Klang, Zahl, Weltharmonie

Vorlesungsreihe: „Mensch und Erde“, Teil IV
Gedanken zu einer neuen Theorie der Natur und des Kosmos

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1998/99 Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 9

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Ich habe ihnen das letzte Mal den Gedanken der Einheit, den Gedanken des Unus Mundus vorgestellt. In der abendländischen Kosmologie, Naturphilosophie im Vergleich mit östlichen Vorstellungen, meditativen Erfahrungen, gedanklichen Konzepten der Einheit der Welt und des Kosmos, der Einheit des Geistes und des Universums. Und das ist schon ein gewisser Brückenschlag zu heute. Ich will heute den Versuch machen, Ihnen einen Einblick zu verschaffen in ein, wie ich finde, hochspannendes Thema, das, wenn ich das richtig sehe, von einer ungeheuren Aktualität ist und auch Brisanz, nämlich die Frage: Gibt es die Möglichkeit, die Welt den Kosmos das Universum auf eine vielleicht bisher noch kaum verstandene Weise mittels Zahlen qualitativ zu denken? Wenn wir Zahlen hören, dann assoziieren wir von vornherein Quantitäten. Das Zählbare, das Zählen, die Abstraktion, das Abgezogene, das eigentlich nicht Lebendige. Und es gehört zum guten Ton auch Intellektueller untereinander, darauf hinzuweisen, dass man schlecht in Mathematik gewesen sei in der Schule.

Also die Grundhaltung erst einmal zur Mathematik ist durchaus ambivalent. Jeder trägt da seinen ganzen Packen mit Negativerfahrung mit sich herum. Und die Frage ist naheliegend und berechtigt, was man von hier aus ableiten kann für ein ganz neues Verständnis. Ich behaupte gleich als erste These, dass die Frage einer qualitativen Zahlenordnung eines der zentralen Themen des Jahrhunderts war und ist. Wenn ich gesagt habe, dass die Zusammenführung von Natur, Wissenschaft, Kosmologie, Naturphilosophie und Spiritualität zum … zur zentralen Herausforderung des ausgehenden Jahrhunderts, Jahrtausends gehört, einer ungelösten Herausforderung, so würde ich dem an die Seite stellen, dass eine genauso große und auch weitgehend noch ungelöste Herausforderung genau darin besteht, die Zahl, die Zahlen neu zu verstehen. Und wer ein bisschen in der geistigen Landschaft sich umschaut, umhört, liest und das Geraune auch in subkulturellen Szenen sich anschaut, dem kann nicht entgehen, dass sehr viele Menschen das auch umtreibt. Man hat das Gefühl, dass mit der Zahl, mit den Zahlen noch etwas anderes verbunden ist, als was gemeinhin im mathematischen Kontext darunter verstanden wird. Und zwar primär mit den Zahlen als den ganzen, den positiven, den sogenannten natürlichen Zahlen. Weniger mit den Zahlen als abstrakte Systeme.

Und darüber möchte ich auch primär reden, weniger über die Zahl als Funktion oder die Zahl als Proportion, sondern primär über die Zahl als positive ganze Zahl.

Wir leben ja in einer Zeit der Allgegenwart abstrakter Zahlensysteme. Ob nun das Bankkonto oder der Computer oder was immer. Zahlen sind allgegenwärtig; meistens tote, abstrakte „Etwasse“ in Anführungszeichen, mit denen wir herzlich wenig verbinden können. Wenn Ken Wilber in seinen Büchern immer wieder darauf hinweist, dass es essenziell sei für das ausgehende Jahrhundert, Jahrtausend, eine Stufe des Geistes zu erringen, überhaupt zu verstehen jenseits des Mentalen, dann müsste man hier auch die Zahl einbeziehen, was er nicht tut. Das gleich mal vorab gesagt. Sie wissen, ich schätze Ken Wilber und ziehe ihn auch oft heran. Aber was diesen Punkt betrifft, so findet man bei ihm eine leere Stelle. Wilber äußert sich überhaupt nicht zu der Frage, ob es eine mögliche qualitativ neue, eine möglicherweise transmentale Stufe gäbe oder geben könne, die Zahlen zu verstehen. Übrigens wie er sich genauso wenig zur Musik äußert, auch ein Manko bei Wilber. Das taucht nur am Rande auf, was ich schade finde, denn das wäre erhellend und würde vieles ergänzen.

Dass selbst im Allgemeinverständnis, im Allgemeinbewusstsein im kollektiven Bewusstsein noch ein letzter Rest vorhanden ist von einer möglichen anderen Zahlenordnung als der herkömmlichen abstrakten Mathematik, kann man an vielen Beispielen erkennen, unter anderem, vielleicht erinnern sie sich daran, an die lebhafte Diskussion die es gegeben hat anlässlich des Datums des Mauerfalls am 9. November 1989. Da war die Presse voll von Hinweisen auf das mysteriöse dieses 9. November in der deutschen Geschichte. Und selbst seriös rationalistisch eingestellte Zeitungen konnten sich eines gewissen Schauers nicht enthalten, dass das vielleicht kein Zufall sein könnte. Denken sie etwa an den 9. November 1918 oder an den 9. November 1923, dann natürlich der neunte November 1938. Der 9. November war für die Nazis ein großer Feiertag, besonders für die SS. Und es ist eigenartig, dass ausgerechnet dieser Tag dann der Tag des Mauerfalls wurde. Darüber ist viel geschrieben worden, viel spekuliert worden, und man hat das dann irgendwie zu den Akten gelegt. Aber es bleibt eine Irritation vorhanden. Was hat es damit zu tun, es kamen dann numerologische, zahlenmagische, zahlenmystische Gedanken auf: Könnte vielleicht der 9. November eine solche Verbindung haben? Und das ist weitgehend vergessen oder in den Hintergrund gedrängt worden. Auf jeden Fall ist es noch vorhanden, und es gibt ein Gefühl in den Menschen auch in der mentalen Bewusstseinsverfassung, dass mit der Zahl noch etwas anderes verbunden ist.

Ich erwähne gerne das Beispiel, dass man ein merkwürdiges eigentlich fast obskures Interesse daran hat, wie alt jemand sei. Wie alt bist du? Wie alt sind Sie? Als ob diese Zahl, die dann kommt, ein Schicksalsetikett andeutet, das man in irgendeiner Form in Verbindung bringen kann mit dem, was einem da als Erscheinung gegenübertritt. Du siehst ja viel jünger aus, als ich gedacht habe, oder hast dich gut gehalten, oder eigentlich siehst du viel älter aus. Also das ist nur eine Facette davon. Wir wollen wissen, wie alt jemand ist. Das ist eigentlich unverständlich. Sie kennen ja diese berühmten Spiegel Formulierungen: „Gerd Schröder, Bundeskanzler (54)“ und so weiter. Die Zahl als ein merkwürdiges Etikett. Und in den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Versuchen gegeben, die Qualität der Zahlen auf eine neue Weise zu denken und auch zusammenzubringen mit der herkömmlichen Mathematik.

Einige von Ihnen im Raum hier, ich glaube, es sind die wenigsten, aber doch müssten es einige sein, werden sich vielleicht erinnern, dass vor vier Jahren im Auditorium Maximum in der Vorlesungsreihe von Rudolf Bahro ein Mann namens Peter Plichta gesprochen hat, Chemiker und Mathematiker, der seine Theorie, sein Theorem besser gesagt des Primzahlenkreuzes, vorgestellt hat. Vielleicht hat der eine oder andere das gehört. Ich habe damals in der Woche davor sozusagen den hinführenden Vortrag gehalten über die Philosophie der Zahlen. Und die Diskussion die sich dann entzündet hat, war hochinteressant auch anlässlich des Vortrages von Plichta, der versucht in gewisser Weise die herkömmliche Mathematik mit einer neuen qualitativen Zahlentheorie zu verbinden, die etwas Hochspekulatives hat, aber gleichzeitig eine gewisse Faszination ausstrahlt, der man sich vielleicht entziehen kann, wenn man sich überhaupt der Mühe unterzieht, sich darauf einzulassen. Das muss allerdings vorausgesetzt werden. Das erfordert schon einiges Mitdenken.

Da gibt es Ansätze von anthroposophischer Seite, dann in Anlehnung und Weiterführung von Ernst Bindel, eine qualitative Zahlenlehre zu entwickeln, und es gibt sie in der sogenannten harmonikalen Grundlagenforschung, die ausgehend von Kaiser und seinem Schüler Rudolf Haase und anderen, wo der Versuch gemacht wird, ausgehend von dem pythagoräischen, der pythagoräischen Tonzahl, Proportionen, Symmetrien, Verhältnisse in der Natur und dem Geist zu zeigen. Leitend ist hier der Gedanke der sogenannten Tonzahl. Sie kennen die Vorstellung, dass man, des Pythagoras, dass man ein Monochord, ein Einseiteninstrument, etwa halbiert, dass dann die Oktave erklingt, also eine enge Beziehung von Ton und Qualität. In gewisser Weise auch von Qualität und Quantität. Was heisst Qualität der Zahl? Was ist überhaupt gemeint? Es gibt in der pythagoräischen Tradition etwa, um das mal an einem Beispiel zu zeigen, die Vorstellung, die beiden ersten Quadratzahlen 4 und 9 repräsentierten Gerechtigkeit. Die beiden ersten Quadratzahlen repräsentierten Gerechtigkeit. Damit wird also der Zahl, einer niedrigen ganzen Zahl bzw. auch der der Summe dieser beiden Zahlen, Vier plus Neun gleich 13, eine Qualität zugesprochen, die man ja gemeinhin nicht mit einer wie immer gearteten Zahl verbinden würde: Diese Zahl repräsentiere Gerechtigkeit. Dies nur als ein Beispiel. Also Vier plus Neun gleich 13 gleich Gerechtigkeit. Anderes Beispiel. Es gibt einen Brief von Plutarch, wo er darauf hinweist, ob das stimmt oder nicht, sei dahingestellt, auf jeden Fall: Er weist darauf hin, dass Platon genau 81 Jahre alt geworden sei. Er habe, heißt es in dem Brief von Plutarch, die vollkommene Zahl erreicht. Er habe sozusagen sein Leben gerundet. Und vervollkommnet. Interessant in dem Zusammenhang, dass Dante in seinem „Gastmahl“, also nicht in der „Divina Commedia“, einen Hinweis bringt, der kaum beachtet wird, aber der in dem Kontext interessant ist, dass Jesus eigentlich 81 Jahre alt geworden sein müsste. Wenn er nicht vorher gekreuzigt worden wäre. Merkwürdiger Gedanke, also die 81 als eine vollkommene Zahl. Das findet man ja in der asiatischen Tradition viel, unter anderem in China, wo die Neun, Drei mal Drei, Neun mal Neun gleich 81 zentral wichtig ist, etwa im Daoismus wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Neun mal Neun, Einundachtzig, die Zahl des Universums sei. Und insofern ist es interessant, wenn etwa bei Peter Pflichta in seinem Primzahlenkreuz die Zahl 81 eine ganz zentrale Rolle einnimmt. Er bringt auch einige dieser Bezüge, scheint aber nicht alle Bezüge zu kennen, die da tatsächlich existieren. Auch hier wird der Zahl eine bestimmte Qualität zugesprochen eine vollkommene Zahl 81, Neun mal Neun, die mit der Abrundung einer Biografie zu tun hat. Wie häufig auch die Zahl Sieben verbunden wird mit der Zeit.
Ich war vor einiger Zeit eingeladen auf dem Geburtstag eines mir nahestehenden Menschen, der wurde 56, und ich habe ihn doch erst darauf hingewiesen, ob er nicht wisse, was die Zahl 56 in der spirituellen Tradition, der Zahlensymbolik bedeute. Nein, wusste er nicht. Als zweimal 28 einen Schwellenübertritt, eine Art Todeserlebnis. Häufig wird ja gesagt 28, 4 mal 7 sei gleichsam der erste Einschnitt, karmisch gesehen. Wer von Reinkarnation ausgeht, sagt häufig, bis 28 habe der Einzelne noch sozusagen die Grundimpulse seiner früheren Inkarnation zu verarbeiten, und ab 29 beginne sein eigentliches jetziges Leben. Das ginge bis 56, dann weist man daraufhin, dass etwa wichtige bedeutende Persönlichkeiten 56 Jahre alt geworden sind, eben der erwähnte Dante, aber aber auch Beethoven und andere. [Man] Könnte auch hier Adolf Hitler erwähnen. Das wäre jetzt ein anderes Beispiel. Aber es ist eigenartig, dass solche Vorstellungen existieren. Und dass sie auch bei Menschen existieren, gewissermaßen subkulturell existieren, wo man es nicht vermutet. Bekannt ist, dass bei Sigmund Freud, der numerologisch kolossal interessiert war und ständig darauf versessen, kann man sagen, auszurechnen, wie alt er wird. Er hat also immer Überlegungen angestellt, wie alt er werden könnte und eigentlich werden müsste, in Anlehnung an Diskussionen mit seinem Freund Fließ. Also diese Vorstellungen sind sehr verbreitet.
Nun könnte man sagen, das sind Relikte. Das sind Relikte einer überwundenen Zahlenvorstellung, das sind numerologische Vorstellungen, das sind magisch-mythische Gedanken. Die sind natürlich nur in der Psyche vorhanden, aber wir haben sie abgelegt. Aber sie haben eigentlich keine Relevanz. Wenn man jetzt auch führende Mathematiker auf diesen Punkt befragt, dann staunt man, dass selbst Mathematiker häufig die Auffassung vertreten, so etwa der berühmte Henri Poincaré, einer der bedeutenden Mathematiker, dass jede Zahl eine eigene Individualität sei und nicht etwa eine Reihung, eine beliebige abstrakte Reihung, sondern jede Zahl, auch die Drei, Vier, Fünf, die Sieben, die 12, die 15. Jede dieser Zahlen repräsentiere ein eigenes Individuum, eine eigene Entität, habe also eine ganz eigene unverwechselbare und unwiederholbare Seinsqualität. Auch das ist ein eigenartiger Gedanke, viele Mathematiker sind halb eingestanden, halb uneingestanden, Zahlenmystiker. Auch bei den Quantenphysikern kann man das beobachten, berühmtestes Beispiel Arnold Sommerfeld, der immer wieder darauf hinwies, dass die auffallende Ganzzahligkeit in quantenmechanischen Überlegungen etwas zu tun haben müsse mit der Grundstruktur des Kosmos, mit der Grundstruktur der Welt, und eine gewisse platonisch gefärbte Zahlenmystik kann man auch bei anderen Quantentheoretikern, etwa bei Heisenberg, nachweisen. Nun, ich sage es nochmal: Es ist sehr einfach zu sagen: Das sind Relikte, das sind Restbestände, die im Grunde genommen obsolet sind. Ich meine aber, es gibt vielleicht die Möglichkeit, die Zahl, das rätselhafte Reich der Zahlen noch mal jenseits der magisch-numerologischen Stufe, und auch in gewisser Weise jenseits der mentalen Stufe, neu zu denken.

Kurz gesagt: Ich behaupte als These, es gibt die Möglichkeit einer transmentalen Zahlentheorie. Das heißt, in ihr wird die Zahl nicht primär als Abstraktion verstanden, nicht primär als Funktion verstanden, und in ihr handelt es sich nicht um einen Rückgriff auf, einfach so, auf numerologisch-magische Vorstellungen einer früheren Zeit, sondern um etwas anderes. Um etwas Neues, etwas, was vielleicht noch nicht seine eigene Gestalt gezeigt hat, was aber möglicherweise realisiert werden kann. In einem langen Prozess, wo man zumindestens den Versuch machen könnte, das auf eine neue Weise zu denken. Ich will mal einige Zitate bringen von Philosophen und Mathematikern, die ich zusammengestellt habe, die diesen Punkt berühren. Und vielleicht wird durch einige dieser Zitate schon ein bisschen deutlich, was die Richtung sein könnte, von der ich hier gesprochen habe, wenn ich behauptet habe, es gäbe eine transmentale Zahlentheorie. Ich gebe mal einige Beispiele, die das verdeutlichen. So schrieb zum Beispiel der Pythagoräer Philolaos, ein berühmter, bedeutender Pythagoräer und Zahlentheoretiker, folgendes. Vor 2400 Jahren. Zitat Philolaos: „Denn die Zahl ist ihrer Natur nach für jedermann Deuterin, Führerin und Lehrerin in allen sonst unzugänglichen und unerkennbaren Dingen, denn für niemand wäre irgendetwas von den Dingen erkennbar, weder an sich noch in ihrem Verhältnis zueinander, wenn nicht die Zahl und ihr Wesen wäre.“ Nicht, das ist klassisches pythagoräisches Gedankengut. Wir können die Dinge nur erkennen, weil in ihnen eine Zahlenordnung verschlüsselt ist, die auch der Geist enthält. Die Grundannahme, die Grundfrage: Warum können wir überhaupt Natur erkennen? wird häufig so beantwortet: Weil der Geist und die Natur von den gleichen Grundprinzipien bestimmt werden. Nochmal Philolaos: „Kein Hauch der Trübung dringt jemals in die Zahl. Denn ihrer Natur ist die Täuschung feindselig und verhasst. Die Wahrheit aber ist dem Wesen der Zahl eigen und damit verwachsen.“ Zitat Ende.

Und dann kommt eine Aussage über die Siebenzahl, die auch in der pythagoräischen Tradition steht. Die Siebenzahl ist gleich der mutterlosen und jungfräulichen Athene Nike. Denn sie ist Führerin und Herrscherin über alles, ewiger beharrlicher und unbeweglicher Gott. Sich selbst gleich und von allen anderen verschieden, also eine eigene Individualität. Sie wissen vielleicht, dass in der pythagoräischen Vorstellung einer klar geschichteten Ordnung, im geozentrischen Kosmos, ja die Vorstellung leitend war, dass es sieben Kugelschalen gibt, die sich um die Erde legen, nicht, die in harmonischen Ringen, harmonischen Sphären klingen. Das ist der berühmte Gedanke der Sphäre, der ist älter als Pythagoras, aber er wird gemeinhin mit Pythagoras verbunden, also die Vorstellung einer Klangordnung der Welt. Zahlen werden da den Klängen angenähert bzw. Zahlenverhältnisse, Zahlenproportionen werden als Klänge vorgestellt. Gedanken, die man ja bis in die Neuzeit findet unter anderem bei Kepler, Oswald Spengler. Bedeutender Kulturphilosoph, übrigens auch Mathematiker. Er war Gymnasiallehrer, hat, unter anderem, Mathematik unterrichtet. Schreibt in seinem Untergang des Abendlandes in einem hochinteressanten Kapitel „Vom Sinn der Zahlen” unter anderem Folgendes, 1919 erschienen, also ein weiter Sprung jetzt mal ins 20. Jahrhundert hinein, Zitat Oswald Spengler. Abschnitt vom Sinn der Zahlen. Aus dem berühmten Buch „Der Untergang des Abendlandes“: „Das Steingebilde und das wissenschaftliche System verneinen das Leben. Die mathematische Zahl als formales Grundprinzip der ausgedehnten Welt, die nur aus dem menschlichen Wachsein und für dieses da ist, steht durch das Merkmal der kausalen Notwendigkeit zum Tode in Beziehung wie die chronologische Zahl zum Werden, zum Leben, zur Notwendigkeit des Schicksals. Zahlen sind Symbole des Vergänglichen. Starre Formen verneinen das Leben. Formeln und Gesetze breiten Starrheit über das Bild der Natur. Zahlen töten“.

Das führt Spengler in dem Kapitel „Vom Sinn der Zahlen“ im Näheren aus. Er meint, die mathematische Zahl ist letztlich eine Funktion, insbesondere die abendländische Vorstellung der Zahl als einer Funktion tötet das Lebendige. Er stellt die mathematische Zahl der chronologischen Zahlen gegenüber. Das heißt, es gibt eine lebendige Zahl. Das ist die chronologische Zahl, die eng gekoppelt ist mit dem Strom oder Rhythmus, mit dem rhythmischen Fließen der Zeit. Und es gibt eine mathematisch formalistische Zugangsweise zur Welt, die letztlich die Wirklichkeit tötet. Zahlen töten. Ein berühmter Satz von Spengler, eine Zahl an sich gibt es nicht, und kann es nicht geben. Es gibt mehrere Zahlenwelten, weil es mehrere Kulturen gibt. Und das führt uns schon ins Zentrum der Frage. Spengler sagt hier, eine Zahl an sich gibt es nicht und kann es nicht geben. Zahlenmystiker haben ja immer wieder behauptet, dass es sehr wohl eine Zahl an sich gibt. Das heißt nicht eine in einem absoluten Sinne bewusstseinstranszendente Zahl, aber eine Zahl die doch eine eigene Seinswürde hat, die nicht einfach eine Abstraktion ist, sondern die tatsächlich eine wirkende Wirklichkeit im Universum ist – wie ja angenommen wird etwa hier in der chinesischen Philosophie, auch Mythologie, dass die 81 den Kosmos als Neun mal Neun konstituiert. Dass sie vollkommenste Zahl sei , und dass ein Lebensalter von 81 Jahren tatsächlich eine Biografie rundet. Denken Sie an die Aussage von Dante über das Lebensalter des Jesus von Nazareth, er hätte eigentlich 81 Jahre alt werden müssen. Das ist wieder ein Sprung, es geht hier nicht chronologisch, es geht nur um Facetten.

Von Novalis … , Novalis hat sich verschiedentlich, Friedrich von Hardenberg, der romantische Naturphilosoph und Dichter, hat sich verschiedentlich zur Frage der Zahl geäußert. Unter anderem wie folgt. Da ist ein interessanter Gegensatz erkennbar der nicht der mathematischen, also nicht mathematischen chronologische Zeit, sondern ein anderer Gegensatz. Novalis schreibt. Ich glaube 1798, 1799: „Echte Mathematik ist das eigentliche Element des Magiers. In der Musik erscheint sie förmlich als Offenbarung, als schaffender Idealismus. Hier legitimiert sie sich als himmlische Gesandtin. Das höchste Leben ist Mathematik. Das Leben der Götter ist Mathematik. Reine Mathematik ist Religion. Zur Mathematik gelangt man nur durch eine Theofanie“. Also eine Enthüllung eine Offenbarung des Göttlichen. Und jetzt der Satz, der das Ganze in einem interessanten Licht erscheinen lässt: „Im Morgenlande ist die echte Mathematik zu Hause. In Europa ist sie zur bloßen Technik ausgeartet.“ Also man findet hier bei Novalis den Hinweis, dass die europäische Mathematik, das abendländische Denken über Zahlen, zu technisch sei, dass sie zu Technik ausgeartet sei. In Europa ist sie zur bloßen Technik ausgeartet. Ein merkwürdiger Hinweis. Man ist zunächst verblüfft, wenn man hört, dass ein romantischer Geist, den man ja gern als abgehobenen Schöngeist hinstellen möchte, von der Mathematik spricht als einer Offenbarung des Göttlichen. Das ist ein weiterer wichtiger Punkt für alle Vorstellungen, die von einer qualitativen Ordnung ausgehen, dass diese Zahlen göttlich sind. Also nicht abgezogene Abstraktionen, sondern wirkende Geistkräfte im Universum.

Bis in die Gegenwart hinein, bis zu modernen Platonikern findet man mehr oder weniger ausgesprochen diesen Gedanken. Hören wir nochmal Kepler von dem schon kurz die Rede war. Kepler schreibt im frühen 17. Jahrhundert: „Gottes sind in der ganzen materiellen Welt die Gesetze, Zahlen und Beziehungen von besonderer Feinheit und schönen gefügte Ordnung. Jene Gesetze sind dem menschlichen Geist erfassbar.“ – Also der Mensch kann das erkennen. – „Er hat uns nach seinem Ebenbild erschaffen, sodass wir an seinen Gedanken teilhaben können.“ – Jetzt der aufschlussreiche Satz, der das erkenntnistheoretisch erhellt: „Denn was gibt es im menschlichen Geist außer Zahlen und Größen.“ – Denn was gibt es im menschlichen Geist außer Zahlen und Größen, behauptet hier Kepler. Kann man sagen, er setzt das, eine metaphysisch weitreichende Behauptung, im menschlichen Geist gebe es praktisch nur Zahlen und Größen. – „Nur diese können wir in der rechten Weise verstehen, und wenn die Ehrfurcht uns das zu sagen erlaubt – in dieser Hinsicht ist unser Verstand von gleicher Art wie der Göttliche. Denn Gottes Ratschläge sind unerforschlich. Seine materielle Schöpfung aber ist es nicht.“ – Also der Mensch hat die Fähigkeit und Möglichkeit, das materielle Universum zu erkennen. Durch die Zahl. Durch die Größe, wie es heißt „außer Zahlen und Größen“. Bei Kepler immer verbunden in der Einheit von Quantität und Qualität. Also Kepler trennt das überhaupt nicht.

Genauso wenig wie der Astronom Kepler sich klar trennen lässt von dem Astrologen Kepler. Und es ist ja bekannt, dass Kepler den Versuch gemacht hat, die harmonikale Gesamtordnung des Sonnensystems auszurechnen. Das ist viel bewundert aber auch als dilettantisch geschmäht worden. Obwohl es ein hochinteressanter Versuch war, der heute noch bedenkenswert ist, zu verstehen, was es auf sich hat mit den Abständen der Planeten zur Sonne, die ja nicht zufällig einfach so angeordnet sind, wie sie angeordnet sind. Schon ein Blick auf das Planetensystem als Ganzes, auch in seiner theoretisch abstrakten Form, kann zumindest den Gedanken nahelegen, dass hier harmonikale Proportionen eine Rolle spielen könnten. Ich will dazu nachher noch einiges sagen.

Sein Zeitgenosse Galilei äußert sich in folgenden sehr berühmten Sätzen, vielleicht überhaupt die berühmtesten Sätze von Galilei. Aus dem Saggiatore, dem Prüfer, 1723. Ganz ähnlich wie Kepler: „Die Philosophie ist in dem großen Buch niedergeschrieben, das immer vor unseren Augen liegt, dem Universum.“ – Das Universum als Buch. – „Aber wir können es erst lesen, wenn wir die Sprache erlernt und uns die Zeichen vertraut gemacht haben, in denen es geschrieben ist. Es ist in der Sprache der Mathematik geschrieben, deren Buchstaben Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren sind. Ohne diese Mittel ist es dem Menschen unmöglich, auch nur ein einziges Wort zu verstehen.“ – Das heißt der Mensch kann das Buch der Natur lesen, aber nur mittels der Zahl. Und auch Galilei geht in der Tiefe davon aus, dass diese Zahlenordnung eine wirkliche und wirksame ist. Er glaubt nicht, dass die Zahl eine abgezogene Abstraktion sei. Er glaubt wirklich, dass in der Tiefe des Universums diese Zahlen eine wirkende gestaltgebende, formende Kraft haben. Und dass es überhaupt der tiefste Sinn und das Ziel des Naturforschers sei, sich dieser in der Welt verankerten Grundordnung zu vergewissern. Der Naturforscher erkennt die Tiefenstruktur der Welt, die gleichsam Gott in die Welt hineingelegt hat. Und das ist ja ein Gedanke, den man neuerdings bis in die Gegenwart hinein etwa bei Peter Plichta findet, wie er in plakativer und peinlicher Weise im Titel genannt „Gottes geheime Formel. Die Entschlüsselung des Welträtsels und der Primzahlen Code“. Also, dass Gott die Welt zahlenmäßig geschaffen habe, und dass der geniale Geist, Peter Plichta hält sich für einen solchen, dann in der Lage ist, die tiefen Strukturen der Welt zu erfassen. Er kann das, er hat die Fähigkeit dazu. Das wird dem Menschen also zugestanden.

Es hat immer die beiden Richtungen, jetzt mal auch in der herkömmlichen Mathematik und mathematischen Naturwissenschaft, gegeben, wir haben immer gesagt: Was wir zahlenmäßig festlegen, ist nur ein abstraktes Bild der materiellen und energetischen Welt, hat aber keine konstitutive Bedeutung. Die andere These war immer diese: Zahlen, Zahlenordnungen konstituieren die Wirklichkeit. Sie sind wirklich wirklich, sind Wirkprinzipien in der Welt. Sie zu erkennen hieße auch, die Wirklichkeit zu erkennen. Und dann käme auch das Erkennen zu einem gewissen Abschluss. Denn wenn man dann tatsächlich diese Zahlenordnung der Welt erkannt hätte, und das glaubt ja auch Peter Plichta bis zu einem gewissen Grade, dann hätte man etwas Irreversibles geschaffen. Keiner kann mehr dahinter zurückgehen. Man hat in gewisser Weise das Universum erkannt, den geheimen Plan erkannt.

Nun haben Kritiker in dem Kontext immer gesagt, bis heute, solche Gedanken sind nur eine Ontologisierung von Abstraktionen. Also Ontologie, Lehre vom Sein; Ontologisierung heißt, man setzt eine Abstraktion als Wirklichkeit. Was ja ohnehin gang und gäbe ist. Dass man was herausfiltert, in Formeln bringt, und dann im nächsten Schritt sagt, diese Formel ist nicht nur abgezogen, sondern diese Formel ist wirklich die prägende Kraft in der Welt. In der Tiefenpsychologie, das will ich noch ergänzen, ist es vor allen Dingen C.G. Jung gewesen, der sich über viele Jahre hinweg unter anderem in seinem freundschaftlichen Kontakt mit dem Quantenphysiker Wolfgang Pauli mit dieser Frage beschäftigt hat, was denn die Zahlen wirklich seien. Welche möglicherweise konstitutive Kraft sie enthalten. In seinem berühmten Aufsatz Anfang der 50er Jahre „Synchronizität als Prinzip akausaler Zusammenhänge“ hat er sich da an verschiedenen Stellen eingehend geäußert. Ich zitiere mal zwei Stellen. Die nochmal ein anderes Licht jetzt werfen, von der Tiefenpsychologie aus. Jung schreibt hier: „Die Zahl ist etwas Besonderes. Man darf wohl sagen etwas Geheimnisvolles. Man hat sie ihres numinosen Nimbus nie ganz berauben können“ – also ihrer quasi Göttlichkeit. Ihre quasi Göttlichkeit ist nicht gänzlich verlorengegangen. – „Die Zahl diente von jeher zur Bezeichnung des numinosen Objektes. Alle Zahlen von 1 bis 9 sind heilig“. –

Das findet man in fast allen Kulturen der Welt, in magisch-mythischen Kulturen, dass die niedrigen ganzen Zahlen als sakral gelten. Also – „alle Zahlen von 1 bis 9 sind heilig. Ebenso sind 10, 12, 13, 14, 28, 32 und 40 durch Bedeutsamkeit ausgezeichnet. Die Zahl“ – jetzt kommt eine interessante erkenntnistheoretisch interessante Aussage – „Die Zahl ist wohl das Primitivste“ – nicht im negativen Sinne primitiv, sondern im Sinne von ursprünglich bei Jung. – „Die Zahl ist wohl das primitivste Ordnungselement des menschlichen Geistes, wobei den Zahlen von 1 bis 4 die größte Häufigkeit und die allgemeinste Verbreitung zukommt.“ – Nicht, wer ein bisschen die Jungsche Psychologie kennt, der weiß, dass für Jung die 4 als Quaternität eine ganz zentrale Rolle spielt, als Symbol des Selbst, auch als Zeichen, als Symbol für den Kreis. Kreis und Quaternität, Vierheit als Symbol des Selbst ist nicht die Dreiheit, sondern die Vierheit, das ist bei ihm zentral. – „Dass die Zahl einen archetypischen Hintergrund besitzt, ist nicht etwa meine Vermutung“, sagt Jung, „sondern diejenige gewisser Mathematiker. Es ist darum wohl keine allzu kühne Schlussfolgerung, wenn wir die Zahl psychologisch als einen bewusst gewordenen Archetypus der Ordnung definieren.“

Also bei Jung sehr schön auf den Punkt gebracht. Diese Facette auf den Punkt gebracht. Die Zahl als Archetypus der Ordnung schlechthin und nach Jung etwas, was der Materie und dem Geist zugrunde liegt. Es gibt also nach Jung eine Grund- und Urschicht, das Psychoide, aus der sich dann das Geistige und das Materiell-Energetische entfalten, wobei diese Entfaltung aber immer noch eine Verbindung beinhaltet, die überhaupt dann Erkenntnis möglich macht. Es ist ja immer die Frage, nicht nur, wie kommt der Geist in den Stoff, die Seele in den Stoff, die Geist-Seele in den Stoff, sondern wie kann dieser Geist überhaupt etwas erkennen? Die Grundfrage ja auch schon bei Kant, wie ist mathematische Naturwissenschaft überhaupt möglich. Nochmal Jung aus demselben Essay 1952: „Bemerkenswerterweise besitzen auch die vom Unbewussten spontan produzierten psychischen Ganzheitsbilder bzw. die Symbole des Selbst in Mandala-Form mathematische Strukturen. Es sind in der Regel Quaternitäten oder deren Mehrfaches. Diese Gebilde drücken nicht nur Ordnung aus, sondern bewirken auch eine solche.“ Also sind konstitutive Prinzipien der Welt in dieser Grundschicht der Wirklichkeit, ich sagte es, die dem Geistig-Seelischen und dem Materiellen zugrunde liegt. Also „diese Gebilde drücken nicht nur Ordnung aus, sondern bewirken auch eine solche. Dass diese Strukturen keine Erfindung des Bewusstseins sind“, heißt es dann, „sondern spontane Produkte des Unbewussten wie die Erfahrung hinlänglich bewiesen hat.

Aus diesen Tatsachen geht unwiderlegbar hervor, dass das Unbewusste die Zahl als Ordnungsfaktor verwendet.“ – In einem seiner interessantesten Bücher, „Psychologie und Alchemie“, beschreibt Jung Träume, wenn man dann nachforscht, merkt man oder weiß man, welche Träume es sind, es sind die Träume seines Patienten Wolfgang Pauli, des Quantenphysikers. Der immer wieder ganz bestimmte Quaternitäten träumt, Vierhheiten, Kreisformationen träumt als Symbole des Selbst. Einen letzten Autor will ich kurz noch anführen, den man gemeinhin überhaupt nicht mit dem Thema verbindet, die meisten wissen gar nichts davon, dass er sich zu einem Thema geäußert hat. Aber ich finde, er hat sich zu dem Thema auf eine hochintelligente und faszinierende Weise geäußert, ich meine Ernst Jünger. Die meisten Mathematiker wissen das gar nicht, haben davon noch gar nichts gehört.

Es gibt einen Essay von Ernst Jünger, 1974, mit dem Titel „Zahlen und Götter“. Nach meinem Dafürhalten eine der intelligentesten Abhandlungen überhaupt zum Problem der Zahl. Und hier gibt es eine ganze Reihe hochinteressanter Überlegungen, die Jünger anstellt. Zur Frage des Verhältnisses von Zahl und Gott beziehungsweise Zahl und Göttern und auch zur Frage, und das ist jetzt für unser Thema wichtig, zur Frage einer möglichen neuen und anderen Zahlenordnung, die er nicht transzendental nennt, auf die er aber hindeutet als eine mögliche zukünftige Entwicklung des Geistes. Einige Zitate mal aus diesem Essay „Zahlen und Götter“ von 1974: „Wer die Zahlen für wirklich hält, darf auch die Götter für wirklich halten. Sie steigen beide aus dem gleichen Grund empor. Die Frage nach der Wirklichkeit der Zahlen berührt auch den Nerv des Nominalismusstreites.“ – Den habe ich vorhin angedeutet, ich habe nur den Begriff nicht genannt, nicht, Abstraktion [als Wirklichkeit] oder als konstitutives Prinzip, das ist der Nominalismusstreit im Kern. – „Die Wirklichkeit der Zahlen berührt auch den Nerv des Streites, der Jahrhunderte hindurch mit hohem geistigen Aufwand geführt wurde.

Auf die Zahlen bezogen würde das Problem lauten: Kommt ihnen,“ – den Zahlen – „obwohl mit ihnen gerechnet wird, auch ein eigener Wert und berechenbare Größe zu. Das glaubten die Pythagoräer, und es vermutet im Grunde jeder, der Daten und Schicksal verknüpft.” – Andere Stelle, sehr schöner Satz: „Der musischen Welt, primär der Musik, wohnt die Zahl als Potenz inne, doch darf sie nicht sichtbar hervortreten.“ – Sie ist also implizit gar nicht denkbar ohne Zahlen. Die Musik ist in gewisser Weise eine klingende Zahlenwelt, wenn man das so nennen will. Und die Frage ist immer wieder gestellt worden, auch von mir: Was hat dieser klingende Zahlenwert der Musik zu tun mit den Zahlen überhaupt. Ich habe das ja vor zehn Jahren in meinem Buch „Klang und Verwandlung“ versucht, in den letzten Jahren habe ich das erst einmal zu den Akten gelegt, als ein Punkt, über den man noch einmal ganz neu und anders nachdenken müsste. Nochmal Ernst Jünger: „Die pythagoräische Zahl ist musisch und orphisch. Sie entzieht sich der logischen und metrischen Anordnung. Sie ist nicht zu beziffern und sondert sich von der mathematischen Zahl insofern, als sie Werte anzeigt und nicht Größen, Mengen und Entfernungen. Das Orphische kann sich mit dem Mathematischen vereinen und mit ihm zusammenspielen wie Melos und Rhythmus im Gesang.“ –

Letztes Zitat. Nochmal Jünger: „Die Zahl als Ziffer ist den Göttern feindlich. Und ihr Triumph bedeutet deren Sturz. Planeten, die Götternamen tragen, werden in ihrer Aura berührt. Wo sollten sich hier noch Erde und Himmel Natur und Kosmos in ihrer göttlichen Macht zeigen? Die Abdichtung gegen die Erscheinung“ – im Sinne von Epiphanie, nicht im Sinne von Welterscheinung – „und ihre Bilder ist bereits rein physikalisch zu begreifen als die ununterbrochene Abstrahlung von Systemen.“ – also bezogen auf die allgegenwärtige Abstraktion, die mit der denaturierten oder im pythagoräischen Sinne entgöttlichten Zahl arbeiten. – „Sie lässt nur Funktionen nicht aber Bilder, Ideen oder Gestalten durchdringen.“ – Also eine interessante Klassifizierung der gegenwärtigen Abstraktion als einer Welt der Ziffer. Der Ziffer. Also Jünger unterscheidet zwischen den Ziffern der Welt, der totalen Verzifferung der Welt. Die Ziffer ist nicht die Zahl in ihrem eigentlichen tiefsten Sinne, sondern die Zahl als Ziffer ist letztlich desaströs und ist langfristig auch zerstörerisch. Und sie strahlt in die Welt hinein, eine Art von Emanation, die langfristig die Welt zerstört.

Wie ich das genannt habe, die transzendentale Zahlentheorie, ist essenziell wichtig und zwar aus verschiedenen Gründen. Ich will mal einige dieser Gründe nennen. Wenn ich das richtig wahrnehme, gehört es zu den ganz großen Aufgaben der Gegenwart, dass die menschliche Geist-Seele sich wieder in Verbindung setzt und bringt mit der Erde, mit dem Universum, das also die Abspaltung, die schizophrene Abspaltung, die passiert ist, rückgängig gemacht wird. Ich sehe es als eine der ganz großen Bewusstseinsaufgaben heute an, diese kollektive Neurose, wie ich das genannt habe, die kollektive Abspaltung von Erde und Kosmos aufzuheben. Das heißt nicht, dass es darum ginge, in eine frühere Stufe einfach so zurückzugehen und das Mentale außen vor zu lassen. Aber es ist essenziell wichtig, diese Verbindung auf einer neuen und anderen Stufe zu realisieren, und in diesem Zusammenhang sind solche Verbindungen wichtig. Denn wenn es so ist, dass Zahlen eine konstitutive Kraft haben im Universum, und wenn wir als Menschen in der Lage sind, das auch bis zu einem gewissen Grade zu verstehen, dann wäre die Zahl in gewisser Weise ein Weg. Zu dieser Verbindung. Natürlich auf eine ganz andere Weise wird das auch von anderen genauso gesehen. So zum Beispiel von Plichta.

Dass die Zahl eigentlich das Medium ist, das unverzichtbare Medium, mittels dessen wir uns in die Welt hineinbegeben können, mittels dessen wir die Tiefenschichten der Welt erschließen können und auch eine neue Verbindung herstellen können mit der Welt, wie ich das ja vor einem Jahrzehnt in „Klang und Verwandlung“ versucht habe, dass man über die meditative und gedankliche Erschließung der großen Musik in der Lage ist, in eine Tiefenstruktur der Welt reinzukommen, die tatsächlich existiert, die also keinen projektiven Charakter hat. Das war ja eine der wesentlichen Thesen damals, dass die sogenannte klassische Musik tatsächlich Tiefenstruktur der Wirklichkeit klanglich erfasst und künstlerisch darstellt. Die Grundprämisse eigentlich. Und dass man nun mittels einer meditativen gedanklichen Arbeit mit dieser Musik auch in der Lage ist, in die zahlenmäßigen und klanglichen Strukturen der Welt hineinzukommen.

Ich habe vorhin das Beispiel Kepler erwähnt. Ich will nur mal einen Aspekt der Forschungen von Kepler heranziehen, den jüngst der Schüler von Kaiser, Rudolf Haase, in seinem Buch über Keplers Weltharmonik wieder herausgestellt hat, der verblüffend ist und ein wichtiger Schritt ist auch zum Verständnis dieses Zusammenhangs. Man hat ja immer wieder gesagt, auch in der Musiktheorie: Die abendländische, das abendländische Tonsystem ist ein kulturelles Produkt. Andere Kulturen hätten andere Klangsysteme, andere Tonsysteme – das abendländische Tonsystem ist ein typisches, ein geschichtlich relativierbares. Nun gehört er, gehört Rudolf Haase zu denjenigen, die immer wieder seit Jahrzehnten eine ganz gegenteilige These vertreten. Er vertritt die These, dass diese Tonalität mit der Gehörsdisposition des Menschen überhaupt zusammenhängt und dass die Erfassung der Klänge einen Zugang bedeuten kann zur Welt selber. Am Beispiel von Grundintervallen lässt sich zeigen, wenn man den Kepler weiterdenkt, und seine Messergebnisse in gewisser Weise aktualisiert, dass, und das ist verblüffend, erstaunlich, dass tatsächlich der Dur-Dreiklang C – E – G offenbar in der Grundordnung des Sonnensystems verankert ist.

Also die Vermutung, dass die Abstände der Planeten auch einen klanglich harmonikalen Aspekt haben, lässt sich an vielen Beispielen zeigen, unter anderem an diesem. Kepler hatte ja den Versuch gemacht, anlässlich der oder anhand der damals bekannten Planeten die jeweiligen Perihele, also die Punkte der weitesten Entfernung und die jeweiligen Aphelen zusammenzubringen und klanglich gleichsam aufzuarbeiten. Und wenn man diese Werte von Kepler jetzt aktualisiert, dann stellt man fest, dass von den 32 zentralen Tönen die dabei zutage treten jetzt unter Hinzunahme von Uranus, Neptun und Pluto, die Kepler noch nicht kannte, also von diesen 32 Tönen tatsächlich 30 Töne des Dur-Dreiklangs auftreten, nämlich C, E und G, und nur die beiden Töne GIS und H erscheinen gleichsam als Ausnahme. Es ist erstaunlich. Ist das ein Zufall? Ist das falsch gerechnet? Ist das projektiv? Was man ja gleich vermuten könnte, das kann nicht sein. Das kann so nicht die Wirklichkeit sein. Aber es ist ganz gut belegt, dass offenbar die … ein wesentlicher Aspekt der tonalen Ordnung der abendländischen Musik im Sonnensystem verankert ist oder vorsichtiger gesagt, verankert zu sein scheint. Immerhin eine erstaunliche Tatsache. Sollte das tatsächlich so sein, dafür spricht einiges, dann hieße das ja, dass diese Tonalität in einem wesentlichen Aspekt, im Dreiklang, tatsächlich kosmisch verankert ist. Es gibt ja verschiedene Bemühungen, auch in letzter Zeit, auch ganz unabhängig von Kepler, unabhängig von Haase, unabhängig von Kaiser und anderen, die Abstände der Planeten, auch Planetenmonde, Saturringe harmonikal zu begründen, etwa mittels der Octave. Und da bin ich schon bei einem wesentlichen Punkt, der für die Pythagoräer wichtig war, der auch heute wichtig ist. Man kann zum Beispiel zeigen, dass die leeren Stellen der Saturn-Ringe genau der Oktave des Saturnmondes Mimas entsprechen. Das heißt, wären sie dort, würden sie genau die Aktivierung bedeuten. Das heißt, es sind in den Saturnringen genauso wie in den Abständen der Planeten Oktavierungen vorhanden. Oktavierung ist einfach eine Halbierung bzw. Verdoppelung. Also ein ganz einfacher, elementarer Prozess. Ich habe das ja vorhin schon angedeutet, dass man bei einem Monochord die Seite halbiert, und dann erklingt die jeweilige Oktave, und die Oktave selber ist ein absolutes Mysterium. Denn die Oktave als die Verdoppelung bzw. Halbierung galt den Pythagoräern, verschiedene Kulturen der Welt hindurch empfinden die Oktave als einen Ton, nicht als zwei verschiedene Töne. Haase hat zum Beispiel nachgewiesen, dass in tatsächlich allen Kulturen die Oktave gleich empfunden wird Und zwar, wenn man das ein Schritt weiterdenkt, was ich versucht habe in „Klang und Verwandlung“, da kommt man zu dem Ergebnis, dass die Oktave auf eine merkwürdige Weise die Identität und Nicht-Identität in einem verkörpert. Sie ist eigentlich eine Manifestation der Zweiheit in der Einheit oder der Einheit in der Zweiheit. Denn sie teilt eine Strecke, sie … die Oktavierung bedeutet Identität, das ist derselbe Ton und doch ein anderer. Und dieses Paradoxon hat noch niemand aufgelöst, es gibt keine Musik-Theoretiker oder Mathematiker, so weit ich das weiß, der wirklich begründen könnte – und zwar zirkelfrei begründen könnte, warum wir die Oktave als denselben Ton empfinden. Das muss in irgendeiner Form mit unserer Gehörsdisposition fundamental zusammenhängen. Und es ist verständlich, wenn man an dem Beispiel einmal dem Mysterium der Zahlenreihe nachgeht. Der 1, der 2 und 3. Nehmen wir mal diese drei ersten Zahlen. Ich habe ja beim letzten Mal schon von der Einheit der Welt gesprochen, ich habe Ihnen ja eine Vorstellung versucht zu vermitteln von der Unus Mundus. Die Einheit der Welt als die 1, die Zahl 1 ist immer oder häufig betrachtet worden als die Einheit schlechthin, als die Monas oder Monade, aus der letztlich alle anderen Zahlen geboren werden. Man kann sagen: Die 1 ist die Ur-Zahl. Das heißt der Archetypus der Zahl schlechthin. Und ein Symbol der Grundeinheit der Welt.

Und ich habe das letzte Mal auch ausgeführt, wenn man jetzt die Oktave heranzieht, den nächsten Schritt, die Zwei, dann hat man diese oktavierte Form, ein Beispiel, wie ich das sagte, von Identität und Nicht-Identität. Die alte Frage, die sich ja alle Einheitsmetaphysiker immer gestellt haben – ich habe das ja angedeutet: Wie kommt es, dass sich das Eine aufspaltet? Es gibt bei Laotse, glaube ich, das Wort im „Tao Te King“, wenn ich es richtig im Kopf habe, das Ureine wird zur Zwei, und aus der Zwei entsteht die Gesamtheit der Welt. Also die Zwei als die Entäußerung des Einen in das Andere. Wobei diese Einheit niemals verlassen wird. Die Grundfrage, wie das Eine in die Welt kommt, wie sich das Eine in die Vielheit spaltet wird, häufig so beantwortet, dass Eine, wie ich das letzte Mal genannt habe, eine Art Dialektik in der Gottheit selber, gibt, die Gottheit spaltet sich also in zwei Hälften quasi auf. Das finden sie in der jüdischen Kabbala, die weibliche Seite, die zweite Seite, die sich in der Welt manifestiert – und Aufgabe des Menschen sei es, diese beiden Hälften wieder zusammenzufügen. Diese Dualität im Sinne einer Polarität zu einer höheren Einheit zu verbinden. Also die Zwei als die Zweiheit in der Einheit, als die Aufspaltung, als ein Symbol der Dialektik in der Gottheit selber. Und so ist sie häufig gesehen worden.

Und dann ist natürlich naheliegend, die den dritten Schritt also, die Drei zu deuten als einen nächsten Schritt, der auf der einen Seite eine weitere Differenzierung bedeutet, aber auf der anderen Seite beide Pole in einer höheren Einheit verbindet. Sie finden das weltweit in fast allen spirituellen Systemen, dass man davon ausgeht, dass die Dreiheit, im Sinne der Triade, konstitutiv ist für den Menschen. Aber in gewisser Weise auch für die Welt als Ganzes. Beispiel etwa im tibetischen Buddhismus, also einer besonderen Form des Mayana-Buddhismus, da haben sie die Vorstellung der Trikaya-Lehre, Nirmanakaya, Sambhogakaye und Dharmakaya. Das Nirmanakaya ein Symbol für die physisch-sinnliche Welt. Die Sambhogakaya eine nächst höhere Stufe eine Art Zwischenwelt der Geistemanation, die in der Meditation wahrgenommen werden kann, und im Dharmakaya als einer höchsten Stufe die Einheit des Geistes. Also Dharmakaya ganz oben, wenn man es so nennen will, und Somboghakaya in der Mitte, und Nirmanakaya unten. Ähnliche Vorstellungen haben sie auch in der gesamten neuplatonischen Philosophie, etwa bei Plotin, wo diese Figuren ähnlich auftauchen, wo die Weltseele die Medialzone darstellt. Also die Weltseele entspricht in gewisser Weise dem Samboghakaya. Und die Dreiheit der Grundprinzipien, etwa auch in der hinduistischen Philosophie, Shiva, Brahma und Vishnu. Der entspricht auch eine Dreiheit der menschlichen Existenz.

Ich habe Johannes Heinrichs erwähnt, der das ja auch in seinem Buch „Ökologik“, wie ich finde, auf eine sehr überzeugende und intelligente Weise dargestellt hat, dass man die menschliche Wesenheit in der Grundstruktur als eine Dreiheit verstehen kann, was ja häufig geschieht doch als Leib (Körper), als Seele im Sinne von Selbst und als Geist, als medialem Logos. Und da gibt es immer auch Vorstellungen, die Qualität der Drei damit zu verbinden. Sie können das in ganz vielen magisch-mythischen Vorstellung auch sehen, dass eine Bekräftigung dreimal erfolgen muss, drei Mal raten, im Faust heißt es, du musst es dreimal sagen. Und dass diese Dreiheit tatsächlich nicht einfach eine Fiktion darstellt, wie man zunächst denken könnte, das ist beliebig, übrigens auch Plichta, wenn ich auf den nochmal kurz kommen darf, obwohl ich seine Thesen hier nicht darstellen möchte. Für Plichta spielt auch die Drei eine zentrale Rolle. Wenn nicht sogar die zentrale Rolle. Also die Drei als ein konstitutives Prinzip der Welt überhaupt.

Nun gibt es natürlich, hat es immer gegeben andere Zahlen. Als Weltkonstituenten z. B. die 4, sagen manche, sagen, die 4 ist ein Grundmoment der Wirklichkeit. Oder die 5 ebenfalls. Es gibt die Vorstellung der 7 als Welt konstituierende Zahl, etwa in der Theosophie, es gäbe sieben Grundprinzipien der Welt, auf denen letztlich das ganze Sein aufbaut. In all diesen Vorstellungen wird angenommen, dass die Qualitäten der Zahlen in die Tiefe der Welt führen beziehungsweise aus dem tiefen Grund der Welt hervorquellen, und dass der menschliche Geist die Fähigkeit hat, sich in diese Tiefenschicht hinein zu verlieren und aus dieser Tiefenschicht zu schöpfen. Nun, Plichta, um das mal an einem Beispiel zu zeigen … Plichtas Grundthese besteht darin, dass ganz plakativ gesagt, dass die sogenannten Primzahlen. 1, 2 und 3 sind ja auch Primzahlen, dass die sogenannten Primzahlen die eigentlichen Weltbauformen sind, in gewisser Weise die eigentlichen Grundprinzipien der Welt, nicht, Primzahlen sind Zahlen, die nur durch eins und durch sich selber zu teilen sind, und Eins, Zwei und Drei als die ersten Primzahlen das …. er baut ein Gebäude, wenn man so will auf der Drei auf. Er geht von der Dreiheit der Weltprinzipien aus, von den ersten drei Primzahlen.

Sie wissen, dass, wer ein bisschen Mathematik kennt, weiß, dass die Eins normalerweise nicht als Primzahl mitgerechnet wird. Die Zwei wiederum gilt als Primzahl, die Drei auch. Und dann kann man von dort aus, und das tut Plichta, diese Primzahlen auf einem Kreis anordnen, auf einem Kreis mit 23 bzw. 24 Grundeinheiten. Und die nächsten … der nächste Turnus von Primzahlen auf der nächsten Schale und so ein sich in die Unendlichkeit erstreckendes Abbild der so genannten Primzahlen. Die Mathematiker haben immer darüber spekuliert, ohne Ergebnis kann man sagen, was denn diese sogenannten Primzahlen sind. Es gibt eine große Literatur in der Mathematik über die Frage „Was sind Primzahlen?“.

Man muss aber grundsätzlich sagen, dass von der Mathematik selber aus keine Möglichkeit besteht eine … die Grundlage der Mathematik in einem axiomatischen Sinne zu beweisen. Letztlich hängt die Mathematik als Mathematik von ihren Grundlagen aus, von ihren Axiomen aus, in der Luft, lag sie, die Mathematik … vereinfacht gesagt, kann sie sich nicht selbst beweisen. Also ein wichtiger Punkt. Die Mathematik kann ihren, den Beweis ihrerselbst nicht führen. Plichta meint, dass es eine Primzahlenordnung in der Welt gibt und glaubt, die auch im Einzelnen nachgewiesen zu haben. Im Kern geht er von der Dreiheit aus, von der Triade, den Primzahlen 1, 2 und 3 und baut das Ganze von dort her auf.

Ich bin, als ich heute morgen mich mit der Frage dieser Vorlesung beschäftigt habe, ist mir ein Buch in die Hände gefallen, was ich seit einiger Zeit besitze, aber nie gründlich gelesen habe. Was ich mir aber denn doch mal im Hinblick auf diese Vorlesung angeguckt habe. Das habe ich einmal vor zwei Jahren erworben. Das Buch hat den Titel „Der Name Allah und die Zahl 66“. Das ist der Versuch von einem Moslem, die Zahl 66 als eine konstitutive Zahl für Allah zu verstehen. Es gibt eine umfassende Beweisführung von der Zahlensymbolik der arabischen Welt aus. Sie wissen, dass jedem arabischen … dem arabischen Alphabet bestimmte Zahlenwerte zugeordnet werden. Übrigens auch Plichta beschäftigt sich damit, mit der Rolle der Zahl 19 im Koran etwa. Und man kann dort auf eine, finde ich, sehr interessante aber doch weitgehend spekulative Weise zeigen, wie sich die Zahl 66 in der arabischen Welt immer wieder manifestiert und spiegelt. Dass das nur als ein Beispiel ist für eine, sagen wir mal, numerologische Betrachtungsweise.

Ich sprach aber von dem Bemühen, eine mögliche transmentale Zahlentheorie zu finden. Und ich meine, dass man zu diesem Zweck unbedingt die Musik braucht. Und das wollte ich auch in dem Titel andeuten. Dass man eigentlich über die Musik eine Möglichkeit hat, in das Mysterium der Zahlen reinzukommen. Über das Hören. Man kann ja Zahlen hören, und man kann über eine bestimmte Weise der gedanklich meditativen Arbeit mit Musik tatsächlich diese Zahlenordnung erschließen, von der ich vermute, dass sie konstitutiv ist für das Universum. Ich habe ja nur ein Beispiel genannt in Anlehnung an Haase und seine Kepler-Interpretation, dass der Dur Dreiklang möglicherweise im Sonnensystem selber verankert ist. Ich sage das mit aller Vorsicht. Aber es sprechen doch einige Indizien dafür.

Über die Musik, meine ich, gibt es eine Möglichkeit in die tiefen Schichten dieser Zahlenordnung einzudringen. Zum Beispiel über die Intervalle. Wenn man mal die Zahlenordnung der westlichen Musik sich anschaut, dann wird einem ja unschwer auffallen, dass ganz bestimmte Zahlen für diese Musik konstitutiv sind, unter anderem die Fünf, die Sieben und Zwölf. Nicht, fünf Oktaven entsprechen etwa zwölf Quinten – der sogenannte Quinten-Zirkel ist ein weiteres Beispiel. Das ist also eine klingende Zahlenwelt, in die man sich da hineinversenken kann. Und man kann auch die Qualitäten der Intervalle spüren. Man kann diesen Qualitäten der Intervalle tatsächlich nachgehen. Man kann da eine Fülle von faszinierenden Einsichten gewinnen zum Beispiel in dem Wechsel der großen Terz zur kleinen Terz. Man kann sehen, dass diese Verkleinerung der großen Terz zur kleinen Terz seelisch eine enorme Auswirkung hat, sofort schlagartig in die Tiefenschichten des Seelischen hineinreicht. Also über die Musik, meine ich, gibt es eine Möglichkeit, in diese Zahlenordnung hineinzukommen.

Ich meine nicht gegen Plichta und alle Zahlentheoretiker dieser Richtung, dass man das über die Zahlentheorie kann. Natürlich gibt es die Möglichkeit, hat es immer gegeben, und Pflichta liefert einen bestimmt hochintelligentes Beispiel dafür, was man damit machen kann, die Zahl in verschiedenster Form anzuordnen. Man kann ja etwa die Abfolge der positiven ganzen Zahlen auf die vielfältigste Weise ordnen. Man kann sie nebeneinander ordnen, hat alle im Prinzip in einer Reihe. Man kann Dreiergruppen etwa abtrennen. Also Triaden jeweils. Man kann natürlich diese Neunergruppe oder auch Zehnergruppe jetzt als Kreis anordnen. Man kann sie als Quadrat anordnen. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten. Man kann Quersummen errechnen. Man kann alles Mögliche machen. Die Mathematik ist voll von solchen Erwägungen. Ich meine aber nicht, dass man in der Lage ist, über die Zahlentheorie in dieser Form in das Mysterium der Zahl einzudringen. Ich glaube, mein Verdacht ist, und der ist auch durch Plichta und andere nicht widerlegt worden, dass man über diese Zahlentheorie letztlich in der mentalen Ebene stecken bleibt. Man kommt aus einem gewissen Zirkelhaften der Zuordnung nicht raus. Ich meine nicht, dass das eine Möglichkeit ist, wenn man die Zahlen nicht auch als lebendige Entitäten begreift, über den Klang, meine ich, wird es nicht gehen. Und das heißt nicht, dass nicht auch Zahlentheorie hochinteressant ist, faszinierend. Es ist interessant. Es ist faszinierend. Die Zuordnungen vorzunehmen. Aber die Zahlentheorie, glaube ich, würde es nicht bringen, ganz zu schweigen davon, dass man ja in die Tiefenschichten der Welt nur hineinkommen kann, wenn man sich auf eine Weise der Welt nähert, die eine Einheit ist, von Gedanklichem und Meditativem. Nicht nur gedanklich und nicht nur meditativ. Aber beides zugleich.

Ich meine ja, und habe das ja immer wieder auch gesagt. Auch in dem Buch „Klang und Verwandlung“, dass ich der Überzeugung bin, dass die Musik, die große sogenannte klassische Musik, genau diese Einheit verkörpert, dass sie Klang gewordene Erkenntnis ist, dass in diesem Sinne wahr ist, dass über die Musik sich die Tiefenstrukturen der Welt tatsächlich erschließen. Und als eine Einheit von Meditation und Gedankenarbeit. Beides zusammen. Und das ist eine Aufgabe, der man sich stellen könnte. Wie ich meine. Und ich sehe darin einen möglichen Weg sich dieser Tiefenordnung zu nähern. Also die Einheit von Meditation und Gedankenarbeit über die Musik.

Ich denke, ich habe aber ihnen erst einmal in ganz knapper Form das Thema sozusagen, den thematischen Horizont, ein bisschen aufgemacht. Ich will abschließend, bevor wir ins Gespräch kommen und wir dann vielleicht doch Einzelheiten herausgreifen können oder Anregungen ihrerseits, nochmal die Grundfrage berühren – die nach der Wirklichkeit der Zahlen. Das ist ja letztlich der entscheidende Punkt. Sind diese Zahlen eine bloße Abstraktion? Oder sind diese Zahlen in der Wirklichkeit verankert. Also ich frage letztlich nach dem ontologischen Status der Zahlen selber. Und die Frage muss bis zu einer gewissen Grenze offenbleiben, aber es spricht einiges dafür, mit aller Vorsicht gesagt, dass tatsächlich die positiven ganzen Zahlen als sogenannte natürliche Zahlen wirklich Weltkonstituenten sind, dass sie tatsächlich Weltprinzipien sind, die das Universum bestimmen, dass es nicht nur Abstraktionen sind. Sie kennen vielleicht das berühmte Wort des Mathematikers Kronecker, Gott habe die ganzen Zahlen geschaffen als die eigentlichen Wirklichkeiten. Das ist natürlich auch eine interessante Frage, wenn man sich die Frage jetzt überlegt, was Naturgesetze sind, wie weit Naturgesetze auch Zahlengesetze sind. Sind es nur Bilder? Abstrakte Bilder für unverstandene Vorgänge? Oder sind das tatsächlich konstituierende Prinzipien?

Also ich vertrete vollkommen einschränkunglos ohne Relativierung, um das nochmal klar zu sagen, die These, dass die positiven, die sogenannten natürlichen ganzen Zahlen gleichsam Säulen der Welt sind, dass auf ihnen die Grundordnung der Welt beruht und dass auf eine noch unverstandene Weise die Musik, die große Musik, auch diese Ordnung widerspiegelt. Das ist eine Bewusstseinsaufgabe, die noch ungelöst ist. Wie überhaupt, das muss man einfach sagen, ehrlicherweise, diese Fragen ungelöst sind. Ich kenne niemanden, und ich habe wahrlich eine Menge darüber gelesen und gearbeitet, ich kenne niemanden, der bisher in der Lage gewesen wäre, diesen Zusammenhang wirklich zirkelfrei, zweifelsfrei plausibel zu machen. Es bleiben immer Fragen, es bleiben immer Rätsel. Es bleiben immer Unzulänglichkeiten, und man kann fast resignieren, weil man dahin kommen könnte, das geht nicht. Das ist nicht möglich. Wir können das nicht leisten. Aber ich meine doch, dass die Möglichkeit besteht. Ich meine tatsächlich, dass man es machen kann. Ich meine, man muss da wahrlich nicht jetzt, was ja einige tun, die Quantenphysik heranziehen, da ist es ja auch so, dass die positiven ganzen Zahlen konstituierend sind, etwa für die Anordnung der Elektronenschalen, was man in jedem Physik-Lehrbuch nachlesen kann. Das wird hier einfach hingenommen und wird nicht weiter abgeleitet und begründet. Aber auch da scheint es ja so zu sein, dass diese ganzen Zahlen die Mikrowelt konstituieren und dass wir sie verstehen können. Weil auch der Geist etwas davon enthält.

Insofern hätte ja dann Kepler auch wieder Recht, auf eine andere Weise vielleicht, als er das vermutet hat, dass die „Welt Gottes in ihrer ganzen materiellen Welt die Gesetze Zahlen und Beziehungen von besonderer Feinheit und schönen gefügte Ordnung jene Gesetze sind dem menschlichen Geist erfassbar. Denn was gibt es im menschlichen Geist außer Zahlen und Größen“. Das muss man ja nicht rein quantitativ verstehen, sondern kann es qualitativ verstehen: Was gibt es im menschlichen Geist außer Klang, außer Musik oder Klangordnung? Die menschliche Seele mag auf eine noch unverstandene Weise tatsächlich auch musikalisch strukturiert sein, und da wäre dann der Zusammenhang. Aber ich sage es nochmal mit aller Zurückhaltung: Bis zum heutigen Moment kann ich noch nicht sehen, dass das jemand wirklich auf eine zweifelsfreie Weise gelungen wäre, vielleicht könnte man resignierend sagen, geht es auch nicht. Vielleicht ist es nicht zu leisten. Aber ich halte es doch für eine ganz lohnende Bewusstseinsaufgabe und für einen möglichen Weg, diese kollektive Neurose zu überwinden. Denn wenn es wirklich so ist, dass diese Welt klanglich zahlenmäßig gebaut ist – und unser Geist bis zu einem gewissen Grade auch meditativ gedanklich nachvollziehen kann – dann wäre das ja ein Weg tatsächlich zur Wirklichkeit. Dann wäre es ein echter, ein begehbarer Weg. In die Welt selbst in ihrer Wirklichkeit. Dann hätte man vielleicht auf diese Weise die Möglichkeit, die Projektionen zu überschreiten. Dann wäre das etwas zutiefst Projektives. Das muss aber doch mit einer gewissen Zurückhaltung angedeutet werden (, um nicht kurzschlüssigen … ).


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