiefe kann er sich nicht wirklich und ernsthaft vorstellen, dass ihm der Boden weggezogen wird, dass er abstürzen könnte ins Nirgendwo. Und auch die seit einigen Jahren spürbare kollektive Aufmerksamkeit für kosmische Katastrophen aller Art ist noch kein Symptom dafür, dass sich dieses Grundgefühl fundamental verändert hat.“ Sie wissen ja, dass seit ungefähr den 80er Jahren, seit den frühen 80er Jahren, fast überraschend ein Gefühl aufkam, dass diese Sicherheit der Erde in ihrer Bewegung und überhaupt in ihrer Gegründetheit und Kontinuität jäh unterbrochen und gestört werden könnte durch einen Kometen-Einschlag. Das war über viele Jahre hinweg kein zentrales Thema. Als Immanuel Velikowsky … (** AUDIO-LÜCKE **)

„… Newton tat, ist letztlich die Grundordnung, in diesem Falle Grundstabilität des Sonnensystems und damit auch der Erde so nicht angetastet werden kann. Dass im 18. Jahrhundert allein die Vorstellung eines chaotischen Hagels von Gesteinsbrocken auf der Erde für praktisch unmöglich gehalten wurde, habe ich schon mal in einem anderen Zusammenhang angedeutet. Es war so, dass in einem rational vernünftig verwalteten Universum ein wilder und chaotischer Einschlag von Asteroiden für praktisch unmöglich gehalten wurde und alle Begründungen und Erfahrungen, die es gab, wurden abgewiesen. Der Kometen-Einschlag auf dem Jupiter im Sommer 1994, vielleicht erinnern Sie sich, das war ja ein riesiges Medienspektakel, war für die meisten Menschen eher eine Art Film, den man sich zwar erregt und gespannt, aber doch von der eigenen sicheren Position aus gelassen ansehen konnte, sozusagen die kosmische Katastrophe ist immer am schönsten vom Fernsehsessel aus. Meldungen über Beinahe-Zusammenstöße der Erde mit einem Kometen oder Meteoriten oder Asteroiden häufen sich. Auch weiß man, dass es Einschläge mit verheerenden Folgen gegeben hat, aber das Grundvertrauen in die Verlässlichkeit der kosmischen Ordnung herrscht nach wie vor. Denn was immer an Bedrohung am Horizont aufscheint und welche apokalyptischen Szenarien gemalt werden, die Rotation der Erde bleibt stabil. Die Bahnbewegung des den Menschen tragenden Planeten verläuft ruhig und voraussagbar. Was an chaotischen und schlichtweg monströsen, irrwitzig wirkenden Vorgängen sich da draußen im All abspielt oder abspielen soll, alles ist und bleibt irgendwie Kino und hat gar keine existenzielle und den normalen Tagesablauf prägende Bedeutung. Die psychologischen Muster, die hier greifen, haben ganz unverkennbar Ähnlichkeit mit der verbreiteten Freude an Schrecken und Gewalt und feurigem Spektakel, soweit man Zuschauer bleiben kann, soweit die eigene Existenz nicht unmittelbar bedroht ist.“ Das konnte man im Sommer ‘94 ganz deutlich beobachten, eine ungeheure Erregung, eine kollektive Erregung machte sich breit. Schaurig gespannt wurde dieses Spektakel des Einschlags auf dem Jupiter verfolgt. „Ist das Universum ein freundlicher Ort oder nicht? Für Einstein war das die wichtigste Frage, die man im Leben stellen kann. Fast noch aufschlussreicher ist die Version von Matthew Fox: Können wir dem Kosmos trauen? Beide Fragen, die ja im Kern eine Frage sind, berühren die Frage, was die Gestirne wirklich bewegt.“ Darüber haben wir schon gesprochen. „Sind es gleichsam oder auch tatsächlich uns freundliche Geister, die Erde und Himmel in Gang halten? Geister, denen wir in der Tiefe trauen können, die uns nicht täuschen, nicht betrügen, die uns nicht fallen lassen? Oder ist das Ganze nur mühsam und langfristig auch unzulänglich zu ordnen, gefühltes Chaos, wie es ja in vielen mythischen Denkfiguren gesehen wird?“

Ich habe das Beispiel ja von Bali genannt. „Kurz: Wer herrscht, das Chaos oder der Kosmos? Dass überhaupt so etwas entstehen konnte wie die sogenannte Chaostheorie, ist nur [aus] oberflächlicher Sicht so zu deuten, als würde nunmehr diese Frage in Richtung Chaos entschieden. Die Chaostheorie hat eher dazu beigetragen, das Problem zu ver­wischen, um das es hier geht. Zwar veranstalten Menschen auf der Erdoberfläche Chaos im Sinne von Gewalt, Zerstörung und kollektivem Wahn, aber dieses Chaos ist im Grunde nicht gemeint. Ja, es wird durch die Chaostheorie eher verharmlost. Bei genauerer Betrachtung enthüllt sich das Chaos der Chaostheorie als eine neue modifizierte Form des alten Kosmos-Begriffs, Kosmos als Schönheit, Schmuck und Ordnung. Innerhalb dieses neu- alten Begriffs werden die geometrisch-mathematischen Ordnungsmuster, die allenthalben mit ästhetischem Entzücken betrachtet werden, zu dem, was die Pythagoreer unter Sphären­harmonie verstanden. Sphärenklänge oder heilige Geometrie mittels Computersimulation, darauf läuft es in der Substanz hinaus. Und ähnlich wie in der Systemtheorie feiert auch in der Chaostheorie die Subjektblindheit der abstrakten Naturwissenschaft ihre Triumphe.“

In dem vielleicht interessantesten Buch, was es gibt zur sogenannten Chaostheorie, wir unterstellen mal, dass es so etwas wie eine Chaostheorie gibt, wir haben ja schon mal erwogen, dass es vielleicht eine Mystifikation der Öffentlichkeit ist, unterstellen wir mal, es gäbe so eine Theorie, in diesem vielleicht interessantesten Buch zur Chaostheorie, das nie ins Deutsche übersetzt worden ist, „Chaos, Gaia, Eros“ von Ralph Abraham, einem bedeu­tenden Mathematiker und Mitbegründer dieser sogenannten Chaos-Mathematik, wird zentral Bezug genommen auf die Frage, die hier heute Abend im Mittelpunkt steht: Wie verlässlich ist die kosmische Ordnung? am Beispiel, wie verlässlich ist und wie stabil ist das Sonnensystem? Ralph Abraham outet sich hier, wenn man so will, als Bewunderer, geradezu Fan von Imanuel Welikovsky, von William Whiston und auch, erstaunlich, von Giordano Bruno. Ich bin auf dieses Buch gestoßen, weil ich im Frühjahr 1995 eine Diskussion moderieren sollte, das getan habe zwischen Bodo Hamprecht und Ralph Abraham vor einem größeren Auditorium, und da ist mir dieses Buch in die Hände gefallen. Und ich habe es dann auch gelesen, das eigenartigerweise bis heute nicht in Deutsch erschienen. Ich habe seinerzeit dem Diederichs Verlag das vorgeschlagen, das übersetzen zu lassen, das ist also abgelehnt worden. Warum, weiß ich nicht.

Abraham zählt A Giordano Bruno, B William Whiston und C Emanuel Wilkowski zu seinen, wenn man so will, Vorläufern. Er bringt einen interessanten Gesichtspunkt, der natürlich für mich auch als Bruno-Kenner, Bruno-Forscher, Bruno-Biograph, -Monograph interessant ist, er vertritt nämlich die These, die sehr kühne These, die mir in der Form kaum haltbar zu sein scheint, aber interessant ist sie gleichwohl, dass Giordano Bruno primär deswegen verbrannt worden sei, weil er die Grundüberzeugung von der mathe­matisch fassbaren Stabilität des Universums angezweifelt habe. Bruno war, und das erwähnt auch Abraham, ich habe mich auch mit Abraham darüber unterhalten in Wien, ein scharfer Kritiker der mathematischen Astronomie. Er hatte auf der einen Seite den Kopernikanismus ungeheuer erweitert, kosmologisch radikalisiert, hatte aber die Mathematik als Grundlagen-Wissenschaft kosmischer Ordnung und kosmischer Bewe­gungen im Fundament angegriffen, und zwar dergestalt, dass er meinte, dass alle Bewegungen im Universum, einschließlich, vielleicht sogar primär, der Gestirnbewegungen gewisse Irregularitäten aufweisen, nicht wirklich gleichmäßig sind und folglich auch nicht restlos mathematisch verifizierbar. So war er ja schon zu der These gekommen, dass die Bahnbewegung der Planeten keine Kreisform darstellt.

Abraham zitiert überraschend und eigenartig in seinem Buch eine längere Passage der Theosophin Annie Besant über Giordano Bruno. Auf diese These greift er zurück, die ihrerseits genau diesen Punkt hervorhebt, dass Bruno nämlich die Grundüberzeugung attackiert hat, dass die kosmische Ordnung mathematisierbar sei, was ja die Grund­überzeugung war und dann auch später wurde in der abstrakten Naturwissenschaft seit Galilei. Ich paraphrasiere das mal und übersetze das mal in groben Zügen, diese Passage von Annie Besant über Giordano Bruno. Vielleicht ein kleines Aperçu und eher eine, sagen wir mal, vielleicht Heiterkeit oder Verwunderung auslösende Geschichte, dass Annie Besant der Auffassung war, selbst die Reinkarnation von Giordano Bruno zu sein. Es wurde in theosophischen Kreisen so gehandelt, und auch in anthroposophischen Kreisen wird das ( … ) fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit so weitergetragen. Also Annie Besant hat das immer wieder oder verschiedentlich zu erkennen gegeben, dass sie diese Vorstellung ventiliert. Giordano Bruno in seinem letzten und größten Werk „De Immenso“, „Vom Unermesslichen“, das er kurz vor seiner Inhaftierung geschrieben hat, verneinte die Existenz einer mathematisch fassbaren Ordnung in der Natur und der Stabilität des Sonnensystems. Er erklärte das mit der unvollkommenen astronomischen Beobachtung und die davon ausgegangen waren, dass die himmlischen Körper sich in Kreisen bewegen und wieder zu ihrer Ursprungsposition zurückkehren, „in the long run return to the original position“. Er wies darauf hin, dass die astronomischen Bewegungen unvorstellbar komplex sind, insofern nicht restlos mathematisierbar. Der Glaube an eine simple und reguläre Bewegung der Planeten, so fuhr er fort, sei Täuschung und ein Abkömmling astrologischen Denkens, „the luxury product of astrological thinking“. Es ist notwendig, die Astronomie von diesen platonischen, astrologischen und pythagoräischen, metaphysischen Annahmen zu befreien, sagte er. Und das zitiert Ralph Abraham als Beispiel für, einen ersten Hinweis darauf, dass dieses Stabilitätsdogma in der Form nicht gültig sei und behauptet allen Ernstes, was recht wagemutig ist, um nicht zu sagen auch absurd, dass Bruno deswegen auf dem Scheiterhaufen gelandet sei.

Was für diesen Kontext unseres Themas interessant ist, ist ein Mann, der ein Zeitgenosse von Newton war, ein Mann namens William Whiston, der mit Newton eine Kontroverse über Kometen hatte. Ich habe das auch erst relativ spät erfahren und es in meinem Buch nicht gebracht, dass Newton seine legendären „Principia“ auch in diesem Kontext gesehen hat, unter anderem in seiner Kontroverse mit Halley, nach dem der berühmte Komet, der eine 76-jährige Umlaufzeit hat, ja benannt ist. Halley hatte verschie­dene Überlegungen angestellt, was Kometen seien, welche Bahn Kometen haben und hatte Newton quasi gedrängt, zu dieser Frage eingehender Stellung zu nehmen. Und William Whiston, ein vollkommen unbekannter Mann, also kaum einer kennt mehr den Namen, in den meisten Physikbüchern oder in Geschichtsbüchern der Naturwissenschaft taucht er überhaupt nicht auf, eine Generation jünger als Newton, war zunächst ein begeisterter Newton-Schüler und hatte die Thesen vertreten, die sich in drei zentralen Sätzen zusammenfassen lassen, im Jahre 1694.

Nach Whiston war die Erde ursprünglich ein Komet, ein quasi chaotischer Irrläufer, der die Sonne in einer extrem exzentrischen, chaotischen Bahn umlief. Zweite zentrale These: Zu einem bestimmten Zeitpunkt entschied Gott, „God decided to make earth a planet with a circular orbit“, zu einem bestimmten Zeitpunkt entschied sich Gott dafür, dem Planeten eine kreisförmige Bahn anzuweisen, zunächst mit einer Periode von 360 Tagen. Dritte These schließlich: [es] schlugen andere Kometen, gelenkt von Gott, „guided by God“, „crushed against Earth“, also andere Kometen, gelenkt von Gott, rätselhafterweise, „crushed against Earth“, schlugen also auf die Erde auf, „causing the flood“, verursachten die große Flut, denken Sie an Alexander Tollmann und andere, verursachten die große Flut, die Schrägstellung der Erdachse, die Exzentrizität der Erdbahn und so die Jahreszeiten und auch die tägliche Rotation der Erde und den Zyklus von Tagen und Nächten. Das Sonnen­jahr änderte sich von 360 auf 365 Tage. „Halley secretly shared this view“, Halley war im Geheimen auch dieser Überzeugung.

Das war eine Grundüberzeugung, die nach Newton nicht akzeptabel war. Newton hat scharf, schroff und vehement dagegen protestiert, dass es eine chaotische Vorform des Sonnensystems gegeben haben soll, dass also die Erde einst ein Komet gewesen sein soll, und das durch einen Einschlag eines gewaltigen Himmelskörpers, der die Flut verursachte, auch die jetzige Ordnung hergestellt sei. Sie werden sich erinnern, ich habe das damals gesagt, dass die Polemik, schroffe Polemik von Leibniz und der Leibnizianer gegen Newton ja immer darin bestand, dass Newton nicht auskam ohne göttliche Eingriffe in die Ordnung des Sonnensystems. Leibniz hat darüber gespottet. Newton nimmt einen Uhrmacher an, einen göttlichen Uhrmacher, zwingt diesen Uhrmacher aber, sein Uhrwerk immer wieder neu aufzuziehen. Das ist eine Frage, die Newton immer wieder beschäftigt hat, gerade auch diese Kometen als ja nicht so leicht einzuordnende Himmelskörper, und das hat ja dann im 18. Jahrhundert zu der Auffassung geführt, dass quasi chaotische Bahnen im Sonnensystem nicht geschehen, nicht Platz greifen durften.

Whiston wird hier als ein Vorläufer der Chaostheorie und des Immanuel Velikovsky dargestellt, der letztlich eine ganz andere Ordnungsidee des Sonnensystems im Kopf gehabt habe. Und es ist interessant, wenn man einen Blick ins 19. Jahrhundert wirft und die Fragen, die ich ja in der Stunde vor der Pause angedeutet habe, dann kommt man zu der Frage der Irregulärität der Planetenbahnen.

Ich habe ja das Beispiel des Merkur genannt, ich habe auch angedeutet, dass alle Planetenbahnen eine gewisse Irregulärität haben. Und dann ist die Frage, was die eigentlichen Gründe dafür sind und welche Ordnungsprinzipien dahinter stehen. Das war ja am Beispiel des Merkur nur besonders signifikant geworden. Im Prinzip kann man sehen, man kann zeigen, dass alle Planeten unregelmäßige Läufe haben, und es war eine der Theorien, unter anderem vertreten von dem Astronomen Leverrier, darauf auch die sogenannten Eiszeiten zurückzuführen.

Ich habe eine kleine Passage noch hier einzufügen, das wollte ich ursprünglich in das Buch mit aufnehmen, habs dann nicht getan. Nochmal zu dieser Frage, ich lese das einfach mal vor, es ist dann also ausgeschieden worden von mir, gehört aber hier hinein: „Wie stabil ist unser Sonnensystem? Die von Poincaré gegebene Antwort, Hinweis auf das 3-Körper-Problem, das nicht lösbar ist, also alle Differentialgleichungen scheitern daran, es ist nicht lösbar, wurde erst durch die Chaostheoretiker der 60er Jahre unseres Jahr­hunderts aufgegriffen. Von der Schulmechanik aus war sie erstaunlich, aber im Ganzen doch eher milde. Vergleichsweise milde sind auch die aus Computersimulationen abgeleiteten Überlegungen vieler Chaos-Theoretiker über die Instabilität des Planeten­systems, das ist durchgerechnet worden für einzelne Gestirne, dass von bestimmten Punkten an das Ganze in geordnete Bahnen hinein kippen kann. Instabil werden die Planetenbahnen erst in riesigen Zeiträumen, die die überlieferte menschliche Geschichte weit übersteigen. Das lässt genügend Raum für die Überzeugung, dass das Sonnensystem prinzipiell und bezogen auf die menschliche Zeiterfahrung stabil ist, also keine weitreichenden oder dramatischen Veränderungen erfährt. Nun berichten sämtliche Überlieferungen der Menschheit aus den verschiedensten Teilen der Erde von einer oder gar von mehreren kosmischen Katastrophen, und zwar von Menschen erfahrenen Katastrophen, die wie Endzeitszenarien gewirkt haben müssen und als kollektives Trauma im Gedächtnis der Menschen bewahrt wurden, ehe sie der völligen Vergessenheit anheim fielen oder als ferne Sagen verblassten.“ Das ist ja eine zentrale These von Alexander Tollmann, dem Geologen in seinem Buch „Und die Sintflut gab es doch“ von 1993, der ja meint, dass der Impakt, den er annimmt, als Verursacher der Sintflut vor neuneinhalb tausend Jahren stattgefunden hat und der einen kollektiven Schock in der Menschheits-Psyche bedeutet hat, der sich in sämtlichen Mythologien und religiösen Systemen der Menschheit nachweisen ließe, bis in die Johannes-Apokalypse hinein und so weiter. Die verbreitete Kometenfurcht wird damit zusammenhängen. Die Art der Katastrophen lässt darauf schließen, dass es dramatische und wahrhaft grundstürzende Veränderungen im Lauf der Gestirne gegeben hat. Wenn man die mythologischen Texte daraufhin anschaut, das tut Velikovsky in verschiedenen seiner Bücher, dann kann man das schließen. Also dass es dramatische und wahrhaft grundstürzende Veränderungen im Lauf der Gestirne gegeben hat, Stillstand der Sonne, also Stopp der Erdrotation, Umkehrung des Sonnenlaufs, die Erde dreht sich in die entgegengesetzte Richtung, Veränderung der Anzahl der Erddrehungen pro Jahresumlauf, Auftauchen neuer Gestirne oder eines neuen Gestirns, verbunden mit Gesteinshagel, Feuersbrünsten und globalen Überschwemmungen, auch mit dem Impakt eines oder mehrerer Asteroiden.

Mächtige Sturmböen müssen die Stabilität des Sonnensystems einmal oder mehrere Male gefährdet haben und zwar, und das ist jetzt wichtig, keineswegs in fernster menschenloser Vergangenheit, sondern vor wenigen Jahrtausenden, innerhalb des Zeit­rahmens der relativ sicher überschaubaren menschlichen Geschichte. Das ist wichtig. Es geht also nicht um kosmische Katastrophen in einer fernen Vergangenheit, die für Menschen irrelevant ist, sondern einer Vergangenheit, die in der überschaubaren menschlichen Geschichte verortet ist. Man staunt, wenn man sich der Mühe unterzieht, die Bücher von Velikovsky zu lesen, wie nah diese Katastrophen hier geschichtlich angesiedelt werden. Gelegentlich ist der Gedanke geäußert worden, der jetzige Erdmond sei ursprüng­lich ein Planet zwischen Mars und Jupiter gewesen und aus seiner Bahn ausgeschert, von der Erde eingefangen worden. Mitgerissene Gesteinsbrocken aus dem Asteroidengürtel könnten dabei hier eingeschlagen sein und verheerende Verwüstungen angerichtet haben. Das Einfangen des einstigen Planeten durch die Erde könnte hier die große Flut ausgelöst haben. Wenn es so stattgefunden hat und dafür gibt es Indizien, wann geschah es? Welche Auswirkungen hatte es auf die Bewegungsvorgänge der Venus oder des Merkur? Diese müsste es gegeben haben, auch schon von den herkömmlichen Prämissen aus, aber wie groß waren sie? Die Merkur-Rosette hatte wohl nicht die Muße sich in Ruhe aufzubauen.“ Das bezieht sich auf die angedeutete Allgemeine Relativitätstheorie, wo ja eine Art Rosettenbahn des Merkur unterstellt wurde. Man kann polemisch sagen, dass die Einsteinsche Frage, wie vertrauenswürdig das Universum ist, auch ja eine Frage ist nach der Vertrauenswürdigkeit bestimmter mathematischer Modelle, die ja schlagartig aus den Angeln gehoben würden, wenn es solche chaotischen Vorgänge in einer relativ nahen Vergangenheit gegeben hat. Denn natürlich wird angenommen, in all diesen Modell­vorstellungen, dass ein riesenhafter Zeitraum zur Verfügung steht, um diesen Ordnungen eine eigene Bahn zu verschaffen.

Wenn man annehmen würde, dass zum Beispiel vor wenigen Jahrtausenden die Grundordnung des Sonnensystems auf eine fundamentale, auf eine grundstürzende Weise verändert worden sei durch eine wie immer geschaffene kosmische Katastrophe, dann müsste man vollständig umdenken. Dann müsste man auch ganz anders herangehen an die Frage der Zeiträume, das macht übrigens auch Velikovsky, er ist nicht der Einzige, aber er macht es auf eine faszinierende Weise, und auch da, meine ich, ist viel an Einsicht und Erkenntnis abzuleiten. Viele Zeiträume, fast die meisten Zeiträume, die meistens angegeben werden, sind Fiktionen, man soll sich da überhaupt keinen Illusion hingeben. Ich behaupte sogar, sämtliche astro-physikalischen Zeitangaben sind pure Fantasie. Der empirische Zeitrahmen, den wir zur Verfügung haben, ist minimal. Wir haben ein winziges Zeitfenster, wir haben einen winzigen Beobachtungszeitraum, innerhalb dessen wir überhaupt solche Dinge halbwegs plausibel machen können. Die Annahme solcher gigantischen Zeiträume, innerhalb derer sich quasi nichts verändert hat oder haben soll, sind erstaunlich. Zumal dann auch immer noch unterstellt wird in all diesen Theorien, dass der Zeitablauf letztlich ein mehr oder weniger überraschungsloser Zeitablauf ist, dass also tatsächlich wir überhaupt berechtigt sind, von dem winzigen Zeitfenster, was wir kennen, bis in fernste Vergangenheit oder gar Zukünfte hinein zu extrapolieren. Auch das ist eine Annahme, die in keiner Weise empirisch gestützt ist. Insofern kann man wirklich sagen, dass sämtliche Zeitangaben revisionsbedürftig sind. Ich halte sie samt und sonders für pure Fantasie.

„Das Buch „Chaos, Gaia, Eros“ des Mathematikers Ralph Abraham enthält drei Hinweise, die für die Stabilität oder Instabilität des Sonnensystems wichtig sind. Den Hinweis auf Giordano Brunos Kritik an der mathematischen Astronomie“, das habe ich schon genannt, obwohl es kühn ist, Bruno in diesem Sinne zum Vorläufer dieser Art von Chaostheorie zu machen. Ich glaube, das ist nicht haltbar. „Den Hinweis auf die Chaostheorie, in Anführungszeichen, des Newton Zeitgenossen William Whiston“, es war ja eine Kataklys­men-Theorie, eine Katastrophen-Theorie „und den Hinweis auf die Katastrophen-Lehre von Immanuel Velikovsky. Bruno, Whiston und Velikovsky werden von Abraham angeführt, um die eigene These von der Nicht-Stabilität des Sonnensystems zu unter­mauern.“ Das versucht er in diesem Buch eigentlich als eine zentrale Aussage nachzu­weisen, dass das Sonnensystem nicht stabil ist und dass wir damit rechnen können, dass vollkommen überraschend, quasi wie aus dem Nichts heraus auch die so vertraut scheinenden Elementarbewegungen im Kosmos jäh geändert werden könnten.

„Abrahams Chaosbegriff in dem erwähnten Buch ist nicht eindeutig. Abraham meint wirkliches Chaos, Chaos im Gegensatz zum Kosmos höherer Ordnung und schöpferischen Eros zugleich, mal mehr das Eine, mal mehr das Andere.“ Das ist wieder eine Schwäche dieses Buches, ein vollkommen verwaschener, vager, man kann auch sagen, verblasener Begriff von Chaos. Einmal soll es sein wirklich der Gegenpol zur Ordnung des Kosmos, dann wird die Ordnung wieder negativ gesehen, als eine Art von starrer Ordnung, dann meint es wieder eine Art weibliche kosmische Energie, deswegen auch „Chaos, Gaia, Eros“, er bezieht sich da auf die Hesiodsche Kosmogonie, also Weltschöpfungslehre. Und dann meint es eigentlich eine Art von anderer Ordnung, höherer Ordnung, also wirklich als Gegenpol zum Kosmos höherer Ordnung und als eine Art von Eros-Prinzip im Kosmos. Das führt dann zum Teil zu fast heiteren oder kabarett-ähnlichen Aussagen, dass dann also die Weiblichkeit, dass der Zuwachs an weiblicher Energie, an weiblichem Bewusstsein gleichbedeutend sei mit der Wiederbelebung, Wiederentdeckung des Chaos, sprich kosmischer Ordnung. Und das geht heillos durcheinander. Das ist schade, weil das Buch eine ganze Reihe faszinierender Aspekte enthält. Diese Verschwommenheit ist eher hinderlich. Und das mag vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass das Buch bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. Kann sein, dass die Lektoren, wenn sie das Buch lesen, erst einmal auf diese Dinge stoßen und meinen, das könnte man einem Publikum nicht ohne Weiteres zumuten.

Noch eine kurze Passage hier aus dem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“: „Die Achse des Kosmos-Vertrauens ist die Bewegung, genauer die Bewegung der Erde und der für die Erde relevanten Himmelskörper. Hierauf basiert alles. Würde diese Bewegung einen Moment nur für Jedermann sichtbar und spürbar gestört, also entweder rasend beschleunigt oder jäh zum Stillstand gebracht, wäre das Vertrauen, und zwar unwieder­bringlich, dahin.“ Das würde ich sagen, würde das geschehen, wäre das Vertrauen endgültig dahin, und zwar grundlegend dahin, wahrscheinlich für lange Zeiträume, „denn das würde die menschliche Existenz aus den Angeln heben, die conditio sine qua non ihres in-der-Welt-Seins für immer ruinieren. Schon ein Asteroiden-Einschlag mit all seinen bislang nur theoretisch bekannten desaströsen Folgen wäre ein Schock für die Erdbewohner. Aber auch dieser Einschlag vollzöge sich im Rahmen dessen, was gemeinhin für Naturgesetze gehalten wird. Bei aller Furchtbarkeit, die Naturgesetze wären nicht verletzt oder für ungültig erklärt worden. Im Gegenteil, sie würden sich auf schauerliche Weise bestätigen und auswirken. Der Schock, den eine technische Groß-Katastrophe auslöst, ist ganz anderer Art. Nicht nur, dass er, wenn er nicht eine große, sehr viele Menschen betreffende Region betrifft, kollektiv das Vertrauen in die Technik nur kurzfristig erschüttert, wie wir alle ja wissen. Darüber hinaus bestätigt auch die technische Katastrophe das Gesetzmäßige des Universums, so wie sich hier auf der Erde manifestiert. Auch ein Erdbeben oder eine Flutkatastrophe kann zwar das Vertrauen in die Menschenfreundlichkeit oder Güte der kosmischen Ordnung oder den Glauben an einen gütigen Gott untergraben, aber beides bleibt dennoch im Rahmen.“ Das heißt, es zersprengt nicht den Rahmen selbst, und von diesem Zersprengen des Rahmens rede ich. „Mit einem Wunder dieser Größenordnung rechnet keiner buchstäblich und metaphorisch. Und dabei kann aus gleichsam didaktischen Gründen hier außer Betracht bleiben, dass natürlich ein derartiges Großereignis grund­stürzender Art die Folge von Naturgesetzen sein kann, die wir bislang nicht kennen.“ Das muss man annehmen. „Also auch die Verkürzung der Rotationsdauer der Erde von 24 auf 12 Stunden oder ein vorübergehender Stopp der Bahnbewegung um die Sonne kann oder könnte in einem größeren, uns bis dato nicht zugänglichen Rahmen erklärbar sein.“

Man müsste dann ganz neue Ordnungs- und Erklärungsprinzipien heranziehen, was durchaus möglich ist. Im herkömmlichen Sinne ist es nicht erklärbar. Also das Vertrauen in den Kosmos, auch wenn dieser sich nicht für unser Wohl und Wehe zu interessieren scheint, basiert auf der Tag für Tag sicher erneuernden Erfahrung, ja Gewissheit, dass der kosmische Wind, der das Raumschiff Erde bewegt, um die eigene Achse und um die Sonne nicht unerwartet aus einer anderen Richtung bläst oder seine Intensität je ändert. Wir alle haben ein tiefes, unerschütterliches Vertrauen in die im Prinzip stabile Ordnung der äußeren Dinge, die sich in der Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit der erfahrbaren kosmischen Bewegung spiegelt, nicht ausschließlich, aber hier mehr als anderswo. ‒

Also, in den letzten Jahren, ich sagte es schon, seit den 80er Jahren, hat die Vorstellung einer möglichen Katastrophe der Erde eine erstaunliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine kollektive Erregung ist spürbar bis in die simpelsten Machwerke der Filmindustrie hinein, dass eine Katastrophe möglich ist, ja dass sie vielleicht sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat. Tollmann, Alexander Tollmann, der Geologe aus Wien, hat ausgerechnet, dass so ein Ereignis alle 10.000 Jahre passieren könnte. Er glaubt nun und verkündet, dass seit Jahren, viele meinen, er habe sich dadurch eigentlich eher lächerlich gemacht, er verkündet seit Jahren, dass wir kurz vor einem neuen Impakt, einem neuen Einschlag auf der Erde stehen. Er hat schon in seinen früheren Schriften Szenarien entwickelt, wie dieser Impakt aussehen würde und was er bedeuten würde. Man muss vielleicht sagen … noch kurz zu Tollmann, dass er in seinem letzten Buch, das in einschlägigen Kreisen eher bespöttelt wird, die These ja auch vertreten hat, dass der Komet-Impakt, der jetzt kommen könnte, tatsächlich, wie er das auch nennt, ein Endzeit-Impakt ist, das heißt, dass dies tatsächlich die finale, die ultimative Katastrophe ist und damit auch das Ende der Menschheitsgeschichte in dieser Form. Und er hat sich da auf eine eigenartige, befremdliche Weise vollkommen festgelegt, dass es jetzt in nächster Zeit eintreten müsste. Es kann ihm ja nicht daran gelegen sein, seine These verifiziert zu bekommen, dann kann er diese Freude nicht mehr genießen, dass seine These stimmt, das kann er nicht. Aber er vertritt sie mit einer Vehemenz, die staunenswert ist in einem immerhin dicken Buch, was in diesem Jahr erschienen ist.

(** HIER EIN EINWURF/EINE FRAGE AUS DEM PUBLIKUM ** Es geht um eine Beinahe-Kollision)

Es hat verschiedene solcher Beinahe-Kollisionen gegeben, auch eine berühmte Beinahe-Kollision, ich glaube am 23. März 1989. Das ist dann immer, das wird natürlich klar, wie reagieren die Medien auf solche Dinge? Tollmann meint, wenn dieser Einschlag kommt, werden ihn alle für unmöglich halten. Sie werden das, was sie wahrnehmen, ablehnen, herunterspielen, bagatellisieren, in irgendeiner Form abwenden wollen, geistig, psychisch, auf jeden Fall nicht anerkennen wollen. Es hat immer häufig solche Beinahe-Zusammenstöße gegeben, übrigens auch, wie ich von Ralph Abraham weiß, allerdings habe ich keine Belegstellen gefunden, er behauptet das zumindest, dass der Komet Halley zur Lebzeit Newtons und Halleys auch eine Beinahe-Katastrophe ausgelöst habe. Er bezieht sich auf verschiedene Quellen. Und es ist ja vielleicht bekannt, dass 1910, als der Halleysche Komet in ganz Europa und Nordamerika, aber auch anderen Teilen der Erde Furore machte, auch sogenannte seriöse Wissenschaftler der Auffassung waren, die Erde könnte durch den Kometenschweif gehen und einer großen Katastrophe entgegensehen. Also das ist richtig, es hat diese Beinahe-Kollisionen auch in jüngster Zeit immer wieder gegeben und eine Aufmerksamkeit ist entstanden, die ja erstaunlich ist. Ganze Sendungen hat es darüber gegeben in den letzten vier, fünf Jahren über die Anzahl dieser Beinahe-Kollisionen.

Nun kann man natürlich fragen, warum hat es dann doch nie diese in einer uns überschaubaren Zeit, diese furchtbare Impakt-Katastrophe gegeben? Das führt natürlich auf eine noch tiefergehende Frage überhaupt. Was sind diese Katastrophen? Was bedeuten sie? Sind das blinde Vorgänge im Universum, die uns quasi ereilen? Oder haben diese Vorgänge in einem tieferen Sinne, auf einer tieferen Ebene auch was mit uns zu tun? Das rührt dann an Grundfundamente unseres In-der-Welt-Seins, unseres Im-Kosmos-Seins. Was ist das, diese Art, ist es wirklich ein Vabanque-Spiel, ein Lotteriespiel, das so oder anders ablaufen kann, oder stecken tiefere Vorgänge dahinter?

Diese Frage hat natürlich auch schon viele im 18. Jahrhundert beschäftigt, natürlich auch Newton. Denken Sie auch an das, was ich zitiert habe von Whiston. Whiston meinte ja die Kometen, auch ihre verheerenden Wirkungen, sind von Gott gesteuert. Was heißt das? Man kann natürlich sagen, es gibt sozusagen antagonistische Prinzipien im Kosmos, die sich mal zu der einen, mal zu der anderen Seite hin neigen, quasi ein ewiges, dauerhaftes Ringen zwischen Kosmos und Chaos. Dann wäre der Kosmos nicht einfach naiv als eine quasi Kosmos-Idylle zu betrachten, auf die man beliebig vertrauen könnte. Dann könnte es ja auch sein, wenn man solche Gedanken dann einmal überhaupt zulassen möchte, sie überschreiten nun wahrlich den herkömmlichen Diskurs, und ich sage mit aller Vorsicht, dann könnte es ja auch so sein, dass tatsächlich auch Bewusstsein hier eine entscheidende Rolle spielt.

Wenn es so ist, wie ich verschiedentlich sage, dass das Universum auch ein bewusstes Universum ist, ein alllebendiges Universum, warum sollten da nicht auch Bewusstseinsenergien der Menschheit hierauf Einfluss haben? Wenn Chaos-Theoretiker davon fabulieren, sage ich mal, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbel­sturm auslösen kann, warum soll nicht auch ein Gedanke, warum sollen nicht auch Gedanken von Menschen als eigene kosmische Energien in den näheren oder weiteren Raum hineingetragen werden und diese Vorgänge mitbestimmen? Das müsste so sein, wenn man denn überhaupt von einer in diesem Sinne gedachten Einheit des Universums ausgeht. Wenn man den Gedanken dann überhaupt zulassen müsste oder könnte, wollte, dann müsste man fragen in einem weiteren Schritt: Was sind diese Gedanken? Wie werden sie durch den Raum transportiert und welche Auswirkungen haben sie?

Eine schwierige Frage, die in dem Zusammenhang nur zart angedeutet werden kann. Ich habe das ja schon mal vor einigen Wochen erwähnt, dass es ja auch weitreichende Theorien gibt darüber anzunehmen, dass Gedanken tatsächlich wirksame, also Gedanken, von Menschen gedachte Gedanken, wirksame Faktoren sind im Universum. Novalis sagt, Gedanken sind wirksame Faktoren des Universums. Das kann man auch noch weiter­denken. Wenn das so ist, dann müsste das auch mit uns zu tun haben. Dann ist man natürlich in einem vollkommen anderen Kontext. Und das ist schwierig. Bei all diesen Katastrophenszenarien, die dann natürlich auch Grundsatzfragen berühren, etwa die nach der menschlichen Freiheit. Ist das veränderbar? Wenn ja, wie? Denken Sie an diese Filme, die es gegeben hat, dass irgendwelche technischen Mittel dann gefunden werden, um diese Einschläge abzuwenden und die Menschheitskatastrophe zu verhindern. Man ist da in einem sehr schwierigen Feld gelandet, und das wirft eine Fülle von Fragen auf, denen man sich stellen muss und denen sich auch Tollmann in gewisser Weise stellt.

Velikovsky, soweit ich es richtig verstanden habe, eher weniger, obwohl seine Bücher hochinteressant sind, auch faszinierend, auch hochspekulativ in vielerlei Hinsicht, aber doch, sie haben einen Erklärungswert für viele Phänomene, die in der herkömmlichen Astronomie und Astrophysik und Bewegungslehre einfach nicht erklärt werden können. Ich möchte eigentlich noch weiter machen, sehe aber an der Zeit, dass wir ins Gespräch kommen müssen. Ich habe den Bogen jetzt nicht so weit gespannt, wie ich es eigentlich wollte. Das hing damit zusammen, dass ich diese Fernsehsendung zu ausführlich vielleicht behandelt habe. Denken Sie an das, was an der Tafel ist, aber das war mir doch wichtig, weil diese Grundfragen nach Licht und Gravitation, wie sie ja hier zum Ausdruck kamen, auch diese Fragen berühren. Ja, auch die Frage nach den Bewegungsprinzipien der Gestirne. Was treibt denn die Gestirne voran? Sind das blinde Kräfte? Sind das in irgendeiner Form bewusstseinsbegabte Kräfte, was Newton mit gewissen Abstrichen ja annahm, er sagte ja, dass „forces“ fast identisch sein mit „spirits“ ‒ sind das „spirits“? Wenn ja, wie sehen diese „spirits“ aus? Sind die bewusstseinsbegabt oder sind sie bewusstseinsblind? Und was hat das zu tun mit unserem Bewusstsein? Welchen Einfluss haben wir auf die Bewegung? Man könnte ja einen sehr extremen Gedanken sogar wagen, der nun sehr weitgehend ist, zu sagen, dass auch wir, unsere Gedankenenergien vielleicht Garanten dafür sein könnten, dass die kosmische Ordnung so weiter existieren kann, wie sie existiert. Wir könnten Mitspieler sein, wir müssten eigentlich auch Mitspieler sein, wenn die These von dem bewussten Universum denn gilt, dann müsste sie eigentlich auch universal gelten. Dann können wir nicht plötzlich sagen, wir nehmen uns da raus, wir sind nur Zuschauer. Das kann nicht sein. Wenn die These stimmt, sind wir Mitspieler. Und dann müssten wir auch bei solchen Geschehnissen in irgendeiner schwer durchschaubaren Weise Mitspieler sein.

Übrigens, das streitet Tollmann rigoros ab. Er ist natürlich gefragt worden, immer wieder: Könnten wir das verändern, könnten wir das verhindern? Er meint, nein, das sei nicht zu verhindern zu sagen, alle Gedankenenergien können diese Katastrophe, die irgendwann sich ereignen könnte, nicht verhindern.

Gut, ich will das erst mal so weit stehen lassen, auch wenn ich den Bogen jetzt nicht so weit gespannt habe. Ich denke, wir können erst mal an der Stelle vielleicht noch ein paar Fragen behandeln. Ich sage es noch einmal thesenhaft. Die Frage ist wirklich dabei: Was hat eigentlich die Prädominanz? Was heißt Ordnung? Wie kann kosmische Ordnung verstanden werden, und welchen Anteil haben wir daran? Und wie sieht es mit Bewusstsein aus? Sind das blinde Prinzipien, die uns nicht kennen, die von uns nichts wissen, die wir auch nicht kennen als seelisch-geistige Wesen? Oder sind das Zusammenhänge, bei denen unser Bewusstsein mitspielt, wo wir in irgendeiner Form auch eine Einflussmöglichkeit haben? Das, wenn es so wäre, würde uns ja erst die kosmische Würde, wenn wir von der ausgehen wollen, geben. Denn wenn wir nur Beobachter sein könnten, quasi abwarten müssten, was passiert, wo wäre dann diese kosmische Würde? Sie wäre eigentlich dahin.

* * * * * * *

Licht und Bewusstsein III

Licht und Schwere

Vorlesungsreihe:

„Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 29

Transkript als PDF:

* * * * * * *

Ich habe Ihnen vor 14 Tagen den Welt-Äther vorgestellt, wenn man das so sagen kann oder möchte, und ich habe mit Ihnen die Fragen ventiliert, die man in dem Zusammenhang stellen kann: Wie könnte man einen Welt-Äther oder Welten-Äther denken? Wie kann man das sich vorstellen? Welche Überlegungen gibt es in dem Zusammenhang? Ich habe Ihnen auch meine eigenen Überlegungen hier vorgestellt, was ich mir in vielen Jahren des Nachdenkens über die Frage erarbeitet habe oder zu haben glaube, was möglicherweise dieser Welt-Äther ist. Dann haben wir über die Frage gesprochen, wie man den sogenannten Licht-Äther und den Raum-Äther miteinander in Beziehung bringen kann. Und da war am Ende eine Frage aufgetaucht, die ich ganz kurz aufgreifen möchte. Eine Dame, die irgendwo hier vorne saß, hat halblaut gesagt, aber ich habe es trotzdem gehört: Ich hätte nicht deutlich genug das Phänomen der Ätherdichte erklärt. Ich habe das versucht, aber offenbar nicht mit Erfolg für alle. Insofern will ich das jetzt nochmal in aller Knappheit sagen.

Ich hatte ja am Ende, als die Frage nach der Dichte aufkam, nochmal daran erinnert, dass die Licht-Äther-Frage im 19. Jahrhundert verbunden war mit einem physikalischen Paradoxon, nämlich dergestalt, dass man annehmen musste, dass dieser physikalisch fassbare Äther, wenn er dann existiert, auf der einen Seite eine extreme Feinheit haben müsste, unsagbar viel feiner als das feinste Gas, und auf der anderen Seite eine unvorstellbare Dichte haben müsste, um ein Vieltausendfaches größer als Stahl. Das hat man im 19. Jahrhundert weitgehend ausgerechnet, und das war verwirrend, weil damit ein Stoff oder Quasi-Stoff oder feinster Stoff angenommen werden musste, der allen herkömmlichen Kategorien von Stofflichkeit widersprach. Also ein Stoff, der zugleich alles durchdringt, eine allgegenwärtige, die gesamte Materie durchdringende Wesenheit, und auf der anderen Seite aber ein Stoff, der von unvorstellbarer Intensität und Dichte ist.

Und ich habe Ihnen das versucht darzustellen an einer Vorstellung, die ja für mich zentral ist, der Vorstellung des Radialfeldes. Das war am Ende der letzten Stunde vor 14 Tagen, dass, wenn man die Vorstellung zulässt, dass man eine Kugel auch verstehen kann als eine unendliche Ansammlung von Radien, die von einem Mittelpunkt ausgehen, dann müsste man zu zwei Schlussfolgerungen kommen, rein logisch-mathematisch: dass auf der einen Seite diese Radien unendlich dicht sein müssten. Es dürfte ja quasi keine Lücke geben. Jede Lücke, die man zeichnerisch, graphisch verdeutlicht, wäre ja nur eine Verbildlichung einer im Grunde genommen unendlich dichten und kompakten, mit unendlich vielen Radien angefüllten Kugel oder Strahlungskugel. Das Paradoxon besteht darin, dass man auch gleichzeitig annehmen müsste, wenn die Kugel, wie groß sie immer gedacht wird, sich entfaltet aus einem Punkt, dann, gemäß dem reziproken Quadratgesetz eine Abnahme der Dichte mit dem Quadrat der Entfernung zu beobachten ist. Das ist ein logisch-mathematisch nicht aufzulösender Widerspruch, der aber aus allen Strahlungsvorgängen, die wir kennen, die von einer punktförmigen Strahlung ausgehen, leicht plausibel gemacht werden kann. Ich habe Ihnen versucht zu erläutern, dass man hier mit einigen Abstrichen den Begriff der „Quasi-Unendlichkeit“ anwenden könnte. Ich habe diesen Begriff in meinem Buch mehrfach verwendet. Ich habe ihn übernommen von Ervin Laszlo, obwohl er eigentlich ein logisches Unding ist, ein Widerspruch in sich selbst, entweder unendlich oder endlich. Es kann keine Quasi-Unendlichkeit geben. Mit Quasi-Unendlichkeit meine ich eine fast oder beinahe Unendlichkeit. Eine Unendlichkeit der Dichte, die so weit vorangetrieben ist, dass sie für unser Vorstellungsvermögen quasi jenseits jeglicher Endlichkeit sich befindet. Und das kann man denken, wenn man ein Radialfeld als Kugel verstanden zum Mittelpunkt weiterdenkt.

Und das ist eine der erstaunlichsten Fragen, die in dem Zusammenhang immer aufbrechen: Was passiert im Zentrum, im Strahlungszentrum einer derartigen Quelle von, sagen wir mal, Energie oder Äther-Energie, wie immer? Hier müsste ein Umschlag passieren, ein qualitativer Sprung von äußerster Dichte zu einem Sich-Auflösen der Materie, zu einem Zerstrahlen vom Zentrum aus. Sie wissen vielleicht, dass diese Fragen im Zusammenhang mit der sogenannten Nullpunkt-Energie, in der auch in einigen Überlegungen zum Quanten-Vakuum eine entscheidende Rolle spielen. An allen wichtigen Punkten treten Unendlichkeitswerte auf. Das ist sogar in der Quanten-Elektrodynamik der Fall. Jedes Elektron hat genau genommen, wenn man es als punktförmig, als winzigste Kugel imaginiert und als Quelle von Energie ansieht, eine unendlich große Energie und müsste sozusagen implodieren oder kollabieren. Es gibt mathematische Tricks, mittels deren man dann diese Unendlichkeit eliminieren kann, aber die Frage bleibt.

Genauso hat man ja Versuche unternommen, das habe ich ja auch angedeutet, die Energiedichte des absoluten Vakuums auszurechnen und ist zum Teil zu abweichenden, aber doch für die menschliche Vorstellung geradezu monströsen Werten gekommen. Also das ist eine Frage, die die Physik beschäftigt: die quasi unendliche Dichte, ich sage es noch mal mit allen Abstrichen, des Raums, auch verstanden, das habe ich Ihnen auch versucht darzustellen, als Vakuumenergie oder Raumenergie.

Und das müssen Sie zusammendenken. Sie müssen also unterscheiden zwischen der sinnlich-physischen Dichte, dem Widerstand, der sich aufbaut, wenn ein lebendiger Leib auf ein Hindernis stößt, das ist eine physisch-sinnliche Widerstandsfähigkeit quasi der Materie, das ist das Eine. Das ist für unsere Leiberfahrung Dichte, während es vom Feld aus gesehen, von der Raumenergie aus gesehen, äußerste Auflockerung ist, geradezu ein schaumartiges Etwas, was wie ein Nebel durchschlagen wird von dieser quasi unendlichen Raum-Energie, die damit als feinste Strahlung vorgestellt werden kann, die Materie wie ein Nichts, oder wie gesagt, wie ein Nebel, durchdringt. Und damit ist man auf einer ganz anderen Ebene der Auseinandersetzung über die Frage nach dem Äther. Und wenn Sie das gedanklich in Verbindung bringen mit dem, was ich am 2. November [1999] versucht habe, Ihnen zu erläutern über die Frage der Willensimpulse in der Bewegung überhaupt, dann kommt man zu hochinteressanten Schlussfolgerungen.

Sie erinnern sich daran, ich hatte ja verdeutlicht, dass in der herkömmlichen Physik keine Antwort existiert, warum überhaupt Gestirne sich bewegen. Das verblüfft viele, die das zum ersten Mal hören. Sie glauben einer Sinnestäuschung zu erliegen, das kann doch nicht sein, wo doch in den Physikbüchern schon ganz zu Beginn in der Mechanik, in den Grundlagen der Mechanik, der klassischen Mechanik, von Bewegung die Rede ist. Aber dies ist niemals eine wirklich kausale Erklärung der Bewegung. Darüber haben wir ausführlich gesprochen. Man kann nicht einmal wirklich zureichend erklären, in, sagen wir mal, physikalischen oder auch physiologischen Begriffen, warum der menschliche Wille in der Lage ist, den eigenen Leib zu bewegen. Das ist eines der größten Mysterien überhaupt, das man immer wieder hervorheben muss, weil viele es für vollkommen selbstverständlich halten. Aber wenn man es durchdenkt, stößt man auf einen Abgrund von Paradoxien. Wie ist es möglich, dass es diese Art von Einwirkung eines Geistprinzips, des Willens, auf den menschlichen Leib überhaupt gibt? Das ist der eine Punkt.

Dann hatte ich Ihnen im Zusammenhang mit der Ätherfrage, der Lichtäther-Frage dargestellt, dass in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der New Science immer wieder Zweifel geäußert werden an der Mainstream-Theorie der Sonne und der Fixsterne. Die thermonuklearen Öfen, die von vielen für vollkommen selbstverständlich gehalten werden, sind das in keiner Weise. Ich habe kürzlich mit einem kritischen Physiker diese Dinge besprochen, der mir auch zugestand, dass die herrschende Theorie von Sonne und Fixsternen ein Abgrund von Ungereimtheiten ist. Und wir müssen uns zu dazu bequemen zu sagen: Letztlich ist die Sonne eine stella incognita, immer noch oder wieder, wie sie das immer war, und die theoretischen Überlegungen, wie Licht entsteht durch thermonukleare Verschmelzungsprozesse, ist ein bestimmtes Modell, mit dem man bis zu einem gewissen Grade rechnen kann, das bis zu einem gewissen Grade auch zu überprüfbaren Voraussagen führt, das aber eine Fülle von inneren Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten beinhaltet, zum Beispiel, ein Punkt, den ich nicht erwähnt habe das letzte Mal, den ich jetzt noch anführen möchte: Das berühmte Olberssche Paradoxon.

Das war noch bis in die siebziger Jahre eines der ganz großen Rätsel der Astronomie. Sie konnten in allen Astronomie-Büchern über das Olberssche Paradoxon lesen. Es wurde immer wieder gesagt: Das ist eines der schwerwiegendsten Probleme der Astronomie überhaupt. Und man hat dann die Überzeugung verbreitet, ich erkläre gleich, was das war, dass durch die Fiktion einer Raumkrümmung und eines endlichen, allerdings nicht begrenzbaren Universums dieses Paradoxon aufgelöst werden könnte. Ich erkläre das kurz. Das Olberssche Paradoxon geht zurück auf einen Astronomen, Hermann Olbers, der im Jahre 1826 eine ganz simple Rechnung aufgestellt hatte, die logisch, mathematisch, physikalisch nicht zu widerlegen ist, folgender Art: Es dürfte nie dunkel werden. Wenn die Sonne und Fixsterne selber Licht verstrahlen, dann dürfte es niemals dunkel werden. Warum nicht? Man kann sagen, wenn man bildhaft, modellhaft die Sonne als Lichtpunkt-Strahler versteht, dass die Strömungsintensität mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Das ist richtig und unbezweifelbar, aber gleichzeitig nimmt die Anzahl, die pure Anzahl der sogenannten Sonnen im Raum mit der dritten Potenz [der Entfernung] zu. Das heißt, wenn Sie das weiter rechnen, kommen Sie irgendwann auf unvorstellbare Werte. Das heißt, die Abnahme der Strömungsdichte mit dem Quadrat der Entfernung wird nicht [nur] kompensiert, nicht nur kompensiert durch die dritte Potenz der puren Zahl, sondern überkompensiert. Es dürfte [danach] nie dunkel werden. Es müsste ständig, das ist genau ausgerechnet worden, eine Helligkeit herrschen, die etwa das 50.000fache der jetzigen Tageshelligkeit ausmacht.

Das hat die Astronomen zur Weißglut gebracht. Es gab ganze Bibliotheken, die darüber geschrieben worden sind über das Thema, wie das überhaupt möglich sein könnte. Von einer bestimmten Größe des Universums an wird die Vorstellung der Sonnen als Lichtquellen absurd. Alle Modelle sind durchgespielt worden. Die Abdeckung durch Nebel etwa, die Abdeckung der Gestirne gegenseitig und so weiter. Und dieses Paradoxon, ich sagte es, finden Sie noch in Astronomie-Büchern bis in die 70er Jahre hinein als eines der ganz großen Rätsel der Sonnen-Theorien. Wie ist es gelöst worden? Ich behaupte: gar nicht. Man hat es im Grunde mit einem Trick eliminiert, wie viele ähnliche Fragen dieser Art. Man kann auch zeigen, das habe ich, glaube ich, auch angedeutet, dass man ein ähnliches Paradoxon, obwohl das kaum bekannt ist, auch beim Newtonschen Gravitationsgesetz ausrechnen kann. Wenn wirklich jedes Teilchen gravitative Wirkung hätte, müsste das ganze Universum quasi in sich zusammenstürzen bzw. müsste in jedem Punkt die gravita­tive Wirkung unendlich groß sein, es dürfte also nur eine ganz bestimmte Größe haben.

Das heißt, es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Universum hat eine berechenbare Größe, die das noch gerade zulässt, oder man muss beides, die gravitative Wechselwirkung und das Licht, ganz neu denken. Und ich habe ja schon angedeutet, dass es verschiedene Überlegungen gibt, die auch eine gewisse Plausibilität haben, das Licht zu verstehen als eine raum-energetische oder radial-energetische Wechselwirkung im Raum zwischen Gestirnen, sodass also nicht im buchstäblichen und eigentlichen Sinne die Fixsterne oder Sonnen die Quellen des Lichtes sind. Es hat im 20. Jahrhundert verschie­dentlich Überlegungen in dieser Richtung gegeben, die auch eine gewisse Plausibilität haben. Das ist nicht identisch mit, sagen wir, esoterischen Überlegungen, etwa aus der Theosophie oder Anthroposophie oder aus vielen anderen Strömungen über die okkulte Logos-Qualität der Sonne. Das könnte man bis zu einem gewissen Grade auch noch als kompatibel verstehen mit der herrschenden Sonnenofen-Fiktion. Man könnte ja sagen, es sind zwei vollkommen verschiedene Ebenen. Man muss das auseinanderhalten. Es gibt ja unter Esoterikern, wie ich in vielen Gesprächen festgestellt habe, eine fast Selbstverständ­lichkeit, eine selbstverständliche Überzeugung, dass die Sonne, die wir sehen, wir sehen sie ja nicht direkt, das habe ich ja erläutert, die wir indirekt sehen, quasi nur das Kleid, das feinstoffliche Kleid einer ganz anderen, tieferen, eigentlichen Sonne, eine Art Logos-Sonne ist dahinter oder darin. Das finden Sie im Besonderen gerade in der Theosophie und Anthroposophie.

Also das wäre noch bis zu einem gewissen Grade kompatibel. Dann müsste man verschiedene Ebenen ansetzen. Ich meine etwas anderes. Ich meine, ohne dass ich zu diesem Punkt jetzt hier dezidiert Stellung nehmen möchte, ich meine den Punkt, dass man tatsächlich die Entstehung von Licht ganz anders begreifen kann: als eine Zustands­änderung der Radial- oder Raumenergie, wobei die Gestirne nicht direkt Quellen des Lichtes sind. Das kann man in sich schlüssig, in sich konsistent weiterverfolgen und kommt zu erstaunlichen Resultaten. Ich habe das ja auch vor 14 Tagen oder drei Wochen auch angedeutet, dass ich glaube, dass das eines der ganz brennenden Themen der nächsten Jahre sein wird. Ich prognostiziere geradezu, dass dieses Thema an Breite gewinnen wird, und viele werden irgendwann sich die Augen reiben und werden kaum glauben, wie man ernsthaft kollektiv hat die Überzeugung vertreten können, dass der Raum erfüllt sei mit glühenden Glaskugeln. Das wird den Menschen über die Medien und über die Mainstream-Wissenschaft und ihre vielfältigen Popularisierungen dermaßen als eine Wirklichkeit, als eine objektive Wirklichkeit des Universums nahegelegt, dass sie gar nicht mehr wissen und begreifen können, dass es sich hier um eine ganz spezielle Modellvorstellung handelt, die übrigens auch in verschiedenen Kontexten immer auch wieder in Frage gestellt wird. Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem einigen von Ihnen ja vielleicht bekannten Problem der sogenannten Neutrinos, dass also die Neutrinos, dass nicht diese Zahl von Neutrinos messbar ist, die eigentlich vom Standardmodell aus messbar sein müsste. Das Ganze ist wirklich eine offene Frage und das spielt natürlich grundsätzlich hinein, wenn wir uns nach dem Licht fragen, was das Licht überhaupt ist, das ist ja ein wesentliches Thema in diesem Semester. Was ist eigentlich dieses Licht? Dass es nicht sichtbar ist, für sich genommen und an sich oder allein gelassen, das wissen wir. Das habe ich Ihnen verschiedentlich erläutert. Licht ist unsichtbar.

Wir können nur Licht indirekt wahrnehmen, wenn Materie vom Licht reflektiert wird, wenn sich Licht auf Materie reflektiert. Für sich genommen ist das Licht unsichtbar. Kann Licht überhaupt als ein objektives Etwas betrachtet werden? Nein. Denn wenn wir das Korrelat der Lichtwahrnehmung betrachten, zum Beispiel eine bestimmte Frequenz oder zum Beispiel eine bestimmte Wellenlänge, dann ist das ja nicht das Licht, sondern Licht ist in sich und in sich selbst immer die Einheit des beobachtenden Auges und einem von außen in irgendeiner Form auf dieses Auge zukommenden Etwas. Das heißt, in sich ist Licht schon immer die Überwindung der puren, objektiv gegebenen Außenwelt. In gewisser Weise, kann man sagen, ist Licht, auch ohne dass man spirituelle Lichttheorien heranzieht, die Einheit von Immanenz und Transzendenz, schon als solches. Das ist auch in allen oder vielen, auch physikalischen Lichttheorien immer wieder angedeutet worden, zum Beispiel von Arthur Zajonc in seinem Buch „[Lichtfänger] ‒ Die gemeinsame Geschichte von Licht und Bewusstsein“. Da zeigt ja Zajonc anhand von ungeheuer raffiniert ausgedachten Quanten-Experimenten, dass das Licht immer rätselhafter wird, je mehr man es quasi direkt angeht. Man kann in bestimmten Experimenten nachweisen, dass noch nicht einmal der Ort des Lichtes exakt bestimmt werden kann. Ich habe Ihnen das damals auch erläutert. Das Licht entzieht sich dem direkten, dem gleichsam grobstofflichen Zugriff. Das also vorab.

Ich will Ihnen jetzt einen kleinen Auszug aus diesem genannten Essay, den ich für den „Blauen Reiter“ geschrieben habe, der Ende Dezember, Anfang Januar erscheinen wird, vorlesen, weil dieser Essay ins Zentrum der Thematik einer anderen oder alternativen Kosmologie trifft. Der Essay hat den schlichten Titel: „Wo sind wir? Der Mensch, der Raum und die Gestirne ‒ Zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Spiritualität.“ Der Chef­redakteur Siegfried Reusch hatte mich angerufen und gefragt, ob ich nicht einen Essay beisteuern wollte. Das Rahmenthema der zehnten Ausgabe hieße „Götter“, und es ginge im weiten Sinne um den Zusammenhang von Naturwissenschaft, Naturphilosophie, Religion, Spiritualität. Und in dem Zusammenhang habe ich mich dann zu diesem Essay durch­gerungen und habe ihn vorvergangene Woche geschrieben. Ich lese mal einige Passagen hieraus vor, weil in einer sehr knappen essayistischen Form hier nochmal das zentrale Anliegen auch dieser Art von anderer oder alternativer Kosmologie zum Ausdruck kommt. Also noch mal der Titel: „Wo sind wir? Der Mensch, der Raum und die Gestirne ‒ Zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Spiritualität“:

„Es ist erstaunlich, wie selten die Frage gestellt wird, wo wir uns eigentlich befinden, oder dass es die Menschen nicht stärker beunruhigt, gar nicht zu wissen, wo sie wirklich sind. Der geographische Ort kann bestimmt werden, wenn der rätselhafte Himmelskörper, dessen Oberfläche wir bewohnen und leidlich gut kennen, das Bezugssystem abgibt.“ Das ist fast banal, eine geografische Verortung auf der Gestirnoberfläche. Das ist nicht gemeint mit der Frage. „Der nächste Schritt wäre dann die Frage nach dem Ort eben dieses Himmelskörpers. Wo befindet sich die Erde? Zu sagen, im Sonnensystem oder in der Galaxis, erweitert die Bezugssysteme, beantwortet aber die Frage nicht wirklich. Denn wo ist wiederum die Galaxis? Wo sind die anderen Galaxien?

In erster Annäherung lässt sich die Antwort geben: Als Körper, der wir ja zumindest auch sind, obwohl wir nicht darin aufgehen, sind wir, wie auch die Gestirne überhaupt jedwede Materie und Energie eben im Raum. Aber auch mit dieser Antwort ist im tieferen Verständnis der Frage nicht viel gewonnen. Jedenfalls dann nicht, wenn dieser Raum nicht als bergende, alles umschließende und einschließende Hohlkugel, als kosmische Höhle oder Uterus verstanden wird. Wird er das, dann ist die Verortung in diesem Raum möglich und sinnvoll. Ist dies der Fall, wie im geozentrischen Hohlkugel-Universum der Antike und des Mittelalters, dann hat die Erde, einschließlich der Menschen auf ihr eine klar bestimm­bare Position. Eine endliche Hohlkugel, ein kugelförmig gedachter Raum gibt jedem Ding seinen Ort. Im Hohlkugel-Universum war die Erde nicht nur in der Mitte, sondern zugleich ganz unten, ein gerade nicht besonders günstiger oder privilegierter Ort. In der mittel­alterlichen Version dieser Kugel-Kosmologie war die absolute Weltmitte vom Satan besetzt. Dieser wohnte im ,Ganz-unten‘. Schon dieser Umstand, tiefer bedacht, könnte zu dem Verdacht führen, dass die berühmte kopernikanische Kränkung von Sigmund Freud weniger gefunden als erfunden worden ist.“

Das habe ich in der zweiten Folge Ihnen ja auch versucht darzustellen, dass ich glaube, das ist eine Fiktion. Es hat nie eine kopernikanische Kränkung gegeben. Das ist eine Erfindung von Sigmund Freud im Zusammenhang mit der angeblichen darwinistischen Kränkung oder der psychoanalytischen Kränkung. Im Gegenteil: Das Selbstbewusstsein des Menschen seit Kopernikus ist ungeheuer angewachsen, mit diesem Selbstbewusstsein auch die Neurosen. „Eine brisante Pointe des geozentrischen Hohlkugel-Universums liegt darin, dass diese Kugel selbst oder als solche keinen Ort hatte, ja haben durfte, also nicht einfach eine Kugel in einem Raum sein durfte. Das Universum als Ganzes durfte keinen Ort haben, durfte sich nicht in einem Raum befinden. Die Kugel hatte nur eine Innen- aber keine Außen-Krümmung. Das ist nicht anschaulich vorstellbar, wird aber von Aristoteles postuliert, und zwar in bewusster Abwehr gegen einige Pythagoreer, die schon argwöhnten, es gäbe auch ein reales und damit räumliches Außen dieser Kosmos-Kugel. Aristoteles wusste: Gibt es dieses Außen, dann hat die Kugel einen Ort im Raum, der dann nicht mehr im Endlichen zu halten ist.“ Das habe ich auch schon mal in anderem Zusammenhang angedeutet. „Nach Aristoteles gibt es nur ein quasi paradoxes Außen als ,nicht-Außen‘, kein wirkliches Außen oder Außerhalb-der-Kugel und damit des gesamten Kosmos. Dieser Kosmos ist umfangen von einem nicht räumlichen, letztlich als göttlich vorgestellten Etwas.“ Das könnte man als eine Art göttlichen Hyperraum bezeichnen, wie sich das Aristoteles vorstellt, jenseits jeglicher anschaulichen Vorstellung. „Innerhalb dieser kosmischen Kugel, umwölbt und getragen von der Göttlichen Nicht-Kugel, dem Göttlichen Nicht-Raum, hat jedes Ding seinen kosmo-grafisch bestimmbaren Ort,“ ‒ jetzt wichtig ‒ „der zugleich etwas aussagt über seinen seelisch-geistigen Ort. Das ist in dieser Kosmologie immer das Gleiche. Der Ort in diesem Kosmos sagt etwas aus über den seelisch-geistigen Ort. Das ist zunächst einmal nicht getrennt. Die Position im Außen-Raum, der eigentlich Innen-Kugel-Raum ist, ist zugleich ein Indikator für die Position im Innenraum, dem Raum der Seelen und Geister. Geistiger Aufstieg ist immer direkt und buchstäblich auch kosmischer Aufstieg.“ Das finden Sie noch bei Dante in der Divina Commedia, der Aufstieg durch die Sphären. „Nach oben im kosmo-grafischen Sinne steigt er nach oben, sieht die Erde ganz klein unten. Alles Göttliche ist oben, das Irdische dagegen unten. Noch immer zehrt unsere Sprache von dieser Kosmologie, fast ständig. Das Hohl­kugel-Universum war auch ein Schalen-Kosmos. In der durch Giordano Bruno vollzogenen Radikalisierung der kopernikanischen Wende gingen sämtliche bergenden und schützen­den Schalen oder Sphären zu Bruch, was zur Folge hatte, dass der Raum selbst nun mit ganzer Wucht in die Menschenwelt hinein flutete. Wo war fortan die Erde und mit ihr die Menschheit? Jetzt wird die Frage vollkommen neu gestellt. Bis dahin konnte man noch sagen: Wo ist der Mensch? Der Mensch ist in diesem Hohlkugel-Universum an einer bestimmten Position, die man kosmo-grafisch und auch geistig-spirituell bestimmen kann. Wo war fortan die Erde und mit ihr die Menschheit?

Der Ort, der zugleich ein physischer, kosmo-grafischer und ein metaphysischer war, hatte sich als Illusionsblase erwiesen. Und was nun? Kann der entgrenzte, der nicht mehr sphärisch bergend strukturierte Raum noch unser Ort, Oikos, auch Wohnort oder Heimatort sein? Die neuzeitliche Denkbewegung verneint diese Frage, eindeutig wird es verneint. Dieser Raum ist ein purer Außenraum. Der kann nicht die Heimstatt, kann nicht der Oikos des Geist-Seele-Wesens Mensch sein. Und gerade das Bewusstsein, fortan im Nirgendwo zu sein und sein zu müssen, in einem Raum als purer Außenraum, der uns nicht wirklich meint und auch uns gar nicht kennt, hat das menschliche Selbstbewusstsein enorm gesteigert. Der Mensch fühlt sich fortan als sphärenlos und damit unbeobachtet von kosmischen oder göttlichen Augen. Er fühlt sich frei. Und dieses Gefühl ist zugleich das Wissen, jetzt unumkehrbar im Außen gelandet oder gestrandet zu sein. Die gesamte Naturwissenschaft besteht in nichts Anderem als darin, immer wieder aufs Neue, die Herrschaft des Außen über das Innen herzustellen. Das ist der Kern des naturwissen­schaftlichen Reduktionismus.

Alles Innen muss zum Außen werden“ ‒ können Sie generell beobachten, alles, was noch als letzte Reservate des Innen gilt oder galt, wird zum Außen erklärt, wird als pures Epiphänomen des Außen interpretiert. „Alles Innen muss zum Außen werden. Oder, es darf das Innen geben, aber nur als eine Art Indianer-Reservat ohne eigenständige und damit erst wirksame Wirklichkeit. Formelhaft zugespitzt: Du darfst glauben, was du willst und an wen du willst, etwa an Gott, aber du darfst nicht messen, was du willst. Methodisch musst du Atheist sein. Der Begriff ,messen‘ soll hier weit gefasst für den machtförmig-rechnenden Zugriff stehen. Wenigen fiel hier über lange Zeit hinweg auf, dass alle Aussagen über das Außen und dessen Herrschaft über das Innen sich grundsätzlich im Innen, d.h. im Bewusstsein abspielen. Das messende und rechnende Subjekt vergaß sich selbst, kam sich selbst abhanden, musste sich aber permanent als quasi allwissend, unberührt, ständig voraussetzen. Das ist die Subjektblindheit der Naturwissenschaften. Alle Hasenläufe konn­ten nicht verhindern, dass der Igel, das Subjekt, immer schon da war.“ Der Hase, Sie kennen die Geschichte, der rackert sich zu Tode, er rast und wird immer ungeduldiger, immer aggressiver, weil der Igel immer schon da ist, nur nicht der Igel selbst, mit dem er den Wettlauf angetreten hat, sondern dessen Frau, die sieht aber genauso aus wie er. Deswegen kann er das nicht unterscheiden.

„Die Subjektblindheit oder auch Subjektvergessenheit der Naturwissenschaft, einschließlich der Quantentheorie, ist stets zugleich Raum-Blindheit oder Raum-Vergessen­heit. Der zum puren Außen degenerierte Raum, ohne Götter und höheres Bewusstsein oder Weltseele, macht die Seele raumlos.“ Das ist passiert, kollektiv. Die moderne Seele ist raumlos, „macht die Seele raumlos bzw. lässt ihr nur den Innenraum, der als ein bloß subjektiver bequem auszugrenzen war aus dem großen Vermessungsprojekt, das Nur-Außen des toten Raumes.“

Also die subjektiven Innenräume werden nicht bestritten, ist ja eine subjektive Wirklichkeit, aber sie haben keine objektiv relevante Qualität. Ein Moment übrigens, was in einer interessanten Strömung der letzten Jahre ganz offensiv aufgegriffen wird, auf die auch ich erst vor anderthalb bis zwei Jahren gestoßen bin, nämlich in der Neuen Phänomenologie des Kieler Philosophen Hermann Schmitz, der auf eine großartige Weise genau diesen Punkt aufgreift, nämlich den Punkt der Raum-Vergessenheit der modernen Subjekte und damit auch der Vergessenheit, dass Raum-Wahrnehmung immer auch leiblich fundiert ist und immer auch Atmosphärisch-Auratisches beinhaltet. Jeder, der in einem Raum ist, ist niemals in einem toten Orts- oder Koordinaten-Raum. Er ist immer in einer gewissen Aura, in einer gewissen Psycho-Atmosphäre, die ständig wie ein allgegenwärtiges Fluidum die Wahrnehmung bestimmt, auch wenn sie nicht zugelassen wird, auch wenn sie nicht wahrgenommen wird auf eine direkte Weise, ist doch diese Psycho-Atmosphäre unaufhörlich anwesend und mitwesend.

Also, „der zum puren Außen degenerierte Raum ohne Götter und höheres Bewusstsein oder Weltseele macht die Seele raumlos bzw. lässt ihr nur den Innenraum, die berühmte Subjektivität. Jeder kann glauben was er will, jeder kann seinen eigenen Phantasien nachgehen, wie er möchte. Bloß, der Raum als Raum ist purer toter Außen­raum, der den Menschen nicht meint und auch nicht kennt, der als bloß subjektiver bequem auszugrenzen war aus dem großen Vermessungsprojekt des nur Außen, des toten Raumes. Wenn die Seele nicht mehr im Raum sein darf, weil das ,Projekt Weltseele‘“ ‒ eine Formel von Peter Sloterdijk ‒ „als gescheitert gilt“ ‒ das behauptet er, das Projekt Weltseele ist gescheitert ‒ „wo ist sie dann?“ Das ist ja die Grundfrage: Wo sind wir? Das ist die Frage dieses Essays. „Einen existenziellen Ort kann die Seele nur haben in einem ihr gleichenden Raum, also einem Raum, der die Weltseele selbst ist, wie Giordano Bruno wusste. Nur in einem Raum, der zugleich Umhüllendes und tragendes Universalbewusst­sein ist, hat der Innenraum, hat die Innenkugel Bewusstsein ihren Ort. Gibt es diesen Ort nicht mehr, ist die Seele als sie selbst im Exil, was ihre Raum-Qualität betrifft, dann ist sie im Exil. Dann ist dieser Raum nicht mehr ihr Ort, kann nicht ihr Ort sein. Wenn der kosmische Raum kein wirklicher Ort mehr ist, muss sie, die Seele, sich in akosmischen, kosmosfernen Räumen, Innenräumen einnisten. Das tut sie ja. Jeder in seiner eigenen in gewisser Weise. Das bekommt ihr nicht gut, wie man weiß. Die Mensch-Kosmos-Neurose des sogenannten modernen Menschen sitzt tief und hat sein In-der-Welt-sein gründlich ruiniert, allem nachkopernikanischen Selbstbewusstsein zum Trotz.

Zunächst wäre zu sagen, dass diese Raumlosigkeit der modernen Subjekte in dem genannten Sinne auf schlichten Denkfehlern beruht. Gestalthaftes Bewusstsein, und das ist fast eine Definition des Menschen, also gestalthaftes Bewusstsein bedarf nicht nur des real existierenden Fluidums eines allverbindenden Bewusstseins, das als Universalbewusstsein die Weltseele ist, sondern es kann sich, sich selbst, gar nicht denken ohne dieses Fluidum. Ein gestalthaftes Bewusstsein in einer bewusstseinsblinden Leere, einem Raum-Nichts, das uns nichts angeht, ist buchstäblich undenkbar. Es lässt sich nicht denken. Hier kollabiert der Geist. Es, also diese Leere, lässt sich erregt postulieren oder argumentativ verteidigen. Aber auch dieses Postulieren und Argumentieren vollzieht sich notwendig innerhalb dieses Fluidums, ohne dessen Immer-schon-Vorhandensein jedes Subjekts vom Schwarzen Loch seiner selbst verschluckt würde.“

Also das ist immer [das] Vorgängige, immer ständig notwendig Vorausgesetzte. „Nur ein bewusstes Universum kann wirklich gedacht werden.“ Das habe ich ja verschiedentlich auch in den letzten Jahren immer wieder in meinen Vorlesungen gesagt, dass man bis zu einer gewissen Grenze in jedweder Kosmologie und Naturphilosophie, Naturwissenschaft davon ausgehen muss, dass Geist in der Welt vorhanden ist. Sonst würden wir unrettbar verstrickt sein im Netzwerk, im Spiegelkabinett unserer eigenen Projektionen. Dann könnten wir nicht erkennen, dann gäbe es keine Erkenntnis. Also nur ein bewusstes Universum und damit auch ein lebendiges Universum kann wirklich gedacht werden. „Die Seele kann nicht denken ohne das, was sie immer schon ermöglicht hat, das stets Vorgängige jeder seelenhaften Gestalt. Und genau das ist der Kern des ,Projekts Weltseele‘, dass nur in oberflächlicher Sicht als gescheitert gelten kann.“ Ich meine, es ist voreilig von Sloterdijk, was er in dem letzten Buch „Sphären II“ geschrieben hat, über 1000 Seiten letztlich diese eine These verbreitet hat, wieder mal: Die göttliche Kugel ist tot, so interpretiert er Nietzsches „Gott ist tot“, und das ,Projekt Weltseele‘, das er eng gebunden sah an diese göttliche Kugel, ist gescheitert.

Wir Menschen, sagt Sloterdijk, leben fortan im hüllenlosen Raum. Das, sozusagen das Nichts, wie Nietzsche sagt, haucht uns an, der kalte, leere Raum haucht uns an, der uns nicht kennt und nicht meint, und wir müssen uns in eigenen Schalen oder Blasen zurechtfinden. „Auch der götterlose Raum als der nicht-Weltseele-Raum ist ein Konstrukt einer Phantasmagorie innerhalb des gestalthaften Bewusstseins. Die gesamte Mainstream-Kosmologie kann als ein großer Versuch gewertet werden, dem Hasen doch noch zum Sieg über den Igel, das Igel-Paar zu verhelfen. Fast alle Welt glaubt an den Sieg des Hasen, und zwar schon deshalb, weil es mit durchschlagendem Erfolg gelungen ist, die Existenz des Igels, = vorgängiges Bewusstsein = Weltseele, zu leugnen. Es gibt keinen Igel, also hat der Hase längst gesiegt. Entweder gab es nie einen Igel, oder wir haben ihn getötet.“ Gott ist tot. Nicht, „wer wischt das Blut von unseren Messern ab“, heißt es bei Nietzsche, die berühmte Formulierung, „wir haben Gott getötet, wer wischt das Blut von unseren Messern ab“.

„Der wirkliche Raum, der seinem Wesen nach kein nur-Außen sein kann“, das kann der Raum wesenhaft nicht, können vielleicht in Diskussion noch darauf kommen, „ist als Raum der Götter noch immer unwiderlegt. Dass es den toten Nicht-Weltseele-Raum überhaupt geben kann, ist nie bewiesen worden. Schon gar nicht von den sogenannten Kosmologen, die ohnehin insgeheim und manchmal auch offen Kosmo-Theologen sind. Die Wo-Frage, die so rätselhaft selten gestellt wird, ,Wo sind wir?‘, um diese Frage geht es ja, ist eine der brennendsten Fragen überhaupt. Wird sie nicht als Herausforderung ange­nommen, etwa indem man die Frage für längst gelöst oder für unlösbar oder gar für irrelevant hält, hängt auch die Frage nach dem Menschen, das ist wichtig, in der Luft, wobei diese Luft toxisch ist und nicht eingeatmet werden kann.“

Also wenn man die Frage nach dem Menschen stellt, muss man auch die Frage nach seinem Ort stellen und damit nach seinem Oikos. Und damit ist man sofort in dem Zentrum der Kosmologie und auch der Ökologie. „Die Was-ist-Frage in Bezug auf den Menschen ist nicht abzutrennen von der Wo-ist-Frage. Alle Versuche dieser Art haben nur in hoffnungslose Zirkelschlüsse hineingeführt, um es bewusst provokativ und formelhaft zuzuspitzen: Das götterlose Du-bist-nicht-gemeint-Universum, das die-Götter-sind-mause­tot-Universum ist eine kollektive Fiktion oder Projektion, geboren aus einem raumlosen oder raumvergessenen Bewusstsein, einer akosmischen Erlösungssehnsucht im Bündnis mit schlechter Philosophie. Dieser Kaiser ist wirklich nackt, obwohl die Wenigsten dies bis dato zu begreifen scheinen, ja lautstark seine neue und prächtige Gewandung preisen.“ Das will ich ohne wenn und aber klar sagen: Dieser Kaiser des du-bist-nicht-gemeint-Univer­sums, letztlich des toten Universums, ist wirklich nackt.

„Wissen wir denn nicht seit Newton, dass die Gestirne in götterloser Nacht umein­ander herumfallen, platten Druck- und Stoßgesetzen folgend oder seit Einstein, geometri­schen Weltlinien im gekrümmten Raum? Sind nicht die Götter, auch die Gestirne als Götter längst in unserem Bewusstsein verdampft oder, mit Nietzsche gesprochen, unter unseren Messern verblutet? Ist es nicht müßig, ja unsinnig, diese Entwicklung zurückzudrehen, sie quasi ungeschehen machen zu wollen, zumal Präzision und Voraussagekraft der mathe­matischen Naturwissenschaft einen Gipfel erreicht haben und wir dem eigentlich geleug­neten Weltgeist dicht auf den Fersen sind? Wer so fragt, und viele fragen so und glauben, die sicheren Antworten zu haben, weiß nicht, dass die mathematischen, neuzeitlichen Naturwissenschaften, nicht ausschließlich, aber zu großen Teilen, mathematisierter Okkultismus ist.“ Ich will das erläutern. Der Vorwurf ist alt, das ist kein neuer Vorwurf. Der Vorwurf des mathematisierten Okkultismus ist früh erhoben worden, zum Beispiel von Leibniz gegenüber Newton, der [ist] später von Schelling auch Newton gegenüber aufgegriffen worden, und anderen. „Schon die Kraft der Kräfte, die Gravitation, war von Anfang an ein ungelöstes Rätsel. Eine in sich konsistente Theorie der Gravitation hat es in der Mainstream-Naturwissenschaft bis zum heutigen Tage nicht gegeben. Newton litt noch darunter, über Jahrzehnte hinweg, dass er die universale Schwere unerklärt lassen musste, dass er nicht mehr geben konnte als eine Mathematisierung der Bewegung auf der Basis eines ungelösten Rätsels der Natur und dem Wesen der Schwere.

Ähnliches gilt für die kosmische Bewegung. Physikalisch konnte nie geklärt werden, warum sich die Gestirne überhaupt bewegen. Postuliert und mathematisch beschrieben wurde eine ursachelose Perpetual-Bewegung, geradlinig-gleichförmige Bewegung, von der jeder Physiker weiß, dass dies eine pure Fiktion ist. Die geradlinig-gleichförmige Trägheitsbewegung als ,kausales Paradox‘, Weizsäcker, ist ein erstaunliches Phantasma, mit dem sich in Grenzen erfolgreich rechnen lässt, das aber keine Grundlage abgibt für eine kausale Erklärung. Die Bewegung der Gestirne ist genauso ungeklärt wie die Bewegung der subatomaren Teilchen, ja Bewegung überhaupt, einschließlich der des menschlichen Leibes. Wie ist es möglich, dass der Mensch über seinen Willen diese gestaltete Materie, die er als seinen Leib erfährt, überhaupt in Bewegung setzen kann? Naturwissenschaftlich gibt es darauf keine Antwort, denn wo sollte der Wille eingreifen, wo doch gar keine Lücken oder Angriffsmöglichkeiten für ihn da sind und gar kein Energietransport stattfindet? Auch quantentheoretische Konstruktionen, wie sie John Eccles in seinen späten Jahren versucht hat, helfen nicht wirklich weiter. Die Frage lässt sich nur von einer anderen Ebene aus lösen. Das gilt auch für die Bewegung der Gestirne.

In meinen ,Impulsen für eine andere Naturwissenschaft‘“, dem Buch das hier liegt, „habe ich die Frage nach der Gravitation als das Wurzel-Koan der Physik bezeichnet.“ Koans sind paradoxe Sprüche im Zen-Buddhismus. „Diesem Koan gegenüber hat die Physik auf ganzer Linie versagt, mit desaströsen Folgen: Der nackte Gravitation-Nihilismus, Sloterdijk, bestimmte zunehmend das Feld, wo es doch gerade hier gegolten hätte, tiefer und subtiler zu fragen. Für Newton noch war Gravitation eine Art Gottesbeweis, worüber schon Zeitgenossen gespottet haben. Leibniz mokierte sich über Newtons Neigung, Kräfte, ,forces‘, als immaterielle, letztlich metaphysische Wirkgrößen, ,spirits‘, ,Geister‘ zu verstehen. Aber wissen wir es? Weiß die Mainstream-Physik es besser? Das lässt sich nicht ernsthaft behaupten. Im Grunde ist es einer der ganz großen Skandale der Wissenschafts­

geschichte, dass es nie gelungen ist, Natur und Ursprung der Gravitation und der Bewegung aufzudecken. Auch hier lässt sich sagen: Noch immer sind die Götter unwiderlegt. Die Behauptung ihrer banalen Nichtexistenz ist pure Ideologie. Der götterlose Raum, die götterlosen Gestirne“, denken Sie an das, was ich vorhin gesagt habe, „wer glaubt das wirklich, das heißt in der tiefsten Tiefe, wie viel Leben und Bewusstsein Sie wirklich haben oder nicht haben?

Wo sind wir? Auch das wäre ein Koan. Wo sind die Gestirne? Und kaum bedacht: Was hält die Gestirne im Raum? Wie können diese Körper im leeren Raum schweben oder hängen wie eine Christbaumkugel, wie ein Astronaut verblüfft, ja erschüttert meinte? Was ist diese Schwärze, die die Gestirne umgibt und einhüllt und die auch das Licht verbirgt, das bekanntlich als solches und für sich gelassen unsichtbar ist? Dunkles Licht umgibt uns unausgesetzt. Was trägt das Licht und ermöglicht seine Bahn im Raum? Was ist überhaupt dieses Licht, das sich nicht einmal exakt lokalisieren lässt?

Eine vertiefte Betrachtung der Gestirne im Raum, im Sinne einer vorurteilsfreien Phänomenologie, also wirklich fragend beobachtend, kann zu überraschenden Schlüssen führen, was die Natur und die Wirkung der Gravitation anlangt. Die sogenannte Massenanziehung ist ohnehin nie schlüssig bewiesen worden, zumal völlig dunkel blieb, was eigentlich Masse sein soll und wie sie mit der Materie zusammenhängt“, was auch von kritischen Physikern immer wieder eingeräumt wird, also ein ganz großes Fragezeichen, wie überhaupt der Zusammenhang von Masse und Materie gedacht werden kann.

„Die Gestirn-Gravitation, wie Giordano Bruno als Erster zu denken versuchte, 1584, ist ein radiales oder zentralsymmetrisches Feld“, ich habe vorhin darüber gesprochen, „und zwar bis in die tiefsten Tiefen des Gestirns hinein, bis zum Gestirnmittelpunkt, was gerade bei Newton nicht der Fall ist. Daraus folgt, dass die Gestirne als ganze durch dieses alles durchdringende Feld, das Bruno als Seele des Gestirns bezeichnet, im Raum gehalten, in der Wechselwirkung mit anderen Gestirnfeldern bewegt und auch als sie selbst gleichsam entmaterialisiert oder spiritualisiert werden. Wie man diese Gedanken weiterdenken und fruchtbar machen kann, habe ich in meinen ,Impulsen für eine andere Naturwissenschaft‘ gezeigt. Was also ist mit den Göttern im Raum, mit dem Raum selbst, mit der Weltseele? Nichts deutet auf einen im absoluten Sinne bewusstseinsleeren Raum, einen Nicht-Weltseele-Raum, der ja für jedes gestaltete und beseelte Bewusstsein buchstäblich undenkbar ist. In einem solchen toten Behälter kann es kein Leben, kein Bewusstsein, keine Intelligenz geben. Wenn das Dunkel des Weltraums das Licht verbirgt und dieses dunkle Licht nur in die Sichtbarkeit tritt, wenn es auf Materie fällt, warum sollte nicht des Raumes Dunkel auch, das dunkle Licht der Weltseele enthalten und verbergen, das sich nur entbirgt oder enthüllt, wenn es auf gestalthaftes Bewusstsein fällt?“ (.. gleich zu Ende der Essay) „Was wissen wir vom Raum? Aus der transpersonalen Bewusstseinsforschung und der letzten drei Jahrzehnte wissen wir zumindest dies: dass es möglich ist, in veränderten Bewusstseinszuständen die beseelte Weite des Raumes zu erfahren, dass Ich gleichsam auszugießen in einen Raum, der es trägt, ja in gewisser Weise ist.“ Das kann man aus dem gewaltigen Erfahrungsmaterial der transpersonalen Bewusstseinsforschung vollkommen eindeutig ableiten, dass dies so sein muss, aus tausenden von empirischen Daten in dieser Richtung. „In einem toten Raum wäre jedes Ich eine absurde Rakete wie das normale Subjekt heute als Ich-Kammer in einer ummauerten Zelle, einem Automobil gleicht, das auf dem großen Highway verloren dahinjagt und sich nur durch schrille Signale mit den anderen Automobil-Zellen und deren Insassen verständigt.“ Das wäre dann die Konsequenz eines toten Raums: Das Bewusstsein als Ich-Kammer in einer ummauerten Zelle. Schluss. „Die Götter sind gar nicht tot, sie leben. Die Weltseele ist zu früh und ohne tiefere Denkbemühung zu Grabe getragen worden. Der Sarg ist leer, den wir in die Erde gesenkt haben. Alle Grabreden waren verfrüht, auch die intelligent wirkenden. Der Hase ist es, der sich zu Tode hetzt. Der Igel als Igelpaar ist lebendiger denn je. Vielleicht wäre es sinnvoll, dies zu begreifen, ehe es den nicht mehr gibt, der hier noch begreifen kann.“ ‒

Also das als eine Reflexion oder reflexive Meditation über die Frage unseres Ortes im Raum. Und das ist zentral für die gesamte Frage, die uns in diesem Semester beschäftigt. Es ist letztlich ja immer die Frage nach dem eigentlichen Ort des Menschen. Und wenn diese Frage delegiert wird an die Glaubensfakultät, wie immer diese aussehen mag, dann nimmt man der Frage nach dem Menschen eine ganz wesentliche Dimension. Eine ganz andere Frage wäre übrigens auch zu stellen, indem man sagt: Wann sind wir? Die Frage nach dem Wann, die Frage nach der Zeit. Das ist aber jetzt zunächst nicht das Thema dieser Komponente.

Also die Frage: Wo sind wir? ist zentral wichtig. Mich wundert es immer wieder, dass Menschen nicht eigentlich außer sich geraten, wenn sie einen kurzen Moment die Vorstellung ernsthaft in sich rein lassen, dass sie auf einer Kugeloberfläche durch den leeren und toten, durch das leere und tote Universum sich jagend bewegen mit einer Orbitalgeschwindigkeit von 30 km pro Sekunde und eine Absolutgeschwindigkeit von über 300 km pro Sekunde, dass sie nicht eigentlich außer sich geraten durch die Monstrosität dieses Sachverhalts. Denn in dem Moment, wo das bergende, sphärisch umhüllende Universum der Antike dahin war, war ja die Frage neu aufgebrochen und quälend offen: Wo befinden wir uns überhaupt? Und die Frage nach dem Äther war ja ursprünglich, daran muss man auch noch mal erinnern, ähnlich wie die Frage der Weltseele, etwas auf dieses begrenzte geozentrische Hohlkugel-Universum Bezogene. Es war also eine von vornherein auf diesen antiken Kugelschalen-Kosmos bezogene Vorstellung.

Vollkommen anders sieht die Frage dann aus in einem nachkopernikanischen, in einem unvorstellbar entgrenzten Universum. Und die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass der Raum als Raum ein pures Außen ist, wie das Hermann Schmitz sagt, ein purer Orts- und Koordinaten-Raum, ist nie überzeugend geklärt worden. Das wird postuliert, dass es so sein könnte oder müsste. Und da finde ich es hochinteressant, dass in der Neuen Phänomenologie, wie das der Hermann Schmitz nennt, Versuche unternommen werden, genau diese Frage neu zu betrachten. Die Frage auch nach der Phänomenologie unserer Raum-Wahrnehmung, auch nach der Phänomenologie unserer Leib-Wahrnehmung, die etwas vollkommen anderes ist als die Abkoppelung von dem lebendigen Wahrnehmen zugunsten eines abstrakten Orts- oder Koordinaten-Raums.

Ich habe ein bisschen überzogen, ich mache noch eine Pause erst mal … und weitermachen.

Ich will nur darauf hinweisen, dass einige der Gesichtspunkte, die ich jetzt genannt habe, also viele von den Gesichtspunkten in diesem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle – Impulse für eine andere Naturwissenschaft“ sehr eingehend dargestellt werden, vor allen Dingen im fünften und siebenten Kapitel. Und ich muss klar sagen, dass eine Vorlesung oder ein Vortrag nicht in der Lage sein kann, diese sehr differenzierten Gedankengänge so zu vermitteln, wie das eine gründliche Lektüre des Buches bringt. Von Buchdeckel zu Buchdeckel, nicht im Sinne einer kursorischen Lektüre, weil dann hat man gar nichts davon und bleibt hoffnungslos im Vorfeld des Ganzen, weil nur wenn man Punkt für Punkt wirklich mitdenkt, kann man dann dahin kommen, dass sich [einem] wirklich dieser Zusammenhang erschließt.

Ein ganz knapper Essay über Licht und Schwere findet sich in dem von Heiko Lassek herausgegebenen Band hier „Wissenschaft vom Lebendigen“, das ist nur ein kleiner Essay von neun Seiten mit dem Titel „Oben der Himmel, unten die Erde ‒ zur kosmisch irdischen Polarität von Schwere und Licht“. Da stelle ich in ganz knapper, essayistischer, formelhafter Art diesen Zusammenhang von Licht und Schwere dar, der ja auch ein bewusstseins­mäßiger ist.

Gestern las ich in dem neuen „Spiegel“ über das Thema Schlaflosigkeit, die Titel­geschichte ging über Schlaflosigkeit, und das las ich am Tage, nicht in der Nacht. Und da wurde wieder einmal in mein Bewusstsein gezogen, was mir vertraut war, dass es keine konsistente Theorie darüber gibt, warum der Mensch überhaupt schläft. Es gibt nur Überlegungen in diese Richtung; aber warum Tiere etwa oberhalb der Fische schlafen, ist ein großes Rätsel. Warum schläft der Mensch? Und es gibt die verschiedensten Theorien. Alle sind in der einen oder anderen Form unbefriedigend. Letzlich ist es ein großes Rätsel. Und überhaupt der fundamentale polare Gegensatz von Licht und Finsternis ist ja für die menschliche Existenz überhaupt zentral. Und nicht zufällig ist etwa die Schlaftiefe in der Nacht immer größer als auch ein relativ tiefgehender Schlaf am Tage. Das heißt, dass Nicht-Licht bewirkt Schlaf auf eine die gesamte Physiologie und Psychologie des Menschen beeinflussende Weise. Und ich vermute und habe dafür auch eine ganze Reihe von Gründen ins Feld zu führen, obwohl ich das in letzter Konsequenz nicht beweisen kann, dass der Zusammenhang, den man aus dem englischen Wort „light“ ablesen kann, was „Licht“ heißt und „leicht“, auch damit zu tun hat, dass wir am Tage, im Tageslicht in einem vergleichs­weise aufgelockerten Feld stehen und buchstäblich auf eine für den Organismus sofort spürbare Weise leichter sind als in der Nacht.

Das heißt der Organismus …, es gibt einen Grundrhythmus im Laufe des Tages, das wissen Sie. Es gibt rhythmische Druckschwankungen in der Atmosphäre, es gibt rhythmische Hebungen und Senkungen der Erde [Erdoberfläche] um etwa 30 Zentimeter. Es gibt Gezeiten, Ebbe und Flut, auch übrigens ein Phänomen, was weniger eindeutig geklärt ist, als es oft hingestellt wird. Das will ich jetzt nicht im Einzelnen hier darstellen. Aber auch das, wenn man das genauer verfolgt, ist ein durchaus noch erklärungs­bedürftiges Phänomen mit ganz vielen Unbekannten. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass eventuell im Zusammenhang mit den Gezeiten der Sonne noch eine wesentlich größere Rolle zukommt, als man das bis dato gedacht hat. Sie wissen, man spricht ja normalerweise dem Mond etwa 60 Prozent der Gezeitenwirkung zu, der Sonne etwa 40 Prozent. Und ein wichtiger Unsicherheitsfaktor in all diesen Theorien daran, ist nicht nur die Beschaffenheit und die daraus resultierenden Resonanzphänomene des Meeresbodens und der unendlich komplexen Küstenlinien, sondern auch das Faktum der Trägheit der Wassermassen. Sie wissen ja, es gibt ja im Zusammenhang auch mit dem Zenit des Mondes, die Vorstellung der sogenannten Hafen-Zeit, das heißt, die Hochflutwelle tritt ja immer mit einer gewissen Verzögerung auf, manchmal fünf, sechs, sieben, acht, manchmal zehn oder sogar zwölf Stunden Verzögerung. Also, die berühmte Verzögerung der Extreme, die sie auch in anderen Zusammenhängen kennen, dass es nicht dann am heißesten ist, während eines Tages, wenn die Sonne ihren Zenit-Stand erreicht hat, sondern zwei, drei Stunden später. Also, das ist die berühmte Verzögerung der Extreme.

Und hier kann man von meiner Vorstellung dessen, was kosmisches Licht ist, als ein Gegeneinander, als die Manifestation eines Gegeneinanderwirkens von radial- und raum­energetischen Strömen zu interessanten Schlussfolgerungen kommen über Ebbe und Flut, auch über die gravitative Wirkung am Tage und in der Nacht. Und auch, was ich dem Experiment gerne überantworten würde, die Frage der Lichtgeschwindigkeit. Ich habe das ja, glaube ich vor 14 Tagen auch gesagt, ich stelle die These auf und möchte sie gerne verifizieren lassen oder falsifizieren lassen, je nachdem, dass die Lichtgeschwindigkeit am Äquator kleiner ist als an den Polen. Wenn die Vorstellung stimmen sollte, wie Licht entsteht, müsste die Lichtgeschwindigkeit am Äquator eine geringere sein als an den Polen. Das müsste sich auch messen lassen. Das ist bisher nie gemessen worden, aber man könnte es messen. Sie wissen vielleicht, dass seit 1972 eine zusätzliche Schwierigkeit hinzuge­kommen ist, als man die Lichtgeschwindigkeit ja festgelegt hat und damit auch alle Maße mit festgelegt hat. Das erwähnt ja etwa der Sheldrake in seinem Buch „Sieben Experimente, die die Welt verändern könnten“. Da weist er ja auf diesen Punkt hin, dass alle sogenannten Konstanten in der Natur, die Gravitationskonstante genauso wie die Lichtgeschwindigkeit, gar keine Konstanten sind. Man kann also ganz genau nachweisen, etwa im Falle der Lichtgeschwindigkeit, dass es von 1928 bis 1945 eine eindeutige Kurve gegeben hat. Das sind keine Messungenauigkeiten, sondern herausgefiltert aus einer Vielzahl von Messungen hat sich eine bestimmte Kurve ergeben. Man kann in größeren Kontexten, und auch das hat die neuere New Science da plausibel gemacht, zeigen, dass all diese Konstanten keine wirklichen Konstanten sind, einschließlich übrigens des Faktors c [, der] Lichtgeschwindigkeit.

Da gibt es ja eine Tendenz zu einer mythischen Übersteigerung, die auf Einstein zurückgeht, obwohl sie viel älter ist, also eine Art von Licht-Metaphysik, die das Licht zu einer absoluten Größe im Kosmos macht, auch in dieser berühmten Gleichung E = mc². Ich habe hier im zweiten Kapitel dieses Buches eine naturphilosophische Analyse dieser Gleichung gegeben, die zeigt, dass die populär verbreiteten Überzeugungen über diese Formel alle nicht haltbar sind, und zwar sowohl historisch nicht haltbar sind als auch physikalisch nicht haltbar sind, als auch philosophisch-erkenntnistheoretisch nicht haltbar sind. Ganz zu schweigen von der Frage der Priorität. Das ist mittlerweile ja kaum noch angezweifelt, dass die Zeit im frühen 20. Jahrhundert eine ganze Reihe von verschiedenen Ansätzen gezeigt hat, von verschiedenen Persönlichkeiten, diese Formel zu finden, also dass sie quasi in der Luft lag. Mehrere haben unabhängig von Einstein diese Formel auch gefunden, in verschiedensten Kontexten, vor allen Dingen im Kontext mit der sogenannten elektromagnetischen Materie-Theorie vor hundert Jahren, die heute von einigen amerika­nischen Physikern, Puthoff und anderen, wieder belebt wird. Ein hochinteressanter Punkt, weil in dem Zusammenhang, das nur am Rande jetzt erwähnt, das ist nicht unser Hauptthema, auch die Frage der trägen Masse neu angeschaut werden kann. Das ist ja ein großes Rätsel in der Physik immer gewesen, was überhaupt Masse ist, was auch die träge Masse ist. Und das konnte nie geklärt werden, bis zum heutigen Tage nicht. Und da gibt es interessante Ansätze in dem Zusammenhang.

Es gibt aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus Überlegungen zur Frage von Licht und Schwere, auf die ich erst sehr spät gestoßen bin, und zwar nachdem ich bereits das Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“ geschrieben hatte, das war im Sommer/ Herbst 1998. Erst im darauffolgenden Winter bin ich auf Überlegungen gestoßen, die mir bis dahin unbekannt waren, und zwar durch einen englischen Physiker, einen Anthropo­sophen, George Adams. Der hat sich zu diesen Fragen in verschiedenen Essays sehr eingehend geäußert, und es gibt interessante Zusammenhänge mit meinen Ansätzen. Ich konnte diese Ansätze nicht mehr verarbeiten, ich habe es nur in einer Fußnote erwähnt, in der Anmerkung. In diesem Buch hier „Grundfragen der Naturwissenschaft“, das einige Aufsätze zum Äther enthält aus anthroposophischer Sicht, das ist eine eigene, ganz spezifische Form von Äther-Vorstellung. Nach Steiner gibt es vier verschiedene Äther-Formen und das ist sehr komplex gedacht. Der zentrale Punkt bei Steiner, ganz kurz gesagt, was er ja zum Teil auch aus der Theosophie hat, ist ja der, dass der Raum selber polar ist. Es gibt, wie er das nennt, den physischen Raum und den ätherischen Raum. Dem physischen Raum, behauptet Steiner, ist die Gravitation zugeordnet, die er als eine Saugkraft interpretiert, [eine] eigenartige, in dieser Form kaum beachtete Deutung als eine Saugkraft. Also dem sogenannten physischen Raum, behauptet Steiner, sei die Gravitation zugeordnet und dem ätherischen Raum das Licht und die Aufrichtung der menschlichen Gestalt. Also die Oben-unten-Polarität, also die Vertikal-Achse des Menschen als eine Verbindungslinie zwischen Erdmittelpunkt und dem ätherischen Raum und der Weite des Sternenalls, wird als ein kosmisches Symbol gedeutet. Nun ist das sehr schwierig, allein diese Formulierung, die Steiner verwendet, halte ich für schwierig. Kann es überhaupt einen physischen Raum geben? Was soll das sein? Wenn Sie den Essay, den ich hier vorgelesen habe, den ich geschrieben habe, für die Zeitschrift „Der Blaue Reiter“ aufmerk­sam verfolgt haben, dann müsste Ihnen eigentlich aufgefallen sein, dass ich diese Frage verneine. Es kann keinen physischen Raum geben, der Raum selber kann keine Materialität haben, wahrscheinlich auch keine Feinstofflichkeit, weil er all dem zugrunde liegt, nicht nur rein logisch, etwa im Falle der Bewegung. Man kann nicht sagen, ohne in logische Zirkelschlüsse und Widersprüche zu geraten, der Raum bewegt sich, der Raum etwa dehnt sich aus. Das ist ein logisches Monstrum, weil der Raum sich nur innerhalb eines Raums bewegen könnte. Dann wäre das ein anderer, ein höherer Raum. Dann müsste man einen noch wieder höheren Raum postulieren, eine Art Hyperraum.

Auf jeden Fall der Raum selber kann in dieser Form nicht physisch sein, und die Vorstellung eines Äther-Raums ist dann bei den Anthroposophen, hier auch bei diesem Physiker George Adams, so gedacht, dass das Licht eine Art Levitationsfeld, so nennt er das, ich weiß nicht, ob die Formulierung bei Steiner auftaucht, bedeutet, das Licht ist also ein Antigravitationsfeld. Es gibt ein Gravitationsfeld, und es gibt ein vom Äther-Raum bewirk­tes Levitationsfeld. Also in meiner Deutung wäre das so nicht richtig, aber es könnte sich als kompatibel erweisen mit dem, was ich sage; dass ich nämlich sage, dass durch die Entstehung des kosmischen Lichtes, das Radialfeld des Gestirns der Erde eine Zustands­änderung erfährt, innerhalb deren dann auch auf eine ganz feine Weise, die von jedem Organismus spürbaren gravitativen Verhältnisse sich verändern, zum Beispiel auch der Schlaf-Wach-Rhythmus. Also, die Anthroposophen deuten ja die Tatsache, dass etwa Pflanzen gegen die Gravitation in den Raum hineinwachsen, als ein Herausziehen dann wieder von irgendwelchen Geistern, Engelshierarchien, die sich dann des Äthers bedienen, die dann quasi die Pflanzen aus dem Boden ziehen.

Auf jeden Fall, davon steht bei George Adams nichts. Er versucht das rein physikalisch-mathematisch zu belegen, auch unter Heranziehung der projektiven Geometrie des 19. Jahrhunderts. Ich lese mal eine kurze Passage vor. Ich habe das schon mal vor einem Jahr im Winter getan, in einem anderen Zusammenhang. Ich finde das hochinteressant, wenn Sie mal an das denken, was ich gesagt habe oder angedeutet habe über Licht und das Radialfeld, das wir als Gravitation spüren, als Anziehung. Hier schreibt George Adams, also ein Physiker, ich glaube, in den 50er Jahren ist das geschrieben worden: „Wir wollen nun annehmen, dass der Erdenplanet als Ganzes sowohl physischer wie ätherischer Natur ist. Er besitzt nicht nur ein Gravitations-, sondern auch eine Levitationsfeld. Er besteht nicht nur aus anorganische Materie. Die Erde als Ganzes ist ein Lebewesen“, also lange vor der Gaia-Theorie von James Lovelock, „die einzelnen Pflanzen, die auf ihr wachsen sind wie die Organe eines größeren, differenzierteren Organismus oder in der anthroposophischen Terminologie, die Erde hat nicht nur einen physischen Leib, sie hat auch ihren Ätherleib.“ Wenn überhaupt der Begriff Ätherleib für ein Gestirn sinnvoll erscheint, dann würde ich diesen Begriff Ätherleib identifizieren mit dem, was ich das Radialfeld der Gestirne nenne. „Wir erhalten ein vollkommen klares Bild vom Charakter des Levitationsfeldes des Planeten, wenn wir uns vorstellen, dass der unendliche Punkt des ätherischen Raumes im oder nahe dem Erdmittelpunkt liegt und dass die archetypische und krafterfüllte Levitationsebene in der unendlichen Himmelskugel liegt, also ausge­spannt zwischen zwei Unendlichkeiten, dem unendlichen Punkt im Erdmittelpunkt und der unendlichen Ebene in den Weiten des Kosmos, verstanden auch geometrisch-logisch als die Oberfläche einer unendlich großen Kugel.“ Was verwunderlich ist, weil ja doch der anthroposophische Ansatz letztendlich ein Ansatz ist, der von einer endlichen Welt ausgeht. „Wir machen eine doppelte Zuordnung: Genau da, wo der allgemeine Gravitations­mittelpunkt der physischen Kräfte liegt, befindet sich die Unendlichkeit, gleichsam die ideale Leere der ätherischen Kräfte, während andererseits in den fernen Himmelsweiten, in demjenigen, was vom physischen Raum aus betrachtet, wie die unendliche Leere erscheint“, also der tote, leere Raum, wie ich das genannt habe, „die Urquelle aller ätherischen und ebenenhaften Kräfte zu finden ist, die alle übrigen ebenenhaften Gebilde vom Erdmittelpunkt weg nach oben und nach außen ziehen.“

Also hier wird quasi eine Gegenkraft postuliert, eine ätherische Gegenkraft gegen die gravitative Saugkraft. Das findet sich vereinzelt in den Steiner-Vorträgen, nicht in einem einzelnen Vortrag, soweit ich weiß, und wird hier von Adams eigentlich losgelöst von den Vorstellungen Steiners von irgendwelchen Engelshierarchien, die das alles bewirken. „Wir wollen die zwei sich gegenseitig durchdringenden Gedanken nebeneinander stellen. Links jetzt das allgemeine Gravitationszentrum der physischen Kräfte.“ Das wäre also der Erdmittelpunkt bzw. Gestirnmittelpunkt in meinem Verständnis also die Quelle des Radial-Feldes, „ist zugleich der unendliche Punkt des ätherischen Raums. Die allgemeine Levita­tionsebene der ätherischen Kräfte ist die unendliche Ebene des physischen Raums.“ Er stellt dann hier heraus, dass die Gravitation dem physischen Körper zugehört, während Licht mit Bewusstsein und Geist zu tun hat, mit der eigentlichen Heimat des Menschen im Äther-Raum, wobei behauptet wird, auch das wird in vielen anderen Überlieferungen ja ähnlich gesagt, dass das Ich des Menschen nicht in seiner Brust sitzt oder in seinem Körper, auch nicht einmal in einer Sphäre, die ihn umgibt, sondern letztendlich im ätherischen Raum, ja geradezu identisch mit diesem. Das ist ja eine Umstülpung der, sagen wir mal, naiv, realistischen Erkenntnistheorie, wo wir zunächst davon ausgehen, dass Ich ist in uns drin. Man zeigt ja unwillkürlich auf die Brustbeinhöhe, wenn man sich meint, auf sich verweist, als ob das Ich hier säße. Es gibt aber viele Überlegungen, die davon ausgehen, dass das Ich ganz woanders sitzt, und das es durchaus imaginativ auch möglich ist, auch im Sinne der Phänomenologie von Hermann Schmitz, das Ich ganz anders zu imaginieren, zum Beispiel von außen. Und in Grenzzuständen oder grenzüberschreitenden transpersonalen Zuständen wird es ja auch erlebt, dass das Ich wie ausgegossen ist in den Raum, der dann auch das unvorstellbar geweitete Ich trägt, das dann nicht mehr eine einsame Rakete ist in einem toten und leeren Raum-Außen, so dass es wirklich getragen wird von einem Feld, wenn man es so nennen will, das ich Weltseele nenne.

„Schweben zwischen Schwere und Licht“, noch mal George Adams, „das ist das Wesen des menschlichen Lebens, so wie es sich in der heute heraufkommenden kosmischen Erfahrung enthüllt. Mit diesem Gegenpol wird er imstande sein, in einem dem elektromagnetischen Bereich zugewandten Zeitalter seine schicksalhafte Bestimmung, nämlich den Abstieg in die verborgenen Kräfte der sub-materiellen Bereiche auszu-balancieren.“ Eine These der Anthroposophen, die ich für vollkommen falsch halte, dass sie immer wieder sagen, dass die menschlichen Geisteskräfte sich das Ich entfalten im immer tieferen Hineingehen in die anorganische Materie, dass also der Mensch sein Ich nur finden, herausbilden kann, kristallisieren kann, indem er immer tiefer in die Materie geht. Ich behaupte, dass das Gegenteil der Fall ist. Das ist eigentlich eine Regression. Das ist eine eigenartige These, die immer wieder vertreten wird von allen Anthroposophen, die natürlich auf Steiner zurückgeht, [die] ich aber für abwegig halte, weil dann die entscheidende Zielrichtung in das immer Kleinere, in den Mikrokosmos aufgewertet wird als Ich-Findung, nicht, bis dahin, dass ja auch behauptet wird, der tote Kosmos, dessen Vorhandensein ja auch von Steiner nicht bestritten wird, der tote Makrokosmos ist nötig, damit das Ich erwacht. Sie kennen ja auch vielleicht diese Überzeugung. Das glaube ich nicht. Das ist eine nachträgliche, würde ich mal sagen, Pseudorechtfertigung dieser Vorstellung eines toten Universums. „Im Zentrum und Peripherie, Schwere und Licht wird er die auch in seinem eigenen Wesen widergespiegelte Polarität des räumlichen Universums entdecken. Er muss als Ausführender der göttlichen Evolutions-Intention zwischen den Extremen Materie und Geist, Erde und Himmel leben.“ Das ist sicherlich unbestritten. „Gerade in der Gestalt und in der Polarität seines irdischen Leibes wird er nun die Signatur einer universellen Struktur entdecken.“ Also, das glaube ich, dass man diese Punkte, diese Fragen noch einmal ganz neu durchdenken muss, dass es einen tiefen Zusammenhang gibt, einen polaren Zusammenhang zwischen Licht und Schwere, der sich schon findet in der Naturphilosophie von Schelling im frühen 19. Jahrhundert. Dass also die Lichtqualität auch als eine Bewusstseinsqualität etwas Antigravitatives hat, auch im Sinne des Wachbewusstsein. Und man kann das auch naturphilosophisch, ja fast physikalisch, glaube ich, nachweisen, und das müsste möglich sein. Allerdings dürfte es im konkreten Falle sehr schwer zu verifizieren sein, weil es natürlich Verzögerungseffekte gibt, zumal besonders schwierig im lebendigen Organismus. Es wäre ja auch eine physiologische Komponente, aber ich denke, es müsste sich nachweisen lassen, und ich würde gerne Forschung in diese Richtung einfach anregen, wenn vielleicht auch das nur möglich und sinnvoll wäre in einem großen Rahmen, in einem weit gespannten Forschungsprojekt, das ein Einzelner nicht leisten kann. Da könnte man vielleicht noch mal auf eine ganz neue Weise diese Frage der polaren Wechselbeziehung von Gravitation und Licht neu angehen, dann müsste man auch die Materie einbeziehen.

Noch kurz ein Zitat mal von mir selbst aus diesem genannten Essay in dem Sammelband: „Die Doppelnatur des Menschen ist an seiner Leibesgestalt ablesbar und lässt sich auch in spürender Meditation erschließen. Der aufgerichtete Mensch im Gegensatz zum primär horizontal ausgerichteten Tier zeichnet in seiner Vertikalachse gleichsam eine kosmische Linie nach, die den Erdmittelpunkt mit der geöffneten Weite des Sternenalls verbindet“, also quasi er zeichnet mit seiner Vertikalachse die Linien des Radialfeldes nach, „unten die atmende und nährende Erde, die den Leib über die Gravitation hinabzieht und ihn niemals entlässt, oben die Weite des Himmels, des Sternenalls, die gleichsam hinaufzieht, die die Schwerkraft mindert, so als hätten das natürliche Licht und das Licht des Geistes einen gegen die Gravitation gerichteten, ein quasi antigravitativen Impuls. Der Anti-Schwerkraft-Impuls des Sonnenlichtes ist eines der großen Mysterien der Naturphilosophie und einer spirituellen integralen Kosmologie. Schon der Naturphilosoph Schelling hat auf diesen Zusammenhang verwiesen, von dem die Mainstream-Naturwissenschaft nichts weiß. Bezogen auf die Pflanzen schreibt er einmal, Zitat: ,Das dunkle Band der Schwere ist in den Verzweigungen des Pflanzenreichs gelöst und dem Licht aufgeschlossen.‘“ Nochmal,das Schelling-Zitat 1798, also vor über 200 Jahren: „,Das dunkle Band der Schwere ist in den Verzweigungen des Pflanzenreichs gelöst und dem Licht aufgeschlossen.‘ Das Licht überhaupt, sein Wesen, seine Herkunft, seine organisierende Kraft, hat sich bis dato dem reduktionistischen Zugriff der Wissenschaft entzogen. Auch die raffinierteste Quanten-Optik hat dem Licht seine Geheimnisse nicht entreißen können. In ihrer innersten Natur ist das Zentralgestirn des Planetensystems, die sogenannte Sonne, eine stella incognita wie alle anderen Fixsterne.“

Also, Sie können das hier in diesem Essay auch nachlesen. Wir sind da in einem sehr schwierigen, sehr zarten, sehr subtilen Bereich. Und ich glaube aber, dass es eine lohnenswerte Aufgabe ist für die Zukunft, diesen Bereich auf eine neue Weise anzuschauen, vielleicht sogar, sich neue experimentelle Verifizierungen in dieser Richtung auszudenken. Und es mag auch einen Zusammenhang geben dann auch mit der Neuen Phänomenologie von Hermann Schmitz, auch mit einigen Ansätzen, sofern sie phänomenologisch sind, von Seiten der Anthroposophie. Da haben sie ja sehr viel geleistet auf dem Gebiet. Und das ist aber ein Feld, was noch weitgehend offen ist, (und) ich aber für hoch faszinierend und auch spannend halte und lohnend halte.

Eine ganz andere Frage, die uns ja schon beschäftigt hat, ist die Frage nach möglicherweise zwei oder sogar drei Lichtern. Denken Sie an das, was ich Ihnen erläutert habe. Gibt es ein spirituelles, ein geistiges Licht und ein sogenanntes physisches Licht? Ich sage, es gibt dieses physische Licht gar nicht in diesem Sinne, und die Frage, ob das sogenannte physische Licht, was als solches erscheint, und das Licht des Geistes das gleiche Licht ist, oder vielleicht das Eine nur eine Manifestation des anderen, ist unmittelbar empirisch nicht zu beantworten. Das kann nicht möglich sein. Insofern kommt man da an einen Bereich, wo die Empirie nicht weiterführt. Das müsste man dann auf eine neue Weise denken. Ich habe Ihnen das ja vorgestellt im Zusammenhang mit den drei verschiedenen Ansätzen das Licht zu denken, im Zusammenhang mit den drei Augen der Erkenntnis nach dem Mystiker Bonaventura in der Paraphrasierung von Ken Wilber. Das war an dem Tag des Mauerfalls, am 9. November, wie sich vielleicht Diejenigen erinnern, die da waren. Ja, ich will dann hier erst einmal einen Schnitt machen.

Ich habe ungefähr Ihnen den Bogen gespannt, den ich für heute spannen wollte. Und wir können da noch ins Gespräch kommen und noch ein bisschen uns unterhalten, ein paar Fragen klären. Ich möchte das nächste Mal dann, am 7. Dezember, zu der Frage übergehen, die auch mit dem Thema zentral zu tun hat: Wie sicher ist die Erde oder können wir dem Kosmos trauen? Zur Frage der kosmischen Katastrophen und ihrer Deutung. Dass wir nicht in eine Haltung reinkommen, uns hineinbegeben, die von einer Art Kosmos-Idyll ausgeht, sondern auch diese Katastrophenszenarien, die seit den frühen 80er Jahren ja auch ins Bewusstsein eingedrungen sind, genauer anschauen, und zwar ganz im Sinne einer Frage, die ich hier als Motto zitiere, ich darf das mal kurz als Abschluss vorlesen. Matthew Fox sagt im Gespräch mit Sheldrake Folgendes, und bezieht sich auf eine Aussage, Frage Einsteins: „Jeder im alten Griechenland und Rom glaubte an Engel, sie waren Teil der akzeptierten Kosmologie. Die Frage war jedoch, ob man diesen unsichtbaren Kräften des Universums, die die Planeten und Elemente bewegten, trauen könne, oder nicht. Wie vertrauenswürdig ist das Universum? Das ist deshalb so interessant, weil im 20. Jahrhundert Einstein einmal gefragt wurde: Welches ist die wichtigste Frage, die man sich im Leben stellen kann? Seine Antwort war: Ist das Universum ein freundlicher Ort, oder nicht? Das ist die gleiche Frage. Es ist letztlich ein kosmologisches Thema: Können wir dem Kosmos trauen?“ Zitat Ende des Theologen Matthew Fox. Ja letztlich auch die Frage nach der Bewusstseinsqualität überhaupt, und dann auch wieder die Frage nach dem Oikos, nach dem Ort des Menschen im Universum. Was ist dieses für ein Universum? Ist es, wie Castaneda schreibt, ein räuberisches Universum? Ist es ein von Chaos durchflutetes Universum? Und können wir in diesem Sinne dem Kosmos trauen? Ja, eine entscheidend wichtige Frage, auch im Zusammenhang mit möglichen oder gedachten oder befürchteten Katastrophen. Und auf diese Frage will ich in der nächsten Vorlesung dann auch eingehen, weil man sehr leicht auch in, sagen wir mal, naturphilosophisch-spirituellen Zusammenhängen dazu neigt, eine manchmal idyllisch-naive Vorstellung zu entwickeln von dem, was Kosmos ist oder sein soll oder sein kann.

* * * * * * *

Wiedergeburt als wissenschaftliche Hypothese?

Vortrag

Urania Berlin
17.12.1997
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 48

Transkript als PDF:

* * * * * * *

Ich möchte der Frage nachgehen, ob Wiedergeburt, Reinkarnation als eine wissenschaftliche Hypothese gelten kann. Wie wahr sind Reinkarnationsberichte? Ich will mal mit einigen Beispielen beginnen, die das Thema illustrieren und die gleichzeitig ein Schlaglicht werfen auf die Fragen, um die es hier gehen soll.

Mitte der 60er Jahre erschien ein Buch, was heute noch viel gelesen wird, von einem Autor namens Lama Anagarika Govinda. Das Buch trägt den Titel „Der Weg der weißen Wolken“, Lama Anagarika Govinda, 1898 bis 1985, ein weltweit anerkannter, großartiger Gelehrter, Buddhist, auch Dichter und Maler, ein Deutscher, ursprünglich Ernst Lothar Hoffmann, der in den späten 20er Jahren nach Asien ging, lange in Tibet gelebt und geforscht hat, dann in Indien lebte, zum Schluss in Kalifornien. Dieser Lama Govinda schreibt in seinem Buch „Der Weg der weißen Wolken“ ein Kapitel, das er überschrieben hat: „Eine Botschaft aus der Vergangenheit“. Ich darf mal einige Passagen aus diesem Kapitel vorlesen, das uns in die Thematik einführen kann. Lama Govinda, damals noch Ernst Lothar Hoffmann, auch Maler, ich sagte es, hat Anfang der 20er Jahre auf Capri gelebt. Und da ist er eines Tages mal von einem Freund zu einer sogenannten spiritistischen Séance eingeladen worden. Er sagt ausdrücklich, er als Buddhist, er war damals schon Buddhist, lehne diese Séancen, diesen ganzen Mediumismus ab, aber er hat sich darauf eingelassen.

„Als überzeugter Buddhist hatte ich zwar keine sehr hohe Meinung von diesen Dingen, nicht weil ich die Wirklichkeit okkulter Kräfte leugnete, sondern weil mir die Theorien und Praktiken der Spiritisten primitiv und unbefriedigend erschienen. Andererseits aber begrüßte ich die Gelegenheit, mir selbst einen Einblick in diese Dinge verschaffen zu können und Informationen zu gewinnen. Ich akzeptierte daher die Einladung und nahm an einer der Séancen teil. Wir saßen in einem von gedämpftem Tageslicht erfüllten Raum um einen großen runden Tisch herum und ließen unsere ausgespreizten Hände leicht auf der Tischplatte vor uns ruhen, indem wir die für solche Séancen vorgeschriebene Kette bildeten, in der die Außenfinger aller Hände sich gegenseitig berühren. Als der schwere Mahagonitisch sich zu bewegen begann, machte einer der Teilnehmer den Vorschlag, Fragen über die vorgeburtlichen Existenzen der Anwesenden zu stellen. Die Antworten, die durch vorher vereinbarte Klopfzeichen gegeben wurden, waren, wie so oft in solchen Fällen, zu vage, um von wirklichem Interesse zu sein und außerdem jenseits irgendeiner Nachprüfungsmöglichkeit. Als der Frager sich über mein früheres Leben erkundigte, buchstabierte der Tisch einen Namen, der augenscheinlich lateinisch war und den niemand der Anwesenden je gehört hatte. Auch ich war verwundert, obgleich mir war, als ob ich einen solchen Namen gelegentlich in einer Bibliografie gelesen hätte, und zwar als Pseudonym eines weniger bekannten Autors, dessen Name mir entfallen war. In jedem Fall maß ich dieser Antwort keine Bedeutung bei, noch war ich von der Prozedur der Séance beeindruckt, denn es schien mir unwahrscheinlich, dass irgendein mit Vernunft begabtes Wesen, sei es in Form eines Geistes oder irgendeiner anderen bewussten Entität, sich dazu hergeben würde, müßige Fragen dieser Art zu beantworten und die Fragen auf so primitive und schwerfällige Weise mitzuteilen. Wenn solche Entitäten mit menschlichen Wesen in Kontakt treten wollten, so würden sie sicher angemessenere Kommunikationsmittel ausfindig machen, sagte ich mir. Es erschien mir daher wahrscheinlicher, dass die auf diese Weise aufgerufenen Kräfte nichts anderes waren als diejenigen des Unterbewusstseins der Teilnehmer. Und wenn dem so war, schloss ich weiter, bestand keine Aussicht, dass durch diese Kräfte irgendetwas enthüllt werden könnte, was nicht bereits in der unterbewussten oder unbewussten Psyche der Séanceteilnehmer vorhanden war. Da ich noch keine klare Vorstellung darüber hatte, worin diese Psyche bestand, so ließ ich die Sache auf sich beruhen und schenkte ihr keine weitere Beachtung.“

Also Schritt Nummer eins, Lama Govinda, damals noch Ernst Lothar Hoffmann, nimmt an einer spiritistischen Séance teil, da wird ihm ein Name gesagt, ein Name, den er glaubt gehört zu haben, aber mit dem er zunächst nichts anfangen kann. Er lässt die Sache auf sich beruhen, weil er als Buddhist nicht glaubt, dass Spiritismus in irgendeiner Form etwas Erkenntniserhellendes mitteilen könnte.

„Einige Zeit danach geschah es, dass ich einem anderen Freund, einem jungen deutschen Archäologen, eine Geschichte vorlas, die ich in meiner Kindheit geschrieben hatte und die den Anfang einer mystischen Novelle darstellte, in der ich meinen religiösen Überzeugungen und inneren Erfahrungen Ausdruck verleihen wollte. Mein Freund war einige Jahre älter als ich. Ich hatte große Achtung vor seinem literarischen und kunstgeschichtlichen Wissen und schätzte sein reifes Urteil. Nachdem ich eine Weile gelesen hatte“, er liest da eine Novelle von sich selbst vor, „nachdem ich eine Weile gelesen hatte, unterbrach er mich plötzlich und rief: Woher hast du das? Hast du je etwas gelesen von …“ Jetzt tauchen in dem Buch drei Striche auf, der Name wird nicht genannt. „Hast du je etwas gelesen von …? Und hier erwähnte er denselben Namen, an dem ich und die anderen Teilnehmer an der erwähnten Séance herumgerätselt hatten. Das ist wirklich sonderbar, sagte ich. Das ist jetzt das zweite Mal, dass ich diesen Namen höre. Und dann erzählte ich ihm, wie der Name in der Séance aufgetaucht war. Mein Freund erzählte mir daraufhin, dass dieser Autor eine ähnliche Novelle zu schreiben begonnen hätte, ohne sie je zu beenden, weil er in sehr jungen Jahren gestorben sei und zwar an derselben Krankheit, die mich zum Aufenthalt in einem Sanatorium des Tessins gezwungen hatte, wo mein Freund und ich uns kennengelernt hatten. Nicht nur der Hintergrund meiner Geschichte und die darin ausgesprochenen Ideen glichen denen jenes Autors, sondern sogar der Stil, die besondere Art der Phantasie, die Symbole und gewisse typische Phrasen. Ich war aufs Höchste überrascht und versicherte meinem Freund, dass ich nie in meinem Leben eine Zeile dieses Autors gelesen hätte. Das war nicht weiter verwunderlich, denn er war vor etwa hundert Jahren gestorben und zu meiner Zeit noch nicht so populär, dass er in das normale Pensum einer höheren Schule aufgenommen worden wäre. Tief beeindruckt von den Worten meines Freundes beschloss, ich, mir sofort die Werke, von denen er gesprochen hatte, zu beschaffen. Bevor ich sie aber bekommen konnte, da sie in italienischen Buchhandlungen nicht zu haben waren, geschahen andere seltsame Dinge.“

Also zweite Phase. Er liest eine Novelle von sich einem Freund vor, der sagt, halt mal, wo hast du das her? Das kenne ich doch. Denn das ist ja von …

„Ich war eines Tages zu einer Geburtstagsgesellschaft eingeladen, auf der, wie dies in Capri meist der Fall war, die verschiedensten Nationalitäten vertreten waren. Unter den Gästen befand sich auch ein deutscher Gelehrter, der soeben erst auf der Insel zu einem kurzen Aufenthalt eingetroffen war und den ich bisher nicht kennengelernt hatte. Als ich den Raum betrat, in dem die Gäste versammelt waren, nahm ich den Ausdruck äußerster Überraschung auf dem Gesicht des Neuankömmlings wahr und selbst nachdem ich ihm vorgestellt worden war, fühlte ich dauernd seinen Blick auf mir ruhen. Einige Tage später begegnete ich der Gastgeberin jener Geburtstagsgesellschaft wieder und fragte sie: Wer war der Herr, dem sie mich neulich vorstellten? Ich wundere mich, dass er mich die ganze Zeit angestarrt hat. Ich habe ihn nie zuvor gesehen und kann mich nicht einmal an seinen Namen erinnern. ‒ Sie kennen Dr. X. nicht? Nun, der ist schon wieder abgereist, aber ich kann ihnen sagen, was ihn so sehr an Ihnen interessierte. Er schreibt gerade die Biographie eines deutschen Dichters und Mystikers, der vor etwa einem Jahrhundert starb und dessen Schriften er neu herausbringt. Als sie ins Zimmer traten, konnte er kaum seiner Überraschung Herr werden, wie er mir später sagte, wegen der frappanten Ähnlichkeit zwischen Ihnen und dem einzigen erhaltenen Porträt jenes Dichters aus der Zeit, da er in Ihrem Alter war. Die Ähnlichkeit sei so außergewöhnlich, dass es ihn fast wie ein Schock getroffen hätte.“

Dritter Schritt. Es wird auf eine frappante physiognomische Ähnlichkeit verwiesen, immer noch bezogen auf diesen Autor, der vor hundert Jahren, bezogen auf die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, gestorben war.

„Eine weitere Überraschung harrte meiner. Als die von mir bestellten Bücher endlich eintrafen“‒ vierte Phase ‒ „erkannte ich nicht nur wesentliche Teile meiner Geschichte wieder, sondern fand, dass gewisse Stellen wörtlich mit denen von mir in meiner Kindheit geschriebenen übereinstimmten. Je weiter ich las, desto klarer wurde es mir, dass ich meine eigenen innersten Gedanken darin wiedergegeben fand und zwar genau in den Worten und Bildern, die ich selbst zu brauchen pflegte. Es war aber nicht nur meine Vorstellungswelt, die ich in jedem Detail widergespiegelt fand. Ich entdeckte dort noch etwas viel Wichtigeres, etwas, das mir als das Hauptwerk meines gegenwärtigen Lebens vorschwebte: die Umrisse einer Morphologie der menschlichen Kultur, die in einer magischen Schau des Universums gipfelte. Ich hatte bereits in jugendlichem Optimismus einen solchen Plan entworfen und auf verschiedenen Gebieten, Archäologie, Religion, Psychologie, Philosophie und so weiter zu arbeiten begonnen, in der Hoffnung, im Laufe meines Lebens das notwendige Material sammeln und zu einem einheitlichen Gebäude koordinieren zu können.“ Zitatende.

Es ist eigenartig, wie ich damals feststellen konnte, dass die wenigsten Leser darauf gekommen sind, von welcher Persönlichkeit hier die Rede sein könnte. Selbst Angehörige einer Gemeinschaft eines Ordens, den Lama Govinda gegründet hat, hatten keine Ahnung, von welcher Persönlichkeit hier gesprochen wird. Wenn man die Aussagen im Einzelnen sich anschaut, kommt man relativ schnell auf eine Persönlichkeit, die hier nur gemeint sein kann, auf einen relativ unbekannten romantischen Autor, Otto Heinrich Graf von Loeben, der sich nach dem Vorbild des Novalis „Orientalis“ nannte, „Isidorus Orientalis“. Er lebte von 1786 bis 1825. Zwei Schriften von ihm sind erhältlich, „Blätter aus dem Reisebüchlein eines andächtigen Pilgers“, 1808, und „Die Lotusblätter-Fragmente“, 1817. Natürlich hat es mich nun interessiert: Was hat es dann auf sich mit der hier angesprochenen Ähnlichkeit? Ich habe dann versucht, ein Portrait dieses Orientalis ausfindig zu machen. Ich habe es ausfindig gemacht in einem Buch über Eichendorff. Dieser Loeben-Orientalis war ein Freund von Eichendorff, und ich konnte das vergleichen mit einem Bild des jungen Ernst Lothar Hoffmann bzw. Govinda. In der Tat ist eine frappante physiognomische Ähnlichkeit gegeben. Das hat für diese Persönlichkeit Hoffmann-Govinda ungeheure Auswirkung gehabt. Nicht zuletzt deswegen ist er dann nach Asien gegangen, hat einen ganz bestimmten, konsequenten, meditativen, spirituellen Weg beschritten. Also eine ganz frühe, ungewollte Konfrontation mit einer Persönlichkeit, von der er annahm, ohne dass er deren Namen bewusst nennt, dass er selbst, wie wir erstmal vereinfachend sagen, mit ihm in irgendeiner Form reinkarnationsmäßig identisch ist. [Soweit] Beispiel 1.

Zweites Beispiel. Anfang der 80er Jahre erschien ein Buch von mir über den Renaissance-Philosophen Giordano Bruno bei Rowohlt. Die Folge war, dass ich in den Wochen und Monaten danach sehr viele Briefe bekam, Anrufe bekam, merkwürdigster Art. Ich erhielt zum Beispiel Kunde von einer Autorin aus München, die mir auch ein dickes Manuskript schickte, die nach langen, für sie bewegenden, eindrücklichen, aufwühlenden Erlebnissen zu der Auffassung kam, sie selber sei in einer früheren Inkarnation Giordano Bruno gewesen. Sie hat mir dann dieses dicke Manuskript zugeschickt. Ich habe es gelesen. Ich war erstaunt über diese Schlussfolgerungen, denn sie hatte sehr minutiös geschildert, was im Einzelnen in Rom passiert war. Ich konnte das nachvollziehen. Das waren bewegende Erlebnisse. Ich konnte aber die Schlussfolgerung, zu der sie gekommen war, an keiner Stelle wirklich mitvollziehen. Ich habe ihr dann einen freundlichen Brief geschrieben und gesagt: Ich bezweifle nicht den Text, den inneren Text ihrer Erfahrung, aber ich bezweifle ihre Interpretation der Erfahrungen. Das hat sie tief gekränkt, denn mein Buch gerade hatte sie so inspiriert.

Nun, bekam ich in diesen gleichen Tagen, Wochen, Monaten mehrfach abendlich einen Anruf von einem Herrn, dessen Namen ich vergessen hatte, der mir auch nie Manuskripte oder Texte zugeschickt hat, der mir erzählte, er würde immer wieder in bestimmten Grenzzuständen davon träumen, dass er verbrannt würde. Man muss wissen, Giordano Bruno ist im Jahre 1600 als Ketzer verbrannt worden, ein spektakulärer Justizmord der katholischen Kirche. Dieser Mann habe also immer wieder Bilder, Vorstellungen, Visionen gehabt, er wird verbrannt. Er fühlt sich in die Zeit zurückversetzt. Kurzum, irgendwann, ich hörte das schon raus am Telefon, ich ahnte das schon, rückte er damit raus: Ja, er glaube ganz sicher, er sei Giordano Bruno gewesen. Ich weiß noch, dass ich erstmal sehr zurückhaltend war. Ich war freundlich und höflich und kam nicht auf den Gedanken, was böse und sarkastisch gewesen wäre, ihm nun die Adresse der Dame aus München zu geben, dass beide sich verständigen könnten, wie es denn nun sei mit ihrer Vergangenheit. Das habe ich nicht getan.

Dann kam mir zu Ohren, dass im Rahmen der sogenannten Reinkarnationstherapie, ausgerechnet um diese Zeit, jemand in sich die Vorstellung gewonnen hat, davon ganz überzeugt war, subjektive Evidenz lag vor, er sei Giordano Bruno.

Vierter Punkt. Ich hatte dann vor zehn Jahren zu tun mit einem anderen Verlag wegen eines anderen Buches, und die Lektorin dieses Verlages sagte dann, nachdem sie mich eine Weile betrachtet hatte, lieber Herr Kirchhoff, wenn einer Bruno war, dann sie. Nun ist auf meine vorgebliche oder echte Ähnlichkeit mit Giordano Bruno oft hingewiesen worden. Ich muss aber diesen Punkt von mir weisen. Bei aller großen Verehrung für Giordano Bruno, vielleicht gerade wegen dieser großen Verehrung, auf jeden Fall: Ich bin es nicht.

Der fünfte Punkt. Die Anthroposophen vertreten die Überzeugung, fünftes Beispiel, jetzt bezogen auf Bruno, Annie Besant, die berühmte theosophische Autorin und Lehrerin, Schülerin von Madame Blavatsky, sei die Reinkarnation von Giordano Bruno gewesen. Sie selber habe auch diese Überzeugung geteilt, habe sie auch verschiedentlich in Vorträgen anklingen lassen. Steiner habe sich dann mehr oder weniger deutlich auch in diesem Sinne ausgesprochen. Ja, in der Tat ist es so, Annie Besant sei Giordano Bruno gewesen.

Nun, der sechste Bruno in einem Buch eher obskurer Natur, fast wirkte es auf mich wie eine Karikatur, las ich in einem Sammelband „Wer ist wer?“. Eine kurze Zusammenstellung, wer nun wer war, was ja jeden interessiert, also schlug ich mal nach. Als ich das Buch in den Händen hielt, unter Giordano Bruno, siehe da, nein, nicht Madame Besant, sondern Madame Blavatsky herself. Gut, da haben wir also jetzt sechs Kandidaten für eine überragende Persönlichkeit der abendländischen Geistesgeschichte. Ich sage das jetzt nicht, um das ins Lächerliche zu ziehen. Ich will nur sagen, dass das offenbar ein sehr subtiles, sehr schwieriges Thema ist, denn hier sind offenbar doch Menschen ganz fest überzeugt, sie haben ganz feste, subjektive Evidenzerlebnisse. Sie glauben das wirklich. Und wenn man das anzweifelt, dann werden diese Menschen häufig genug sehr ungehalten bis aggressiv oder arrogant. Im Falle dieser Dame aus München hat das dann zum Abbruch des Kontaktes geführt. Wenn ich das nicht verstehe, wurde mir verdeutlicht, dann hätte ich quasi nichts verstanden von dieser Persönlichkeit, obwohl sie mir gerade vorher geschrieben hatte, mein Buch hätte sie so tief bewegt und hätte ihr so wichtige Impulse vermittelt. Also, wie sieht es aus damit?

Ein drittes Beispiel aus einem ganz anderen Bereich, was nochmal wieder ein Schlaglicht wirft auf dieses subtile Thema. Denn es ist ein sehr subtiles Thema, es ist überhaupt nicht einfach, und es erfordert ein Höchstmaß an Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Sensibilität, um sich damit überhaupt adäquat auseinanderzusetzen.

Es gibt einen Forscher, ein Psychiater, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, vorgebliche oder echte Erinnerungen von Kindern an frühere Inkarnationen, an mögliche frühere Inkarnationen zu erforschen, Jan Stevenson. Er will 1500 Fälle erforscht haben. Einige hundert offenbar, müssen, soweit man den Schilderungen trauen kann, wirklich frappant sein. Und zwar nicht, wie man annehmen könnte, nur aus Indien, aus Asien, nein, auch aus Europa, aus Australien und aus Amerika. Er hat diese Fälle gesammelt, die sehr häufig sind, dass Kinder ganz früh mit 3, 4, 5 [Jahren] plötzlich sagen, sie seien ganz jemand anderes. Sie könnten sich genau erinnern, sie hätten da diese und jene Geschwister, diese Eltern, diese Örtlichkeiten, dieses Haus, dieser Garten, dieser Strom, sie wollten da hin. Ich gebe mal ein Beispiel von diesem Jan Stevenson, dargestellt von einem amerikanischen Religionswissenschaftler, Christopher Bacher, in seinem Buch „Life Cycles“ oder „Das Buch von der Wiedergeburt“. Ein berühmter Fall: Prakash Varshnai , so der Name, wurde im August [19]51 in Chatai in Indien geboren. Als Kind zeigte er keinerlei auffälliges Verhalten, wenn man davon absieht, dass er vielleicht mehr als die meisten seiner Zeitgenossen zum Weinen neigte. Aber einmal, er war gerade viereinhalb Jahre alt, wachte er mitten in der Nacht auf und rannte aus dem Haus. Als seine Eltern ihn eingeholt hatten, behauptete er, sein Name sei eigentlich Nirmal, also nicht Prakash, sondern Nirmal und er gehöre nach Kuhi Kalan, einer etwa zehn Kilometer entfernt liegenden Stadt. Er sagte auch, sein Vater heiße Bolanath. In den nächsten fünf oder sechs Nächten zeigte Prakash das gleiche Verhalten. Er wachte mitten in der Nacht auf und lief auf die Straße. Danach geschah es seltener, kam aber noch einen Monat lang gelegentlich vor. Er begann tagsüber von seiner Familie zu reden in Kuhi Kalan. Er behauptete, er habe dort eine Schwester namens Tara und nannte auch mehrere Nachbarn. Sein Haus dort beschrieb er als ein Haus aus Backstein, im Gegensatz zu seinem jetzigen Haus in Chatai, da dessen Wände aus getrocknetem Schlamm waren. Er sagte, sein Vater habe vier Läden, darunter einen Getreideladen, einen Stoffladen und ein Geschäft, in dem Hemden verkauft würden. Er erwähnte auch den eisernen Geldschrank seines Vaters, in dem er eine Schublade mit einem eigenen Schlüssel dazu habe. Aus Gründen, die für seine Angehörigen unverständlich waren, wurde Prakash immer mehr von dem anderen Leben, an das er sich plötzlich wieder erinnerte, besessen und bat wiederholt, sie möchten ihn nach Kuhi Kalan bringen? Er quälte sie so lange, bis sein Onkel schließlich nachgab und versprach, mit ihm dorthin zu fahren. Zunächst versuchte er allerdings, ihn zu überlisten, indem er den Bus in die Gegenrichtung bestieg. Aber Prakash bemerkte die Täuschung, und sein Onkel gab sich geschlagen. In Kuhi Kalan fanden sie tatsächlich einen Laden, der einem Mann names Bolanath Jain gehörte. Aber da der Laden geschlossen war, kehrten Prakash und sein Onkel nach Chatai zurück, ohne ein Mitglied der Familie Jain gesprochen zu haben. Wieder zu Hause angekommen, identifizierte Prakash sich wieder stark mit Nirmal. Er verlangte oft, man solle ihn mit Nirmal anreden und hörte nicht mehr auf seinen eigenen Namen. Zu seiner Mutter sagte er, sie sei gar nicht seine richtige Mutter, und er beklagte sich über das einfache Haus. Mehrmals bat er unter Tränen, ihn wieder nach Kuhi Kalan zu bringen. Eines Tages brach er einfach auf eigene Faust auf, in der Hand einen langen Nagel. Das sei, sagte er, der Schlüssel zu einer Schublade im eisernen Geldschrank seines Vaters. Er hatte schon fast einen Kilometer auf der Landstraße hinter sich, als man ihn aufgriff und nach Hause zurückbrachte. Man kann sich vorstellen, wie beunruhigt Prakashs Eltern über die plötzliche Veränderung ihres Sohnes waren. Sie wollten ihren alten Prakash wiederhaben, ohne die aufwühlenden Erinnerungen, an deren Nachprüfung sie nicht im Mindesten interessiert waren.“ Gelinde formuliert, bei Fällen dieser Art sind die Eltern zuhöchst alarmiert. Es ist keineswegs so, gerade in Indien, wenn solche Fälle auftreten, dass die Eltern begeistert sind, sozusagen, jetzt spricht das Kind mit fremden Zungen, jetzt erinnert es sich, im Gegenteil, es gilt eher als ein Negativ-Zeichen, wenn sich Kinder früh erinnern und führt zu heillosen Komplikationen oder kann zu heillosen Komplikationen führen.

„Schließlich riss ihnen der Geduldsfaden, also den Eltern, sie haben es jetzt satt, und sie nahmen die Sache selbst in die Hand. Bei einem alten Brauch folgend, wirbelten sie ihn, den Kleinen auf einer Töpferscheibe herum, na gut, in der Hoffnung, er würde dadurch seine Vergangenheit vergessen. Als das nichts nützte, schlugen sie ihn. Ob Prakash durch dieses Vorgehen nun wirklich sein Leben als Nirmal vergaß oder nicht, jedenfalls sprach er nicht mehr darüber.“ Kein Wunder, das Kind wird geschlagen und drangsaliert, also schweigt es.

„Unterdessen lebte in Kuhi Kalan eine Familie, die 16 Monate bevor Prakash geboren wurde, ein Kind durch Pocken verloren hatte. Sein Name war Nirmal gewesen, sein Vater hieß Bolanath Jain und seine Schwester Tara. Nirmals Vater war Kaufmann und hatte vier Läden, ein Kleiderladen, zwei Lebensmittelläden und einen Gemischtwarenladen, in dem unter anderem auch Hemden verkauft wurden. Die Familie Jain wohnte in einem bequemen Ziegelhaus und der Vater hatte dort tatsächlich einen großen eisernen Geldschrank, in dem jeder seiner Söhne eine Schublade für sich hatte, mit einem eigenen Schlüssel dazu. Die Familie Jain hörte bald von dem Besuch des Kindes, das behauptete, Nirmal zu sein, machte aber fünf Jahre lang keinen Versuch, der Sache nachzugehen. Im Frühsommer des Jahres 1961 hatte Nirmals Vater mit seiner Tochter Memo geschäftlich in Chatai zu tun und traf zufällig auch mit Prakash und dessen Familie zusammen. Bevor diese Ereignisse sie zusammenführten, hatten die beiden Familien nichts voneinander gewusst. Sie hatten auch keine gemeinsamen Bekannten. Prakash erkannte seinen Vater sofort und war überglücklich, ihn zu sehen. Er erkundigte sich nach Tara und seinem älteren Bruder Djaktish. Als der Besuch beendet war, folgte er seinen Gästen bis zur Bushaltestelle und bat sie weinend, ihn mit nach Hause zu nehmen. Prakashs Verhalten muss einen tiefen Eindruck Eindruck auf Bolanath Jain gemacht haben, denn schon wenige Tage später kam auch seine Frau, seine Tochter Tara und sein Sohn Devendra nach Chatai, um Prakash mit eigenen Augen zu sehen. Als Prakash Nirmals Bruder und Schwester, besonders Tara, sah, brach er in Tränen aus. Beide nannte er beim Namen. Er kannte auch Nirmals Mutter. Auf Taras Schoß sitzend deutete er Frau Jain und sagte: Das ist meine Mutter. Die Familie Varshnai war von den plötzlich über sie hereinbrechenden Geschehen nicht begeistert, und es gefiel ihnen auch nicht, dass Prakashs Erinnerungen, Sehnsüchte wieder zum Leben geweckt wurden. Aber genau das war mit aller Macht geschehen. Dennoch ließen sie sich schließlich dazu überreden, Prakash noch einen letzten Besuch in Kuhi Kalan zu gestatten. Im Juli desselben Jahres, als Prakash knapp zehn Jahre alt war, fuhren sie zum zweiten Mal mit ihm nach Kuhi Kalan. Er führte sie ohne Hilfe von der Bushaltestelle zum Haus der Jains, obwohl der fast einen Kilometer lange Weg mit seinen Windungen und Abzweigungen gar nicht so leicht zu finden war und Tara ihn durch falsche Hinweise in die Irre zu führen versuchte. Als er schließlich beim Haus der Jains ankam, stutzte er und war verwirrt. Es stellte sich heraus, dass der Hauseingang seit Nirmals Tod umgebaut und die Tür ein gutes Stück seitlich versetzt worden war. Innen fand Prakash richtig das Zimmer, in dem Nirmal geschlafen hatte und das, in dem er gestorben war. Nirmal war kurz vor seinem Tod in ein anderes Zimmer gebracht worden. Er entdeckte den Geldschrank der Familie und erkannte einen Kleinwagen, der zu Nirmals Spielzeug gehört hatte. Die Familie Jain erkannte Prakash schließlich als Reinkarnation von Nirmal an, was die ohnehin schon beträchtliche Angst der Varshnais noch verstärkte. Sie hatten sich von Anfang an dagegen gewehrt, Prakash angebliche Erinnerungen zu überprüfen und schließlich nur nachgegeben, um seine lästigen Bitten zu beenden.“

Beispiele dieser Art gibt es sehr viele. Meistens verlieren sich die Erinnerungen relativ früh, häufig sind sie nicht nachprüfbar. Oft sind sie nachprüfbar. Und Jan Stevenson ist sehr vielen dieser Fälle nachgegangen, auch in Europa, in Australien und Amerika, und ist zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Das als Einstieg zunächst einmal in diese Thematik.

Wir haben also Phänomene, wir haben ganz bestimmte Fälle, wir haben Erinnerungen, wir haben schon bestimmte Kriterien, die möglicherweise für eine Erinnerung gelten können, wir haben subjektive Evidenzerlebnisse, und die Frage ist naheliegend und sinnvoll: Ist es möglich, die Frage so weit voranzutreiben und so weit geistig zu differenzieren, dass man fragen kann: Kann dies als eine wissenschaftliche Hypothese gelten? Wie wahr sind Reinkarnationsberichte?

Zunächst noch einmal zu dem Begriff, der hier im Thema auftaucht, der sich ja so in keinster Weise einfach von allein versteht: Wiedergeburt, Reinkarnation. Man kann sagen, es gibt da ein eher populäres, gleichsam exoterisches und ein eher subtiles oder esoterisches Verständnis. Reinkarnation, Wiederfleischwerdung, ein wie immer geartetes Wesen, eine Geist-Essenz, ein Bewusstsein, eine Seele, was auch immer, ein Etwas, ein Wesen, ein Bewusstsein verlässt einen Körper und begibt sich in einen anderen Körper oder baut einen anderen Körper auf, zunächst einmal auf der Ebene und im Kontext menschlicher Existenzen. Ich lasse im Moment und für diesen Abend überhaupt draußen vor die Möglichkeit einer Wiederverkörperung in anderen Seinsregionen, von denen ja auch der tantrisch-tibetische Buddhismus überzeugt ist. Also, es geht immer um die Frage, es gibt ein Wesen, das einen Körper verlässt beim Tode, wie immer wir dieses Wesen nennen, Bewusstseinsprinzip, Bardokörper, was immer, und dieses Wesen reinkarniert sich wieder. Es nimmt Fühlung auf, es baut einen neuen Körper auf. Wie das geschieht, und wann es geschieht, ob gleich zu Beginn bei der Zellteilung, bei der Verschmelzung von Ei und Samenzelle, sei dahingestellt. Es gibt andere Überlegungen, die sagen, diese Verbindung geschieht erst viel später im Laufe der Schwangerschaft, manchmal sogar erst kurz vor der Geburt. Das möge zunächst einmal dahingestellt sein. Und bei dieser Frage, Reinkarnation als wissenschaftliche Hypothese, hängt natürlich alles von der Frage ab: Was ist dieses Wesen, das sich da wiederverkörpert? Eine ja essentielle Frage. Wenn ein bestimmter Mensch stirbt und als toter Körper, als unbeseelter, nicht mehr von Geist erfüllter Körper einfach daliegt, dann als toter Körper, dann ist irgendetwas von ihm abgezogen, ist weggegangen, hat sich abgelöst, wie immer ich das nennen will. Und es ist wichtig zu fragen: Was könnte dann und was wird dann möglicherweise in eine andere, eine nächste Inkarnation hineingehen? Extrem kann man ja sagen, als extreme Pole, als extreme Denkmöglichkeiten: Was da weiter geht, ist der Betreffende selbst als Essenz, er selbst, natürlich nicht als physischer Körper mit seiner Leiblichkeit, seiner bestimmte Biografie, seine Haar- und Augenfarbe, seinen Vorlieben, wie immer, der Betreffende, wie er war, ist unwiederbringlich dahin. Aber eine geistige Essenz geht weiter. Wäre eine Möglichkeit, vielleicht eine Essenz, die ich-begabt ist, dann wäre es ein Ich, vielleicht sogar das Ich überhaupt. Die andere extreme Möglichkeit ist anzunehmen, und das geschieht ja im traditionellen Buddhismus: Was da weitergeht in eine mögliche nächste Inkarnation, ist gar nicht das Ich. Das ist ein schwer greifbares Bewusstseinsprinzip, das ist ein karmischer Willensstrom, eher ein Nicht-Ich, was weitergeht. Und das Ich ist dann erst wieder vorhanden, wenn dieses Prinzip sich verbindet mit einem neuen Körper.

Natürlich hat es schon vor zweieinhalbtausend Jahren, als Siddharta Gautama über diese Erde wandelte, zu Fragen geführt, die bis heute nicht nachgelassen haben. Schon die Zeitgenossen haben gefragt: Ja, wenn das so ist, wenn es gar keine Seele gibt, kein Bewusstseins Prinzip, was da weitergeht – wer oder was reinkarniert sich eigentlich? Das war ja ein bewusster Akzent, den Buddha gesetzt hatte gegen die Lehre seiner Zeit. Nicht ein atma, eine Individualseele, die als sie selbst erhalten bleibt nach dem Tode, inkarniert sich, sondern ein an-atma eine Nicht-Seele. Zeitgenossen, Kritiker, auch aus der Tradition der Upanishaden, haben Buddha vorgeworfen, das sei Nihilismus, denn er würde ja die Seele leugnen, und die Frage, wer oder was reinkarniert sich, hat Buddha immer mit einem Paradox beantwortet, hat immer gesagt: Der Einzelne in seiner späteren oder früheren Inkarnation ist er selbst und ist nicht er selbst. Ich und nicht-Ich gleichzeitig. Also etwas, was der aristotelischen Logik total widerspricht. Wir würden ja sagen: Ist er das nun, oder ist es er nicht? Er ist es, und er ist es nicht. Also Ich und nicht-Ich zugleich.

Nun, die Frage, ob diese Vorstellung als eine legitime wissenschaftliche Hypothese gelten kann, ist natürlich nicht loszulösen von der Frage, was überhaupt eine wissenschaftliche Hypothese ist. Auch das ist ja überhaupt nicht selbstverständlich. Man muss vielleicht sagen, dass Hypothesen zunächst einmal Annahmen sind, Vermutungen über einen Sachverhalt der Natur. Diese Vermutungen, diese Annahmen, häufig in Modellform oder in mathematisierter Form, haben die gesamte Geistesgeschichte geprägt und bestimmt. Hypothesen sind Vermutungen, sind Annahmen, sind Behauptungen, von denen aber angenommen werden muss, dass sie bis zu einem gewissen Grade auch belegt, verifiziert oder falsifiziert werden müssen. Nun wissen wir heute alle, nicht erst seit den frühen 70er Jahren, siehe die Wissenschaftskritik Karl Poppers, dass eine restlose Verifizierbarkeit einer wie immer gearteten Hypothese unmöglich ist. Also jede nur denkbare philosophische, wissenschaftliche Hypothese, Annahme über die Welt, lässt sich nicht in toto, lässt sich nicht restlos verifizieren. Diese Messlatte jetzt anzulegen an die Frage: Gibt es Reinkarnation oder nicht, ist absurd, weil bei jeder anderen Theorie ist es genauso. Hier sind wir angewiesen, wenn wir nicht ein Buddha-Bewusstsein haben, auf Vermutungen, auf Hypothesen, meistens in Form von mathematischen Modellen. In der Frühzeit der Naturwissenschaft, das will ich noch ergänzen, ist Hypothese fast synonym mit Fiktion. Der berühmteste Satz der abendländischen Wissenschaftsgeschichte stammt, was die Hypothesen betrifft, stammt aus den mathematischen Prinzipien der Naturlehre von Newton und ist bezogen auf die Gravitation und heißt: „hypothesis non fingo“, Hypothesen erfinde ich nicht. Newton hat es abgelehnt zu fragen: Was ist denn diese mysteriöse Gravitation, die Schwerkraft eigentlich, und hat dann hinzugesetzt: hypothesis non fingo – ich spekuliere darüber nicht. Ich denke mir keine Hypothesen aus, ich stelle keine Fiktionen auf. Er hat darüber dann doch spekuliert, halböffentlich in Briefen an Richard Bentley, hat Vermutungen geäußert, war immer zutiefst unzufrieden, dass er nie rausbekommen hat, was ist denn nun diese rätselhafte Attraktionskraft, diese Gravitation wirklich. Auf jeden Fall: hypothesis non fingo. Zunächst also reine Fiktion.

Nun ist es immer schwierig zu unterscheiden, das ist für unser Thema sehr wichtig, was ist denn eine Hypothese, die verifiziert werden kann, und was ist eine Fiktion? Ich würde zum Beispiel sagen, dass die sogenannte Urknalltheorie auf gar keinen Fall eine Hypothese ist, denn sie kann nicht verifiziert werden. Es ist unmöglich. Kein Experiment der Erde kann hierfür in irgendeiner Form einen Beleg finden. Es ist eine Fiktion. Es gibt viele Fiktionen, die sinnvoll oder weniger sinnvoll sind. So kann man zum Beispiel die Masse eines Körpers in einem Massenpunkt fiktiv zusammengeballt denken und damit ganz gut rechnen. Es gibt also durchaus funktionierende Fiktionen. Ist die Reinkarnation eine solche Fiktion, die überhaupt gar nicht verifiziert werden kann oder auch gar nicht falsifiziert werden kann? Das glaube ich nicht. Ich glaube, es gibt sehr wohl Indizien dafür, dass diese Reinkarnation in den Bereich einer gewissen Verifizierbarkeit gerückt ist, zumindest kann man das sagen aus den sehr eingehenden Forschungen der letzten 20 bis 30 Jahre.

Der nächste Schritt ist dann natürlich, dass man Hypothesen absolut setzt und zu Wahrheiten erklärt. Das geschieht ja allenthalben. Es gibt Fiktionen, die werden zu Hypothesen. Schließlich glaubt jeder, sie sind wahr, und sie werden wie selbstverständlich gehandelt. Und es ist wichtig, dass jede Hypothese, jede Vermutung über die Wirklichkeit, ob nun mathematisiert oder rein verbal denkerisch, nicht zu trennen ist von dem kollektiven kulturellen Verbund, nicht zu trennen auch von einem Paradigma, was einer Gesellschaft zugrunde liegt. Das heißt, es gibt gar keine Hypothese für sich und an sich. Wenn ich aus einem anderen Kulturkreis komme, beispielsweise aus einer ganz anderen Haltung und ganz andere Prämissen habe, werde ich ganz bestimmte Prämissen, die andere haben, überhaupt nicht akzeptieren. Es gibt viele Beispiele in der Wissenschaftsgeschichte, wo das geschah, etwa der berühmte Dialog von Albert Einstein und Niels Bohr, der schließlich so weit ging, dass man sich nichts mehr zu sagen hatte, weil Einstein grundsätzlich alle Prämissen der Bohrschen Physik, der Quantenphysik, der Kopenhagener Interpretation, ablehnte, sagt: Das ist Tranquilizer-Philosophie, das ist überhaupt keine Physik. Also eine harsche Kritik, die er nie aufgegeben hat.

Und man war an ein Punkt gekommen, wo man sich überhaupt nicht mehr verständigen konnte darüber, was ist überhaupt eine legitime wissenschaftliche Hypothese, und was ist keine legitime wissenschaftliche Hypothese. Also, die Frage muss man immer im Kontext sehen. Und wenn die Reinkarnation vielleicht in die Nähe einer möglichen wissenschaftlichen Hypothese rückt, dann könnte sie ja auch einen solchen Charakter tragen, dass sie unser Paradigma, unser Muster, unser kulturelles kollektives Muster überschreitet. Es könnte ja etwas enthalten, was tatsächlich uns zwingen würde, wenn es denn legitim wäre, dieses Muster zu überschreiten. Das ist wichtig. Ich glaube auch, dass das so ist, dass es in der Tat so ist. Wenn wir wirklich reingehen in das Thema, müssten wir zu der Auffassung kommen, dass tatsächlich die mögliche Reinkarnation das wissenschaftliche Paradigma schlechthin transzendiert, überschreitet. Denn es ist ja vollkommen selbstverständlich und bedarf eigentlich gar keiner besonderen Hervorhebung, dass von einem materialistisch- dogmatischen Weltbild aus Reinkarnation eine Unsinnigkeit ist, eine pure, eine blanke Unmöglichkeit. Wenn ich Materialist bin, wenn ich für mich die Auffassung vertrete, im Sinne eines metaphysischen Naturalismus, nur das sei wirklich, was ich sinnlich erfahren kann oder mittels ganz bestimmter Instrumente erfahren kann oder mathematisieren kann, wenn es sozusagen keine wie immer geartete übersinnliche metaphysische Welt gibt, dann kann es auch keine Reinkarnation geben. Dann ist die ganze Frage überhaupt vollkommen absurd und ist ja auch von Materialisten aller Couleur immer für völlig absurd gehalten worden. Nicht, Materialisten haben immer gesagt, diese These ist überhaupt gar nicht diskussionswürdig. Wir müssen darüber überhaupt gar nicht reden, das ist so völlig unmöglich, dass es einfach aberwitzig ist, das ernsthaft anzunehmen.

Also wenn diese Reinkarnation eine wissenschaftliche Hypothese ist oder in die Zone einer solchen rückt, dann muss damit verbunden sein ein fundamental anderes Verständnis von Wissenschaft, was sich ja auch andeutet, es kann nicht das herkömmlich mechanistisch-mathematisierte Wissenschaftsverständnis sein, es muss ein anderes Wissenschaftsverständnis sein. Reinkarnation und alles, was damit verbunden ist, hat ja zu tun mit Bewusstsein. Menschen haben Erlebnisse, Menschen haben Erinnerungen, Menschen haben ganz bestimmte Evidenzerfahrungen. Es geht ja um die Innenseite der Dinge. Es geht ja nicht um die Außenseite. Reinkarnation als ein reines Phänomen betrachtet von außen, gar statistisch, ist in der Tat absurd. Das hieße ja im herkömmlichen Paradigma bleiben. Und wenn wir etwas gelernt haben in den letzten 20, 25 Jahren, denke ich, dann ist es dies, dass wir heute eine Weltbetrachtung [haben], die Bewusstsein als eine eigene Seins-Entität einbezieht, wenn wir das nicht sehen, dann können wir nicht auf der Höhe der wissenschaftlichen Diskussion sein.

Also, Bewusstsein, das stellt sich heute immer mehr heraus, ist offenbar ein integraler Teil der Welt. Und Bewusstsein ist innen, Bewusstsein ist die Tiefe, Bewusstsein ist ja das ichhafte oder wirhafte Bewusstsein Desjenigen, der überhaupt fragt. Ich meine, jede Wissenschaft, jedes wissenschaftliche Subjekt fragt ja aus sich heraus. Und der Wissenschaftler selber, was immer er für Hypothesen im Kopfe hat, ist ja ein lebendiges Subjekt, und für ihn und für andere Subjekte existieren alle wie immer gearteten Weltmodelle. Das versteht man heute zunehmend mehr.

Also, Reinkarnation kann nur dann eine wissenschaftliche Hypothese sein, wenn ein Wissenschaftsverständnis vorliegt, das Bewusstsein als einen integralen Teil der Welt einbezieht. Wenn ich sage, Bewusstsein ist ja ohnehin nur ein Gehirnphänomen, wenn ich, wie das die moderne Neurophysiologie tut, sage, die Gehirnprozesse sind der Geist, also eine Identität da proklamiere, dann ist die Frage müßig. Dann ist ja auch die Frage einer möglichen Reinkarnationserinnerung vollkommen absurd. Denn wie sollte es denn eine Erinnerung geben, wenn das Gehirn mit dem physischen Tode unwiederbringlich dahin ist? Dann kann es gar keine Erinnerung geben, oder ich muss nach ganz anderen Möglichkeiten suchen, wie solche Erinnerungen möglich sein könnten. Es gibt solche Ansätze. Vielleicht können wir dann in der Diskussion noch darauf kommen, die auch eine Art von Erklärung bieten können für diese Erinnerungsphänomene, auch wenn man eine buchstäbliche oder reale Reinkarnation nicht annimmt.

Was geschieht, wenn ein Mensch stirbt? Kürzlich ist ein sehr enger Freund von mir gestorben, und ich stand lange, saß lange an seinem toten Körper, und wie viele Menschen in ähnlichen Situationen habe ich mich gefragt: Wo ist der Betreffende, denn das, was da vor mir lag, erschien mir wie eine Puppe. Drei Tage nach dem Tod des Betreffenden, wie eine Hülse, wie eine Puppe, wie ein Gegenstand. Heraklit sagt, Leichen sollte man eher wegwerfen als Mist, also auf gar keinen Fall irgendwie konservieren. Wo ist der Betreffende? Der Körper ist abgelegt. Der Mensch ist tot, wie man sagt, wie immer man das jetzt gehirnphysiologisch definiert: Wo ist der Betreffende? Auf jeden Fall nicht mehr dort, in diesem toten Körper, in dieser Hülse, in dieser Puppe. Und natürlich haben Menschen immer zu allen Zeiten und in allen Kulturen gefragt: Was passiert in dem Moment eigentlich, wenn der Tod eintritt? Was löst sich vom Körper ab? Der Betreffende selber, wie ich das vorhin schon gesagt habe, eine Geistessenz, vielleicht er selber in einer ätherischen, in der gleichsam verklärten Gestalt, wie die Buddhisten sagen würden im Bardoleib oder im Sambhogakaya? Was löst sich ab? Oder vielleicht ein Bewusstsein, ein reines, nicht-stoffliches Bewusstsein, was sich dann herauskristallisiert, vielleicht nach einer gewissen Übergangsphase, wenn dann ein feinstofflicher Körper, der dem physischen Körper sehr ähnlich sieht, abgelegt ist. Das nehmen ja auch die tibetischen Buddhisten an und in ganz extremer Form, sehr vergröbert, wird es ja auch im sogenannten Spiritismus oder Spiritualismus angenommen.

Was ist das? Ist es ein Ich? Ein Es, ja wohl kaum, eine Art Selbst, oder wie immer wieder vermutet wird, ein Bewusstseinsprinzip, was dem Bewusstsein des Einzelnen überlegen ist. Im tibetischen Buddhismus, im „Bardo Tödol“, wird verschiedentlich gesagt, das Bewusstsein des Verstorbenen im Bardokörper ist 6 bis 7 mal intensiver, wirkmächtiger und differenzierter als das Bewusstsein in der Inkarnation selber. Das heißt, der Verstorbene nimmt viel mehr wahr, weiß viel mehr, ist viel mehr als in seiner inkarnierten Gestalt.

Das wird ja verschiedentlich gesagt, und, er habe auch, wird immer wieder gesagt, nicht nur dort, die Möglichkeit, sich in dieser Grenzsituation an sich selbst und an seine früheren Erlebnisse, Erfahrungen, Geburten zu erinnern, also der Bardokörper, der die Materie durchdringt, anfänglich noch ganz ähnlich wie der physische Körper, als solcher kann er auch in bestimmten Grenzzuständen wahrgenommen werden. Das wird dann später abgelegt und das Bewusstseinsprinzip geht seinen eigenen Weg, um dann irgendwann wieder in einen erneuten Körper einzutreten. Und die nächste Frage, und das ist ja das Thema: Was passiert in dieser Zeit zwischen den Inkarnationen, und was passiert eigentlich, eigentlich substanziell, essenziell, in dem Moment der Wiedereinkörperung? Und da haben wir heute durch die Bewusstseinsforschung, durch die Hypnoseforschung und viele andere Forschungen in dieser Richtung bestimmte Indizien, die wir auch zusammenschließen können mit den Weisheitstraditionen verschiedener Kulturen, unter anderem mit dem tibetischen Buddhismus, was dann nämlich tatsächlich passiert, und wann sich dieses Geistwesen wieder mit dem Körper verbindet.

Vielleicht kommen wir nachher noch in dem Gespräch auf diese Frage zurück, denn sie ist eine essentielle Frage, also: Was löst sich ab? Wer ist das? Was ist das? Was geschieht in der Zwischenzeit? Ist das eine Dunkelzone? Ist es eine black box? Ist das nicht erkennbar? Was passiert da? Auch da haben wir aus vielen hypnotischen Erfahrungen interessante Hinweise darüber, was da möglicherweise passiert, was da Raum ist oder sein mag, und was da letztlich auch Zeit ist.

Alles spricht dafür, dass die Dinge, mal ganz vereinfacht gesagt, fundamental anders sind, als wir sie aus der Inkarnation erkennen.

Nun, wissenschaftliche Hypothese oder nicht? Was heißt das? Welche Möglichkeiten gäbe es denn, wirklich zweifelsfrei, und das wollen ja viele Menschen, zu beweisen: Ja, es gibt Reinkarnation und nicht nur dies, sondern es gibt ganz bestimmte Reinkarnation. Oder dieser Mensch ist tatsächlich dieser andere Mensch, der er zu sein glaubt. Und ein riesiger Fächer von Fragen schließt sich sofort an, die aber wichtig sind.

Ich darf jetzt mal auf den Anfang zurückkommen der Beispiele. Erinnern Sie sich an das Beispiel mit Hoffmann-Govinda? Was lag da vor? Hoffmann-Govinda war ja nicht ausgezogen, sich selbst in einer früheren Inkarnation zu suchen. Es war ihm quasi von außen angetragen oder zugetragen worden. Es lag vor, eine spiritistische Séance, ein Name taucht auf. Konnte dieser Name aus dem Unbewussten der beteiligten Séanceteilnehmer aufgestiegen sein? Eher unwahrscheinlich. Wie sollte er in dieses geistige Feld hineingekommen sein? Könnte er aus dem Unbewussten von Govinda selber aufgestiegen sein? Das schon eher. Könnte er aus einem wie immer gearteten kollektiven Bewusstsein oder Unbewusstsein aufgestiegen sein? Auch möglich. Dann war da die Rede von einer physiognomischen Ähnlichkeit. Das wäre ja dann ein wunderbares Kriterium, sage ich mal etwas salopp. Man müsste gucken, wer sieht wem ähnlich. Dieses Spiel ist ja leicht zu betreiben und hat ja auch einige Faszination. Wer sieht denn nun aus wie wer? Und dann muss es ja wohl so sein.

Natürlich ist es nicht auszuschließen, wenn man davon ausgeht, dass es eine Geistessenz gibt, die weitergeht, dass da tatsächlich auch bis in die Physis, bis in die Physiognomie Analogien, Ähnlichkeiten auftreten, aber es [ist] offenbar doch keine Notwendigkeit. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte, wo man, wenn man dann auf physiognomische Ähnlichkeit setzt, sehr schnell zu der Auffassung kommen könnte, das ist der oder die Betreffende; es gibt dafür auch mal einige berühmte Beispiele. In der Antike etwa gab es den großen Tyrannen und Herrscher von Athen, Peisistratos, der 527 vor Chr. gestorben war. 27 Jahre später wurde ein Anderer geboren, später genauso berühmt wie Peisistratos, Perikles. Perikles konnte sich viele Jahre nicht in der Öffentlichkeit zeigen, weil er wie eine Doublette von Peisistratos [war]. Er sah genauso aus, er hatte die gleiche Statur, er hatte den gleichen Klang der Stimme, er war wie ein zweiter Peisistratos. Und die Alten in Athen, die noch Peisistratos kannten, wussten das auch und haben das verkündet. Das hat seiner politischen Karriere in Athen nicht genützt, im Gegenteil, das hat ihm geschadet. Also, 27 Jahre später wird diese Persönlichkeit, wenn wir mal annehmen, er sei es gewesen, wieder hineingeboren. Eine erstaunliche Reinkarnation, wenn es denn eine solche ist. Interessant auch insofern, als beide Persönlichkeiten ganz ähnliche Dinge gemacht haben. Denn auch Perikles war ja eine Art Tyrann im Kontext dieser attischen Demokratie.

Nun, Govinda spricht von dieser frappanten Ähnlichkeit. Da hat einer dort gesessen, der kannte das Porträt von Orientalis, der hat den Hoffmann gesehen und war frappiert. Der sieht doch ganz genauso aus, das kann man auch feststellen, also verblüffend. Es gibt andere Beispiele. Immer wieder wird gesagt, und alle Biographien schreiben das, die meisten, dass der berühmte Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, in seinen späten Jahren ganz genauso aussah wie Paracelsus, bis in die Kopfform hinein, die Nase, die gesamte Struktur des Gesichtes. Der alte Hahnemann wirkte wie Paracelsus. Nun weiß jeder, der sich ein bisschen in Geistes- und Medizingeschichte auskennt, dass tatsächlich Paracelsus, wenn man das so will, ja eine Art Vorläufer auch der Homöopathie war, dass er viele Impulse, Gedanken von Hahnemann vorweggenommen hat. Wenn ich davon ausgehe, dieser Hahnemann war tatsächlich in seiner früheren Inkarnation, einer früheren Inkarnation, Paracelsus, dann könnte ich einen großen Zusammenhang herstellen, und das wäre wichtig. Denn was würde eine Reinkarnation denn kosmisch, metaphysisch, existenziell für einen Sinn machen? Es wäre ein absurdes Spektakel mehr, wenn nicht ein Zusammenhang bestünde, ein wie immer gearteter karmischer Zusammenhang.

Das ist ja nicht selbstverständlich. Es könnte ja auch eine Reinkarnation geben, die einem blinden Würfelspiel folgt, und das könnte zu einem genauso monströsen, nihilistischen Weltbild führen, wie es auch andere Weltbilder gibt. Aber meistens, fast immer, wird mit der Reinkarnation verbunden ein sinnvoller Seinszusammenhang, ein karmischer Zusammenhang. Und ich meine das Wort Karma, was hier mehrfach gefallen ist, als Adjektiv karmisch, ist auch schwierig, gehört aber in den Kontext. Ich meine Karma gibt es im Buddhismus, im Hinduismus als Begriff, heißt so viel wie Ursache, Wirkung, Karma oder Kama, also die Ursache-Wirkung-Kette bezogen auf das, was einer tut. Karma ist eigentlich die Tat, also was ich jetzt tue, hat Auswirkungen in dieser, in einer möglichen späteren Inkarnation, so nehmen es ja die Buddhisten auch an. Wenn ich Leid zufüge, erleide ich Leid. Jetzt mal im einfachsten Verständnis von Karma. Viele glauben das ja auch heute, auch in der sogenannten Reinkarnationstherapie. Ich verursache Leid, also werde ich dann auf eine ähnliche Weise auch leiden, wie ich Leid zugefügt habe, sozusagen im Sinne eines karmischen Ausgleichs. Einer stirbt früh, einer wird gequält, drangsaliert, kommt nie zum Zuge. Aber es gibt eine Art ausgleichende, übergreifende, kosmisch waltende Gerechtigkeit, die dann auch die Balance, die kosmische Balance wiederherstellt. Das wäre in diesem Sinne Karma. Und dann ist zu fragen, und es ist durchaus wissenschaftlich in diesem eingangs genannten Sinne, im Sinne des Bewusstseins als integralem Bestandteil der Welt, dann wäre zu fragen: Hat dieses Karma, wenn es denn existiert, einen Sinn, ein Ziel, ein Telos? Ist das vielleicht ein Prozess, der mit Bewusstsein zu tun hat? Da gibt es ja gute Gründe anzunehmen, dass die kosmische Evolution sich vorwärts bewegt im Hinblick auf zunehmend größere Komplexität und Tiefe und Bewusstsein. Teile der neueren Evolutionsforschung nehmen das ja auch an, auch in den avanciertesten Vorstellungen der modernen Philosophie, etwa Ken Wilber nimmt ja auch an, dass die kosmische Evolution ein Telos hat, ein Ziel hat. (… )Beide treten auf als die Reinkarnation des 16. Karmapa, den einen hat der Dalai Lama autorisiert, den anderen nicht. Es gibt ein heilloses Chaos und eine bittere Gegnerschaft. Jeder favorisiert seinen Prätendenten. Nun, diese Frage ist wichtig, wenn man daran denkt, wie etwa diese sogenannten Tulkus, wie sie heißen, im tibetischen Buddhismus, als solche auftreten. Was geschieht? Häufig genug sind es Orakel, die befragt werde, manchmal ist es ein Brief, den es geben soll, eines der großen Meister oder Lamas. Und im Fall des Karmapa soll es einen Brief geben. Der Brief ist nicht veröffentlicht, er soll angeblich die genauen Umstände seiner Reinkarnation genau angegeben haben. Auf jeden Fall eine wichtige und eine schwierige Frage, die sich da auftut. Genauso kann man fragen, es gibt offenbar diesen engen Zusammenhang in einem Volk. Das kann man auch bei den Chassidim beobachten, den mystischen Strömungen im Judentum, die auch davon ausgehen, dass ein Jude „once a jew always a jew“, dass er also einer immer wieder in diesem Volk als Jude wiederkehrt. Also bleibt einer in einem engen kulturellen Verband. Müsste man ihn dort dort suchen und auch orten? Oder kann er beliebig irgendwo anders geboren werden, vielleicht, wenn dann die Zeit so in dieser Form gar keine Rolle spielt, dann kann er ja auch in einem anderen Kulturkreis, in einer ganz anderen Epoche und als ein ganz Anderer wiedergeboren werden.

Auch das sind schwierige Fragen. Und alle laufen auf die Frage hinaus, die ich ganz bewusst hier zentral herausgehoben habe: Was ist oder wer ist dieses Wesen, diese Geist-Essenz, wie immer, das sich da reinkarniert. Das ist letztlich die entscheidende Frage: Wer reinkarniert sich eigentlich? Wer oder was verlässt diesen toten Körper? Und wer oder was inkarniert sich dann, und was passiert in der Zwischenzeit? Kann es sein, auch das ist eine viel gestellte Frage in den letzten 20 Jahren, kann es sein, dass es gravierende Umwandlungen, Metamorphosen, Transformationen gibt dieser betreffenden Geist-Essenz, so dass sie quasi als etwas ganz Anderes auf der anderen Seite erscheint, als sie hineingegangen ist in diese Zone, in diese Bardozone. Es können sich ja ganz viele Wandlungen abgespielt haben. Und wenn diese Reinkarnationen tatsächlich einen Lernprozess bedeuten, dann kann man ja fragen: Ist es nicht sinnvoll, dass dieses Geistprinzip immer wieder neue Schauplätze erlebt und immer wieder neue Zusammenhänge, neue Kontexte ihrer Existenz kennenlernt? Auch das sind wichtige Fragen, die bei der Nachprüfbarkeit eine Rolle spielen.

Natürlich kann man sagen, es gibt diese Fälle der Rückerinnerung von Kindern, das hat man nun nachgeprüft, die sagen Dinge, die sie nicht wissen können, also stimmt das. Könnte sein. Das kann man offen lassen und das muss man wohl auch offen lassen. Möglich ist es, dass diese Kindheitserinnerung tatsächlich auf frühere Inkarnationen weisen. Es gibt aber auch andere Erklärungsmöglichkeiten. Es könnte natürlich sein, dass diese Erinnerungen in irgendeiner Form eingespeist sind in ein feinstoffliches, ein immaterielles Feld sozusagen als Imprint in diesem feinstofflichen Feld existieren und dort auch in gewisser Weise wieder abgerufen werden können, sozusagen angezapft werden können. Das ist möglich. Es könnte ja einen Fundus geben von Erlebnissen aller nur denkbaren Individuen, der als solcher kontaktierbar ist. Und dann könnte etwas abrufbar sein aus diesem Fundus, was nicht unbedingt dann ich selber bin. Es gibt Theorien in diese Richtung, etwa der berühmte Systemtheoretiker und Philosoph Erwin Laszlo in seinem Buch „Kosmische Kreativität“ versucht sogenannte Reinkarnationserinnerungen auf diese Weise zu erklären. Er meint, das ist keine wirkliche Erinnerung. Auch Rupert Sheldrake in seiner These der morphischen Felder lässt das offen und in der Schwebe. Er meint, es könnte sein, dass hier ein Imprint vorliegt in diesen morphischen Feldern und dass die Erinnerung eine Art Resonanzphänomen ist und nicht unbedingt bedeutet, dass der Betreffende selber dieser oder jener war. Nun, will ich abschließend, bevor wir dann ins Gespräch einsteigen, versuchen, das einmal zu resümieren.

Ich meine, dass die Frage, ob es Reinkarnation gibt oder nicht, in der Tat eine seriöse, eine ernstzunehmende, eine wirklich wichtige wissenschaftliche Hypothese darstellt. Das setzt voraus, dass wir unser Verständnis von Wissenschaft erweitern, dass wir Bewusstsein einbeziehen, dass wir Bewusstsein begreifen als integralen Bestandteil des Universums, dass wir überhaupt erst mal lernen, da haben wir große Mühe zu verstehen, was es mit uns selber und der Innenperspektive unserer selbst in der Welt auf sich hat. Wissenschaft ist ja meistens Wissenschaft des Außen. Aber es muss auch eine Wissenschaft des Innen geben und beide müssen auf irgendeine Weise zusammengeführt werden. Keiner weiß vorderhand noch wie das der Fall sein soll. Die Wissenschaft ist außen und die Wissenschaft ist innen, stehen weit voneinander entfernt. Und im Moment kann man kaum erkennen, wo die Überschneidungen, wo die Korrespondenzen, wo die Berührungspunkte tatsächlich liegen.

Und ich finde, man muss das ganze Thema dann wirklich auf einer sehr subtilen Ebene angehen und nicht nur auf einer statistischen Ebene. Also wen das dann sehr interessiert, der hat auch Gewinn davon. Ich will das nicht von einer arroganten Warte aus runtermachen. Ich meine aber, dass diese Ebene nicht reicht. Man kann da forschen, es gibt ein überwältigendes Material, also allein das Material zu studieren, braucht Jahre. Also wer das wirklich studieren will, er hat ein riesiges Material. Und wenn ein großer Teil dieses Materials auf Betrug, auf Autosuggestion, auf blanker Täuschung, auf Irrtum, auf Unwahrhaftigkeit und so weiter zurückzuführen ist, bleibt immer noch ein erheblicher Teil übrig, der einen das Staunen lehren kann und der einen eigentlich zu der Auffassung führen müsste: Das kann so sein. Und wenn es denn so ist, und das muss mitgefragt werden, was für Konsequenzen hätte das dann? Denn es ist ja nicht nur eine Frage, ist es so oder ist es nicht so, sondern wenn es so ist, hat es ja auch fundamentale Konsequenzen für unser gesamtes Welt- und Seinsverständnis. Wer sind wir denn, wenn wir nicht wie Schopenhauer spottet, einfach belebte Nichtse sind, irgendwie herausgewirbelt aus einem blödsinnig in sich selbst verkrümmten Strom des Zufalls, aus dem Nichts heraus heraufgespült in diese Welt, um dann wieder ebenso zufällig und blödsinnig, sinnlos im Nichts zu verschwinden? Wenn das nicht so ist, dann muss es eine andere Konstellation in der Existenz geben, die dann auch so etwas wie Reinkarnation einbezieht.

Und dann werden die Fragen wirklich interessant. Und dann wird es auch sehr schwierig und subtil, und dann muss man ganz neue Forschungskriterien noch aufstellen. Da sind wir erst in den ersten Anfängen, was das betrifft. Und es müssen genauso dann Fragen gestellt werden, die auch von der Reinkarnationslehre aus sehr schwer zu beantworten sind, aber man kann sie beantworten. Etwa die Frage,: Wie kommt es zu einer ständig steigenden Weltbevölkerung? Wo sind die denn alle, wenn sie jetzt hier auftauchen? Und viele andere Fragen mehr. Und, ich denke aber, ich möchte das prognostizieren, dass diese Frage in den nächsten Jahren noch zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, auch im Zusammenhang mit der sogenannten Bewusstseinsforschung. Ich meine die sogenannten Near Death Experiences, die Nahtoderfahrungen, die ja nun wirklich tausendfach dokumentiert sind. Die belegen nicht unbedingt und beweisen nicht unbedingt, dass das Bewusstseinprinzip den Tod überlebt. Aber sie legen doch zumindest nahe, dass da eine Möglichkeit besteht. Und wenn das so ist, dann ist es ja genauso naheliegend anzunehmen, dass dieses Bewusstseinsprinzip, wenn es denn nicht sich, wie die Buddhisten sagen, mit dem Ur-Licht vereinigt, wieder hineintaucht in einen Körper, sich wieder verbindet mit einem Körper, mit einem bestimmten Erbstrom natürlich. Und dann muss man fragen: Was hat denn der Betreffende oder die Betreffende, der oder die sich da einkörpert zu tun mit den betreffenden Eltern, mit den Geschwistern, mit dem ganzen Kontext? Ist das einfach ein zufälliges Würfelspiel? Oder gibt es da Bezüge, Beziehungen? Und das wirft natürlich ein ganzes Paket von Fragen auf, auch hinsichtlich der gemeinhin bekannten Psychologie von Mann und Frau, Eltern und Kindern, überhaupt der existenziellen Verankerung und Verortung in der Welt.

Und ein letztes Wort vor der Diskussion zu den sogenannten Reinkarnationstherapien, ein, wie sie wissen, seit über 20 Jahren, 25 Jahren sehr populäres Mittel, an frühere Inkarnationen heranzukommen. Sehr schwer zu entscheiden, was da wirklich passiert. Dass es oft therapeutisch heilend wirkt, ist offenbar unbestritten. Aber es ist äußerst schwer und müsste immer im Einzelfall entschieden werden, welche Dimensionen der Existenz da wirklich zum Tragen kommen. Und da habe ich ein bisschen das Gefühl, dass viele dieses Thema allzu leichtfertig und obenhin behandeln. Die einen sind die totalen skeptics, die lassen überhaupt nicht mit sich reden über dieses Thema oder halten es für diskussionsunwürdig, jedenfalls in der Öffentlichkeit. Privat dann oder in Todesnähe oder in einer intimen Stunde dann reden sie ganz anders. Aber erst mal in der Öffentlichkeit ist das kein Thema. Und die anderen nehmen sozusagen alles für bare Münze, was [ihnen] da entgegenquillt. Wenn das so wäre, dann … deswegen habe ich das Beispiel Giordano Bruno gebracht, dann hätten wir ja ganz verschiedene Reinkarnationen von Giordano Bruno. Meine Vermutung ist, es stimmt alles nicht, weder Annie Beasant noch Blavatsky, noch die Dame aus München, noch die Reinkarnationstherapie, noch Jochen Kirchhoff, noch … Wen haben wir da noch? Da fehlt noch jemand. Gut, also es stimmt alles nicht. Und da wird es natürlich dann auch schwierig – wenn das nicht stimmt, wo habe ich denn dann die Kriterien? Ich meine die Evidenz, die subjektive Evidenz der Dame aus München oder des Anrufers am Telefon Anfang der 80er Jahre, die war überwältigend, der Mann war den Tränen nahe, hat ungeheure Dinge erzählt. Aber ich hatte gleich das Gefühl, von Anfang an, das Gefühl, das stimmt alles gar nicht. Ich habe seine … , nicht, dass ich glaube, dass er ein Betrüger war, gar nicht, der war vollkommen subjektiv ehrlich. Aber der hat da andere Dinge erlebt. Und vielleicht wirklich kam die Erinnerung, da kamen vielleicht Erinnerungen hoch, aber nicht die konnten nicht so auf den Punkt gebracht werden, das war mir viel zu schnell, viel zu kurz gedacht. Plötzlich sollte das dann dieser Eine sein. Und da war mir überhaupt keine Brücke erkennbar an der Stelle.

Gut, wir haben Zeit hier, um ins Gespräch zu kommen. Auf jeden Fall bis halb zehn, wenn Sie möchten. Und es ist jetzt an Ihnen, jetzt noch Fragen zu stellen oder Kommentare vielleicht, [die] in diese Facetten ein bisschen mehr reingehen können. Ich habe Ihnen jetzt erst mal einen Survey, einen Überblick, gegeben über die Thematik, wie sie sich vielleicht heute im ausgehenden Jahrhundert darstellt, kann man vorsichtig sagen. Wenn hier ein Anthroposoph stünde, würde das einen ganz anderen Charakter haben, ist klar, oder ein tibetischer Buddhist. Er würde die Frage so in der Form gar nicht stellen.

* * * * * * *

Hat der Mensch eine Kosmische Aufgabe?

Vortrag

Via Mundi Tagung 2016

05. – 08.05.2016 Benediktinerabtei Weltenburg.

Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 47

Transkript als PDF:

* * * * * * *

Ich möchte ganz kurz etwas zu dem Vortrag von Thomas Schmeusser sagen. Sie haben am Ende, finde ich, sehr eindrucksvoll und auch authentisch, überzeugend, ihr Vertrauen formuliert in den Klang der Welt, wie Sie das genannt haben. Und damit endete ja der Vortrag. Also man hat das Gefühl, Sie haben ein tiefes Vertrauen in die Ordnung der Dinge, auch in den Klang der Dinge, Klang der Welt, und das Vertrauen hat ja immer auch eine große Rolle gespielt in anderen Vorträgen, das Vertrauen auf eine übergreifende Ordnung. Und da würde ich gerne einen zusätzlichen Akzent setzen, der mir wichtig ist.

Wie Sie vertraue auch ich auf, sozusagen, die Grundordnung der Dinge ‒ wie Goethe sagt: Je älter ich werde, umso mehr vertraue ich auf das Gesetz, wonach die Rose und Lilie blüht, ‒ ein abgrundtiefes Vertrauen. Aber es gibt noch zwei Komponenten, die man immer bei diesem Vertrauen mitdenken muss.

Es gibt ein schönes Wort des berühmten japanischen Zen-Meisters Hakuin. Der sagt sinngemäß Folgendes: Auf deinem Weg, den du gehst, brauchst du drei Pfeiler, drei Komponenten, drei Faktoren, ‒ und alle drei müssen zusammenwirken. Der eine Faktor ist eben das Vertrauen. Du musst darauf vertrauen, dass es den Buddha-Weg gibt. Du musst das Vertrauen haben, dass es eine wie immer geartete transzendente Ordnung gibt, sonst musst du dich gar nicht auf den Weg machen.

Aber es gibt eine zweite Komponente, und die ist die Bemühung, die unermüdliche Bemühung, der äußerste Einsatz. Wenn diese Bemühung alleine dominiert, kann es sehr leicht zu einem Krampf führen: Ich muss das erreichen, mein Gott, ich schaff‘ das gar nicht, ‒ und das kann furchtbar sein.

Und die dritte Komponente ist der Zweifel. Der Zweifel: Stimmt das in der tiefsten Tiefe, wovon ich überzeugt bin? Bin ich auf dem richtigen Weg? Bin ich würdig, diesen Weg zu beschreiten? Ja, auch die Propheten des Alten Testaments: Ja, bin ich würdig vor mein Volk hinzutreten? Bin ich nicht eigentlich viel zu klein, zu erbärmlich ‒ und so weiter? Und das muss man in eine Balance bringen.

Mir sind immer Menschen, sage ich mal, ein bisschen suspekt, die den Zweifel vollkommen ausgeklammert haben. Dann stelle ich mir so vor: Jetzt zweifelst du denn gar nicht? Hast du nicht manchmal den Verdacht, dass alles, was du glaubst, möglicherweise ganz anders ist? Bist du dir absolut sicher? ‒ Dann wird es schwierig, je nachdem, welche Beziehung man zu der betreffenden Person hat. Willst du dann sagen: Ja, wenn ich ganz ehrlich bin, in der Tiefe der Nacht habe ich auch manchmal meine Zweifel, ob das alles so ist, wie ich das glaube.

Also: Zweifel alleine kann einen ja auch in den Irrsinn treiben, ‒ man kann ja alles anzweifeln, nicht? Alles kann man anzweifeln. Da bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Man kommt in eine Spirale rein, die einen letztendlich, ja, in die Pathologie treibt. Ja, also, Zweifel ist gut und fruchtbar, ‒ darf aber nicht dominieren. Die Bemühung ist gut und fruchtbar, ‒ darf aber nicht ausschließlich sein, weil: Das hält keiner durch. Das ist unmöglich, und das Vertrauen ist auch wunderbar ‒ auch im daoistischen Sinne ‒ ist das Vertrauen auch in die göttliche Ordnung wunderbar: Aber das reicht nicht. ‒ Weil ich tief davon überzeugt bin, dass wir nicht einfach Beschenkte sind ‒ die sozusagen als Beschenkte durch die Welt laufen ‒ sondern dass wir auch in diesem Sinne eine Aufgabe haben ‒ und auch eine Verpflichtung als inkarnierte Wesen ‒ auch eine Verpflichtung, auch im Sinne ‒ jetzt mal nicht unbedingt religiös verstanden ‒ des Bundes. Wir müssen diesen Bund auch erfüllen. Ich meine es jetzt nicht irgendwie christlich religiös, sondern noch grundsätzlicher.

Uns ist aufgetragen, etwas zu leisten, ‒ und das gehört meiner Überzeugung nach zur Würde des Menschseins. Er hat auch eine Aufgabe ‒ und Kosmische Aufgabe ‒ könnte man sagen ‒ mein Gott, kosmische Aufgabe, ich habe so viel in meinem Alltagsvollzug zu tun. Ich bin so eingespannt in so viele Aufgaben. Jetzt redet der von kosmischer Aufgabe. Was soll das denn sein? Man ist ja schon mit der ökologischen Aufgabe überfordert. ‒ Wir werden ja ständig geknechtet: Was machst du eigentlich? Heute habe ich gefrühstückt, dachte ich wieder einmal: Ist das wirklich ein klimaneutrales Frühstück? ‒ Ja, wahrschein­lich nicht. ‒ Ja, das ist ja eine absurde Formel, aber es gibt diese Formel vom klimaneutralen Frühstück, ja, das ist ja nun klar, und es ist ein Absurdum eigentlich. Aber davon kann man ja auch geknechtet werden.

Tatjana Schnell hat sehr schön gesagt, am Anfang ihres ja doch sehr informativen Vortrags, wovon sie nicht sprechen möchte, ganz am Anfang, vielleicht erinnern Sie sich: Der kosmische Sinn überhaupt, sagte sie, ist einer empirischen Forschung nicht zugänglich. Darüber kann sie nicht reden. Darüber möchte sie nicht reden. ‒ Sie redet über empirische Sinnforschung. Also dann sprach sie auch in diesem Zusammenhang von der Selbst­transzendierung, ‒ hat ja dieses bisschen modisch intellektuelle Wort benutzt: die Me­ta-Ebene, die Meta-Ebene, ganz von oben, ja, also die höchste Ebene ‒ und die Selbsttran­szendierung im Sinne eines höheren Bewusstseins. Von diesen Dingen rede ich aber. Ich rede von dem, was sie ausgeklammert hat. Ich rede nicht von der empirischen Sinnfor­schung, die ich hochinteressant finde. Vieles war mir bekannt, manches war mir nicht be­kannt. Aber davon rede ich nicht.

Ich erlaube mir die Kühnheit vom kosmischen Sinn überhaupt zu reden und von die­ser sogenannten Meta-Ebene. Die ist nun nicht meine Ebene, und ich gucke nun nur da her­unter, ‒ so meine ich das nicht. Aber es gibt ja ein tiefes Ahnen im Menschen, dass diese Ebene da ist, und er agiert ja auch bewusst oder unbewusst von dieser Ebene aus. Also das muss ich vorab sagen. ‒

Dann möchte ich darauf hinweisen, weil ich ja hier für Herrn Dieter Broers einge­sprungen bin, dass ich Dieter Broers kenne. Wir haben uns im Herbst 2010 auf einem Kon­gress in München kennengelernt. Damals ging es um die Weltwende 2012. Man denkt, o Gott, jetzt haben wir 2016. Nichts ist passiert. Was war das eigentlich mit 2012 ‒ Ende des Maya-Kalenders? ‒ Ich habe daran sowieso nicht geglaubt. Wir hatten hinterher ein Podi­um, da wurde das noch einmal ventiliert: Herr Kirchhoff, was denken Sie denn darüber? Sie sind ja eher skeptisch. ‒ Ja, ich habe meine Skepsis gehabt mit Blick auf diesen Zeitpunkt. Nicht unbedingt dergestalt, dass ich nun meinte, eine solche Weltenwende, eine kosmische Transformation, um das mal so zu nennen, sei per se unmöglich: Das meine ich nicht. Aber ich glaube, dass es dem menschlichen Zugriff, wie wir ihn kennen, erst einmal entzogen ist. ‒ Wir können nicht ein Datum fixieren, wir können nicht vorausgreifend sagen, was passie­ren wird. Das ist auch ein tiefes Mysterium. Die Zukunft ist dann letztendlich ein Rätsel. Sie kann in einigen Teilaspekten beleuchtet werden. Darüber kann man ja sprechen. Das werde ich auch zum Teil noch tun.

Man sagt, die Zeit ist eigentlich immer gleichzeitig. Es gibt so ein “magisches Zu­gleich”, wie das der Philosoph Schelling genannt hat. Und dann ist das eigentlich alles schon passiert ‒ was hintereinander abläuft, ist eigentlich ein Nebeneinander, alles ist schon pas­siert. ‒ Natürlich wirft das sofort die Frage auf: Ja, was, wenn das so ist – was ist dann mit der Freiheit? Dann ist sie ja gar nicht gegeben. Kann ich das ändern, oder muss ich das ein­fach nur nachvollziehen? Ich schlage das Skript meines Lebens auf in einem Buch, bin, sa­gen wir mal, auf Seite 169 und will jetzt weiter vorausblättern. Was steht auf diesen Seiten? Nichts ‒ oder sind da undeutliche Buchstaben? Sind da schemenhafte dann doch irgendwie … , ja, so könnte es sich vollziehen. Ja, ich möchte es genauer wissen. Aber was heißt das? Ist das nicht auch die Gier des Menschen, das vorabzugreifen? Die gibt es ja. Und man hat man ja dieses Bedürfnis.

Sie kennen ja vielleicht das Musäus-Volksmärchen “Richilde”. Da gibt es so einen Zauberspiegel, der sagt viel. Man darf ihn befragen, ‒ aber nicht über die Zukunft. Also wer den Zauberspiegel nimmt und fragt: „Was passiert denn übermorgen?“, ‒ dann verdunkelt sich der Spiegel. Da kommt es wie ein Nebel schlierig aus dem Spiegel, ‒ darauf gibt der Spiegel keine Antwort.

Hier liegt ein Heft, hinten, ein “Raumzeit”-Sonderheft über das Thema Licht, und da sind mehrere interessante Essays drin, unter anderem eben von Dieter Broers mit dem Ti­tel “Urgrund allen Seins – die wahre Natur des Lichts”. Dann heißt es hier von der Redakti­on: “Licht birgt noch viele Geheimnisse. Physikalisch ist es reine Energie und Information. Und laut der berühmten Formel E=mc² sollte nicht nur Energie aus Materie, sondern umge­kehrt Materie aus Energie, also Licht, entstehen können. Der Biophysiker Dieter Broers stellt das Phänomen Licht in einen bio-physikalischen Kontext…” und so weiter. Und danach kommt ein Essay von mir, einige Aspekte davon werden ja auch anklingen, mit dem Titel “Licht-Äther statt Sonnenofen: Woher kommt das kosmische Licht?” Und da hat hier die “Raumzeit”-Redaktion Folgendes vorab geschrieben, gleich vielleicht ein kleiner Schockef­fekt: “Warum sollte die Sonne ein glühend heißer Gasball sein? Jochen Kirchhoff rüttelt an unserem Weltbild und lädt zu einer naturphilosophischen Sicht des Lichts ein.

Es sind Gestirne in Wirklichkeit fest und kalt und strahlen radial Energie ab. Entsteht das Leuchten im Kosmos durch wechselwirkende Radial-Felder? Geht also gar nicht direkt von den sogenannten Sonnen aus … ” und so weiter. Also das können Sie sich hier erwerben für 9 Euro und 50 Cent. ‒

Um Ihnen eine kleine Einführung zu geben in mein Denken, ich kann jetzt nicht un­terstellen, dass Sie das recherchiert haben, dass Sie jetzt gehört haben: Der Jochen Kirch­hoff spricht, und sie gucken im Internet, gucken sich den YouTube-Kanal an und haben schon eifrig die Lektüre vollzogen. ‒ Das unterstelle ich jetzt erst mal nicht. Der eine oder andere wird es vielleicht gemacht haben aus einer gewissen Neugierde: Was ist das ei­gentlich für ein Jemand ‒ Dieter Broers wollte ich eigentlich sehen und hören, nun kommt der Kirchhof: Wer ist das eigentlich?

Im Sommer 2013, ich stand im Kontakt mit José Sánchez de Murillo, einem spani­schen Philosophen, der auch in München lehrt und lebt, und der hat in einer Mail mich ge­beten: Lieber Herr Kirchhoff, können Sie nicht einfach mal auf zwei Seiten, ganz knapp, eine Art Selbstinterpretation ihrer Philosophie, Kosmologie liefern ‒ und ohne zu sagen warum eigentlich? Ich habe die Mail dann mir gründlich durchgelesen, dachte: Was will er eigentlich von mir? Warum soll ich das liefern? Ich habe das offen gelassen und dachte, naja, wird schon irgendwie eine seriöse Sache sein. Wir kannten uns ja auch per Mail und haben uns dann kennengelernt vor zwei Jahren auch auf einer Tagung über Musik. Ich habe ja auch in dem Jahrbuch “Aufgang” mehrere Essays geschrieben, ‒ also habe ich das ge­macht. Und dann, 2014, bekam ich dann den Band des neuen “Aufgang” überreicht. Siehe da, ich blättere das durch, den neuen “Aufgang”, ‒ da gibt es dann eine eigene Abteilung “Festschrift-Teil zum 70. Geburtstag von Jochen Kirchhoff” mit Essays. Und ganz am Anfang steht eben dieser Text “Versuch einer Selbstinterpretation ‒ Mein Denken”. Das sind zwei Seiten, und das lese ich Ihnen mal vor, weil das eigentlich die Quintessenz ist. Das ist ja sehr komprimiert, aber da haben Sie eine Vorstellung, welchen Bogen ich seit einem halben Jahrhundert, kann ich sagen, versuche zu spannen, ‒ immer noch.

Diesen Bogen, nicht, der Bogen muss immer wieder neu gespannt werden, wie Odys­seus, der den Bogen spannt, weil er der einzige ist, der den Bogen ganz runterdrücken kann und dann noch durch die Ösen schießen kann. Also, mal Ihre Aufmerksamkeit für diesen kleinen Text, zwei Seiten: “Selbstinterpretation ‒ Mein Denken”. So, vorab: “mein” steht hier in Anführungszeichen, weil es im strengen Sinn nicht ich bin, der denkt, sondern etwas mich Überwölbendes und Durchdringendes, dem ich sozusagen nachdenke. Wirklich, so empfinde ich das. Ich fühle mich von diesem Höheren etwas umfassend in Dienst genom­men. ‒ Also sozusagen, ein Weltdenken, dem ich nachdenke, von dem ich mich in Dienst ge­nommen fühle.

Mein Streben geht dahin, ihm zu entsprechen, ja ‒ es zu sein. Dann wird das kleine Ich zum großen Ich, was ich den “Kosmischen Anthropos” nenne, der im Zentrum meiner Anthropologie steht. Also “Anthropos” ist der Mensch, ‒ “Kosmischer Anthropos” ist eine hohe Form des Menschen, die ich voraussetze, von der ich überzeugt bin. Das ist in gewis­ser Weise ein Glaube, der mich trägt, ‒ dass es diesen kosmischen Anthropos als eine höchste menschliche Form gibt und dass man den anstreben kann.

Ich denke damit den Menschen eigentlich von einer hohen Ebene aus. Das eigentlich Menschliche versuche ich hoch anzusiedeln.

Ich denke nur wenige Grundgedanken, wie ich überhaupt glaube, dass Denker, die wirklich etwas zu sagen haben, eigentlich nur ganz wenige Gedanken denken, die man auf wenigen Seiten zusammenfassen kann. Ich denke nur wenige Grundgedanken. Diese aber verfolge ich bis in die Fundamente hinein, soweit mir dies möglich ist.

Diese Grundgedanken sind auch Grundfragen, Grundthemen und ‒ wichtig: Prämis­sen, also Setzungen. Ich bin mir relativ gesehen darüber im Klaren, was ich setze und vor­aussetze und habe in meinem 50jährigen Literaturstudium von Texten von Philosophen und auch Naturwissenschaftlern immer wieder festgestellt, dass viele sich nicht über ihre eigenen Voraussetzungen im Klaren sind. Sie machen sich nicht klar, was sie eigentlich schon immer voraussetzen.

So, jetzt kommen diese Aspekte, die ich versuche zu denken, die auch in dem Vortrag und in den Büchern, die da ausliegen, eine zentrale Rolle spielen.

Erstens: Das Mensch-Kosmos-Verhältnis in seiner Grundkonstellation. Eines meiner Bücher, “Was die Erde will”, hat den Untertitel “Mensch, Kosmos, Tiefen-Ökologie”. Die grundsätzliche Mensch-Kosmos-Frage, natürlich mit Blick auch auf die Frage: Sind wir sinn­los Heraufgewirbelte aus der kosmischen Nacht ‒ was man ja denken kann? Oder haben wir die Würde einer sinnvollen und gemeinten Existenzform? Ist der Mensch gemeint, oder ist er nicht gemeint? Wie sind wir ‒ kosmisch gesehen ‒ angelegt? Wenn ich “kosmisch” sage, meine ich primär “geistig-kosmisch”, ohne nun das Physisch-Sinnliche zu leugnen. Ich setze die Prämisse, ‒ das kann ich nicht letztgültig beweisen, das ist auch ein Axiom, ‒ dass der Mensch die Würde einer geistig-kosmischen Existenz hat, auch wenn er diese missachtet oder für pure Phantasie hält; also auch der, der es eigentlich ablehnt: Also bitte, Herr Kirchhof, bitte, also was soll ich damit jetzt anfangen? Ich … kann sein, kann nicht sein, sozusagen ‒ auch wenn er diese missachtet oder für pure Phantasie hält.

Alles große Schöpfertum des Menschen hat hier seinen Ursprung, sie haben ja auch die Musik erwähnt, große Literatur ‒ und alles große Denken, Forschen, Sinnen des Men­schen schöpft letztlich aus einer tiefen geistig kosmischen Quelle, aus dem tiefsten, sage ich mal jetzt etwas mystisch angehaucht, dem tiefsten Weltengrund ‒ “Ungrund” würde Jacob Böhme sagen. Im tiefsten Weltengrund steigt etwas auf, ‒ ich kann sozusagen da in Kontakt treten. Wenn ich ganz still werde, und wenn das in mir quasi sich zeigt, manifestiert, immer deutlicher wird, ja, dann kann ich das vielleicht in Sprache bringen, ‒ wenn es mir denn ge­lingt.

Damit eng zusammen hängt der zweite Aspekt, nämlich die Frage nach der Struktur des Kosmos überhaupt, nach dem Sinn des Kosmos, die Frage der Kosmologie ‒ damit mei­ne ich jetzt nicht unbedingt die wissenschaftliche Kosmologie, ‒ die gibt es ja erst seit hun­dert Jahren in der Folge der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein. Da kann man viel zu sagen, auch viel Kritisches zu sagen. Ich meine Kosmologie in einem weiter gespannten Sinne, im Sinne der Beziehung zum Ganzen, nicht, also Kosmologie ‒ jede Kultur hat ja in gewisser Weise ihre eigene Kosmologie, ihre innere Kosmologie oder Psycho-Kosmologie, wir auch, und von dort her bestimmt sich dann auch, was wir effektiv wahrnehmen können überhaupt nur. Sie haben ja auch von Wahrnehmung gesprochen. Wir haben auch ein Wahrnehmungs-Fenster und haben natürlich einen Blick, der auch ein Tunnelblick ist ‒ von Vornherein also eine einschränkende Sicht der Dinge, die uns auch foppen kann und täu­schen kann.

Wie ist der Kosmos überhaupt beschaffen? Was sind die Gestirne? ‒ Hier gehe ich von Annahmen aus, das muss ich einfach sagen, weil, um Missverständnissen vorzubeugen und auch müßigen Diskussionen ‒ hier gehe ich von Annahmen aus, die der Mainstream-Kosmologie radikal widersprechen; und zwar auf der Basis der so genannten Radialfeld-Theorie, die vornehmlich eine Weiterführung und Ausdifferenzierung der kosmologischen Vorstellungen Giordano Brunos und Helmut Krauses darstellt. Dazu sage ich nachher noch einiges.

Diese Radialfeld-Hypothese öffnet, wie ich umfassend bewiesen zu haben glaube, ‒ also in aller Vorsicht gesagt, ‒ das Tor zu einer Kosmologie der All-Lebendigkeit. Das kommt ja schon in dem kleinen Text vor, den ich abgefasst habe für die Tagung, dass eigentlich eine kosmische Verantwortung des Menschen sich nur manifestieren kann in einer Kosmologie der All-Lebendigkeit: Überall ist Leben, überall ist Gaia. Hier gibt es keine glühenden Gasbälle, schwarze Löcher und so weiter, sondern lebendige Groß-Organismen. Das Universum ist umfassend lebendig. Wir begreifen das Universum, das ist auch wichtig, nach Maßgabe unseres eigenen Bewusstseins. Dieses Bewusstsein wird vom Kosmos zurückgespiegelt. Insofern gilt: Was wir da draußen wahrnehmen, sind letztlich wir selbst. Ja, was wir da draußen wahrnehmen, sind letztlich wir selbst. Und es gibt eine alte, Ihnen vielleicht bekannte Weisheit, Sentenz aus Persien, die heißt: dass der Kosmos wie ein Spiegel ist. Das heißt: Wenn ein Schwachstrom-Ingenieur in den Himmel guckt, was soll er anderes sehen als das, was er ist? Es ist ein Widerspiegeln auch des Eigenen. Und die wirklich objektivierbaren Faktoren, darauf gehe ich noch ein, sind wesentlich weniger als man gemeinhin annimmt. So.

Damit hängt zusammen, das hatte ich ja auch schon angedeutet, die Frage des Be­wusstseins, die mich brennend interessiert. Und damit auch die Frage des Ich: Wer oder was ist “Ich”? Die Kinderfrage: Warum bin ich ich? Warum bin ich nicht du? Ja was? Warum bin ich ich? Wie steht das kleine Ich zum großen Ich?

Das berührt auch die Frage der höheren, transpersonalen, ins geistig-kosmisch hin­einragenden Bewusstseinszustände. Hier wurde ja angesprochen das Buch “Die Anders­welt”, das ist nicht das letzte Buch von mir. Das macht aber nichts. In dem Buch “Die An­derswelt” geht es ja um, es hat den Untertitel “Eine Annäherung an die Wirklichkeit”, und es geht um eine innere Kosmologie und die Frage der anderen und höheren Bewusstseinszu­stände, ‒ die Frage also: Was sind diese Bewusstseinszustände? Kann man das philoso­phisch sich angucken? Was haben Menschen erlebt? Und was kann man daraus schließen, etwa die große Vision des Dante in der Divina Commedia, was hat er, Dante, wirklich erlebt? Was hat er aus dem Reservoir seiner Zeit genommen und vielleicht über ein ganz andersar­tiges Erleben sozusagen gestülpt?

Und zum Bewusstsein gehört nach meiner Überzeugung, ‒ das ist ein zentrales Axi­om meiner Philosophie, ‒ die Weltseele. Es gibt eine Universal- und Weltseele, die uns in toto einbettet, das heißt, unsere Individual-Seele ist Teil der Weltseele, ist in gewisser Weise die Weltseele selber und als Ganzes. Und nur weil das so ist, können wir uns überhaupt verständigen, nicht nur über bestimmte geistige Strukturen oder über Sprache, aber auch, weil wir selber alle den gleichen Ursprung haben.

Ich kann in dem anderen ja immer erkennen das Du, und kann ja auch etwas kontak­tieren in ihm, ‒ seine eigene Tiefe kontaktieren. Das macht ja auch die Würde des Menschen aus. Ich blicke ja an den anderen nicht einfach als Körper ‒ das wäre ja unmenschlich ‒ ich blicke in ihn ja hinein und er in mich, in einen Abgrund, der ganz tief in den Welten-Grund reicht. Wir begegnen uns als uralte ‒ uralte ‒ in die tiefste Tiefe hinein reichende Wesen und gewinnen dadurch eigentlich unsere Würde. ‒

Der vierte Punkt, also die Weltseele, ist mir zentral wichtig, die Weltseele, die in ge­wisser Weise der Weltraum selber ist. Die Weltseele ist in gewisser Weise identisch mit dem unendlichen Raum. ‒ Also ein Raum, der umfassend belebt ist, der sich nicht ausdehnt und ausdehnen kann, der nicht entsteht, nicht entstehen kann, der immer war und immer sein wird. Die Frage, natürlich: Ja, der Raum ‒ das ist ja auch die Streitfrage zwischen New­ton und Leibniz dann gewesen ‒ was ist denn mit dem Raum? Was ist denn mit dem Göttli­chen? Ist nicht Gott jenseits des Raums? Ist er nicht über dem Raum? Gebiert er nicht den Raum aus sich heraus? Oder ist er gar der Raum selber? Ähnliche Fragen mit Blick auf die Zeit. Das sind ganz wichtige Fragen. ‒ Da habe ich gewisse Antworten gefunden, sagen wir mal, die sinnvoll erscheinen, die mir sinnvoll erscheinen. Ob sie auch einem anderen sinnvoll erscheint, ist eine andere Frage. Aber sie haben für mich eine Plausibilität und für etliche andere auch, aber natürlich nicht für jedermann, das ist ja auch unmöglich.

Meine Philosophie ist im Grunde spirituell fundiert und ohne gelebte Spiritualität nicht zu verstehen. Das muss ich klar sagen. Ich fühle mich als eine Personalunion von al­ternativem Physiker und Kosmologen, Naturphilosophen und Tiefen-Ökologen und gleich­zeitig einem spirituellen Menschen. Ich versuche da das zusammenzudenken und habe im Laufe der Jahre immer auch mal Irritationen ausgelöst, dass die Hörer oder Leser meiner Bücher oft nicht wussten: Mit wem haben sie es jetzt zu tun? Spricht jetzt der spirituelle Mensch, spricht jetzt eigentlich der Physiker, der Kosmologe, oder spricht jetzt eigentlich der Naturphilosoph? Wer ist der, der da spricht? ‒ Ich bin immer der gleiche, das sind keine verschiedenen Personen. Ich versuche sozusagen nur, die in mir zu bündeln. Eines bedingt das andere: Ich kann Physik nicht betreiben, auch Kosmologie nicht betreiben, ohne eine spirituelle Grundüberzeugung. ‒

Fünfter Punkt ist, dass ich glaube, dass der Mensch in der tiefsten Tiefe die Geheim­nisse des Weltalls nicht nur in sich trägt, sondern sich daran auch erinnern könnte, ja sollte. Das also heißt sozusagen, wie das Goethe mal sagte ‒ anlässlich des Begräbnisses von Jo­hannes Falk: Der Mensch trägt die Gesetzestafeln des Weltalls in sich, weil er in die tiefste Tiefe hineinragt und sich daran erinnert. ‒ Deswegen appelliere ich auch an den Einzelnen, habe auch in meinen langen Jahren an der Humboldt-Universität, Lessing-Hochschule und so weiter, auch immer an den Einzelnen appelliert: Du kannst dich erinnern, in der tiefsten Tiefe weißt du es eigentlich, und du musst es mir nicht glauben, sondern versuche selbst es in der tiefsten Tiefe zu erschließen. Da ist das berühmte Wort bei Platon dann: “Anamnesis” ‒ Erinnerung ‒. Das ist mir ganz wichtig: die Erinnerung. ‒

Ich habe vieles im Laufe der Jahre erkannt, weil ich mich erinnert habe, aus der tiefs­ten Tiefe der Erinnerung geschöpft habe, versucht habe, diesen täuschenden Filter, der über allem liegt, abzulegen, was natürlich nur bis zu einem gewissen Grade überhaupt mög­lich ist. Ich maße mir nicht an zu sagen, der Filter sei komplett abgelegt, überhaupt nicht, das wäre einfach hybrid. Das meine ich nicht, ‒ aber es ist eine Bemühung, diese Filter abzulegen.

Dann kommt hinzu, dass ich glaube, dass mein Denken auch eine eschatologische Funktion hat und in gewisser Weise auch auf Erlösung angelegt ist. Eines meiner Bücher heißt nicht zufällig “Die Erlösung der Natur, Impulse für ein kosmisches Menschenbild”. Und die Frage: Hat der Mensch, hat die Erdenmenschheit eine Zukunft, oder nicht? Ist der Selbstvernichtungslauf der Erdlinge noch zu stoppen? Und dann kommen natürlich jetzt die Frage der kosmischen Verantwortung. Wie sieht die aus? Dazu werde ich ja noch einiges sagen.

Der letzte Punkt berührt dann die Frage der Zeit. Ich habe über die Zeit viel nachge­dacht, und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass es eine Art Überzeit geben müsste, dass die auch kontaktierbar ist, und dass innerhalb dessen, innerhalb dieses Feldes, auch Zahlen eine Rolle spielen. ‒ Das nur ganz kurz angedeutet, das wird heute nicht zur Sprache kommen.

Ich glaube, dass es einen dritten Weg gibt zwischen Mathematik auf der einen Seite und Zahlen-Aberglauben, Numerologie auf der anderen Seite, den ich als Akusmatik be­zeichne. Gut ‒ also, das wäre der große Rahmen, innerhalb dessen ich denke und mein Den­ken versuche voranzutreiben. Gut.

Ganz kurz zu der Kernfrage von Naturwissenschaft und Spiritualität. Das ist ja ange­sprochen. Sie wissen ja alle, dass diese Frage seit Jahrzehnten diskutiert wird. Wie ist das eigentlich mit dem Verhältnis von Naturwissenschaft und Spiritualität? Da gibt es ja endlo­se Literatur darüber, und die Quantentheorie spielt dabei ja, wie Sie wissen, eine zentrale Rolle.

Was ist überhaupt Naturwissenschaft, und was ist Spiritualität? Ich will es versu­chen, mal ganz kurz auf den Punkt zu bringen, soweit ich das sagen kann, damit man diesen Zusammenhang begreift. Was unterscheidet das eine vom anderen?

Zunächst einmal muss man ja sagen, dass vom Anspruch her die Naturwissenschaft, seit Galilei und Newton, die strengen Regeln unterworfene Bemühung ist, ‒ war und ist, ‒ die uns umgebende Natur, die sinnlich physische Natur, in ihren Gesetzen, ihrer Struktur, ih­rer formalen Einheit adäquat zu erfassen, sei es primär erklärend, sei es beschreibend; und dies auf der Basis von Erfahrung, von tatsächlich vorliegenden Daten, Messdaten zumeist, konkreten Beobachtungen und Experimenten, die wiederholbar und im Prinzip von jedem mit dem gleichen Ergebnis durchführbar sind: die berühmte Reproduzierbarkeit.

Kann die Naturwissenschaft dem entsprechen? ‒ Nur sehr eingeschränkt, ‒ nur ein sehr kleiner Teil der Naturwissenschaft entspricht dem wirklich. Es gibt ein relativ kleines, wirklich empirisches Segment, also tatsächliche Erfahrungswissenschaft. Natürlich dann wieder noch in der technischen Umsetzung, das muss man ja sagen, ‒ wer einen Rover auf dem Mars steuern kann, wer gestochen scharfe Bilder vom Pluto zur Erde senden kann, der muss irgendetwas verstanden und umgesetzt haben. Das sind technische Meisterleistun­gen, keine Frage. Damit ist noch lange nicht gesagt, dass die Grundaussagen über Welt und Kosmos damit in irgendeiner Form bewiesen worden wären. Auf jeden Fall hat die Technik eine ungeheure Faszination und hat alles in gewisser Weise überwuchert ‒ Naturwissen­schaft ist heute eigentlich technisch-abstrakte Naturwissenschaft. Viele Theorien werden ja auch nur gefunden durch eine hoch differenzierte Technik, dort durch Computersimulatio­nen, immer auf der Basis von ganz bestimmten Voraussetzungen. Der Computer spuckt ja nicht die Ergebnisse einfach so hervor, ‒ sondern sie müssen interpretiert werden. ‒ Das ist wichtig, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass die Naturwissenschaft bestimmten An­sprüchen genügt; dass sie aber zu einem erheblichen Teil auch ihr Konto überzieht und man häufig außen vorlässt, dass diese Voraussetzungen, von denen ausgegangen wird, nicht selbstevident sind.

Wie die Mathematik ihrer eigenen Axiome nicht begründen kann, so kann auch die Physik bestimmte Grundaxiome nicht begründen, ‒ sie muss sie voraussetzen, sie muss von ihnen ausgehen und kann nur von dort her überhaupt operieren.

Was ist nun Spiritualität? ‒ Ganz schwer zu sagen. Spiritualität ist ja ein etwas un­deutlicher, fast möchte man sagen, schwammiger Begriff geworden. Jeder, der irgendwie meint, naja, es gibt da ein höheres Wesen, der ist, soll spirituell sein. Na ja, in gewisser Wei­se ist es ja auch so, ‒ schwer zu sagen. Also, Spiritualität ist ja heute das Gefühl, ja, diese physisch sinnliche Welt, die sich so konkret und massiv zeigt, ist nicht die einzige Wirklich­keit. Da drinnen ist irgendwie eine andere Wirklichkeit verborgen. Aber wie? Und diese an­dere Wirklichkeit, die ist oberhalb ‒ unterhalb dieser physischen, physisch sinnlichen Welt und durchdringt sie auch. Also, der Glaube, es gibt ein geistiges Universum ‒ in irgendeiner Form ‒ das das physische Universum trägt. Und häufig ja nichts weiter, für viele ist ja Spiri­tualität irgendwie, ich sage das mal ein bisschen flapsig, ein bisschen Buddhismus, bisschen Dalai Lama, bisschen mystisches Christentum, bisschen Zen, bisschen Tantra und so, so eine eigenartige Mixtur. Das sage ich jetzt nicht, um Jemanden lächerlich zu machen, der das so sieht, ‒ aber es ist doch einfach so, dass so eine, sagen wir mal, unscharfe Spiritualität herrscht. Das ist ja auch wieder gut, weil: Die Schärfe hatten wir ja lange genug. ‒ Man muss ja einfach wissen, dass die werdende Naturwissenschaft im 16. und 17. Jahrhundert sich si­cher nicht einer Spiritualität dieser Art gegenüber sah, sondern einer wirklich organisier­ten Spiritualität, die sich auch an ein bestimmtes Weltbild, an ein Weltmodell gefesselt hat­te. ‒

Nicht, die berühmten, das berühmte geozentrische, aus dem Mittelalter, aus der Antike stammende Weltbild, was die Kirche dann übernommen hat, ‒ und dann kam sie natürlich in Schwierigkeiten, weil sie, weil es zunehmend unhaltbarer war und gar nicht mehr verifizierbar. ‒ Wichtig ist, dass in der Naturwissenschaft ‒ auch das ist oft nicht klar gesehen: Es geht um einen methodischen Atheismus. Der einzelne Naturwissenschaftler muss überhaupt nicht Materialist sein, er muss auch nicht irreligiös sein. Er kann alles sein. Er kann Zen-Buddhist sein, er kann Anthroposoph sein, er kann Unitarier sein oder Rosenkreuzer oder was auch immer. Das ist sozusagen seine Privatangelegenheit. Aber der methodische Atheismus heißt: Wenn ich forsche, wenn ich mich erkenntnismäßig um die Gesetze der Natur bemühe, darf das alles keine Rolle spielen, ja, ‒ das ist der wesentliche Punkt. Also: methodischer Atheismus.

Weizsäcker hat das ganz schön so formuliert, Carl Friedrich von Weizsäcker, und in anderem Zusammenhang auch gesagt: Die Naturwissenschaft ist darum bemüht, die Hypo­these Gott als nicht gültig zu erweisen ‒ in der Forschungsmethodik. Das heißt nicht, dass der Naturwissenschaftler per se Atheist sein muss, wenn er in diesem Sinne methodisch atheistisch forscht. Das ist auch wichtig. Da gibt es ja die, eine gewisse Schizophrenie dann auch, dass der Naturwissenschaftler als Privatmensch alles Mögliche sein kann ‒ aber als Forscher eben strengen Richtlinien unterworfen ist. Also wer in der Woche als Teilchenphy­siker oder Molekularbiologe unterwegs ist, kann am Wochenende im Franziskanerkloster meditieren oder in einem Zen-Dojo, ohne dass es irgendeinen sachbezogenen und methodi­schen Einfluss hat auf das eigene Tun als Wissenschaftler.

Viele würden sagen: Ja, warum soll es das auch sein? Ja, da sind wir an einer schwie­rigen Stelle. Warum? Was ist gemeint? Inwiefern kann man denn doch ‒ was ich ja versuche ‒ eine tiefere, andere Naturwissenschaft etablieren, die eben diese spirituellen Komponen­ten tatsächlich einbezieht? ‒

Ein kurzer Blick mal, bevor wir dann auch die kosmische Licht-Frage behandeln, in die Frage, in die Geschichte. Wissenschaftsgeschichte ist ein spannendes Feld; und zwar deswegen schon, weil es einen lehren kann, was alles schon gedacht worden ist und auch verworfen wurde. Viele Überzeugungen, die über Jahrhunderte gegolten haben, hatten ja ihre eigene Evidenz und Kraft ‒ und haben sich dann doch als falsch herausgestellt. Zum Beispiel das ptolemäisch-geozentrische Weltsystem, was ja in der Lage war ‒ also mit der Erde als Mittelpunkt, die ganzen Epizykeln um die Erde herum ‒ war in der Lage, Sonnen- und Mondfinsternisse, Planetenpositionen sehr genau vorauszusagen, war also mathema­tisch zunächst einmal dem Kopernikus weit überlegen ‒ und trotzdem falsch. Das muss man einfach auch dazu sagen. Das ist interessant, immer wieder sich um Wissenschaftsge­schichte zu bemühen.

In einer Kurzlebigkeit wie heute ist es besonders schwierig, den Blick zurück zu richten auf das Werden, auf das Gewordene. Und hier spielt es für mich eine entscheidende Rolle, zu fragen, damals und heute: Wo befinden wir uns? Was ist der eigentliche Ort unse­res Seins?

Ich habe ja schon von der Weltseele gesprochen. Im geozentrischen Weltbild war ja der Mensch eigentlich ganz unten im Zentrum des Kosmos. Im Zentrum dieses kugelförmi­gen Etwas, war der Teufel ‒ Dantes “Göttliche Komödie” ‒ und in relativer Nähe zum Teufel die Erdoberfläche und dann die Sphären, und da drüber wölbte sich dann ein Hyperraum, würde man mathematisch sagen, wie ihn Aristoteles beschrieben hat, der als solcher nicht näher bestimmbar ist, denn diese kugelförmige Erscheinung des Weltganzen im geozentri­schen System durfte keine Außenkrümmung haben, nur eine Innenkrümmung.

Also naiv realistisch würde man sagen: Was nach innen gekrümmt ist, muss ja auch eine Außenkrümmung haben ‒ im aristotelischen Sinne eben nicht. Übrigens auch nicht in dem ominösen Urknallmodell, in der Urknall-Fiktion. Auch da ist der Ort nicht bestimmbar. ‒ Ich habe in einer Diskussion in der Urania in Berlin im Jahr der Physik 2000, da saß ich mit Physikern auf dem Podium, da ging es um den Urknall, und ich habe einen Physiker ge­fragt: Wo ist denn eigentlich diese Weltenblase, die Ihrer Meinung nach, in Ihrer These vom Urknall, dieses ausdehnende Etwas, wo befindet sich diese Blase? Und darauf kam die Ant­wort, die ich natürlich wusste: Die befindet sich nirgendwo, weil: Es gibt gar keinen Ort, in dem sie sich befinden könnte. Wenn es den Ort gäbe, dann gäbe es ja auch schon einen Raum davor. Das ist ja die Frage der Ausdehnung ‒ wohin soll die Ausdehnung denn gehen? Ist das der Raum selber, der sich ausdehnt? ‒ Eigentlich ein Absurdum. Da kann die Welten­blase sich ja nur in einen anderen Raum ausdehnen. Oder entsteht der Raum immer wie­der neu mit der Ausdehnung? Das sind ja alles Ungeheuerlichkeiten. Das hat ja mit Physik gar nichts zu tun. Das ist Mathematik, das kann man durchrechnen, aber physikalisch ist das eigentlich monströs.

Also die Frage des Raumes: Wie geht das weiter? Das berühmte Beispiel kennen Sie ja auch in der Antike: Ein Bogenschütze steht am Rand der Welt und schießt seinen Pfeil jenseits der Grenze ‒ was passiert? Fliegt der Pfeil? Ja, was passiert? Fliegt der Pfeil weiter? ‒ Dann ist da Raum. Oder verschwindet der Pfeil, löst er sich sozusagen in einen eigenarti­gen Hyperraum auf; er ist dann nicht mehr existent. Genauso hier, im Sinne dieser Welten­blase, wenn es dann möglich wäre, einen Pfeil nach außen zu schießen, würden die Physi­ker sagen: Es gibt es gar nicht, das ist absurd. Den Fall kann es nicht geben, weil da ist ei­gentlich in diesem Sinne nichts, was wir so verifizieren könnten. ‒ Also die Frage des Rau­mes ist hier zentral. ‒

In der mittelalterlichen Kosmologie hatte der Mensch einen Ort. Welchen Ort hätte er heute? Ganz schwierig. Wenn ich sage, er hat einen Ort in der Weltseele. Was heißt das? Wo ist er verwurzelt? Ja. ‒ Er hat einen Ort ‒ in gewisser Weise in der Weltseele. Er ist die Weltseele selber, von der ich ja gesagt habe, dass sie der unendliche Raum ist. So wurzelt der Einzelne letztlich im Unendlichen. Er ist in gewisser Weise nicht nur ins Unendliche ausgegossen. Sein eigentliches Fundament ist das Unendliche, das nicht Gewordene, das ewig Seiende.

Kann man jetzt sagen, gut, das ist ja doch, was viele sagen, dass der Grund der Dinge, das nicht weiter verifizierbare Letzte, der Weltengrund ist, in dem der Mensch dann wur­zelt. Ich meine, der Mensch ist ein Weltseele-Wesen und seine tiefste Verortung ist im Welt­seele-Raum. ‒

Nun zum Licht, zum kosmischen Licht, was ja auch mit der Verantwortung zu tun hat. Das ist ja ein entscheidender Punkt. Ich würde noch einmal die Frage formulieren: Ha­ben wir eine Aufgabe, die man benennen kann? Sind wir gemeint? Und wenn wir nicht nur Beschenkte sind, dann haben wir auch eine gewisse Pflicht im Sinne des Bundes, unseren Teil zu erfüllen. Dann sind wir aufgefordert, aufgerufen in unserer Menschenwürde das dann auch zu leisten.

Zunächst einmal muss gesagt werden, dass Licht ja eigentlich schon per se ein Mys­terium ist, denn Licht ist eigentlich kein Ding, kein Objekt in der Außenwelt. Und schon die normalen Zuschreibungen ‒ Subjekt, Objekt ‒ funktionieren eigentlich gar nicht. Die Frage auch: Ist das Licht eigentlich innen oder außen? ‒ Das Licht ist innen und außen gleichzei­tig.

Das ist ja wie mit dem Raum, wenn Sie fragen ‒ ist ja auch eine meditative Frage: Ist der Raum eigentlich außen? Oder ist der innen? Ist er in mir? Oder erstreckt er sich ins Au­ßen? Mit dem Licht ist es ähnlich ‒ das Licht ist innen und außen. Und egal ob wir es als elektromagnetische Strahlung, als Teilchenschauer, als sowohl-Teilchen-als-auch-Welle-oder-Ätherschwingung betrachten ‒ da haben wir immer nur das sozusagen messbare Korrelat. Stofflich, feinstofflich oder energetisch ‒ das ist aber nicht das Licht selbst.

Die Frage nach dem Licht ist nicht nur eine physikalische Frage ‒ das wäre sehr ver­kürzt ‒ ist ganz wesentlich auch eine anthropologische Frage: wie wir über das Licht, das kosmische Licht, übrigens auch über den Raum und so weiter, denken. Was von Menschen gedacht wird, das hat auch zu tun mit unserem eigenen In-der-Welt-sein. Und hat auch zu tun mit der inneren Kosmologie und gewisser Weise auch mit unseren eigenen Projektio­nen. Die Physik, auch die Kosmologie, geht ja von drei fundamentalen Prämissen aus, ich muss sie einfach nennen, weil das viele, viele sich nicht klar machen. Sonst könnte man Kosmologie gar nicht betreiben.

Es gibt drei Grundüberzeugungen, von denen man ausgehen muss. Drei Prämissen. Erstens. Irdische Physik ist kosmische Physik. Die erste Prämisse. Alle sogenannten Naturgesetze, die wir aus den Beobachtungen der uns zugänglichen Welt, das heißt auf der Erdoberfläche oder in deren Nähe, in abstrakter Form herausdestillieren, gelten im Prinzip überall und zu jeder Zeit in gleicher Weise. Wie etwas geschieht in der Natur, geschieht ge­mäß diesen Naturgesetzen, und zwar unabhängig davon, wann und wo jemand das konsta­tiert. ‒ Also irdische Physik ist kosmische Physik, ‒ das muss nicht stimmen. Das muss man klar sagen. Es kann ganz anders sein. Das ist allein schon eine metaphysische Setzung. Auch die Universalität dieser Art von abstrakten Naturgesetzen ist kein empirisches Faktum.

Die zweite These ist: Überall so wie hier. Das ist das sogenannte kosmologische Prin­zip. Ganz einfach folgendes: Unser Weltausschnitt, in dem wir leben, muss in irgendeiner Form für das Weltganze repräsentativ sein. Nur so können wir von diesem Standort aus auf das Ganze schließen. Wenn das nicht so ist, können wir keine Kosmologie betreiben. Wenn ich also der Auffassung bin, auf dem Andromeda-Nebel ‒ oder auf einem der Gestirne dort ‒ gelten ganz andere Gesetze, dann also ist Kosmologie unmöglich. Also wir dürfen nicht in einem tiefen Sinne standortgeschädigt sein, sonst ist Kosmologie nicht möglich.

Und den dritten Punkt habe ich schon genannt. Höhere Prinzipien gibt es nicht und dürfen keinen Zugang haben, allenfalls als Meinung. Das darf jeder, man darf glauben, was man will.

Ich glaube übrigens nicht, dass die herrschende Physik überhaupt die eigentlichen Naturgesetze kennt, sondern allenfalls ganz bestimmte ausschnitthafte Beschreibungen. Um Ihnen zu verdeutlichen, was ich meine mit dem kosmischen Licht, was hier einleitend schon ganz bewusst zitiert wurde, will ich Ihnen das versuchen zu erläutern, indem ich einige Thesen aufstelle, die ich einfach mal bitte mitzuvollziehen, auch wenn es vielleicht schwerfällt, wie ich überhaupt bitte darum, das wollte ich eigentlich schon vorhin sagen: Betrachten Sie das, was ich sage, als Gedankenexperimente, auch als Gedanken-Meditation, ‒ einfach als Denkmöglichkeiten, wie man eben auch denken kann und als Gedanken-Meditation. Das ist nicht intellektuell, sondern es ist einfach geistig und kann sozusagen mitmeditiert werden.

Denken kann auch Meditieren sein. Das glaube ich wirklich. Es gibt doch ein denken­des Meditieren und meditierendes Denken. Meditieren ist nicht per se Nicht-denken und Denken ist nicht per se Nicht-meditieren.

Also Thesen zu der Ur-Strahlung der Gestirne und Raum-Energie als Wirklichkeits­grund des kosmischen Lichtes, ‒ das können Sie zum Teil in diesem Essay, der da in dem Heft ausliegt, nachlesen.

Alle Gestirne, ich sage bewusst: Alle Gestirne ‒ verstrahlen aus ihrem Kern durch Materiezerfall freiwerdende Raum-Energie ‒ oder auch radiale Energie ‒ in wellenloser Form. Diese Radial-Felder sind die energiereichste Strahlung im Universum. Es ist das Ur­feld, das primordiale Feld. Jedes Gestirn verstrahlt diese Urenergie oder dieses Urfeld radi­al. Das heißt die Strahlung geht wie die unendlich vielen Radien einer Kugel vom Mittel­punkt aus in alle Richtungen.

Wir spüren das am unmittelbarsten in der Anziehungskraft, in dem, was die Materie zusammenhält. Diese Strahlung durchschlägt die Materie und hält sozusagen auch die Ma­terie zusammen. Da die Dichte der Materie gemäß der radialen Form des Raumener­gie-Feldes mit Annäherung an den Gestirnkern entsprechend zunimmt ‒ kann man ja rein logisch auch sagen ‒ bauen sich die Gestirne fest und kalt auf. Im Mittelpunkt der Radial­verstrahlung ist die Dichte quasi unendlich groß.

Das müsste ich Ihnen erläutern, das ist wissenschaftsgeschichtlich hoch interessant. Allein schon im späten 19. Jahrhundert gab es die Frage: Kann die Newtonsche Physik stim­men, weil allein jeder einzelne Körper dann mit seiner gravitativen Anziehungskraft im Mit­telpunkt eigentlich unendlich große Werte aufweisen müsste? ‒ Man hat endlos darüber debattiert und gegrübelt, was geht, was nicht geht, übrigens auch in der Quanten-Elektro­dynamik. Jedes Elektron müsste eigentlich unendliche Werte aufweisen. Man rechnet das dann mathematisch raus.

Die Sonnen verstrahlen kein Licht und auch keine Wärme, sondern Raumenergie in ihrer ursprünglichen Form, die aus dem Materiezerfall im Sterninneren gespeist wird. Erst in den sehr subtilen und komplexen Wechselwirkungen der Raumenergie-Felder der Ge­stirne im Gegen- und Ineinander entstehen wellenförmige Schwingungen ‒ unter anderem als Licht ‒ aber auch Aufsplitterung zu Teilchen und Verwirbelungen vielfältiger Art. In die­ser Überlappungzone sind alle Phänomene angesiedelt, die die Quantentheorie beschreibt.

Glühende Glaskugeln ‒ nach meiner Überzeugung ‒ gibt es nirgendwo im Weltall, hat es nie gegeben und wird es nie geben. Schon dass sie physikalisch überhaupt realitäts­tauglich sind, halte ich für pure Fiktion. Solche Monstren würden rasend schnell kollabieren oder zerfetzt werden.

Aus dem kalten und festen Aufbau aller Gestirne sowie der Eigenart der radialener­getischen Wechselwirkung folgt zwingend, dass im Prinzip für eine gewisse Phase, in wel­cher Form auch immer, organisches Leben möglich ist ‒ im Prinzip überall. Überall ist Gaia.

Wir sind umgeben von tosendem Leben. Wer einen Blick wirft in das nächtliche Fir­mament und tief angerührt ist und nicht gleich seine Argumente ins Feld bringt ‒ was er weiß oder zu wissen glaubt aus zweiter und dritter Hand ‒ der kann ja tief angerührt sein, er kann spüren, dass ihm da Leben entgegenblickt. Und er kann auch spüren, dass er nicht nur der Blickende ist, sondern dass auch angeblickt wird. ‒

Der moderne Mensch hat ja immer sein Superteleskop, und er ist immer der Blicken­der, der irgendwie allwissende Beobachter, subjektblind, sage ich mal, bis in die Knochen hinein. Und er kommt gar nicht auf den Gedanken, dass er auch angeblickt wird. Ich meine es jetzt nicht unbedingt UFOlogisch. Gut, das sind UFOs, die blicken uns ständig an, weil sie uns ja umkreisen. Sie sind ja ständig da. Und der Kirchhoff meint das. Zur Frage der UFOs will ich mich überhaupt nicht äußern. Das ist ein riesiges Thema, das man nicht in drei Sät­zen abhandeln kann. Also ich meine das jetzt nicht unbedingt UFOlogisch. Ich meine grund­sätzlich, wir, die moderne Denkbewegung seit zweieinhalbtausend Jahren, gehen immer davon aus, der Mensch ist der Blickende – der ist der Forschende. Er blickt ins Kleinste, ins Größte. Das Quasi-Nichts, zu dem er sich selbst gemacht hat, schwingt sich zum Quasi-Gott auf, klopft dem Weltgeist auf die Schulter. Er weiß, wie alles war. Er kennt die Zahlen. Er erhebt sich. Er ist eigentlich nicht klein, sondern er ist groß. Die berühmte kopernikanische Enttäuschung oder Demütigung ist genau das Gegenteil. Der Größenwahn des Menschen feiert immer wieder neue Auferstehung. ‒

Die Kosmologen sind deswegen so froh, weil sie in ihrer überragenden Intelligenz sich freuen, dass das Universum ihnen die Möglichkeit gibt, ihre quasi göttliche Intelligenz unter Beweis zu stellen. Gut, ein bisschen, jetzt, flapsig, arrogant, so gesagt, ‒ aber es ist et­was Wahres dran.

Und die Physik ‒ und auch die Kosmologie ‒ ist grundsätzlich in einer Sackgasse und es stimmt hinten und vorne nicht. Wenn sie sich der Mühe unterziehen, zum Beispiel ‒ nur als Anregung ‒ die Argumente, die es gibt gegen den Urknall, einfach mal vorurteilsfrei zur Kenntnis zu nehmen. Einfach mal einen ruhigen Blick darauf. Es gibt genügend seriöse Quellen, die man da befragen kann, etwa den bekannten kritischen Physiker Alexander Un­zicker ‒ berühmt sein Buch “Vom Urknall zum Durchknall”, ja, das war ein Wissenschafts-Bestseller und seine scharfe Polemik gegen die angebliche Entdeckung des Higgs-Teilchens, was ich auch schon 2012 gesagt habe. Es ist grotesk, dass hier das Higgs-Teilchen gefeiert wird. Das ist unfassbar und dass das ernsthaft, auch jetzt hier, mit den Gravitationswellen passiert. Das ist ja… da werden aus einem ungeheuren Datensalat, aus einem ganz lauten, dröhnenden, werden mit ungeheuer komplexen und schwierigen Verfahren, wird das herausgefiltert ‒ und dann interpretiert. Da ist nicht der Hauch von Beweis gegeben, dass es die berühmten Gravitationswellen in dieser Form überhaupt gibt. Dass die Presse darauf so einsteigt und die Pauke schlägt, ist unfassbar. Gerade der “Spiegel” ist ein wunderbares Beispiel dafür, der sofort auf all diese Sachen aufspringt.

Ich selber habe ja vor 16 Jahren auch ein Essay im “Spiegel” geschrieben, zum 400. Todestag von Giordano Bruno. Und da habe ich natürlich auch lange Telefonate mit dem betreffenden Redakteur geführt und habe da auch festgestellt: Also eine tiefergehende Refle­xion über diese Fragen liegt praktisch mehr oder weniger gar nicht vor, ist auch gar nicht gewünscht.

Und was die Flucht der Galaxien betrifft, so deute ich das als einen Alterungsprozess des Gestirns. Die Verstrahlung wird schwächer und sozusagen entsprechend scheinen die Galaxien von uns zu fliehen. Sie tun es nicht wirklich. Man kann das zurückrechnen, aber man rechnet letztendlich mit fiktiven Werten. Das sind keine realen Größen, ganz abgese­hen davon, dass die Sache ohnehin kolossal schwierig und komplex ist, überhaupt nicht ein­fach. Und das muss auch den sogenannten Laien gar nicht beschäftigen. Er muss sich mit al­lem gar nicht auseinandersetzen, aber er sollte zumindest, sagen wir mal, die geistige Red­lichkeit haben, wenn es um diese Fragen geht, sich so weit zu orientieren, dass er weiß, dass viele der gefeierten Theorien auf tönernen Füßen stehen.

Das sind Menschen, die diese Theorien aufgestellt haben. Da gibt es eine scientific community, die sich geeinigt hat. Das hat auch mit psychologischen, mit soziologischen Fra­gen zu tun. Ganz bestimmte Thesen dürfen auf Foren dann nicht behandelt werden, weil sie nicht opportun sind. ‒

Als ich seinerzeit auf das Urknall-Podium eingeladen wurde in Berlin in der Urania, konnte ich das nur, weil die Veranstalter nicht wussten, wen sie eingeladen hatten. Und dann war die Überraschung groß, dass es dann… ging es dann in die Runde: Herr Kirchhof, was sagen Sie? Ich sage, ich habe im Moment gesagt: Eine interessante Theorie ‒ aber stimmt sie überhaupt? In dem Moment begriff und begriffen die Herren Physiker und Ran­ga Yogeshwar, der es moderiert hat, erst: Aha, jetzt geht es in eine andere Richtung. Ich fragte: Darf ich mal den agent provocateur spielen? Und so ‒ dann lief das in eine andere Richtung. Und dann wurde es auch ganz interessant.

Zum Schluss mussten wir alle unser Schluss-Statement abgeben. Und auch ich wur­de befragt. Ich wurde dann auch zitiert, auch in der Presse, fand ich ganz witzig. Ich habe dann sinngemäß gesagt: Unsere moderne Kosmologie wird sich irgendwann als großer Witz erweisen, und wir werden uns dafür schämen, was wir alles geglaubt haben.

Gut, also, gut, da war eine Möglichkeit gegeben für einen Jemand wie mich durch ein Missverständnis. Man hat es … genauso, wenn Sie heute ganz ehrlich, wenn Sie heute ein Fo­rum abhalten, sagen wir mal Pro und Contra der Relativitätstheorie: Das ist extrem schwie­rig, weil jede kritische Äußerung gegen Einstein, die es ja auch gibt, sofort Antisemitismus-Verdacht nach sich zieht. Um Gottes Willen, der wurde von den Nazis vertrieben. Also ganz schwierig. ‒

Einstein als Kritiker der Quantentheorie darf geradezu lächerlich gemacht werden ‒ man weiß ja, er hat sich ständig bemüht zu beweisen, die Quantentheorie stimmt gar nicht; er ist da gescheitert ‒ das darf man. Aber die Axiome der Relativitätstheorie in einem öf­fentlich seriösen Diskurs zu behandeln, ist extrem schwierig, weil keiner traut sich so rich­tig, aus dem Hinterhalt so nach vorne zu treten, weil ihm bläst so ein kalter Wind entgegen. Und es wird mit harten Bandagen gekämpft. Und da hatte ich immer den gewissen Vorteil ‒ weil ja, der Philosoph ist irgendwie der Mann fürs Schöngeistige.

So, dann kann man also auch den … man lädt den dann ein ‒ Herrn Kirchhoff: Was meinen denn Sie zum Urknall? So. Ja, so ganz naiv, na ja. Mit anderen Worten, wir wissen ja sowieso, dass es den gibt. Aber Herr Kirchhoff, bitte sehr auch mal! Sie dürfen auch mal was dazu sagen. Und der Schock oder die, sagen wir mal, Irritation war dann doch erheblich. Die ging dann so weit, als ich dann, ich darf das kurz sagen, weil es hängt mit dem Thema zu­sammen: Seit zwei Jahren habe ich hier einen YouTube-Kanal, und meine Tochter hat den für mich eingerichtet. Und dann wollte ich auch dieses Urknall-Podium auf den Kanal bringen. Was habe ich gemacht? Das gab es ja, ich hatte ja die DVD. Ich habe also angerufen und sagte: Ich bin Jochen Kirchhoff. Sie haben seinerzeit ein Podium gehabt vor 15 Jahren. Das war so ‒ ich möchte das gern auf meinen YouTube-Kanal bringen. Ja, ist kein Problem. Gut, haben Sie noch die DVD? Nein. Gibt es noch Leute, die davon wissen? Ja, das wissen wir gar nicht genau. Wer ist der Veranstalter? Dann gab es ein langes Gezerre. Es ist die Urania. Es ist “Wissenschaft im Dialog”, es ist eigentlich das Büro von Ranga Yogeshwar, dem berühmten Wissenschafts-Moderator? Oder ist es die Deutsche Physikalische Gesellschaft? Und da war es ein langes Hin und Her über Wochen und Monate. Schließlich kriege ich eine scharfe Mail: Herr Kirchhoff, wir bitten Sie ‒ inständig: Dieses Video dürfen Sie nicht zeigen auf Ihrem Kanal und sollten Sie es doch tun, haben Sie mit Sanktionen zu rechnen. Also ein Medienanwalt könnte mich schnell zur Kasse bitten. Ich dachte: Aha! Seid ihr so schwach, dass ihr das nicht einmal aushalten könnt, in einer offiziellen Diskussionsrunde mit dem berühmten Moderator Ranga Yogeshwar? Seid ihr so schwach, dass ihr mir jetzt verbietet, das auf meinen Kanal zu bringen? Ihr habt doch gar nichts. Ihr findet euch doch selber ganz großartig. Warum wollt ihr das nicht zeigen? Nein, ich möchte mit Ihnen darüber keine Diskussion führen. Ich sage Ihnen nur, machen Sie es nicht. Sonst haben Sie Sanktionen zu gewärtigen. Sie wissen, was das heißt. Da kann man leicht 2, 3 tausend Euro bezahlen. Irgendein Medienanwalt wird da drangesetzt, oder was weiß ich, Persönlichkeitsrechte werden verletzt von denen, die dann auf dem Podium sitzen und so weiter. Aber ich will das jetzt nicht so im Einzelnen vertiefen, das führt uns jetzt ein bisschen abseits. ‒

Also, mir ist es darum zu tun, um das noch einmal auf den Punkt zu bringen: Ich bin tief davon überzeugt, dass die menschliche Existenz eine eigene Würde im Kosmos hat, dass wir geistig-kosmische Wesen sind, dass wir da wurzeln und dass wir auch die Würde des Erkennens haben und die Würde der Erinnerung. Und ich würde Jeden immer ermun­tern: Lassen Sie sich von Niemandem diese Würde absprechen. Das gehört nach meiner Überzeugung zur Würde des Menschen überhaupt. Das macht ihn überhaupt menschlich und, das ist mir ganz wichtig, und die kosmische Aufgabe des Menschen besteht einfach darin, dass er gemeint ist: Jeder Mensch ist nur da, weil er auch gemeint ist. ‒ Jeder ist im Grunde gemeint. Jeder hat die Chance und die Möglichkeit und ist auch ein Mit-Akteur ‒ bis dahin, würde ich sagen, dass diese Mit-Akteure mit darüber entscheiden, ob einer dieser ominösen Asteroiden hier einschlägt oder nicht. ‒

Ich habe aber leider den entgegengesetzten Eindruck ‒ diese Hysterie in der Öffent­lichkeit, jetzt könnte endlich mal, manche sind geradezu gierig darauf, ein Asteroid hier ein­schlagen ‒ die Untergangsszenarien werden ja durchgespielt ‒ dass sozusagen diese Aste­rioiden quasi angezogen werden. Also, sozusagen: Man zieht sie quasi in die Erde rein.

Und da glaube ich ganz sicher an die Wirkungsmöglichkeiten ‒ auch über das Radial­feld, auch über die Weltseele ‒ dass wir da Einwirkungen haben, dass tatsächlich, ja, eine bestimmte Zahl von Gerechten soll es geben, bevor der “Messias” kommt, ja, sagt man im Judentum. Gut. Ja, also ‒ dass es vielleicht eine bestimmte Zahl von Menschen ‒ in diesem kosmischen Sinne ‒ geben kann, die in der Lage wären, tatsächlich, energetisch auch dahin­gehend zu wirken, dass so ein Impact gar nicht möglich ist. Das weiß ich nicht mit letzter Si­cherheit. Aber es könnte sein. ‒

Wir sind mitaufgerufen, sozusagen, auch zur Stabilität des Sonnensystems beizutra­gen und haben in diesem Sinne tatsächlich eine kosmische Aufgabe; und zwar jeder in un­terschiedlichen Graden, und da kann er trotzdem ‒ ich meine, der Alltag muss ja bestritten werden, man muss sich auch nicht irgendwie blockieren lassen, verkrampfen lassen, in dem Sinne: was kann ich denn machen, ich kann doch eh nichts machen ‒ nein, es gibt eine, es gibt die Möglichkeit, sich da einzuschlingen, und das ist kein Phantasma, das ist keine Fikti­on ‒ und sollte es eine bloße Glaubensüberzeugung sein, gut, dann ist es halt eine Glau­bensüberzeugung. Warum nicht?

Also ich sage nochmal mit Goethe: Je älter ich werde, umso mehr glaube ich an das, vertraue ich auf das Gesetz, wonach die Rose und Lilie blüht. Und das sage ich auch: In je­dem Frühjahr aufs Neue bin ich tief erschüttert, immer wieder aufs Neue. ‒ Woher kommt das Blühen und Sprießen? Woher kommt das wirklich? Die Biologen wissen es nun wirk­lich nicht, interessiert sie auch so gar nicht. Warum steigen die Säfte? ‒ Das ist ein Rätsel. Da gibt es interessante Überlegungen dazu. Das ist nicht so einfach, so physikalisch reduktionistisch zu erklären, warum im Frühjahr die Säfte steigen, und so weiter. Also durch die ganzen Wachstumsprozesse, da gibt es auch interessante Überlegungen der Anthroposo­phen darüber. Die muss man ja nicht alle so hinnehmen. Aber da gibt es ja auch interessante Überlegungen, die sich auch damit auseinandergesetzt haben, den Levitationskräften, die sozusagen die Pflanzen aus dem Boden ziehen ‒ gegen die Gravitation, und da sind auch hochinteressante Felder: Tag und Nacht ‒ Licht, auch als levitative Kraft, auch Bewusstsein als levitative Kraft, also sozusagen gegen die Gravitation. Und auch das sind hochinteres­sante Forschungsfelder: Warum ist eine Leiche, ein unbelebter Körper immer schwerer als ein belebter Körper. Das hat man empirisch nachgewiesen, dass der nicht mehr beseelte Körper schwerer ist. Warum? Auch da ist ja ein Bewusstsein, ja auch ein Lichtbewusstsein, hat auch eine anti-gravitative Kraft, und kann in dem Sinne dann auch die Schwere min­dern. Das lässt sich auch verständlich und plausibel machen. ‒

Ja, das wollte ich Ihnen in der großen Linie präsentieren. Das ist sozusagen ein kleines Segment eines gewaltigen Etwas, womit man sich viele Jahre beschäftigen kann. Man muss es nicht wie ich 50 Jahre machen, aber bei mir ist es ein halbes Jahrhundert. Und ja, denk ich mal, darüber kann man also nachdenken und das mal einfach auf sich wirken lassen ‒ Gedanken-Meditationen. ‒ Gut. ‒


* * * * * * *