Conclusio II – Umrisse einer neuen Naturphilosophie

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil I
Tiefenökologie und Neue Naturphilosophie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Sommersemester 1999
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 24

Transkript als PDF:

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Ich habe das heute genannt: „Conclusio ‒ Umrisse einer neuen Naturphilosophie in tiefenökologischer und sozialökologischer Sicht“ ‒ Umrisse einer neuen Naturphilosophie, das versuche ich ja seit Jahren. Das sind immer wieder neue Annäherungen an ein ungeheuer schwieriges, komplexes Feld. Ein Feld, bei dem man auch ständig gewärtig sein muss, auf eine „Tretmine“ zu treten, also ein weltanschaulich besetztes Feld. Und auch in diesem Semester ging es ja wieder um diese Annäherungen.

Die eine oder andere Wiederholung ist unvermeidlich. Grundsätzlich muss ich das sagen, weil immer mal wieder mir hinterbracht wird: Das hat Herr Kirchhoff doch schon mal erzählt, das oder jenes: Selbstverständlich! Wie kann es anders sein, wenn jemand 200 Vorlesungen hält, dass er nicht immer mal wieder auch Motive aufgreift, zwei, drei, viermal erwähnt und beleuchtet in einem neuen Kontext. Es kann ja nicht darum gehen, ja immer wieder ein neues Happening zu veranstalten mit neuen, sozusagen heißen Stoffen, im buchstäblichen Sinne. Das kann es nicht sein, obwohl das auch reizvoll ist. Insofern wird es notwendig immer wieder Überschneidungen geben und manche Themen werden immer wieder erneut erscheinen in einer neuen Beleuchtung.

Die Frage, wie es zu einer Fehlentwicklung kommt, ist immer schwer zu beantworten. Die Herausgeber dieser Zeitschrift raum&zeit hatte mich für die nächste Ausgabe September/Oktober gefragt, hatte mir eine Reihe von Fragen geschickt, unter anderem auch die Frage: wie kommt es eigentlich zu dieser Fehlentwicklung, und wie sieht eigentlich eine Naturwissenschaft aus, der sie zustimmen könnten? Und er hat mich in diesem Zusammenhang in Verbindung gebracht mit einem von mir hochgeschätzten Mann. Ich fühle mich in gewisser Weise geehrt dadurch. Ja, es ist gleich zu Beginn: Jochen Kirchhoff ist mit Erwin Chargaff wohl der fundamentalste und zugleich fundierteste Kritiker der orthodoxen Naturwissenschaft. Und das gibt mir die Gelegenheit, hier noch einmal auf Erwin Chargaff zu verweisen. Das habe ich in früheren Jahren, in den Jahren 94, 95, 96 öfter getan. In den letzten zwei, drei, vier Jahren kaum. Erwin Chargaff, mittlerweile, wenn ich es richtig gerechnet habe, 94 Jahre alt, also 1905 geboren, einer der wichtigen, großen Biochemiker des 20. Jahrhunderts, der nach der Beendigung seiner wissenschaftlichen Karriere als Biochemiker anfing, für viele überraschend, für Kenner nicht unbedingt überraschend, in deutscher Sprache wissenschaftskritische Bücher zu veröffentlichen. Er ist an sich Österreicher, ist in den 30er Jahren, weil Jude, ausgewandert, ist dann in New York lange Zeit gewesen, er lebt heute noch dort. Verschiedentlich wurde gesagt, er hat den Nobelpreis nur knapp verfehlt. Ich habe ihn darauf angesprochen. Er meinte, er hatte sich nie Ambitionen auf den Nobelpreis gemacht. Er war ja einer der Vorläufer der Entdeckung der DNS schon in den vierziger Jahren. Dieser Erwin Chargaff hat in diesen letzten zwanzig Jahren 12, 15, 16, 17 fundamentale wissenschaftskritische Bücher veröffentlicht, hat es sich mit all seinen früheren Kollegen gründlich verdorben. Kaum einer nimmt ihn nun noch ernst oder nahm ihn nun noch ernst. Und Chargaff stellt sich auch der Frage nach den Gründen der Fehlentwicklung und zentral wichtig für uns: Gibt es Alternativen zu diesen orthodoxen Naturwissenschaften? Ich habe Chargaff in mehreren intensiven Gesprächen Anfang der 90er Jahre darauf angesprochen. Wir haben uns an seinem Urlaubsort im Berner Oberland getroffen und im Wesentlichen, meinte er, und das hat er auch in seinen Büchern immer wieder geschrieben, eigentlich nichts. Es gibt eigentlich keine wirkliche Alternative, es sei denn, man verzichtet auf das Ganze.

Das ist zunächst mal eine relativ radikale These, die er auch dann so im näheren Gespräch gar nicht aufrecht erhält. Ich will das trotzdem mal an einem Essay von Chargaff zeigen, der auch den Titel trägt „Gibt es Alternativen zu unseren gegenwärtigen Naturwissenschaften?“ Ich lese mal einige zentrale Passagen dazu vor, weil das für unsere Thematik zentral wichtig ist, auch für die Frage des Zusammenhangs von Naturphilosophie und Naturwissenschaft, ein Zusammenhang, der ja durchaus nicht selbstverständlich ist und immer wieder neu durchdacht und beleuchtet werden muss. Also, Erwin Chargaff schreibt in diesem Essay von 1988 „Gibt es Alternativen zu unseren gegenwärtigen Naturwissenschaften?“ Chargaff: „Ich bin das oft gefragt worden und habe, soweit ich konnte, darüber nachgedacht. Leider bin ich, um meine Antwort vorwegzunehmen, zu dem Schluss gekommen, dass es unter den jetzigen Umständen keine Alternativen gibt, es sei denn, man verzichtet auf das Ganze. Entsagung ist aber unserer Zeit fremder als irgendeiner anderen. Das abscheuliche Jahrhundert, das jetzt bald zu Ende geht und wahrscheinlich von einem noch ärgeren gefolgt werden wird, hat sich mit der Forschung und Technik verfilzt. Es erwartet von jener, dass sie Entdeckungen macht, die diese dann in neue Erfindungen und in die Produktion verkäuflicher Güter verwandeln kann. Innovation ist ein geistloser Slogan, aber er regiert die Zeit. Daher ist besonders unter Jungen die Sehnsucht nach Alternativen lebendig. Diese sind sich dessen vielleicht mehr bewusst als die Älteren, dass ein Erstickungs- und Vergiftungsprozess im Gange ist, der unsere Erde bald nicht mehr bewohnbar machen wird. Dem so weit wie möglich abzuhelfen, ist ein heroischer Aufruf. Wo aber ist unser Herakles, wo sind die mythischen Helden der Gegenwart? Leider ist diese Gegenwart, die mit Argusaugen, wie ein Haftelmacher sagt man in Wien, auf die kleinste technische Neuerung lauert, um sie sich anzuschaffen. So bleibt eigentlich der Ruf nach Alternativen unaufrichtig, denn ohne Askese geht es nicht. Leute, die die Umwelt aus ihrem privaten Automobil retten, sind mir verdächtig. Aber sie sind die Einzigen, die uns noch verblieben sind. Die hauptsächliche Alternative zu den gegenwärtigen Naturwissenschaften wäre, sich ihrer zu enthalten, sie fallen zu lassen. Ich habe schon anfangs angedeutet, dass das nicht geschehen wird. Noch auch bin ich sicher, dass es wünschenswert wäre. Erstens würden die Schlauköpfe, die sich jetzt mit der fortgesetzten, immer kostspieliger werdenden Zertrümmerung des Atomkerns beschäftigen, oder Diejenigen, die gerade dabei sind, dem Zellkern, Krebs und andere schwere Krankheiten als Erbgut anzuzüchten, dann vielleicht auf noch schlimmere Ideen kommen. Und zweitens kann ich mir nicht verhehlen, dass die Wissenschaft in ihrer Summe, wie sie seit Jahrhunderten aufgehäuft worden ist, viel Großartiges enthalten, worauf die Menschheit nicht verzichten kann.“ Dann heißt es hier weiter: „Alternativen ‒ wie könnte zum Beispiel eine andere Chemie aussehen? Eine Chemie mit einem freundlicheren Gesicht. Forschung an sich ist weder freundlich noch unfreundlich. Sie folgt dem Gesetz, das der verhängnisvolle Wissensdrang des Menschen ihr auferlegt. Nicht einmal die fürchterliche Verschmutzung der Welt kann der reinen Forschung zur Last gelegt werden. Wohl aber kann ich mir vorstellen, dass das Gewissen des einzelnen Forschers als Bremse wirkt, so dass er sich weigert, zum Beispiel über Gifte und Nervengase zu arbeiten und Hekatomben von Tieren zwecks trivialer Details in den Tod zu treiben. Alternativen können nur aus dem Herzen der Einzelnen kommen, die es verstehen, dass Wissenschaft nie zu einer Lizenz der Unmenschlichkeit werden darf. Meiner Meinung nach gibt es nur eine gültige Alternative zur Naturforschung, nämlich mit ihr aufzuhören, ihr wegen ihrer verheerenden Folgen zu entsagen. Ein solcher Entschluss von Seiten der Menschen entspräche einer geistigen Umwälzung, möglicherweise vergleichbar derjenigen, die zur Ausbreitung des Christentums geführt hat.“ Und der Essay schließt ab: „Wer die Gegenwart abscheulich findet und die Vergangenheit unwiederholbar, ist versucht, sich mit der Zukunft einzulassen. Das will ich nicht tun. Schon deshalb nicht, weil ich vermute, dass die Zukunft eine ewige Gegenwart ist. Genauso wie in Dichtung und Kunst alles mit der Moderne aufgehört hat und was nachher kommt, ist nur postmodern, scheinen wir in einer Epoche der Postgegenwart hineingeraten zu sein. Vieles verschwindet, nichts wird ersetzt. Die Wirklichkeit steht nur auf dem Papier. Wir schnappen nach Luft in einem Knäuel von Bei- und Vorläufigkeiten. Wir machen nur so, wir simulieren, dass wir die Pseudozukunft im Griff haben. In Wirklichkeit gibt es keine Wirklichkeit mehr. Die Dienstleistungsgesellschaft kennt nur Fertigwaren, und die sind von sehr schlechter Qualität. Auf dem Bildschirm ist alles ,als ob‘ und noch dazu eindimensional. Auch die Naturforschung ist eindimensional geworden, sie kennt das Bekannte, sie denkt das Gedachte. Sie gleicht einem riesigen Fischteich, aus dem sie jetzt unter Geschrei herauszieht, was sie früher hineingesetzt hat. Wie Fische es tun, hat dieses sich vermehrt gehabt. So erhebt sich die Wiederentdeckung der Wirklichkeit als die einzige Alternative. Woher jedoch die Kraft zur Einschränkung kommen kann, welche die Menschheit zur makroskopischen Wirklichkeit zurückdrängt, weiß ich nicht.“

Ich habe das im Sommer 1996 in ähnlicher Form gebracht und einen langjährigen treuen Hörer damit schwer verärgert, der das für einen Aufruf zur Resignation hielt. Er habe immer gedacht, es gäbe eine andere Möglichkeit, Natur zu betrachten. Nun höre er, dass dem nicht so sein. Ich muss sagen, dass ich über diese Frage mit Chargaff sehr eingehend gesprochen habe, und ich habe ihn direkt angesprochen auf diesen Punkt. Wie ist das? Müssen wir quasi resignieren? Müssen wir sagen, gut, es gibt die herrschende technisch- analytische, reduktionistische Forschung oder als Alternative den Verzicht auf all das. Da hat er dann doch einlenkend und in gewisser Weise nuancierend und relativierend geantwortet: So radikal habe er es doch nicht gemeint, denn er glaube doch, dass es möglich sei, von Seiten einer kritischen Naturwissenschaft oder von Seiten der Naturphilosophie, die Naturwissenschaft daraufhin zu befragen, was denn ihre Prämissen, was denn ihre Voraussetzungen seien, und dies hielt er für eine der wichtigsten Fragen: Kritik der Prämissen; was ist wirklich Wissen, und was ist Vermutung, Spekulation, Mutmaßung, was ist pures Modell. Das war der eine Punkt.

Zum zweiten, sagte er, müsste man unbedingt die ökologische Krise im Kontext dieser Überlegung heranziehen als die Auswirkung dieser Art von Naturwissenschaft. Und dann, was mich sehr verblüffte, meinte er, er kenne nur einen einzigen Naturforscher bzw. Naturphilosophen, von dem er annehme, dass er in gewisser Weise die Voraussetzungen in sich berge, zu einer anderen Naturwissenschaft zu gelangen, und das sei Giordano Bruno, der große Renaissance-Philosoph und Zeitgenosse Galileis. Ich sage das deswegen, weil Chargaff nicht, damals nicht, meine Bruno-Monografie kannte. Soweit ich mich erinnere, kannte er damals nur die Schelling-Monografie. Grundsätzlich hatte er einen Stand erreicht, das wird sich heute nicht geändert haben, wo er Texte der Gegenwart, philosophische, wissenschaftliche Texte der Gegenwart, grundsätzlich für irrelevant hielt und sich weigerte, sie zu lesen. Mir hat er das Kompliment gemacht zu sagen: Ich habe ihr Buch über Schelling nur gelesen, weil es sich um einen, weil es über einen Philosophen handelt, den er schätzt, eine große Persönlichkeit der Vergangenheit, nicht weil es ein zeitgenössischer Philosoph abgefasst hat. Also, ein Punkt, den man erst einmal im Bewusstsein behalten muss.

Eine radikale These wäre es, wir verzichten auf das Ganze. Chargaff weiß, dass das unmöglich ist. Das würde wirklich eine radikale Kulturrevolution bedeuten. Wie sollte das aussehen? Das ist in der Form vollkommen absurd.

Das führt uns oder mich auf die weitere Frage, die in diesen Vorlesungsreihen ja immer wieder eine Rolle gespielt hat, und ich muss das erneut präzisieren: Wie sieht es denn aus mit dem Verhältnis von Naturphilosophie und Naturwissenschaft? Das ist immer wieder Anlass zu Missverständnissen. Immer mal wieder wird gesagt, ich habe das schon einleitend in diesem Semester gesagt: Was kann Naturphilosophie? Naturphilosophie kann nur zur Kenntnis nehmen, was es an Ergebnissen der sogenannt exakten Naturwissenschaften gibt. Naturphilosophie kann dann diese Ergebnisse, wenn sie intelligent ist, in ein gewisses, in sich konsistentes oder kohärentes System bringen. Das glaube ich nicht. Das hieße, die Naturphilosophie, wenn sie denn richtig verstanden wird, weit unterschätzen. Zumal ich grundsätzlich nicht glaube, dass es überhaupt einen substanziellen Unterschied gibt zwischen Naturphilosophie und Naturwissenschaft. Denn was soll der Unterschied denn sein? Es kann doch nur darum gehen, zu verstehen, was Natur ist. Was ist Natur? ist die zentrale Frage der Naturphilosophie, wie unser Verhältnis zur Natur beschaffen ist, in was für einem Universum wir leben, das ist doch letztlich die Frage, die uns interessiert. Was interessiert uns denn sonst? Die konkrete, lebendige, wirkliche Natur und nicht abgehobene Konstruktionen über dieselbe. Uns interessiert doch in der Tiefe, wie die Wirklichkeit ist. Und da gibt es verschiedene Zugänge zu dieser Wirklichkeit, und lange Zeit hindurch war das auch in der Wissenschaft, Wissenschaftsgeschichte ohnehin das Gleiche. Naturphilosophie war Naturwissenschaft und umgekehrt.

Ich habe ja verschiedentlich erwähnt, dass das Newtonsche Hauptwerk „Mathematische Prinzipien der Naturphilosophie“ hieß und Newton sich ausdrücklich als Philosoph verstanden hat. Das muss man einfach sagen, es war so. Er hat sich als Naturphilosoph verstanden, ein Naturphilosoph, der sich bestimmter mathematischer Prinzipien bediente. Und da ist man natürlich bei der Frage: Wie ist es überhaupt mit der Mathematik in dem Kontext. Ist der Naturwissenschaftler Derjenige, der experimentiert und der sich der Mathematik bedient, während Naturphilosophie nur denkt? Auch so ist es nicht. Man kann auch in ganz anderer Weise, auch mittels der Mathematik und mittels ganz bestimmter Überlegungen über Zahlen sich mit Natur beschäftigen. Auch diesen Gegensatz müsste man eigentlich ausräumen. Ich plädiere dafür, erst einmal grundsätzlich zu sagen, es geht um ein Verständnis der Natur, um ein Verständnis der Wirklichkeit dieses Universums, in dem wir leben ‒ nichts weiter. Und da gibt es verschiedene Zugänge, verschiedene Möglichkeiten. Dass Naturphilosophie im Grunde Naturwissenschaft ist, hat schon vor 200 Jahren Schelling in seinen frühen naturphilosophischen Schriften immer wieder betont. Er sagt mehrfach, Naturphilosophie sei spekulative Physik, wobei man sagen muss, dass der Ausdruck „spekulativ“ in der damaligen Zeit nicht diesen negativen Beigeschmack hatte, den er später hatte. „Spekulativ“ meint einfach denkend im Kontext der Zeit. Philosophie, Naturphilosophie ist spekulative Physik heißt, es ist denkende Physik, aber es ist Physik. Immer wieder hat Schelling betont, dass er im Grunde genommen Physik betreibt, und zwar denkende Physik. Ja, er hat, das weiß ich aufgrund langjähriger Schelling-Studien sogar, er ist sogar so weit gegangen, zu sagen, was Newton macht, sei keine wirkliche Naturwissenschaft. Ein ungeheuerlicher Vorwurf von Seiten eines Denkers, viele halten ihn für absurd. Er macht Newton den Vorwurf, dass seine Naturphilosophie im Grunde keine wirkliche Naturwissenschaft sei, weil [er] sich ausschließlich mit mathematischen Konstrukten beschäftigt und nur bedingt mit der Wirklichkeit des Universums.

Ich lese mal eine kleine Stelle von Schelling vor, die vor 200 Jahren geschrieben wurde, aber im Prinzip, in der Grundanlage kann man sagen, ist das auch heute noch durchaus gültig, wenn man auch die Begriffe verändern muss. „Indem wir dadurch deutlich machen, wodurch unser Unternehmen“, sagt Schelling 1798, „sich von allen ähnlichen bisher gewagten unterscheide, haben wir zugleich den Unterschied der spekulativen Physik von der sogenannten empirischen angedeutet“, also der denkenden Physik von der bloß experimentellen, würde man heute sagen, „welcher Unterschied sich hauptsächlich darauf reduziert, dass jene einzig und allein mit den ursprünglichen Bewegungsursachen in der Natur, also allein mit den dynamischen Erscheinungen, diese dagegen, weil sie nie auf einen letzten Bewegungsquell in der Natur kommt, nur mit den sekundären Bewegungen und selbst mit den ursprünglichen nur als mechanischen, also auch der mathematischen Konstruktion fähig, sich beschäftigt, da jene überhaupt auf das innere Triebwerk und das, was an der Natur nicht objektiv ist, diese, also experimentelle Naturwissenschaft, hingegen nur auf die Oberfläche der Natur und das, was an ihr objektiv und gleichsam Außenseite ist, sich richtet.“ Also sehr vereinfacht gesagt, Naturphilosophie ist der denkende Blick von innen, während in diesem Sinne empirische Physik, im Sinne Schellings, oder experimentelle Physik ein Blick auf die Außenseite der Natur ist.

Natürlich muss man hier auch immer die Innenseite mit berücksichtigen, aber erst einmal geht es um diesen Gegensatz. Für Schelling jedenfalls ist Naturphilosophie im Grunde das Gleiche wie Naturwissenschaft. Es geht nur und ausschließlich um ein Verständnis dessen, was Natur ist.

Es ist eine grundsätzlich wichtige Frage in dem Zusammenhang, wie der denkende Naturphilosoph oder Naturforscher umgeht mit dem, was ihn an experimentellen Ergebnissen der sogenannten empirischen Naturforschung erreicht. Sprich, wie stellt er sich zu bestimmten Messergebnissen? Das hat ja auch Irritationen ausgelöst, dass ich da von Hauschka Messergebnisse erwähne aus den 30er-Jahren, die so vielleicht nicht im üblichen Sinne reproduzierbar sind. Wie kommen wir dazu, die eine Messreihe für legitim und die andere für nicht legitim zu halten? Das ist ein sehr schwieriger Punkt.

Man darf nie außer Acht lassen, dass auch in der sogenannten theoretischen Physik in den seltensten Fällen, wenn es um Denkzusammenhänge geht, direkt nachgeprüft wird. Der theoretische Physiker übernimmt die Messergebnisse von den Experimentalphysikern. Er prüft das ja nicht nach, er hätte ja viel zu tun, wenn er in jedem Augenblick, sagen wir mal Messergebnisse, Lehrbücher auch noch selber verifizieren wollte. Es gab ja genügend auch theoretische Physiker, Wolfgang Pauli ist ein berühmtes Beispiel dafür, die haben es geradezu abgelehnt, jemals ein konkretes Experiment durchzuführen, sondern sie haben im Wesentlichen Gedankenexperimente favorisiert. Woher weiß, grundsätzlich gesprochen, der theoretische Physiker, dass die Messergebnisse, die er von Experimentalphysikern übernimmt, überhaupt stimmen? Das kann er gar nicht wissen. Er nimmt, übernimmt erst einmal aus den herkömmlichen und allgemein akzeptierten Lehrbüchern die Messwerte. Anders kann er gar nicht verfahren, versucht die dann in ein kohärentes System zu bringen.

Nun ist es aber …, nun gibt es genügend Beispiele aus den Wissenschaften, dass auch falsche und schlecht gestützte Messergebnisse in den Lehrbüchern auftauchen. Es gibt viele spektakuläre Beispiele. Das ist nicht unbedingt eine Frage einer bewussten Fälschung, sondern einer gewissen Nonchalance im Weitertradieren dieser Messergebnisse. Ich habe schon einmal ein Beispiel genannt, was ich in ganz anderem Zusammenhang dann im Wintersemester nochmal aufgreifen möchte, die berühmten Michelson-Morley-Versuche, weltberühmte Versuche, in Potsdam-Babelsberg begonnen, in Chicago fortgeführt und in weiteren Städten. Es ging um die Frage: Gibt es einen sogenannten Ätherwind? Ätherwind ‒ das will ich ganz kurz erläutern, bedeutete in der damaligen Vorstellung, Maxwell hatte das zunächst vorgeschlagen: Wenn wir davon ausgehen, dass es einen Äther gibt, der im Universum ruht, dann müsste, wenn die Erde sich durch dieses All bewegt, ein Ätherwind zu registrieren sein, wie auf einem Fahrzeug, was sich bewegt, eine Art Wind zu verspüren ist, auch wenn Windstille herrscht. Man hat sich dann Experimente ausgedacht, sehr differenzierte Experimente, wie gesagt, Maxwell hat diese Experimente zunächst vorgeschlagen, Michelson hat sie nachgemacht und dann zusammen mit Morley in Chicago 1887 und viele andere Messreihen. Gibt es diesen Ätherwind, oder nicht?

Ich habe mir die Mühe gemacht, die einschlägigen Lehrbücher zu befragen. In allen Lehrbüchern steht, es gibt diesen Ätherwind nicht. Alle Messergebnisse hätten eindeutig bewiesen, der Ätherwind existiert nicht. Also, konnte man darauf schließen, entweder gibt es den Äther überhaupt nicht; das war ja die Schlussfolgerung, die dann gezogen wurde seit Einstein, oder der Fehler liegt woanders. Nicht, dann musste man darüber nachdenken, wurde der Äther vielleicht mitgeführt von der Erde? Das war ja auch eine Überlegung, oder gibt es andere Möglichkeiten? Die extremste Interpretation war bekanntlich die von Einstein, das ganze Raum-Zeit System einfach umzubauen, ausgehend von der absoluten Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Wenn man aber sich der Mühe unterzieht, das kostet wirklich einige Mühe, mal Detailforschung zu betreiben und nachzuforschen, was ist denn wirklich gemessen worden? Dann stellt man heraus, es hat immer Ätherwinde gegeben. Alle einschlägigen Experimente haben Ätherwinde erbracht, immer zwar minimale Ätherwind-Effekte, aber es hat immer einen gewissen minimalen Ätherwind-Effekt gegeben. Was verblüffend ist, das kann man nicht unbedingt mit Messungenauigkeit erklären.

Man kann natürlich sagen, es darf keinen Ätherwind geben, kann man sagen. Dann muss man alle Messungen, die es dann wirklich gibt, für Fehler halten. Die Leute haben einfach falsch gemessen. Es geschieht ja oft. Irgendeiner behauptet etwas aufgrund von Messungen, geschieht ja ständig. Dann sagt erstmal die scientific community, das kann nicht stimmen, weil, der hat falsch gemessen, wie etwa immer mal wieder der Verdacht aufgetaucht ist im Laufe der Geschichte der Naturwissenschaft, dass fallende Körper nicht gleich schnell fallen. Die berühmte Annahme Galileis, alle Körper fallen gleich schnell im Vakuum, ob eine Feder oder eine Bleikugel. Immer mal wieder ist der Verdacht aufgetaucht, dass stimmt gar nicht. Es habe geringfügige Abänderungen gegeben, verursacht durch ein sogenanntes fünftes Feld. Das hat sich nie hundertprozentig verifizieren lassen, ist aber erst einmal bezeichnend, dass solche Messungen immer wieder aufgetaucht sind. Ich will nur sagen, wo kann ein normaler kritischer Betrachter, … woher kann er wissen, was stimmt, was nicht stimmt? Er muss sich also den Kontext sehr genau ansehen, und es ist ganz fatal, wenn er einer bestimmten Interpretation vollständig verfällt, übrigens auch was die Hauschka-Experimente betrifft. Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass diese Experimente so jederzeit reproduzierbar sind. Es ist überhaupt eine grundsätzliche Frage, ob Experimente in diesem absoluten Sinne, wie es die Naturwissenschaft favorisiert, überhaupt reproduzierbar sein können. Auch das ist ein sehr weites und schwieriges Feld: Ist es nicht abhängig, auch wieder von der Tages- und Jahreszeit, vom Breitengrad, von ganz feinen Anomalien, auch der Gravitation, des Elektromagnetismus und so weiter? Will sagen: Diese Fragen sind extrem schwierig, und wenn eine bestimmte Interpretation sich mal durchgesetzt hat, wenn sie akzeptiert wird von der scientific community, dann wandern diese betreffenden Behauptungen auch durch die Lehrbücher, und der philosophisch Interessierte, Deutende und Interpretierende ist gezwungen, sich darauf zu beziehen. Das ist wirklich ein ganz zentraler Punkt. Wir können gar nicht anders, wir müssen uns bis zu einem gewissen Grade auf solche Dinge beziehen.

Wenn wir die Möglichkeit haben, das nachzuprüfen, was ich in einzelnen Punkten auch gemacht habe, dann kann man das tun. Ich weiß, dass es ja diese berühmten Experimente von Wilhelm Reich gegeben hat in den 30er Jahren. Die hat man lange Zeit angezweifelt. Heiko Lassek und sein Team hat dann mit einem Super-Elektronenmikroskop diese Versuche nachgemacht. Siehe da, die Ergebnisse von Reich stimmten. Jahrelang, jahrzehntelang hat man behauptet, Reich hat phantasiert. Es gibt diese sogenannte Bionen gar nicht. Dann hat man aber tatsächlich mit enormen … , mit dem damals leistungsstärksten Elektronenmikroskop festgestellt: Reich hat Recht, es gibt so etwas wie diese Bionen, jedenfalls nennt es Reich so. Ob es dann wirklich diese Bionen als kleinste Atome gleichsam des Lebendigen gibt, ist eine andere Frage. Aber er hat in diesem Sinne richtig beobachtet. Auch da ist es schwierig, weil, wie gesagt, lange Jahre behauptet wurde, der Reich hat phantasiert. Also das ist auch filmisch festgehalten. Ich kann mich im Moment nicht erinnern, ob Heiko Lassek vor drei Jahren bei mir auch die Filme gezeigt hat. Ich glaube nicht, aber er hat in seinen Vortragsreihe in der UFA mehrfach auch die Filme gezeigt. Man kann das also tatsächlich nachprüfen.

Nun kann man nicht immer alle Experimente ausführen, aber es ist wichtig, erst einmal da eine gewisse Aufmerksamkeit darauf zu richten und zu wissen, dass die Frage wirklich schwierig ist. Also Michelson-Morley ist nur ein Beispiel. Ich werde im Winter noch mal auf diese Frage zu sprechen kommen, weil das zentral wichtig ist für das Verständnis überhaupt dessen, was Licht bedeutet.

Was die Naturphilosophie, wenn man sie einmal von der experimentellen, der empirisch messenden Naturforschung jetzt doch abtrennt, leisten kann oder leisten sollte, ist tatsächlich eine Art Grundlagenkritik, eine Kritik an den Prämissen. Und diese Prämissen sind philosophische Prämissen. Man darf das nie außer Acht lassen, das sind philosophische Prämissen. Und wenn Forscher, was immer wieder vorkommt, sich überhaupt nicht einigen können über grundlegende Messdaten, obwohl die Messdaten vorliegen, dann ist es häufig darauf zurückzuführen, dass Forschergruppen jeweils ganz unterschiedliche Auffassung von dem haben, was überhaupt Wissenschaft sein soll, und was überhaupt eine legitime wissenschaftliche Theorie ist. Ich nenne immer wieder gerne das berühmte Beispiel des totalen Zerwürfnisses von Niels Bohr und Albert Einstein über die Frage der Quantentheorie. Einstein hat nur gespottet: Die Bohrsche Physik sei eine Tranquilizer-Philosophie, das hat er nie akzeptiert. Und umgekehrt war der Spott auf der anderen Seite. Also beide hatten grundsätzlich verschiedene Vorstellungen darüber, wie Wirklichkeit beschaffen ist. Also, wenn man probabilistisch, wenn man meint, man habe nur probabilistische Ergebnisse … und Einstein immer wieder sagt: Das kann nicht stimmen, da ist ein Fehler drin, da gibt es irgendwo eine verborgene Größe oder gewisse verborgene Parameter, die muss man mal herausfinden. Mittlerweile ist es so, dass eine ganze Reihe von Naturforschern auch dieser Auffassung sind, und die Quantentheorie in dieser Form, in der Kopenhagener Interpretation, gerät arg in Bedrängnis. Man hat sich oft genug jetzt über diesen Aspekt von Einstein mokiert. Könnte sein, dass er in der Tiefe Recht gehabt hat mit seiner Kritik daran.

Ich will nur sagen, auch das ist schwierig. Von welchen Voraussetzungen geht man denn aus? Was hält man für wirklich? Was ist denn überhaupt eine Wissenschaft? Legitime, wissenschaftlich legitime Theorie, und, das sage ich auch mehrfach: Welche Phänomene werden denn überhaupt als Phänomene akzeptiert? Das ist ja auch sehr schwierig ‒ und damit überhaupt für würdig befunden, gedeutet zu werden. Ich kann natürlich sagen, wenn man jetzt diese legendären, berühmten, ja in der Presse immer wieder auftauchenden sogenannten Kornkreise überlegt, das ist von vornherein nur ein Fake, eine Fälschung. Es hat natürlich, man weiß das, einige Leute gegeben, die haben diese Kornkreise gefälscht, aber die pure Quantität und Qualität dieser Kornkreise kann in Gänze nicht gefälscht worden sein, und die Frage bleibt die: Hier ist ein beunruhigendes Phänomen, das man erst einmal sich anschauen muss, nicht von vornherein sagen kann, von einer bestimmten Prämisse aus, was ist wirklich, was ist unwirklich ‒ das ist unmöglich. Und dafür plädiere ich seit Jahren immer wieder in dem Zusammenhang, dass man überhaupt erst mal eine Phänomenologie auffächert, die die Würde dieser Phänomene begreift und dann auch wirklich versucht zu interpretieren ‒ und nicht von vornherein bestimmte Phänomene wegfiltert, weil sie nicht sein dürfen.

Nicht, wenn man jetzt sagt, wie man es ja lange Zeit auch dogmatisch fast gesagt hat, nach 1905, als ich dann …, oder sagen wir mal in den 20er Jahren, als sich die Spezielle Relativitätstheorie etabliert hatte, sagte, den Äther gibt es nicht. Nur hat der Äther natürlich unter der Oberfläche immer ein bestimmtes Dasein geführt. Im Quantenvakuum taucht er dann wieder auf als Raum-Äther. Aber erst einmal der Begriff war fast tabuisiert. Das gibt es nicht, weil die Messergebnisse so sind, wie sie sind. Mal ganz abgesehen davon, dass man auch die Messergebnisse, wenn sie so sein sollten, wie es immer behauptet wird, anders interpretieren kann. Auf jeden Fall ist da ein großes Feld von Denken über Phänomene und wirklich ein vorurteilsfreies Denken der Phänomene, so weit das möglich ist. Jeder hat seine Vorurteile, es ist ganz klar, aber es ist wichtig, dass man erst einmal diese Phänomene sich anschaut. Es gibt viele andere Phänomene dieser Art und da staunt man, wenn man sich mal diese Offenheit wirklich zu erhalten versteht, was es da alles zu entdecken gibt, und wie mysteriös und rätselhaft dann immer noch, sage ich mal, diese Welt ist. Diese Welt ist immer noch ein brodelndes, vollkommen abgründiges Mysterium. Da sollte man sich keiner Sekunde einer Illusion hingeben. Diese Welt ist immer noch ein brodelndes, abgründiges Mysterium, und alle Ergebnisse sind kleinste Lichtsignale in eine große, gewaltige, uns Menschen bei weitem übersteigende Größenordnung. Das ist wichtig.

Auch Chargaff betont das immer wieder, dass da letztlich ein großes Mysterium besteht, was auch das Lebendige überhaupt auszeichnet. Denn bis zum heutigen Tag ist noch niemandem gelungen, Leben wirklich eindeutig verständlich zu machen, überhaupt verständlich zu machen: Was ist Leben? Das hat die Biologie bis heute nicht geleistet. Man kann fast sagen: Es ist gut, dass sie es nicht geleistet hat, in Anführungszeichen. Also, die Frage bleibt, und ich habe ja in diesem Semester immer wieder vom Leben gesprochen. Wir haben uns ja immer wieder verständigt über die Frage: Was ist Leben? Wie entsteht lebendige Form? Ich habe Ihnen ja Möglichkeiten vorgestellt, wie man lebendige Form verstehen kann, etwa mittels biologischer Felder, was uns ja auch hier Marco Bischof vorgestellt hat im Sinne der Biophotonen. Eine ganz andere Frage ist grundsätzlich: Gibt es überhaupt Photonen? Auch das habe ich ja schon angedeutet, auch wenn viele sich wundern werden – das ist nicht bewiesen. Bis zum heutigen Tage hat keiner bewiesen, dass es wirklich Photonen gleichsam als objektive Entitäten gibt. Das ist eine bestimmte Modellvorstellung im Zusammenhang mit der Emission und Absorption, kann man das Licht so betrachten, als ob es aus kleinsten Partikeln bestünde. Ob es wirklich so ist in der letzten ontologischen Tiefe, ist damit in keiner Weise ausgesagt.

Also die Fragen sind kolossal schwierig, und man muss immer wieder neue Überlegungen anstellen, auch Hypothesen aufstellen. Es ist ja eine Hypothese, wenn man sagt: Form, lebendige Form, ist zurückzuführen auf ein Feld. Da kommt man ja sofort auf die alte Frage: Was sind überhaupt diese Felder? Auch das weiß ja niemand. Was ist die ontologische Wirklichkeit dieser Felder? Sind [es] Strukturen im Raum, Vibrationen im Raum? Auch das ist sehr schwer zu begreifen. Niemand weiß wirklich, was eigentlich diese Felder sind. Insofern erklärt man eigentlich die eine Unbekannte mit einer anderen Unbekannten. Aber man kann bis zu einem gewissen Grad mit diesen Vorstellungen argumentieren und kann bis zu einem gewissen Grad auch mit ihnen dann mathematisch umgehen. Und das wird ja auch getan.

Und da bin ich bei einem letzten Punkt, bevor ich dann eine kleine Pause mache. Die Frage der Mathematik ist zentral für das ganze Thema. Ich habe ja im Wintersemester 98/99 eine Vorlesung gehalten über Zahlen, einige Hinweise nur gegeben, geben können, über die Frage der Zahlen, die Frage der Ontologie der Zahlen. Die Frage der Philosophie der Zahl ist eine vollkommen ungeklärte. Warum ist es überhaupt bis zu einem gewissen Grade möglich, Natur mathematisch zu beschreiben? Natürlich kann man sagen, wie das Galilei und Kepler und andere getan haben. Es ist deswegen möglich, weil die mathematische Form letztlich die wirklichen Gesetze des Kosmos widerspiegelt. Denn wenn es nur, wenn es nur Projektionen wären, warum kann man erst einmal im Rahmen bestimmter Prämissen damit rechnen? Also auch diese Frage ist eine vollkommen ungeklärte, aber eine hochspannende, auch die mich seit vielen Jahren beschäftigt, die Frage nach der Ontologie der Zahlen. Was sind überhaupt Zahlen? Was sind das für Entitäten? Sind das objektiv existierende Wirkgrößen im Universum, oder sind das reine Kopfgeburten, reine Konstruktionen? Auch diesen Fragen muss man sich immer wieder stellen, also gleichsam die Gretchenfrage ja überhaupt heute ohnehin der Naturwissenschaft ist hier die noch der Mathematik, weil ein Großteil der Naturwissenschaft ist mathematische Naturwissenschaft. Und man muss fragen, warum das so ist, und warum das in Grenzen dann auch erfolgreich ist, auch wenn es ganz widerstreitende, sich total widersprechende Überlegungen gibt es zu einzelnen Phänomenen. Aber auch dieser Frage muss man sich bis zu einem gewissen Grade stellen, und man kann sich ihr auch stellen, ohne dass man in jede Nuance der mathematischen Beweisführung hineingehen muss.

Man kann aber die Prämissen befragen, und das ist zentral wichtig für die gesamte Frage. Naturforscher neigen immer dazu, das weiß ich aus vielen Gesprächen, einen auf die eigenen Prämissen festzuklopfen und dann von diesen Prämissen aus diese Kleinschrittigkeit, also einen quasi zu zwingen, von diesen Prämissen aus diese Kleinschrittigkeit mitzuvollziehen. Wobei ich dann immer sage, gut, im Rahmen dieser Prämissen mögen diese Schlussfolgerungen richtig sein, aber ich bezweifle die Prämissen. Lasst uns also erst einmal darüber reden, ob die Prämissen überhaupt stimmen. Sie wissen alle, ich habe das oft gesagt, dass der Neo-Darwinismus mittlerweile an vielen Fronten attackiert wird. Es gibt gute Gründe, ihn zu bezweifeln. Trotzdem hat er im Rahmen seiner Prämissen erst einmal einen ganz erheblichen Erklärungswert gehabt. Und da muss man auch in die Grundlagen, in die Fundamente reingehen. Wovon geht der Neo-Darwinismus aus? Was setzt er stillschweigend voraus als eine letztlich philosophische Grundannahme? Mit diesen philosophischen Grundannahmen kann man sich beschäftigen. Das geschieht auch. Es ist erstaunlich, wenn man die Literatur der letzten Jahre verfolgt, an wie vielen Fronten, ich sage es noch mal, der Neo-Darwinismus also unter Beschuss gerät.

Ich mache eine kleine Pause und will dann nach der Pause versuchen, an drei Aspekten, an drei Zugangsweisen zur biologischen, zur lebendigen Natur Ihnen zeigen oder noch mal aufgreifen, wie man sich den Phänomenen nähern kann. (…)

Hier kam eben in der Pause die Frage auf, was denn ein Phänomen sei, oder wie man ein Phänomen unterscheiden könnte von der physikalischen Wirklichkeit. Also streng erkenntnistheoretisch zunächst einmal gar nicht. Ein Phänomen ist erst einmal dasjenige Etwas, welchen Wirklichkeitsgehalt es immer haben möge, was erscheint. „Phenomenon“ ist das Erscheinende. Insofern ist erstmal die gesamte Welt, die gesamte sinnlich-physische Welt, eine Welt der Phänomene, eine Welt der Erscheinungen für ganz bestimmte Bewusstseine, natürlich für verschiedene Bewusstseine. Natürlich gibt es für verschiedene Bewusstseins-Formen, -Ebenen, -Strukturen, ganz andere Phänomene, das ist klar. Also Phänomen ist einfach Dasjenige, was erscheint. Und die Frage ist immer, wie objektivierbar Phänomene sind, grundsätzlicher Art. Wenn ich sage, als ich hier auf dem Wege vom Café Einstein zur Humboldt-Universität gegangen bin, ist mir ein merkwürdiges Wesen begegnet, und ich beschreibe das, und keiner von Ihnen hat es jemals gesehen, haben sie verschiedene Möglichkeiten, sich darüber zu verständigen. Sie können das als absurd ansehen, als Halluzination oder wie immer. Auf jeden Fall hat es keinerlei Objektivierbarkeit, es sei denn, sie fragen Menschen, die das auch gesehen haben. Also die grundsätzliche Frage ist immer nach dem Wirklichkeitsgehalt. Wie kann der Wirklichkeitsgehalt festgestellt werde? Auch das ist schwierig, viel schwieriger als es erscheint. Auch eine sogenannte Halluzination ist nicht ohne Weiteres so abzuwehren, weil es auch kollektive Halluzinationen gibt. Sehr schwierig. Das wäre eine eigene Vorlesung für sich, über diese Frage zu sprechen. Die Frage des Wirklichkeitcharakters von dem, was in die Erscheinung tritt.

Ich habe ja in diesem vergangenen Semester im Zusammenhang mit den lebendigen Phänomenen versucht, Ihnen Möglichkeiten vorzustellen, wie man auf eine integrale Weise, wie ich das gerne nenne, um nicht das Wort „ganzheitlich“ zu verwenden, wie man auf eine integrale Weise in Kontakt kommen kann mit der lebendigen Wirklichkeit, mit den lebendigen Phänomenen, mit der Erde. Und ich will mal drei Facetten noch einmal kurz ansprechen … als anschauendes Denken. Und mir ist in dem Zusammenhang der Goethesche Begriff des Ur-Phänomens sehr wichtig, ein Begriff, der vielleicht die wichtigste naturphilosophische Errungenschaft der Goetheschen Naturwissenschaft überhaupt ist. Also der Begriff des Ur-Phänomens ist mir sehr wichtig und auch die Goethesche Einsicht, dass, wie er wörtlich sagt, alles Faktische schon Theorie ist. „Man suche nur nichts hinter den Phänomenen. Sie selbst sind die Lehre.“, hat er immer wieder gesagt und immer wieder darauf hingewiesen, dass im Sinne der Signatur der Dinge, der signatura rerum, das Wesen in der Erscheinung sich manifestiert. Das heißt, wie die Dinge erscheinen, so sind sie auch bis zu einem gewissen Grade. In diesem Sinne war Goethe Phänomenologe. Er hat es abgelehnt, analytisch-reduktiv hinter die Erscheinung zu gelangen. Das schien ihm, vom Ur-Phänomen aus gesehen, illegitim. Ja, wenn man seine scharfe Polemik gegen Newton, gegen die Newtonschen Optik sich anschaut, geradezu verbrecherisch.

Also, denkende Anschauung, das ist auch heute noch möglich. Es ist auch heute noch für einen, sagen wir mal, Menschen, der sich einen Rest an ganzheitlicher Wahrnehmung bewahrt hat, möglich, die Phänomene in ihrer Gestaltganzheit zu betrachten, auch als Einzelner, auch in einer Gruppe. Natürlich haben alle diese Zugangsweisen immer auch eine starke soziale Komponente. Das darf man nie vergessen. Eine bestimmte Richtung der Naturwissenschaft hat sich ja mehrheitlich im Kollektiv durchgesetzt und verurteilt erst einmal den Einzelnen, der einen anderen Zugang hat, zu einem mehr oder weniger isolierten Dasein, zu einer isolierten Existenz. Und das ist wichtig für den gesamten Vorgang. Man muss nicht so weit gehen, wie das Chargaff tut, indem man sagt, man müsste eine kulturrevolutionäre Wandlung abwarten oder herbeiführen, wie immer, aber, es ist unabdingbar, dass ohne einen kollektiven Bewusstseinswandel die sogenannte andere oder integrale Naturwissenschaft nicht den Hauch einer Chance hat. Das muss man einfach klar sagen. Das ist immer auch eine Frage der im tiefen Sinne verstanden Sozialökologie, auch natürlich der politisch-gesellschaftlichen Zusammenhänge. Denn was wird jeweils favorisiert, wo fließen die Forschungsgelder hin? zum Beispiel. Auch das ist ja ein Thema, was Chargaff immer wieder ventiliert: Wer bekommt die Forschungsgelder, und welche Forschungsprojekte bekommen eben keine Forschungsgelder? Das ist ein wichtiger Punkt. Deswegen bleiben viele wichtige Fragen auf der Strecke, weil Diejenigen, die sie erforschen wollen, keine Gelder bekommen, weil diese Fragen als nicht forschungswürdig oder unterstützungswürdig gelten. Ein ganz wesentlicher Punkt. Man darf das nie herausnehmen aus diesen ganz konkreten auch Machtzusammenhängen. Naturwissenschaft, technische Apparate-Wissenschaft ist heute ein ungeheurer Machtfaktor, und zwar weltweit. Sämtliche Politiker dieser Erde sind letztlich davon abhängig, und kein Staat, keine Nation könnte es sich leisten, sich da in irgendeiner Form in größerem Maßstab davon abzukoppeln. Nicht, das ist also ein internationaler, harter, wirklich gnadenloser Wettbewerb. Der ist letztlich immer orientiert an dem, was Louis Mumford die „Megamaschine“ genannt hat. Das ist die Wirklichkeit erst einmal. Da haben alle Ansätze anderer Art erst einmal nur ein Nischendasein. Insofern ist eine denkende Anschauung im größeren Stil unter den derzeitigen Bedingungen tatsächlich chancenlos. Das heißt nicht, dass man resignieren sollte, im Gegenteil. Aber man muss die Machtfaktoren sehen, wie sie existieren. Denn das ist nicht ein System, das man beliebig durch ein anderes austauschen könnte, was herrscht, und das ist das, was weltweit in allen politischen Systemen dominiert. Alle Akademien, alle Universitäten, alle Machtapparate dieser Erde dienen letztlich diesem megamaschinell verstandenen System. Das ist der eigentliche imperator mundi, der eigentliche Weltherrscher, wenn man so will, jenseits jeglicher Religion. Das ist der eine Punkt.

Das ist immer noch ein großartiger Ansatz, der Goethesche Ansatz, der vielfältig auch weitergeführt werden muss, auch außerhalb anthroposophischer Zusammenhänge. Ich bin eher ein Kritiker davon, dass die Anthroposophen für sich in Anspruch nehmen, dass sie diesen Goetheschen Ansatz als Einzige wirklich legitim aufgegriffen haben und auch weiterentwickelt haben. Das ist nicht so. Aber sie erwecken in der Öffentlichkeit diesen Eindruck, dass für viele, wenn man überhaupt diese Themen behandelt, immer der Eindruck entsteht, dass man letztlich an dieser Stelle anthroposophische Argumente verwendet. Ich möchte ganz klar sagen, dass es auch außerhalb dessen möglich ist, was in der herkömmlichen Anthroposophie realisiert wird. Ein wichtiger Punkt, weil da eine Art Monopolanspruch von Seiten der Anthroposophie in die Welt gesetzt wird. Das ist bedauerlich. Dagegen muss man auch angehen.

Ein zweiter wichtiger Punkt verbindet sich mit der Leib-Erfahrung. Man kann Naturphilosophie sinnvollerweise, meine ich, und da stimme ich ganz überein, was diesen Punkt betrifft, mit Wilhelm Reich, bei aller Kritik auch an Wilhelm Reich, ohne eine integrierte Leib-Erfahrung nicht leisten. Das heißt, der Leib, der eigene, lebendige, beseelte Körper als Leib ist immer letztlich der Ausgangspunkt, und eine neurotisierte und vielfältig verbogene Leiblichkeit, was ja auch Wilhelm Reich immer wieder betont hat, wird kaum in der Lage sein, ein wirklich ganzheitlich integriertes Weltbild zu erstellen. Es ist nicht so, dass neurotisierte, vielfältig pervertiert geradezu zu nennende Wesen in der Lage sein würden, die Welt zu erkennen, wie sie ist. Das setzt eine bestimmte Leib-Integration voraus, und Reich hat das unermüdlich betont, man kann sagen: dogmatisch betont, aber immerhin, besonders in seinem naturphilosophischen Hauptwerk „Äther, Gott und Teufel“, wo das unermüdlich zum Ausdruck kommt, wie ein Leitmotiv in diesem Buch, das glaube ich, Ende der vierziger Jahre erschien, wo er immer wieder sagt, dass das nicht abzukoppeln ist. Ein ganz beliebiges Beispiel von vielen hier aus diesem Buch im Mittelteil. Ich zitiere das mal kurz: „Da die physikalische Anschauung der Natur ein Ergebnis der biologischen Konstitution des Naturbetrachters ist, kann das Weltbild nicht vom Schöpfer des Weltbildes getrennt werden.“ Das ist ja das Dogma erst einmal der etablierten Wissenschaft, dass das möglich ist, dass sozusagen das anonyme „man“, das jeder Beliebige ausfüllen kann, ganz fern von seiner Subjektivität letztlich im Mittelpunkt steht. Nicht, ganz egal was, sage ich ja oft, was einer denkt und fühlt, ob einer Buddhist ist oder Anthroposoph oder Moslem, Hauptsache, wenn er im Laboratorium steht, er rechnet und misst richtig. „Kurz, der Naturforschung, die die Atombombe erfand, steht die Naturforschung, die die kosmische Orgonenergie entdeckte, gegenüber, scharf, klar und unvereinbar.“ Was immer man jetzt von dieser Orgonenergie hält oder von Lebensenergie überhaupt, auf jeden Fall ist da erst einmal ein fundamentaler Gegensatz. Die Forschung kann nur so weit gehen, wie die jeweiligen Individuen auch gehen. Das ist ein ganz kritischer und auch heikler Punkt, weil die herrschende Ideologie in dem Punkt ist genau das Gegenteil. Nicht, das ist das berühmte „man“, klein geschrieben, ein anonymer Archetypus, den jeder im Prinzip ausfüllen kann. Das ist ein ganz zentraler Punkt, und ich habe an mehreren Stellen auch versucht zu zeigen in dieser Vorlesung, dass diese Leib-Erfahrung auch erkenntnistheoretisch ungeheuer fruchtbar ist. Ich denke hier nur an die Berliner Vorlesungen, die Arthur Schopenhauer 1820 gehalten hat, die es als Buch gibt und, die berühmte Parallel-Vorlesung zu den Vorlesungen von Hegel. Er hatte kaum Zuhörer, er musste dann aufgeben, weil er gescheitert war. Hegel hat den vollen Hörsaal und zu Schopenhauer sind nur zwei oder drei Leute, maximal vier Leute gekommen. Aber die Texte sind erhalten, brillante, großartige Texte, in denen er den Versuch macht, die Naturphilosophie von der Leib-Erfahrung aus darzustellen. Ein genialer Einfall, ein einfacher, aber ganz genialer Gedanke, dass der Einzelne zunächst einmal die Objektwelt via eigener Leiblichkeit hat, und nur so. Das ist wichtig. Und dass er nur derart eine Möglichkeit hat, tatsächlich dann auch ein Stück weit wirklich in das Innere der Dinge zu gelangen. Eine ganz kurze Passage mal aus den Berliner Vorlesungen 1820, nur ein paar Sätze; gibt es als Piper-Taschenbuch, ein wunder-, wunderschöner Text, einer der besten Texte von Schopenhauer: „In der Tat ist das dargestellte Problem auf dem Wege der bloßen Vorstellung nicht zu lösen, also als Phänomen. Wenn man von der Vorstellung ausgeht, kann man nie über die Vorstellung hinaus gelangen. Man fasst als dann immer nur die Außenseite aller Dinge, aber nie wird man von außen in ihr Inneres dringen und erforschen, was sie an sich sein mögen.“ Jetzt kommt die entscheidende Passage: „Zu diesem Inneren der Dinge kommen wir nicht von außen, sondern eben selbst nur von innen, gleichsam durch einen unterirdischen Gang, der uns mit einem Male hineinversetzt, indem wir eine insgeheim von uns mit den Dingen unterhaltene Verbindung benutzen, vermöge deren wir in die Festung eingelassen werden, da hier durch Angriff von außen zu nehmen unmöglich war. In der Tat würde der begehrte Übergang nie gemacht werden können und die Welt ewig als ein Bild ohne Deutung, ein Phantom, das nichts sagt, vor uns stehen, wenn der Forscher eben nichts weiter wäre als rein erkennendes Subjekt.“ Aber er selbst wurzelt ja in eben dieser Welt. Er ist nicht nur das Subjekt, sondern er ist zugleich Individuum und als solches selbst zugleich Objekt, Teil der objektiven Welt.“ Das hat er ja ganz bewusst gegen die erkenntniskritische Position Kants gesetzt. Doch der Mensch selber in seiner Leiblichkeit ist ja auch das Ding an sich. Kant hat ja gesagt das „Ding an sich“, die Dinge, wie sie wirklich sind, sind ein für alle Mal nicht erkennbar. Schopenhauer meint, das ist nicht, das gilt nicht für die eigene unmittelbare Leiberfahrung. Wir sind sozusagen schon qua Leib im Innern der Dinge. Ein hochinteressanter Ansatz, der auch erkenntnistheoretisch, ich sagte es, schon sehr fruchtbar ist, der wenig weiterverfolgt worden ist, eigenartigerweise, obwohl er eigentlich sehr aufschlussreich ist. Auch die ganze Leib-Philosophie des 20. Jahrhunderts hat nur sehr wenig auf Schopenhauer zurückgegriffen.

Der dritte Aspekt, der von mir verschiedentlich angedeutet worden ist, ist der Versuch, sich mit der Natur, mit den lebendigen Phänomenen auf eine, ich sage es mal jetzt in Anführungszeichen, „schamanische Weise“ zu nähern. Schamanismus dient hier als Symbolbegriff für die Herstellung eines anderen Bewusstseinszustandes. Ich habe das verschiedentlich angedeutet, dass es wünschenswert sei oder wäre, dass der Mensch in der Lage ist, diese Tiefenerfahrung jenseits seines Ichs zu machen und gleichzeitig seine eigene mentale Ichhaftigkeit aufrecht zu erhalten, was ja normalerweise nicht geschieht. Normalerweise geschieht ja in solchen Erfahrungen ein tranceartiges Abtauchen unterhalb der Ich-Schwelle. Aber es ist ein wesentlicher Punkt, die Ich-Schwelle aufrecht zu erhalten, und eine ganze Reihe von interessanten Forschern haben sich mit der Frage beschäftigt, unter anderem der Anthropologe Terence McKenna in seinem Buch „Die Speisen der Götter“. Deswegen müssen die Positionen von Terence McKenna in Gänze nicht haltbar sein, das sind sie auch meiner Überzeugung nach nicht. Aber es ist ein hochinteressanter Versuch zu zeigen, wie man tatsächlich einen authentischen Zugang gewinnen kann über schamanische Tiefenerfahrung. Das ist möglich. Denken sie auch an das Buch, was ich ihnen empfohlen habe: „Schamanische Wissenschaften“. Dieser große Band von Rätsch und Gottwald herausgegeben, wo ja auch der Versuch gemacht wird, über die schamanische Erfahrung einen Zugang zu gewinnen. Das ist auch fruchtbar. Und alle drei Ansätze in der Kombination in einem integralen Sinn zusammengeführt, sind äußerst fruchtbar. Keiner dieser Ansätze ersetzt die Empirie, wie wir sie kennen. Aber es sind Versuche, tiefer zu kommen, wirklich hinter die Phänomene und in die Phänomene hineinzukommen, darum geht es letztlich. Sonst bleibt eben die Erfahrung nur Phänomen. Und damit kann sich ein denkender Geist, glaube ich, nie wirklich zufrieden geben. Und auch Goethe hat das nicht getan. Ihm ging es ja nur darum, polemisch eine analytisch-reduktive Art, wie er sie bei Newton unterstellte, zurückzuweisen, weil er glaubte, dadurch werden die Phänomene letztlich zerstört.

Gut, dann lassen wir es, dann wünsche ich Ihnen schön einen schönen Sommer. Wir würden uns dann am 19. Oktober in dem Raum unten wiedersehen.

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