Polarität III – Stoff, Geist und Seele

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil I
Tiefenökologie und Neue Naturphilosophie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Sommersemester 1999
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 19

Transkript als PDF:

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Das ist der dritte Abend zu dem Thema Polarität und in gewisser Weise auch der schwierigste, weil, hier geht es um eine besondere Form von Polarität, die auch etwas zu tun hat mit der Innen-Außen-Polarität, über die ich ja gesprochen hatte. Es geht ja hier primär heute um die Innen-Außen-Polarität im Sinne von Bewusstsein, Innen-Welt, und Materie, Stoff, Außen-Welt; ein Verhältnis, was ja jeden Menschen auch nur bei einem Minimum an Selbstbeobachtung beunruhigen könnte oder müsste, wie Stoffe, jetzt mal ganz weit gefasst, auch chemische Stoffe, ganz bestimmte chemische Stoffe in der Lage sind, die emotionale, psychische und auch die geistige Verfassung des Menschen fundamental umzupolen, zu beeinflussen, zu bestimmen. Ja, also nicht nur die sogenannten psychoaktiven Substanzen, ja auch Medikamente, etwa homöopathische Arzneien und anderes ‒ alles das greift ganz tief ein in die Psyche. Und die Frage ist eine letztlich offene und ungeklärte: Wie tief geht das? Wir haben das ja schon mal angesprochen. Es gibt ja einige Homöopathen und auch Philosophen, die die hohen Potenzen in der Homöopathie ablehnen, weil sie zu sehr in die Tiefenstruktur der Psyche hineingreifen geradezu. Nicht, ich habe das schon mal angedeutet, ich hatte kürzlich auch, oder vor einigen Wochen mal mit Volker Rohleder darüber gesprochen, eine Frage, die ihn auch sehr beschäftigt. Ein Buch übrigens, was ich hier nennen möchte, was nicht auf dem Literaturverzeichnis ist, aber für das Thema wichtig, ich habe es im Winter 97/98 schon mal angegeben, ist von einem Mediziner und Psychiater Josef Zehentbauer: „Körpereigene Drogen“, Untertitel „Die ungenutzten Fähigkeiten unseres Gehirns“. Ein hochinteressantes Buch, es geht um die Neurotransmitter, um die sogenannten Botenstoffe im Körper, also die sogenannten körpereigenen Drogen, die Drogen quasi, die der Körper selber produziert. Und letztlich ist es ein Plädoyer für eine drogenfreie Medizin im Sinne der exogenen Drogen. Es werden auch Möglichkeiten vorgestellt, wie man die endogenen Drogen im eigenen Leib aktivieren kann. Also ein wunderbares, hochinteressantes Buch, was für das Thema wichtig ist.

Zunächst mal, der Begriff „Stoff“ meint im Sinne dieser Vorlesung zweierlei, meint einmal Materie überhaupt. Bei aller Schwierigkeit, die man heute hat, Materie überhaupt zu bestimmen, zu definieren: Was ist Materie? Sie entgleitet einem ja ständig. Je mehr man in die Tiefenstruktur der Materie hineingeht, umso mehr entgleitet sie ja, sie wird in gewisser Weise geistig. Also Materie.

Und dann im engeren Sinne meint es den chemischen Stoff, also durchaus den Stoff im Sinne der Chemie. Denken sie an das, was ich das letzte Mal am Ende der zweiten Stunde gesagt habe über den Stickstoff, über die Atemprozesse, über den Atemrhythmus und über das Eigenartige und meistens nicht Beachtete, dass ja im Atemprozess, der Stickstoff genauso rein- wie rausgeht und eine Art Vehikel darstellt für den Atemrhythmus. Nicht, Sie erinnern sich vielleicht, ich habe das ja mit dem Chemiker Rudolf Hauschka erläutert. Der hat das ja eingehend dargestellt und auch verdeutlicht etwa, dass die Anzahl der Atemzüge pro Tag, bei einem gesunden Menschen etwa 26000, sich in einen Zusammenhang bringen lassen mit dem so genannten großen platonischen Jahr, also dem Zeitenzyklus von 26000 Jahren. Also da wäre ein Zusammenhang hergestellt zwischen einem großen kosmischen Rhythmus und dem kleinen, im Leiblichen sich spiegelnden Rhythmus. Stoff auch im Sinne der sogenannten Feinstofflichkeit. Es geht also nicht nur um den groben Stoff, der in irgendeiner Form sinnlich-physisch dem Leib Widerstand leistet oder sonstwie konzeptionell als grober Stoff verstanden werden kann, [sondern] auch um die feinstofflichen Energien in gewisser Weise. Und da ist man auch bei einem zweiten zentralen Begriff, der natürlich in dem Zusammenhang immer genannt werden muss. Stoffe ‒ Energien, Kräfte. Mal jetzt im Moment den Blick nicht gerichtet auf Seele und Geist.

Was sind Kräfte, und was sind Energien? Das hat in der abendländischen naturphilosophischen Diskussion eine schwierige Rolle gespielt. In der herkömmlichen Naturwissenschaft, wie sie sich in den letzten zwei-, dreihundert Jahren manifestiert hat, spielen Kräfte im eigentlichen, im substantiellen Sinne eine zunehmend geringere Rolle. Es geht meistens um Funktionen. Selbst die Schwerkraft wird von dem Mainstream der Physik gar nicht als Kraft näher betrachtet, im eigentlichen Sinne. Sie wird nur in ihrer Funktionalität gesehen. Ich will das nicht im Einzelnen jetzt erläutern, was es da für Einwände oder Gegenargumente gibt, nur einfach von der Geistesgeschichte aus gesehen; also Kräfte werden kaum noch gesehen oder verstanden als eigenständige immaterielle Wirk-Entitäten, wie das noch Newton gesehen hatte, der ganz scharf geschieden hatte zwischen der Materie, dem Stoff, dem toten, trägen Stoff, der bewegt wird, der auch impulsiert wird von diesen immateriellen Entitäten als Kräften.

In der Nachfolge von Leibniz ist das dann zunehmend zusammengeführt worden, und man konnte zunehmend weniger unterscheiden: Was ist eigentlich der Stoff, und was ist eigentlich die Kraft darin? Und so sind wir heute in der Lage, oder in der eher unglücklichen Lage, dass wir große Schwierigkeiten haben, klar zu bestimmen: Was sind Kräfte? Und ich sehe darin, das habe ich ja schon im Winter einmal gesagt, eine ganz große Aufgabe der Naturphilosophie überhaupt heute, nochmal ein ganz neues Verständnis für Kräfte zu gewinnen. Was sind Kräfte? Nicht, man kann ja Kräfte, auch spirituell, theosophisch, anthroposophisch, wie immer, einfach als Geister sehen, als Naturgeister. Nicht, es gibt ja genügend Schriften, die sagen, im Grunde genommen sind die Kräfte eigentlich Geistwesen mit einem bestimmten eigenen Bewusstsein, das wir nicht unmittelbar nachvollziehen können, aber in dem Sinne sind es keine es-haften Wesen, sind in irgendeiner Form bewusstseinsbegabte Wesen. Wenn das so wäre, dann ist ja schon eine Trennung von Kräften und Bewusstsein gar nicht so unbedingt möglich.

Auch Newton, ich hatte das im Winter schon mal kurz angedeutet, macht manchmal keinen Unterschied zwischen Force, Kraft, und Spirit. Er sagt manchmal direkt: die Forces, die Materie, ‚pure and animate matter‘, also die rohe, unbelebte Materie, bestimmen, sind spirits. Es sind also Geister. Für Newton waren das immaterielle Entitäten. Und das ist ein wichtiger Punkt, den man in dem Zusammenhang mit berücksichtigen muss. Es ist wirklich die Frage: Was sind diese Kräfte? Besonders schwierig wird es natürlich, wenn man dann auch noch den Begriff „Energie“ dazunimmt, der ja, wie wir alle wissen, sehr unbestimmt, sehr ungenau, vage, verblasen ist und sich einer differenzierenden Genauigkeit zunehmend entzieht. Alles ist irgendwie Energie, alles ist Vibration, alles ist Schwingung. Das sagt dann mehr oder weniger alles oder nichts. Auch die Frage, die natürlich in dem Zusammenhang auch eine Rolle spielt: Ist denn der Stoff, in der angedeuteten Form, selber letztlich nur eine Manifestation von Kraft, von Kräften? Eine Manifestation von bestimmten Energien? Die meisten denken da sofort an Einsteins E=mc². Man vergisst meistens, dass diese Vorstellungen viel älter sind und immer eine Gegenströmung dargestellt haben gegen die andere Vorstellung, die beides ganz scharf schied.

Also, vereinfacht gesagt, die eine Position sagt: Es gibt die träge tote Materie, die wird impulsiert, vorangetrieben, bewegt durch immaterielle Kräfte, Entitäten.

Die andere Position sagt: Dieser Stoff, die Materie selber ist nichts weiter als eine gleichsam erstarrte Form von Kraft, eine erstarrte Form von Energie auch, das war früher nicht klar geschieden.

Eine solche Trennung gibt es eigentlich erst seit dem 19. Jahrhundert, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und auch da noch mit großen Ungenauigkeiten behaftet. Energie und Kraft sind auch heute noch schwer präzise voneinander zu trennen.

Der Protagonist dieser Kraft-Theorie der Materie, in gewisser Weise ihr Begründer, jedenfalls einer, der das erstmalig dargestellt hat im umfassenden Sinne, war [Gottfried Wilhelm] Leibniz und sein Schüler Roger Boscovich, ein Philosoph, den heute kaum einer mehr kennt, der eine sehr ausdifferenzierte Theorie eines Kraftfeld-Kontinuums der Materie entwickelt hatte, die ganz stark dann auch die Feldtheorie von Faraday und anderen beeinflusst hat. Also da sind verschiedene Positionen dabei.

Und wenn man von der menschlichen Erfahrung ausgeht, so habe ich ja einleitend gesagt, dann ist es ja immer wieder eine beunruhigende Frage: Wie hängt denn der Geist mit dem Leib zusammen? Oder gnostisch gefragt: Wie kommt denn der Geist in den Stoff, und wer ist er? Gibt es eine Art von Gleich-Ursprünglichkeit von Geist und Stoff? Ist der Geist irgendwann in den Stoff hineingesetzt worden? Ist der Geist nur eine Emanation, letztlich nichts weiter als Stoff? Oder sind beide Parallelphänomene, die auf eine rätselhafte Weise miteinander korrelieren? Und, die Frage ist aufwühlend, ich habe das ja schon einleitend gesagt, es kann einen immer wieder beunruhigen, wie das Bewusstsein oft durch kleinste Stoffreize fundamental geändert werden kann.

Das kann man natürlich materialistisch interpretieren, kann sagen, das ist doch klar, diese stofflichen Reize sind das Wesentliche, das Eigentliche, das bestimmt eigentlich das Bewusstsein, etwa im Falle der Neurotransmitter, der Botenstoffe, Ausschüttung ganz bestimmter chemischer Substanzen, auch von Hormonen beeinflusst in einem ganz hohen Grade das Bewusstsein. Kaffee, Tee, alles hat eine ganz verschiedene Wirkung auf den Geist, auf die Psyche.

Hinzu kommt, Johannes Heinrichs hat das wiederholt auch mit Recht differenziert, dass man unterscheiden muss zwischen Geist und Seele, was meistens nicht geschieht. Seele möchte ich auch hier als das eigentliche lebendige Wesenhafte, die eigentlich lebendige, wesenhafte Entität, sei es die eines Menschen oder eines Tieres oder einer Tiergruppe oder einer Pflanze, einer Pflanzengruppe, das möchte ich als Seele bezeichnen ‒und Geist eher als die Partizipation dieser Seele an einem universalen oder universell vorgestellten Logos. Obwohl auch das schwierig ist, man kann das auch anders interpretieren. Man kann auch die Ichhaftigkeit des menschlichen Wesens als Geist sehen. Deswegen ist es bis zu einem gewissen Grade legitim, vom Seelisch-Geistigen als einer Gesamt-Entität zu sprechen.

Also um diese Fragen geht es also, wahrlich abgründige und extrem schwierige Fragen, über die man jahrelang meditieren und nachdenken kann. Und es gibt meistens nur kleine Fortschritte in diesem Zusammenhang.

Ich will noch einmal grundsätzlich sagen, was gerade für dieses Thema besonders wichtig ist, dass ich mich nicht der Tatsache verschließe, dass es natürlich bis zu einem gewissen Grade einen legitimen reduktionistischen und analytischen Ansatz in der Naturbetrachtung gibt, den gibt es. Bestimmte Theorien lassen sich gar nicht finden, aufstellen, umreißen, ohne bis zu einem gewissen Grade reduktionistisch vorzugehen. Es bringt also wenig, wenn man den Reduktionismus in Bausch und Bogen vollständig ablehnt. Das ist auch gar nicht erkenntnismäßig haltbar. Also ein gewisser Reduktionismus ist unvermeidbar. Aber ich versuche das also in die Erwägung gezogen, primär in dieser Vorlesung den Blick zu richten auf eine Art Physiognomik, wenn man es so nennen will, auf eine Art Signaturenlehre der Phänomene, im Sinne Goethes also gesprochen, den Blick zu richten auf die Ideen in den Phänomenen, die ganzheitliche Gestalt der Phänomene als ideenträchtig gefasst.

Das ist ja ein wesentliches Element etwa in dem Goetheschen Begriff des Urphänomens, den er ja ganz bewusst gegen die eher abstrakte Vorstellung einer Idee gesetzt hat. Nicht, also, das Urtümliche, das primordiale Ideenhafte, ist wieder selbst ein Phänomen, ist also nicht einfach reiner Geist oder reine Idee. Am Beispiel des Lichtes und der Dunkelheit kann man das ja sehr schön zeigen.

Dann ist ein wesentlicher Punkt, der mir noch mal in der Vorbereitung dieser Vorlesung deutlich geworden ist, der manche immer wieder verwundert, ich sage es aber trotzdem nochmal, dass ich davon ausgehe, dass der Mensch in der Tat eine sehr hohe Funktion hat. Der Mensch ist kein ephemeres, kein Randwesen, sondern ein Zentralwesen und ein Wesen, was tatsächlich für die Erde, vielleicht sogar für das Sonnensystem und für den weiteren Kosmos eine bestimmte hohe Bedeutung hat und auch eine damit verbundene Verantwortung. Also ich glaube, ganz ohne dass ich es im Einzelnen verifizieren könnte und auch im Letzten begründen könnte, ich meine, das ist auch nicht möglich, an eine letztlich kosmische Verantwortung der menschlichen Existenz, eine ganz tiefe kosmische Verantwortung.

Ich war erstaunt, ich stieß in einem Buch, was ich seit zwei Jahren besitze, aber kaum richtig gelesen hatte, wie das häufig so ist, wenn man sich Bücher besorgt und erst einmal in den Bücherschrank stellt und irgendwann guckt man dann genauer hin. Ich stieß auf ein Buch eines Physikers, Wilfried Hacheney, einigen vielleicht bekannt als Wasserforscher, der auch sehr interessant geforscht hat über die Möglichkeit, das Wasser, ähnlich wie Schauberger und Theodor Schwenk, das Wasser auf eine neue Weise durch bestimmte Verwirbelungen zu beleben, also das „tote“ Wasser wieder zu „lebendem“ Wasser zu machen, hat auch eigene Apparate entwickelt, und Hacheney, der es eigentlich ablehnt, in Büchern sich zu äußern, hat sich hier zu einem sehr langen Interview, wenn man so will, einem Gespräch überreden lassen und sagt hier interessante Dinge über den Menschen, die ich zitieren möchte und in diesem Sinne also durch Hacheney nochmal meine eigene Position verdeutlichen möchte. Hacheney ist ein Außenseiter eher. Er scheint der Anthroposophie nahe zu stehen. Die Anthroposophen versuchen ihn zu vereinnahmen. Er scheint das zurückzuweisen.

Auf jeden Fall gibt es da eine gewisse Beziehung, die mir im Einzelnen auch nicht so geläufig ist, das spielt auch keine Rolle. Es gibt einige wunderschöne Aussagen über den Menschen, die ich kurz zitieren möchte. Und wie gesagt, ich leihe mir mal die Stimme von Hacheney, um das Eigene hier zum Ausdruck zu bringen. Er sagt hier: „Der Kräfte-Stufenplan“, ich lasse das mal so stehen, das würde eine weitere Erläuterung bedeuten, „der Kräfte-Stufenplan ermöglicht den Menschen die Überschau über das Sein und die Dynamik der Qualitäten.“ Qualitäten sind für ihn auch Kräfte, also die immateriellen Entitäten, die letztlich impulsieren in die Existenz hinein. Nach ihm, nach vielen anderen dieser Richtung, gibt es überhaupt keine Stoffe, es gibt eigentlich nur Qualitäten. „Was uns als Stoff erscheint, ist nur eine vorübergehende Manifestation dieser Kräfte. Und er gibt den Menschen die Möglichkeit, diese Qualitäten zu ergreifen, zu erheben und lenkend miteinander zu verbinden zu einem Neuen. Also der Mensch hat die Aufgabe, diese kosmischen Qualitäten zu lenken. Frage: So hoch schätzen sie den Menschen ein, so hoch ist der Mensch angelegt, das ist nicht meine Einschätzung, das ist eine Weltenrealität. Ich meine den Menschen, der seinen Auftrag nicht vergessen hat. Ich meine den Menschen, der weiß, dass er das eingekerkerte Licht wieder befreien muss, indem die Erdenstoffe erhoben werden zu Licht und Gestalt.“

Auch für Hacheney spielt die Vorstellung eine zentrale Rolle, die ich ja mehrfach angedeutet habe und im Wintersemester auch noch eingehender darstellen möchte, dass Licht, die Licht-Wesenheit, in der Lage ist, die gravitativen Wirkungen zu mindern, dass es also eine Art antigravitativen Effekt des Lichtes gibt. Er meint auch, Belege dafür zu haben, es sind andere als die, die ich gefunden habe. Aber es ist hochinteressant, der Zusammenhang.

„Also indem die Erdenstoffe erhoben werden zu Licht und Gestalt, an der Erde lernt er, was mit dem Himmel zu geschehen hat. Ich meine nicht den, der nur nehmen, Empfang erhalten will. Es ist nicht so, wie es sich die Natur-Fritzen und Gesund-Esser vorstellen. Die Erde, die ist am Ende ihrer Kraft, und sie braucht den Menschen. Wenn es richtig geschieht, wenn wir wissend sind, dann tragen wir die Erde so hinauf, dann verwandeln wir ihre Früchte in Gestalt und Licht über das Bewusstsein.“

Also eine religiöse, eine quasi sakrale, priesterliche Auffassung vom Menschen hier, der wirklich hier so gesehen wird, als ob er dazu fähig sei, diese kosmischen Qualitäten, diese kosmischen Kräfte wahrzunehmen und gestalthaft zu bündeln und in Licht zu überführen durch sein Bewusstsein. Zweites kurzes Zitat, das Buch geht ja über das Feuer, das heißt Feuer, es ist nicht das physische Feuer gemeint, nicht primär das physische Feuer gemeint, sondern eher die eine Art von Geistfeuer, ätherischem Feuer. „Die Qualität des Lichtes wird über die Qualität des Feuers bestimmt, und die Qualität des Feuers wird über die Qualität des Bewusstseins bestimmt. Wenn der Mensch ein hohes Bewusstsein hat, korrespondiert er mit einer hohen Feuerqualität.“ Ich werde im Zusammenhang mit den Elementen auch noch auf diese Frage des quasi ätherischen Feuers eingehen. „Und wenn er ein abgestürztes Bewusstsein hat, korrespondiert er mit einer sehr niederen Feuerqualität. Dann haben wir nur noch elektrische Menschen, Scheinlichter, lauter Scheinlichter und anstatt das Licht zu verwandeln, legen sie sich in die Sonne und lassen sich bräunen, oder sie zünden Kerzen an, um eine romantische Stimmung [hervorzurufen] [oder sie] schießen Feuerwerkskörper in den Himmel, um ein äußeres Zeichen zu setzen. Und das ist das Entsetzliche, die Menschen scheinen nicht die geringste Ahnung von ihrer immensen Verantwortung zu haben…“ und so weiter.

Also das will ich mir zu eigen machen, ohne dass ich im Einzelnen jetzt hier darstellen könnte, wie Hacheney zu diesen Thesen kommt: Ich halte wirklich den Menschen für ein sehr hohes, zentrales, kosmisch wichtiges Wesen. Und das ist in gewisser Weise auch die Prämisse dessen, was ich vortrage. Davon gehe ich im Grunde aus. Ich habe das immer mal wieder durchblicken lassen. Ich will es nur noch mal hier ganz klar thesenhaft zeigen.

Ich gehe auch aus, und das muss ich auch noch dazu sagen, weil es gerade für das Thema wichtig ist, dass die menschliche Innen-Erfahrung eine Form der Analogie darstellt für den Kosmos überhaupt nach dem Novalis-Satz: „Der Mensch ist eine Analogienquelle für das Weltall.“ Um überhaupt denken zu können, müssen wir Analogien heranziehen, das tut jeder Naturwissenschaftler, Analogien sind gang und gäbe. Ich meine das aber noch in einem etwas spezielleren Sinne. Wir haben nur eine einzige Chance, die Welt wirklich von innen zu verstehen durch uns selber, durch die eigene Leiblichkeit. Und da möchte ich einen Autor noch einmal hier heranziehen, der mir sehr am Herzen liegt, der hier an dieser Universität damals gegen Hegel furchtbar gescheitert ist, nämlich Schopenhauer, der diese Fragen, wie ich finde, auf eine wunderbare Weise auf den Punkt gebracht hat.

Ganz kurz geistesgeschichtlich in Erinnerung gerufen: Schopenhauer war hier 1820 noch über die Mithilfe von Hegel als Dozent eingestellt worden, und er hat die Kühnheit besessen, seine Vorlesung genau parallel zu legen zu der großen Hegel-Vorlesung, zu ihm kam keiner, er hatte zwei, drei Hörer, oder vier Hörer, fünf Hörer. Hegel hatte den großen Erfolg, Schopenhauer hatte keinen Erfolg. Er musste dann irgendwann abbrechen. Seine Vorlesung gibt es noch, als Taschenbücher sind die erschienen bei Piper. Man kann das nachlesen. Großartige Vorlesungen, wunderbare Vorlesungen, also, das gehört zum Besten was es gibt im 19. Jahrhundert.

Ich zitiere mal eine Passage, aus einem unveröffentlichten Manuskript von mir, wo auch Schopenhauer eine Rolle spielt. Um Ihnen das noch mal zu verdeutlichen, das führt ins Zentrum der Frage nach Innen- und Außenwelt, nach Geist, Stoff, Seele. Denn wie anders können wir die Welt sehen als durch uns, weil nur wir selbst haben uns unmittelbar als wir selbst. Alle anderen haben wir nur mittelbar. Ich lese das mal vor, den Text hier, den ich geschrieben habe, und dann die Zitate von Schopenhauer.

Über das Verhältnis von Innenwelt und Außenwelt: „Die Grundfrage der Erkenntnis haben wenige eindringlicher nachgedacht als Arthur Schopenhauer. Seine Willens-Philosophie, die zugleich eine solche des menschlichen Leibes ist ‒ er ist der Leib-Philosoph überhaupt im 19. Jahrhundert ‒ ist ein grandioser Versuch, die Erkenntniskritik Kants sowohl weiterzuführen als auch zu überschreiten. Kant war davon ausgegangen, dass ein unüberbrückbarer Hiatus klafft zwischen der Welt, wie sie sich für den Menschen als Erscheinung darstellt, und der ihr zugrunde liegenden eigentlichen und an sich seienden Welt: Dinge an sich, also jenseits unserer projektiven Anschauungs- und Denkformen, die wir über diese eigentliche Welt-Wirklichkeit legen. In seinem Buch ,Die Welt als Wille und Vorstellung‘ schreibt Schopenhauer (, ich zitiere das jetzt mal): ,Diesem allem zufolge wird man auf dem Wege der objektiven Erkenntnis, mithin von der Vorstellung ausgehend, nie über die Vorstellung, das heißt die Erscheinung hinaus gelangen, wird also bei der Außenseite der Dinge stehenbleiben, nie aber in ihr Inneres dringen und erforschen können, was sie an sich selbst, das heißt für sich selbst, sein mögen. Man bleibt immer außen in der Erscheinungswelt, in der Welt als Vorstellung.‘ Soweit stimme ich mit Kant überein, sagt Schopenhauer. ,Nun aber habe ich als Gegengewicht dieser Wahrheit jene andere hervorgehoben, dass wir nicht bloß das erkennende Subjekt sind, sondern andererseits auch selbst zu den zu erkennenden Wesen gehören, selbst das Ding an sich sind. Wir sind also das, was wir erkennen wollen, dass mithin zu jenem selbsteigenen und inneren Wesen der Dinge, bis zu welchem wir von außen nicht dringen können, uns ein Weg von innen offensteht, gleichsam ein unterirdischer Gang, eine geheime Verbindung, die uns wie durch Verrat mit einem Male in die Festung versetzt, welche durch Angriff von außen zu nehmen unmöglich war.‘ Also der Mensch kommt über sich selbst wie durch Verrat in die Festung, in der er immer war, die er ja nie verlassen hat, die er in gewisser Weise ja ist. Er ist die Festung und das Innere der Festung. Noch immer Schopenhauer: ,Das Ding an sich kann eben als solches nur ganz unmittelbar ins Bewusstsein kommen, nämlich dadurch, dass er selbst sich seiner bewusst wird. Es objektiv erkennen wollen, heißt, etwas Widersprechendes verlangen.’“ Nicht, das kann man natürlich mit Hegel zusammenbringen, das Subjekt muss Substanz werden, wenn man das möchte, obwohl Schopenhauer der schärfste Hegel-Kritiker im 19. Jahrhundert war, er hielt ja Hegel für einen Schwätzer und Dilettanten. Jetzt der Text hier weiter von mir: „Im eigenen Leib als dem von innen gefühlten und gefüllten Körper, also im eigenen Leib, hat der Mensch und ist der Mensch die gesuchte Einheit von Innenwelt und Außenwelt, von Ding an sich und Erscheinung. Der Mensch ist immer innen und außen gleichzeitig. Wenn ich meine Hand betrachte, dann bin ich innen und gleichzeitig ist diese Hand außen, es ist die einzige Möglichkeit, wo ich wirklich Innen und Außen zusammen fassen kann. Als Körper unter Körpern ist der menschliche Leib außen und nur außen, ist er ein Gegenstand, ein Ding, ein Es. Aber dieses Es, dieses Ding, dieser Gegenstand ist zugleich unlösbar innen. Wir, die Menschen, stecken im Körper und machen ihn dadurch zum Leib.“ Also Körper, das Es, das Ding da draußen und Leib der von innen gefühlte und gefüllte, der beseelte, der ichhaft belebte Körper. „Aber dieses Es, dieses Ding, dieser Gegenstand ist zugleich unlösbar innen. Wir, die Menschen, stecken im Körper und machen ihn dadurch zum Leib. Die Festung der Welt ist im Sturmangriff von außen uneinnehmbar. Aber es ist auch nicht nötig, diesen Sturmangriff ins Werk zu setzen. Der Mensch ist schon, wie durch Verrat, in die Festung gelangt. Er ist immer schon als er selbst in der Festung. Der Mensch ist die Festung, die es zu stürmen gilt, und das bereits erreichte Ziel: die Festung von innen. Hier und nur hier ist der Ausgangspunkt genuinen Erkennens. Und diesen Ausgangspunkt kann man über die Schopenhauersche Leibphilosophie hinaus erweitern und vertiefen. Als er selbst ist der Mensch zugleich die innerste Wirklichkeit der Welt und deren Außenseite. Der Mensch ist im Kosmos und zugleich der Kosmos selbst.“

Ich lese diesen letzten Satz nochmal, das ist wirklich für das Thema essenziell wichtig: „Als er selbst ist der Mensch zugleich die innerste Wirklichkeit der Welt und deren Außenseite. Der Mensch ist im Kosmos und zugleich der Kosmos selbst.

Noch einmal Novalis, Zitat: „Was außer mir ist, ist gerade in mir, ist mein und umgekehrt.“ Und, Novalis: „Kosmologie ‒ es ist einerlei, ob ich das Weltall in mich oder mich ins Weltall setze. Spinoza setzte alles heraus, Fichte alles hinein. So mit der Freiheit. Ist Freiheit im Ganzen, so ist Freiheit auch in mir.“ Zitat Ende.

„Alles hängt an der Frage, ob der Analogieschluss vom Einzelnen, wie es sich im Menschen verdichtet, manifestiert zum Ganzen legitim ist.“ Das ist die Kernfrage: Ist das legitim? Kann man das machen? Darf man das machen? „Ich meine, dieser Analogieschluss ist berechtigt. Er ist nicht nur dies, er ist auch notwendig, er ist unverzichtbar. Verneine ich ihn, wird Erkenntnis vollends unmöglich. Dann kann sie nur pure Projektion sein, nur ein projektives In-Beziehung-setzen, wenn ich diesen Grundansatz verneine. Verneine ich ihn, wird Erkenntnis vollends unmöglich. Ich muss schlechterdings davon ausgehen, dass das Leib-Seele-Geistwesen, das ich geworden bin, den Kosmos nicht nur spiegelt oder abbildet, obwohl auch das der Fall ist, sondern dieser Kosmos, bis zu welchem Tiefengrade auch immer, ist. Was Novalis über die Freiheit sagt, die ja nur Willensfreiheit sein kann, berührt diesen Punkt. Das, richtig verstanden, hebelt jeden Reduktionismus aus. Nur auf diese Weise ist die erwähnte Subjektblindheit zu überwinden. Wenn die Substanz, das Außen, der Welten-Stoff, die Natur, nicht auch zugleich Subjekt ist oder werden kann, wenn sie nicht Geist von meinem Geiste ist: Wie soll ich [dann] irgendetwas da draußen erkennen? Es ist einfach unsinnig, vom Außen auszugehen und aus den hier abgeleiteten oder postulierten Gesetzen, Naturgesetzen den Menschen gleichsam zu konstruieren. Diese Konstruktion, an der ja allenthalben gearbeitet wird bis zum modernsten Gehirn­physiologie, bleibt ein erkenntnismäßiger Irrtum.

Nicht, dass die Welt nicht kartografiert und beschrieben werden dürfte oder sollte, sie darf und sie soll es, wenn die Ganzheit der Phänomene dabei nicht zu Schaden kommt. Aber damit wird die Festung nicht erstürmt…“ und so weiter. (Und dann kommt hier, das habe ich nicht gemacht, weil du hier gekommen bist, Johannes, sondern das hätte ich auch so gemacht.) Zu den wenigen Denkern heute, die von einem analogen Ansatz ausgehen, gehört der Philosoph Johannes Heinrichs. In seiner großartigen „Öko-Logik“ schreibt er, hier zwei Zitate: „Die Naturphilosophie muss primär als ganzheitliche Anthropologie entwickelt werden. Der Mensch ist der Schlüssel, und zwar nicht allein, aber einschlussweise einer Philosophie des menschlichen Leibes. Und ein moderner kosmischer Naturbegriff lässt sich von der triadischen Natur des Menschen als Körper-Seele-Geist-Einheit gewinnen. In materialer wie methodologischer Hinsicht bildet der Mensch selbst den notwendigen Ausgangspunkt einer ontologischen Naturphilosophie.“ 100 Prozent d’accord dazu.

„Geht man diesem Ansatz aus dem Wege, und das geschieht ja im Hauptstrom des Denkens der Naturforschung, der Kosmologie heute, landet man fast notwendig beim Reduktionismus, bei dem, was Schopenhauer als ,absolute Physik‘ bezeichnet, also die Physik ohne eine Metaphysik, und, wie ich meine, auch ein für alle mal widerlegt hat.“ Und so weiter.

Also das ist ein wesentlicher erkenntnistheoretischer Ansatz, ohne den ich gar nicht arbeiten kann. Ich habe ja doch die Außenwelt zunächst einmal wirklich nur als diese Außenwelt. Ich habe ja auch jeden anderen Menschen zunächst einmal als den Anderen oder als die Anderen. Und ich muss, um seine Innenseite zu erschließen, ja das, was mir in die Wahrnehmung dringt, interpretieren. Ich muss es deuten. Ich habe ja keinen unmittelbaren Zugang, zunächst einmal, zu der Tiefe des Anderen, der Anderen und auch zur Tiefe der Welt. Aber durch mich selber habe ich diesen Zugang, weil ich bin ein integraler Teil dieses umfassend verstandenen Kosmos und folglich auch in der Lage, die Grundgesetze dieses Kosmos kraft dieser Innenschau und dieses von innen gespeisten Denkens zu erkennen. Das wollte ich Ihnen auf jeden Fall verdeutlichen, weil es wirklich ein Ausgangspunkt ist, eine Prämisse.

Ich sehe nicht oder habe bis zum heutigen Tage noch nicht sehen können, wie das widerlegbar sein soll. Ich habe jedenfalls bis heute noch keine wirklich stichhaltigen Argumente gehört, die in der Lage wären, diese Grundposition in irgendeiner Form zu widerlegen. Ich halte das für einen unabdingbaren Grundansatz.

Ich will auch ganz kurz eine Ergänzung bringen zur Lemniskate. Ich habe Ihnen ja am Beispiel der Lemniskate, der liegenden Acht, versucht, ein bisschen was vom Rhythmus zu erläutern. Und sie werden sich vielleicht erinnern, dass ich auch gesagt hatte, dass der Geist und der Bios nicht synchron gehen, dass häufig genug zu beobachten ist, dass der Geist sich erst dann entfaltet, wenn der Bios absinkt. Quasi durch Todes- und Abbau-Prozesse entfaltet sich der Geist. Das kann man auch mit dieser Lemniskate deutlich machen. [Erläutert das an anhand einer Zeichnung an der Tafel.] Nicht, das ist ja bekannt, dass der Höhepunkt des Bios nie einhergeht, nie synchron geht mit dem Höhepunkt des Logos, sondern dass eher in Todesprozessen Geist geboren (freigelegt) wird. Vielleicht ist das sogar der tiefste Sinn dieser Werde- und Vergehens-Prozesse der Natur, den Geist zu entbinden. Das wäre eine Antwort auf die Frage: Warum gibt es Vergänglichkeit? Das wäre auf jeden Fall eine Möglichkeit.

Dann hatte ich Ihnen, und da möchte ich anknüpfen, am Beispiel des von mir hochgeschätzten Naturphilosophen und Biologen Herbert Fritsche, 1911 bis 1960, anhand seines Buches „Der Erstgeborene“, eine andere Polarität zu verdeutlichen versucht, die auch mit diesem Thema zusammenhängt. Fritsche bezieht sich, wie Sie sich vielleicht erinnern, auf einen von dem Paläontologen Edgar Dacqué herausgestellten Begriff der sogenannten „Ursinnes-Sphäre“. Er meint damit eine magische Bewusstseinsschicht, wir würden vielleicht sagen: eine vor-mentale Bewusstseinsschicht. Und er sieht eine Grundpolarität zwischen dem wach-bewussten Geist, dem ichhaft fokussierten Geist und dieser Ursinnes-Sphäre, er übernimmt diesen Begriff. Und, ich will mal eine Passage, die ich letztes Mal nicht gebracht habe, hier vorlesen. Sie mögen bei der einen oder anderen Formulierung, die hier gewählt wird, vielleicht verwundert sein, weil das ist nicht die Sprache, die heute, sagen wir mal, der philosophical correctness entspricht. Das ist eine andere Sprache, das ist eine ganz eigene Sprache, beeinflusst von bestimmten Strömungen in der deutschen Geistesgeschichte, auch überhaupt in der abendländischen Philosophie, da ist Goethe-Einfluss drin, da ist auch ein Einfluss drin der Theosophie und anderer.

Fritsche war kein Anthroposoph, im Gegenteil, Fritsche war ein starker, prononcierter Gegner von Steiner. Er hat die Anthroposophie scharf abgelehnt, obwohl er in vielerlei Hinsicht auch Ähnlichkeiten hat in seinem Ansatz. Das hat jetzt zu tun mit der Frage Geist, Seele und Stoff. Ich zitiere das mal aus „Der Erstgeborene“, Herbert Fritzsche, Ausgabe 1948: „In tieferen Persönlichkeitsschichten wallt noch immer der frühe Mensch, der magische Mensch.“ Nicht, ungefähr in dieser Zeit hat der Jean Gebser auch seine Bewusstseins-Evolutionstheorie entwickelt, auch vom Archaischen, Magischen, Mythischen, Mentalen bis zum Aperspektivischen, Integralen, also, „in tieferen Persönlichkeitsschichten wallt noch immer der frühe Mensch, der magische Mensch. Wir wollen ihn den Blutmenschen im Gegensatz zum Hirnmenschen nennen. Im Daseinskampf des Alltags überblendet das Großhirn, das Spezialinstrument des Formenkreises Homo sapiens, den gewissermaßen unterirdisch lebenden Blutmenschen, der mehr oder weniger stumm in seinem hormonalen Medium atmet.“ Vielleicht das, was man heute verbindet mit dem limbischen System, mit dem Reptiliengehirn, mit gewissen Abstrichen könnte man das sagen. Es sind ja auch diese drei verschiedenen Gehirne, die im ständigen polaren Wettstreit miteinander liegen. „Wo das Großhirn noch nicht so eindeutig wirkungsmächtig ist wie beim weißhäutigen Homo faber, also bei den Naturvölkern vor allem, ist doch der Blutmensch noch wacher mit Totemismus, Ritual und magischem Weltbemächtigungs­drang, auch wo das Großhirn nachträglich Einbuße erleidet. Bei Neurosen, Psychosen und Prozessen paralytischer Natur kommt der magische Blutmensch zum Vorschein, diesmal jedoch verzerrt und zerfetzt. Die ordnende Kraft der hellen Hirnlichkeit, die Wachbewusstseinshelle wurde von der Krankheit weggenommen. Nun steigt als Chaos, als wüste Walpurgisnacht das befreite Schamanentum ursinnlicher und blutgebundener Mächte aus seinem Kerker und tritt die Herrschaft an, ungehemmt, zügellos, zerstörerisch.“ ‒ Das kann man übrigens im Nationalsozialismus beobachten, das ist zum Teil geschehen. Also dass eine gewisse Schicht sich vehement Bahn gebrochen hat gegen die integrale, gegen die steuernde und lenkende Funktion der Ichhaftigkeit des Menschen. Also ein Aufbrechen dieser vor-mentalen, magischen Schichten. Übrigens, auch zeitgleich ungefähr hat das Jung auf ganz andere Weise in der Archetypenlehre auch versucht darzustellen.

Und dann schreibt er hier noch an einer anderen Stelle: „Könnte nicht die magische Tiefenschicht der Persönlichkeit“, also diese vor-mentale Schicht, „der latent in uns lebendige Blutmensch mit der Potenzenfülle seiner Ursprungsnähe“, ‒ und jetzt beschreibt er seine Vision ‒ „auch einmal heraufgeholt werden in die Geisteswachheit, die uns das Instrument Hirn vermittelt, statt immer nur auf Kosten dieser Geisteswachheit, also gleichsam anarchisch in Erscheinung zu treten. Muss immer dieses klare Bewusstsein des Hirnmenschen, sei es durch Ermüdung, durch Rauschgifte oder durch Hormone, abgedunkelt sein, um den Magus walten zu lassen. Solange diese Abdunklung geschieht, ist der Blutmensch identisch mit dem Erbgedächtnis, in der Mneme lauernden Frühmenschen schamanischer Haltung. Vermag aber der Blutmensch den Hirnmenschen, ohne ihn zu verdrängen, zu durchdringen, so muss an Stelle des Frühmenschen der Zukunftsmensch, der Zielmensch in Erscheinung treten.“ Und dann hier der Versuch, eine Bewusstseinsform visionär darzustellen, die in der Lage ist, diese magisch-schamanischen Tiefenschichten in die ichhafte Klarheit zu überführen und integral zu verbinden. Das erinnert natürlich an Steiner. Also, nicht, die Trancehaftigkeit der Schau, nicht die trancemäßige Schau, sondern die wachbewusste, helle Zugangsweise zu diesen Schichten. Sozusagen das, was an sich dem klaren Bewusstsein sich entzieht, in die Klarheit des Bewusstseins zu überführen. Nicht, das gilt ja generell für die Betrachtung auch von Tieren und Pflanzen. Ich habe ja, glaube ich, das letzte Mal auch schon angedeutet, dass ich ja in dem Buch „Was die Erde will“ sogar gesagt habe, der Mensch müsste das unterichhafte kosmische Bewusstsein der Pflanzen in die Ichhaftigkeit überführen. Es wäre natürlich ein Bewusstseinsakt, dessen Realisierung im Moment gar nicht absehbar ist. Wie soll das gehen? Das würde eine ganz andere und neue, weitere transmentale und und integrale Bewusstseinsform beinhalten. Ich will einige Akzente zu setzen versuchen, nochmal darüber hinausgehen. Man kann ja das Verhältnis, die polare Spannung von Geist und Stoff, archetypisch oder idealtypisch gesehen, auf zweierlei Weise denken. Man kann sagen, das sind einfach zwei grundsätzlich verschiedene Entitäten der Welt. Der Stoff ist das eine, Materie, wie ich das ja gesagt habe am Beispiel von Newton, ‒ und die Kräfte-Welt oder die geistige Welt, das ist nicht unbedingt identisch, ist etwas ganz Anderes. Es gibt also sozusagen die materielle Welt und die immaterielle Welt als zwei auf ewig geschiedene Entitäten, die sich auf eine rätselhafte Weise durchdringen. Aber, man kann auch eine These vertreten, und sie wird viel vertreten, dass es quasi ein Kontinuum gibt in der Welt. Das ist ja eine sehr verbreitete These, dass es ein Kontinuum gibt von dem sogenannten Grobstofflichen, dem materiell Gröbsten, bis zum Feinsten. Dann wäre also der Geist nichts weiter als allerfeinste, allerfeinste Materie, also vom Groben zum Feinsten. Das kann man.

Diese letztere Position, die in gewisser Weise eine sehr simple ist, kann aber doch auch ausdifferenziert werden. Es gibt hochintelligente Formen, das auszudifferenzieren, vielfältigster Art. Ich habe hier gerade in meinen Papieren ein Zitat gefunden von Ernst Jünger, einem hochkarätigen Denker auch, der nicht nur als Schriftsteller bekannt [ist], der genau zu dieser Frage Stellung nimmt. Ich will das mal kurz vorlesen. Das hilft uns für den nächsten Schritt. Ernst Jünger, im vorigen Jahr im Alter von 103 Jahren gestorben, umstrittener Schriftsteller, aber einer der luzidesten Köpfe des 20. Jahrhunderts.

Ernst Jünger schreibt zu dieser Frage: „Die Physik, die zu so scharfsinnigen Gleichungen von Kraft und Stoff vorgedrungen ist, bedürfte der Ausdehnung in neue Dimensionen, um uns zu lehren, dass der Stoff gleichzeitig Geist ist und so gesehen nichts außerdem. Dass der Stoff gleichzeitig Geist ist und so gesehen nichts außerdem. Dort müssen die feinsten, die immateriellen Teilchen sein. Erst so erklärt sich die Macht der Phänomene, und zwar nicht nur der physikalischen, sondern auch der biologischen und moralischen, deren Ähnlichkeit (Analogie) auf eine unteilbare Einheit hinweist und deren Divergenz auf die perspektivische Beschränkung des exzentrisch gewordenen Beobachters.“ Kann man als eine monistische Position interpretieren, mit gewissen Abstrichen oder auch als eine in bestimmter Weise platonistische. Noch mal Jünger: „Das Vegetative ist schon in den Elementen. Das zeigen die Eisblumen. Die Eisblume ist nicht genetisch älter als die Rose. Sie ahmen beide ein verborgenes Vorbild nach. Auch im Kristall ist Leben. Der Baum des Lebens reicht mit seinen Wurzeln bis auf den Grund der Materie. Es gibt keine unbelebte Materie. Das Universum lebt. Was wir als Leben bezeichnen, ist eine kleine Insel, ein Riff im ewigen Meer. Wir wohnen an einem der kritischen Punkte des Weltalls, und wie bei kritischen Temperaturen Kristalle bald wachsen, bald verschmelzen, so leben und sterben wir. Der Tod ist eines unserer Phänomene, ein Aggregatzustand.“ ‒ Ich lasse das einfach mal so stehen. Das müsste man im Einzelnen interpretieren. Was meint Jünger damit? Wie wird das von ihm gedanklich ausdifferenziert? Es ist ja keineswegs so, dass Jünger hier ganz einfach so die von mir skizzierte Kontinuums­vorstellung vorstellt. Aber er sagt, im Grunde ist der Stoff immer notwendig Geist und der Stoff ist immer nicht nur Geist, ist auch gleichzeitig, nicht nur potenziell, sondern real Bios. Es gibt überhaupt keine in diesem Sinne anorganische Welt. Das ist eine These, die man zurückverfolgen kann bis auf romantische Positionen, etwa bei Schelling findet man diese These, auch bei Fechner und anderen Denkern. Also die Annahme, dass es im Grunde genommen gar nichts Anorganisches gibt. Was wir für das Anorganische halten, ist nichts weiter als eine sehr beschränkte Perspektive, weil wir abgeschnitten sind von dem All-Leben, von dem Jünger wie selbstverständlich ausgeht.

„Es gibt keine unbelebte Materie. Was wir als Leben bezeichnen, ist eine kleine Insel, ein Riff im ewigen Meer. Wir wohnen in einem der kritischen Orte des Weltalls, und wie bei kritischen Temperaturen Kristalle bald wachsen, bald verschmelzen, so leben und sterben wir. Auch im Kristall ist Leben.“

Das ist wichtig. Die Grundfrage. [Ich meine] Schelling hatte das ganz klar beantwortet. Organisches Leben aus der toten Materie sich entwickelt… , kann sich niemals aus der toten Materie entwickelt haben. Materie selber muss schon ideenträchtig, geistträchtig und in diesem Sinne selber schon organisch sein.

Dazu noch ein kurzes Zitat, was ich gefunden habe heute Mittag aus Papieren vom letzten Sommer, als ich an einem neuen Buch gearbeitet hatte. Das habe ich dann im Buch so selber nicht verwendet, aber ich lese es mal hier vor, weil es zum Thema gehört, noch mal zu Materie und Geist, zu dieser Frage wie sie auch Jünger hier andeutet und dann zu Hauschka, und zur Frage einer anderen Weise, Substanzen zu sehen, sozusagen eine qualitative, wenn man so will, eine organische Chemie zu entwickeln. Ich habe damals geschrieben, vor ungefähr einem Jahr: „Materie, das Anorganische überhaupt, kann nicht in einem absoluten Sinne tot sein, denn unverkennbar waltet in der Materie insgesamt ein medialer Logos, der überhaupt so etwas wie Ordnung ermöglicht, aus der auch die sogenannten Naturgesetze hervorgehen. Wenn die Physiker Trägheit als, so heißt es in vielen Physik-Lehrbüchern, Fühl-Organ für die Raumzeit-Metrik bezeichnen, Fühl-Organ für die Raumzeit-Metrik, dann ist allein diese gleichwohl nur als Metapher gemeinte Bezeichnung ein Indiz für eine eigene Wahrnehmung der Materie, und zwar eine Wahrnehmung, die in die Grundstruktur der Raumzeit-Ordnung des Universums hineinreicht. Wenn die Materie Naturgesetzen gehorcht, in Anführungszeichen, heißt dies zweierlei: Die Naturgesetze selbst sind Geist, nicht Materie. Sie sind ein eminent starker Geist, so stark, dass aller Widerstand dagegen (der Materie) zwecklos erscheint, ein allgegenwärtiges, allmächtiges Etwas. Die Materie gehorcht.“ Die Frage: Warum tut sie das? „Das heißt, sie registriert den allgegenwärtigen, quasi allmächtigen Logos und reagiert auf ihn als Ganzes. Sie ist nichts weiter als dieses Reagieren.“ Materie ist nichts weiter als das, quasi das Reagieren auf den allgegenwärtigen Logos, siehe Schopenhauer über Materie und Kausalität. „Der herkömmlichen Physik nach ist die Trägheit eine Eigenschaft der Materie, ein Attribut. Diese Eigenschaft soll ein Raum-Zeit-Fühl-Organ sein, das, befreit von allen Kräften, die ewige, geradlinig gleichförmige Bewegung ausführt, schnurgerade in die Ewigkeit, mit einem absoluten Feeling für den leeren, unbegrenzten Raum und für die Zeit, denn die Geschwindigkeit wird nicht verändert. Wie können die immateriellen, ewigen, unwandelbar als quasi göttlich vorgestellten Naturgesetze überhaupt Zugriff gewinnen auf die Materie? Sie können es nur über den Geist der Materie. Geist wirkt auf Geist, die Materie gehorcht den Naturgesetzen als Geist. Insofern wären auch Himmelskörper, die als mausetot eingestuft werden, Materieklumpen mit der Grundeigenschaft, auf den allgegenwärtigen medialen Logos reagieren zu können.“

Also auch ein Versuch, überhaupt verständlich zu machen, warum denn die sogenannte tote oder anorganische Materie überhaupt auf diese sogenannten Naturgesetze reagieren kann. Meine These hier: Sie kann es nur deswegen, weil eine Wahrnehmung vorliegt, wie die Gestirne sich als [Ganzes] nur nach bestimmten Gesetzen bewegen, weil eine quasi kosmische Wahrnehmung vorliegt, die wir nur nachzeichnen können, nicht, aus der Tiefe und von innen her verstehen können.

Nun zu diesem Versuch, Stoffe im Sinne einer organischen Form von Stoff-Lehre, Substanz-Lehre, Chemie zu verstehen. Der Chemiker Rudolf Hauschka hat in seinem exzellenten Buch „Substanz-Lehre“, das 1942 erschien, was immer wieder aufgelegt worden ist, das gibt es auch heute noch [beim] Vittorio Klostermann Verlag, den Versuch unternommen, dieser Frage sich in besonderer Weise zu nähern. Vorab gesagt seine Kernthese, die macht das Folgende deutlich: Er sagt, es gibt eigentlich keine für sich seienden Stoffe in dem üblichen Sinne, sondern Stoffe sind erstarrte Prozesse. Das ist ein wichtiger Punkt. Stoffe sind erstarrte Prozesse, und auch organische Formen sind nichts weiter als erstarrte, quasi versteinerte Prozesse. Das kann man sich mit einiger Phantasie, derer es dann ja auch bedarf, sehr leicht vorstellen, wenn man in einer gewissen meditativen Wachheit etwa Pflanzen-Betrachtungen macht oder sich Wurzelwerk anschaut oder Strukturen von Rinden oder ähnliche Betrachtungen [anstellt], dann kann man die Vorstellung in sich wachrufen, dass das quasi zum Stillstand gekommene, quasi versteinerte rhythmische Bewegungen sind, dass hier etwas gestoppt ist, wie festgefroren, wie erstarrt. Und das kann man dann auch bis in die Gesteine hinein verfolgen. Ganz bestimmte Eisenerze haben bestimmte Strukturen, wie festgefroren. Novalis sagt einmal in „Fragmente“: „Die Natur ist eine versteinerte Zauberstadt.“ Das ist ein wunderschöner Begriff, den man vertiefen kann, auch wie gesagt gedanklich, meditativ. Das kann man wirklich, man kann sich bis zu einem gewissen Grade in diese Wahrnehmung hineinbegeben. Es sind ja wirklich Prozesse. Ich meine, ein solches gewaltiges Baumwesen ist ja prozesshaft entstanden, ist ja wirklich aus dem ganz Kleinen so gewachsen, nur in einer ungeheuren Langsamkeit. Man kann sich das auch schneller vorstellen. Auch das übrigens findet man zum Teil bei Schelling, der immer wieder betont in seiner Naturphilosophie, dass Formen erstarrte Bewegung sind, also Formen sind erstarrte Bewegung. Er geht sogar so weit zu sagen: Es gibt gar keine starren Atome, sondern Atome sind eine erstarrte kosmische Bewegung. Einige haben gesagt, damit habe er wichtige Positionen der späteren energetischen Physik vorweggenommen. Das weiß ich nicht, ob man das so sagen kann. Auf jeden Fall ist es eine Möglichkeit.

Hauschka ist in dem Sinne kein Philosoph. Er beruft sich auf Experimente. Er hat selber in den 30er, 40er Jahren eine Fülle von Experimenten gemacht, um zu zeigen, dass diese Grundthese richtig ist. Er bezieht sich unter anderem auf legendäre Experimente, die von Herzele in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts gemacht worden sind. Er paraphrasiert das wie folgt. Es würde zu weit führen, diese Experimente von Herzele im Einzelnen mit Herzele selber darzustellen. Er bringt im Anhang dieses Buches die genaue Darstellung dieser Experimente. „Herzele veröffentlicht in dieser und den folgenden Schriften etwa 500 Analysen, 1875 bis 77, in dem Dreh, an denen er zeigt, dass der Mineralgehalt von Samen, Kalium, Magnesium, Phosphor, Kalzium und Schwefel beim Keimen in destilliertem Wasser ansteigt, also dass der Mineralgehalt von Samen beim Keimen in destilliertem Wasser ansteigt. Die Versuche wurden in Porzellanschalen ausgeführt, die zum Schutz gegen Staub mit einer Glasglocke auf Luftfilter abgedeckt waren. Entsprechend dem Gesetz von der Erhaltung des Stoffes sollte erwartet werden, dass die im destillierten Wasser wachsenden Pflanzen denselben Mineralgehalt aufweisen müssten wie die Samen, aus denen sie wachsen. Das müsste so sein. Aber Herzeles Analysen zeigen ein deutliches Anwachsen sowohl des Aschengehaltes als auch der einzelnen Aschenbestandteile, was erstaunlich ist, verblüffend eigentlich, [das] dürfte eigentlich nicht sein. In einer weiteren Versuchsreihe verwendet Herzele statt destilliertem Wassers Lösungen mit einem bestimmten Salzgehalt. Er findet zum Beispiel, dass Keimlinge, die in einer Lösung mit bekanntem Phosphorsäuregehalt wachsen, die Lösung an Phosphor ärmer machen, aber selbst an Phosphor nicht zunehmen, stattdessen aber einen erheblichen Zuwachs an Schwefel aufweisen. Es scheint, sagt Herzele, dass die Pflanze fähig ist, Phosphor in Schwefel zu verwandeln, wenn das auch gar nicht vorstellbar ist im Sinne der herkömmlichen Chemie, es kann eigentlich nicht sein. In derselben Weise findet er, dass der Phosphor in der Pflanze zunimmt, wenn sie an einer Nährlösung von Kalziumsalzen wächst und das Kalzium in der Pflanze zunimmt, wenn sie Magnesiumsalz-Nährlösung wächst. Für die Anreicherung des Magnesiums in der Pflanze schließlich, findet er die ….in der Kohlensäure.“ Jetzt werden hier Zahlen genannt, Wägeversuche sind sehr minutiös über viele Jahre hinweg vorgenommen worden.

Hauschka hat das zum Teil nachvollzogen. Die Pflanze scheint also fähig zu sein, Stoffe umzubilden, aber im Organischen sei ‒ Herzele ‒ überhaupt die Entstehung elementarer Stoffe ein alltäglicher Vorgang. Da liegt der Punkt, im Organischen gibt es die Möglichkeit, dass das sogenannte Anorganische entsteht, aus einem letztlich schwer begreifbaren Vorgang heraus. Er geht sogar so weit zu sagen, dass die aprioristische Entstehung eines toten Stoffes unmöglich ist. Zitat Herzele: „Das Lebendige stirbt, aber das Tote wird nicht geschaffen. Nicht der Boden bringt die Pflanze hervor, sondern die Pflanze den Boden.“ Hier zitiert er einen Philosophen namens Preuss, der mir nicht bekannt ist. Preuss äußert sich über diese Forschung folgendermaßen: „Mit seinen Versuchen hat von Herzele den Beweis handgreiflich geliefert, dass die Unveränderlichkeit der chemischen Elemente eine Fiktion ist, von der wir uns losmachen müssen, wenn wir in der Erkenntnis der Natur vorwärtskommen wollen.“

Dann hat Hauschka viele dieser Experimente nachvollzogen, hat sie verfeinert und hat über Jahre hinweg sogenannte Wägeversuche gemacht. „Als das Resultat eines Jahrzehnts eigener Forschungsarbeit des Verfassers muss gesagt werden“, schreibt hier Hauschka, berühmt ja mehr als durch dieses Buch, durch seine Ernährungslehre, „als das Resultat eines Jahrzehnts eigener Forschungsarbeit des Verfassers muss gesagt werden, dass Herzeles Behauptungen im Großen und Ganzen wissenschaftlich haltbar sind und keineswegs so phantastisch, wie sie im ersten Augenblick anmuten. Viele von Herzeles Versuchsreihen wurden nachgeprüft, und die von Herzele angegebenen Tatsachen fanden ihre Bestätigung. Eine Zunahme mineralischer Substanz konnte in vielen Fällen gefunden werden. Aber es muss doch etwas festgestellt werden, was in Herzeles Arbeit nirgends erwähnt ist. In manchen Fällen nämlich zeigte sich auch eine Abnahme von Mineral­substanz. Die Feststellungen Herzeles müssten demnach dahin erweitert werden“, jetzt kommt eine erstaunliche, zunächst einmal schwindelerregende Behauptung, „die Feststellungen Herzeles müssten demnach dahin erweitert werden, dass die Pflanze sowohl Substanz aus einer über-materiellen Sphäre erzeugt, als auch ihre Substanz unter Umständen wieder in einen unmateriellen Zustand überführt. Herzeles Arbeiten lassen übrigens auch die Frage offen, ob wirklich eine originäre Bildung von Materie stattfindet oder ob lediglich eine Stoffverwandlung aus Kohlensäure und Stickstoff in die mineralischen Bestandteile der Pflanze angenommen werden muss. Die eigenen Forschungen haben nun ergeben, dass tatsächlich eine schöpferische Neubildung von Materie in Frage kommt.“ Jetzt beschreibt er seine eigenen Versuche. Die Interesse haben an dem Detail dieser Versuche, mögen da vielleicht eine besondere Aufmerksamkeit walten lassen. Das ist also nicht einfach spekulativ denkend erschlossen. „Die eigenen Keimversuche wurden nun nicht mehr in offenen Schalen ausgeführt, sondern in luftdicht verschlossenen Gläsern, später in [zu]geschmolzenen Ampullen, in die also weder Kohlendioxid noch Stickstoff noch sonst ein stoffliches Agens eindringen oder entweichen kann. Die Gläser bzw. Ampullen wurden nunmehr auf einer Analysenwaage beobachtet. Wenn es richtig ist, dass die Pflanze Materie bildet“, das war seine Prämisse, die hat er erst einmal abgeleitet von Herzeles Versuchen, „dann müsste erwartet werden, dass das Gefäß mit den Keimlingen schwerer wird, denn Materie hat Gewicht. Wenn es andererseits richtig ist, dass in der Pflanze Materie auch vergeht, dann müsste das Glas mit dem Pflänzchen leichter werden. Obwohl beabsichtigt ist, die genaue Versuchsanordnung und alle Einzelheiten der Ergebnisse in Kürze zu veröffentlichen, soll nachstehend eine vorläufige Mitteilung erfolgen.“

Jetzt stellt er im Einzelnen seine Wägeversuche dar. Er stellt dar, dass das im rhythmischen Wechsel passiert, in strenger Abhängigkeit zum Neumond und zum Vollmond, warum auch immer. Das mag damit zusammenhängen, sage ich mal mit einiger Vorsicht, dass möglicherweise auch über Vollmond und Neumond sich die gravitativen Bedingungen ändern. Es ist ja bekannt, dass etwa der Schlaf im besonderen Grade gestört wird bei Vollmond. Nicht, das ist eine im Übrigen nicht geklärte, medizinisch-physiologisch nicht geklärte Geschichte. Ich habe ja letztes Mal Ihnen auch versucht zu erläutern, dass man das Phänomen des nächtlichen Schlafes auf eine neue Weise erklären kann, was ungeklärt ist. Kein Mediziner dieser Erde kann wirklich klar angeben, warum der Mensch nachts eigentlich schläft, was der tiefe Grund dieses Schlafes ist. Das ist letztlich eine vollkommen offene Frage. Es könnte also damit zusammenhängen, dass tatsächlich mit ganz feinen Differenzierungen, unter anderem damit, in den jeweils gravitativen Verhältnissen. Das müsste übrigens sogar im Sinne der herkömmlichen Naturwissenschaft so sein. Denn selbst im Sinne der herkömmlichen Naturwissenschaft ist es ja so, dass auch bei Gezeiten-Effekten nur 60 Prozent dem Mond zugeschrieben werden, aber 40 Prozent der Sonne. Dann müsste es eigentlich so sein, dass am Tage tatsächlich der Körper etwas leichter ist als in der Nacht.

Also, er stellt hier eine ganze Reihe von Versuchen minutiös dar und kommt dann zu folgendem Resümee. Also ich kann ihnen das dringend empfehlen, wenn sie das interessiert, diese Sachen nachzulesen. Das Buch ist noch erhältlich. Das ist also ein geistiges Abenteuer, das im Einzelnen hier auch nachzuvollziehen.

„Das auffallende Abklingen der Kurven nach den großen Ausschlägen des Jahres 1934 kann in diesem Rahmen nicht näher erläutert werden. Es ist aber augenscheinlich, dass ebenso wie der Sonnenrhythmus, dem Mondenrhythmus übergeordnet ist, jener durch einen noch größeren Rhythmus umfasst ist.“ Darauf will er ohnehin hinaus, dass alle kleineren Rhythmen letztlich abhängig von größeren kosmischen Rhythmen sind. „Beim Studium der Pflanze berühren wir eine Sphäre, wo die Prozesse sich von mechanischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten emanzipieren und sich anderen kosmischen Einwirkungen und Gesetzmäßigkeiten öffnen.“ Denken Sie an das, was ich mehrfach gesagt habe über die Möglichkeit anzunehmen, dass es einen quasi anderen Raum gibt, der diesen antigravitativen Effekt hat. Ein Raum, in dem im Letzten das Licht angesiedelt ist, wenn das Wort „angesiedelt“ überhaupt richtig ist. Da sind extrem subtile Fragen, die aber der Durcharbeitung bedürfen. Ich arbeite seit Jahren an diesem Thema, und es ist unerschöpflich. Ich will versuchen also auch im Wintersemester noch einiges dazu zu sagen.

„Das Gesetz von der Erhaltung des Stoffes ist nur gültig innerhalb bestimmter Grenzen in der mineralischen Natur, jedenfalls aber nicht ohne Weiteres im Bereich des Lebendigen. Wir sind daher nicht berechtigt“ ‒ jetzt kommt seine eigentliche Pointe Stoff, Geist ‒ „wir sind daher nicht berechtigt, die jetzige Daseinsform des Stoffes weder in die Unendlichkeit der Vergangenheit und der Zukunft noch in die Unendlichkeit des Raumes zu projizieren.“ Also Materie, wie wir sie jetzt und hier wahrnehmen, war nicht immer so, wird nicht immer so sein, ist eine bestimmte Momentaufnahme eines großen kosmisch-rhythmischen Prozesses. „Wir haben vielmehr alle Ursache, anzunehmen, dass die Materie erst als Niederschlag des Lebens entstanden ist.“ Also das kehrt die normale Argumentation vollkommen [um] und stellt sie geradezu auf den Kopf.

Also das Leben ist älter als die Materie, im ersten Augenblick und im ersten Moment und aus den herkömmlichen Vorstellungen der Evolutionslehre heraus ist das absurd. „Kann nicht Leben gewesen sein, bevor noch Materie existierte, Leben als Ergebnis eines schon vorher vorhandenen geistigen Kosmos? Scheint es nicht notwendig, dem Dogma von der Präexistenz der Materie endlich die Idee von der Präexistenz des Geistes entgegenzustellen?“ ‒ Also, eine vollkommene Umkehr des sogenannten normalen materialistischen Ansatzes.

Er versucht mit vielen guten Argumenten plausibel zu machen, dass Stoff, wie ich es schon vorhin gesagt hab, eine Art festgefrorene, eine zum Stillstand, zur Erstarrung gekommene Form rhythmischer Prozesse ist, die gleichzeitig Geist-Prozesse sind. Also ein Impulsieren der Materie mit dem Ziele der Erschaffung von lebendiger Existenz. Noch ein zweites kurzes Zitat von Hauschka aus dem Mittelteil des Buches: „Nachdem was in den früheren Abschnitten darzustellen versucht wurde, ist der Stoff, also die Materie, die chemischen Stoffe, nichts anderes als eine fixierte Daseinsstufe makrokosmischer Prozesse. Was wir auf Erden Stoff nennen, ist Welten-Prozess in erstarrter fixierter Form. Irdische Stofflichkeit und Weltenwesen“ ‒ jetzt eher ein anthroposophisch klingender Begriff ‒ „sind zwei Pole, zwischen denen sich [in] unendlichen Stufen das Natur-Dasein ausbreitet. Die Pflanze ist selbst zwischen diese beiden Polaritäten eingegliedert in unzähligen Metamorphosen der Gestalt und des Stoffes, in Rhythmen von Zusammenziehung und Ausdehnung, von Involution und Evolution, von Wesen und Erscheinung, ist das Pflanzen-Dasein ein lebendiges Glied im Welt-Organismus. Es wurde anhand von Versuchen gezeigt, wie in kosmischen Rhythmen Substanz entsteht und vergeht. Aus den Kurven ergibt sich ein rhythmischer Wechsel fortwährenden Verdichtens aus unmateriellen Daseins-Stufen in die Stofflichkeit und Wieder-Ausdehnung dieser ins Imponderable. Ebenso wie es Goethe von der Pflanze schildert, können wir auch für jeden einzelnen Stoff, jeden einzelnen Stoff, ein Wesen, eine makroskopische Idee annehmen, die in Rhythmen und vielfachen Metamorphosen schließlich zu dem wird, was wir Stoff nennen. Und ebenso wie die Pflanze gegen den Herbst hin verdorrt und schließlich physisch fast ganz verschwindet, während ihr Wesen sich wieder in die Weltenweiten zurückzieht, so kann auch der fixierte Stoff sich wieder in Rhythmen in sein prozessuales Wesen auflösen.“ ‒

Also eine sehr weitgehende These, die hier auch differenziert begründet wird. Der Versuch nämlich, zu zeigen, dass diese kosmischen Rhythmen letztlich das Primäre sind, und dass die materielle Form, der Stoff, letztlich eine bestimmte Erstarrungsform ist, auch eines zutiefst geistigen Prozesses, letztlich auch gar nicht zu trennen ist davon. Es wird, wird ja bei einigen in dieser Geistesströmung dann so weit geführt, die sagen dann: Es gibt überhaupt keinen Stoff in diesem Sinne, keinen unveränderbaren Stoff im Sinne der herkömmlichen Naturwissenschaft.

Auch hier natürlich ist der Versuch gemacht, letztlich den Stoff als Geist zu erweisen, aber auf eine andere Art als im Sinne dieses Kontinuums von feinstofflich zu grobstofflich. Hier heißt es zum Beispiel: „Nach seiner Auffassung“, [hier] bezieht er sich auf einen Anhänger Goethes, „ist Stoff nichts anderes als Geist auf einer tieferen Seins-Ebene“. Das würde ja dann auch in der Konsequenz dieser Überlegung einfach liegen. Wenn man das so sieht, dann kann man wirklich begreifen, dann hat man einen ganz anderen Zugang, dann kann man auch neu, und das versucht Hauschka, finde ich hochspannend, obwohl ich in vielen Punkten nicht folgen kann, ich kann intellektuell folgen, aber ich kann nicht in allen seinen Argumenten mitgehen, dann kann man auch feststellen, wie man eine ganz andere Form von Stoff-Lehre, eben Substanz-Lehre, wie es heißt, entwickeln kann. Dann kann man den Stoffen ganz bestimmte kosmische Qualitäten zuordnen.

Ich habe Ihnen das ja am Beispiel des Stickstoffes schon gesagt. Der Stickstoff dann eben als eine Art Luft-Stoff oder Bewegungs-Stoff, als ein Vehikel. Das zeigt er auch etwa am Wasserstoff, den er als Feuer-Stoff bezeichnet. Der Wasserstoff ist ja eine eher willkürliche Bezeichnung glaube ich, auf Lavoisier zurückgehend. Er benennt ihn als Feuer-Stoff und so weiter. Ich werde, was diesen Punkt betrifft, auch noch bei den Elementen auf diese Fragen zu sprechen kommen. Man kriegt dann einen ganz anderen Blick, wenn man sich überhaupt mal dieser Betrachtungsweise widmet, auf Gestalten, auf Physiognomien der Natur. Man kann auch Gesteinsformationen dann etwa betrachten, was sind hier für Strukturelemente, ist es eher radial, zentral, sind es Spiralformationen, wie haben sich diese möglicherweise gebildet? Dann hat man einen Ansatzpunkt, wie man tatsächlich diese signatura rerum, wie das Paracelsus genannt hat, auf eine neue Weise anschauen kann. Das setzt allerdings dann immer einen bestimmten Forscher voraus, der überhaupt die Offenheit dazu aufbringt. Das verlangt von dem Naturforscher, Naturphilosophen, Naturdenker, wie immer, dass sich… [er] eine bestimmte Art der geistigen Sensibilität und Wachheit [aufbringt]. Er kann es nicht als ein Unveränderter und einfach so, wie er ist, machen. Insofern ist er nicht in diesem klassischen Sinne austauschbar, im Sinne der Lehrbücher, man mache dies, man mache jenes, dieses anonyme „man“, das jeder sein kann. Jeder, der richtig rechnet, jeder, der richtig experimentiert, kommt zu den gleichen Ergebnissen. Also hier wird der Mensch, die Fähigkeit des Menschen zum physiognomischen Blick, ein Teil dieser eher morphologischen, physiognomischen Naturwissenschaft. Das finde ich also wirklich hochinteressant.

Man müsste wahrscheinlich diese ganzen Elemente, die Hauschka in seinem faszinierenden Buch bringt, noch mal neu aufgreifen und durchdenken. Das ist bisher kaum geschehen. Das ist schade. Er selber hat auch in späteren Auflagen das so stehen lassen. Das ist immer noch der Text von 1942, und das war die Nazizeit, und er durfte viele Bezugnahmen nicht so deutlich ausdrücken, wie er es gerne gewollt hätte. Er musste das sozusagen verborgen halten, aber der Text blieb so, wie er war.

Also, man hat hier eine interessante Möglichkeit, tatsächlich einen Blick zu entwickeln, der von dem Forschersubjekt viel abverlangt. Es ist ja auch eine Frage, die ja, Heiko Lassek weiß das besser als ich, im Zusammenhang mit Wilhelm Reich immer wieder relevant ist. Da ist [es] eben nicht so, dass der Einzelne als ein beliebiges anonymes „man“ zu diesen Resultaten immer kommen kann. Er ist immer als die gesamte, lebendige, seelisch- geistig-leibliche Person anwesend. Und das macht natürlich die Nachprüfbarkeit, die Verifizierbarkeit, sehr schwierig. Natürlich kann man die Versuche von Hauschka genauso nachvollziehen. Ich weiß nicht, was man heraus bekäme, wenn man das genau macht. Man könnte sich ja tatsächlich der Mühe unterziehen und das dann über Monate und Jahre machen. Ich weiß nicht, ob das geschehen ist, ob das jemand getan hat. Auf jeden Fall, es bleibt eigenartig, dass da offenbar tatsächlich Materie in einem rhythmischen Wechsel entsteht und vergeht. Das ist letztlich im Sinne der modernen Physik oder Chemie nicht zu verstehen. Es scheint aber ganz gut objektivierbar zu sein, sofern diese Messergebnisse herangezogen werden. Also das bleibt auf jeden Fall offen. Es zeigt aber, welche Möglichkeiten da bestehen.

Ich will, weil wir noch ein bisschen ins Gespräch kommen wollen, jetzt mal versuchen, unter Weglassung der vielen anderen Punkte, die ich auch noch heute Abend bringen wollte, aber nun nicht mehr schaffe, versuchen, eine Art Resümee zu finden.

Ich halte den von mir dargestellten erkenntnistheoretischen Grundansatz für unabdingbar. Ich habe, ich sage es noch mal, ich habe bis heute noch nicht sehen können, wie er ernsthaft widerlegt werden kann. Wenn einer von Ihnen meint, das widerlegen zu können, könnte er es gerne versuchen. Ich meine, es ist nicht widerlegbar, dieser Grundansatz. Wenn man diesen Grundansatz nicht für richtig hält, dann muss man auf andere Weise verdeutlichen, wie Erkenntnis überhaupt möglich sein soll. Nicht, das ist dann schwierig, wie man dann überhaupt aus dem Irrgarten, aus dem „Projektions­kabinett“ herauskommen will, das wird dann sehr schwierig. Und ich meine, dass man immer, bei all diesen Beobachtungen und Deutungen vom lebendigen Einzelnen ausgehen muss. Und das ist die große Botschaft im ausgehenden Jahrhundert, das noch mal neu aufzugreifen. Deswegen ist ein Mann wie Goethe so wichtig, in anderer Form auch Reich und andere. Deswegen sind die so wichtig, weil sie genau das versuchen, dass der Einzelne wirklich als in seiner lebendigen Ganzheit und Subjektivität, als integraler Teil dieses Prozesses mit ins Spiel kommt und nicht als ein abgekoppeltes, abgespaltenes, neurotisches Individuum, was eben zum Broterwerb im Laboratorium arbeitet, zählt und misst und rechnet. Da ist ein fundamentaler Unterschied und eine in diesem Sinne naturgemäße Form wäre auch eine wirklich menschengemäße.

Da glaube ich, dass sich da Naturgemäßheit und Menschengemäßheit überschneiden und das dann auch letztlich nur eine wirklich vertiefte Anthropologie in der Lage ist, eine neue Kosmologie entstehen zu lassen, die mehr ist als nur eine Konstruktion der Messergebnisse, ein Zusammenschauen und Ins-abstrakte-Bild-Setzen, wie das ja gemeinhin geschieht. Also das ist eine große Chance, meine ich mal, das neu zu betrachten. Und ich will versuchen, das in der nächsten Vorlesung dann am Beispiel der Farbe zu zeigen, die ja ein Schlüsselphänomen ist, weil ja die Farbe gerade nicht objektivierbar ist. Die Farbe ist ja als solche nicht ablösbar von dem, der sie sieht. Eine Farbe gibt es halt in diesem Sinne nicht ohne einen Menschen, der sie als solche wahrnimmt. Da ist von vornherein die enge Verbindung gegeben. Das wusste Goethe, das hat er versucht auszuarbeiten, und das war einer der Gründe für seine rabiate, polemisch scharfe, manchmal überspitzte, ja fast manchmal hysterische Art der Argumentation gegen Newton. Über viele Seiten wird ja eine ganze Kanonade von schmähenden Etiketten gegen Newton vorgetragen. Und das muss man auch in diesem Kontext dann sehen. Es ist nicht einfach die Polemik eines Mannes, der Schaum vor dem Mund hatte, weil einer eine andere Grundüberzeugung von Natur hatte, sondern Goethe glaubte darin eine Grundspaltung zu sehen, eine fatale Weichenstellung. Und ich finde, dass wir heute gute Gründe haben, da anzuknüpfen, ohne dass wir in irgendeiner Form eines dieser Denkergebnisse einfach so übernehmen können. Das können wir übrigens auch beim Hauschka nicht. Also das müsste man wirklich noch mal sehr genau angucken und vielleicht sogar diese Versuche noch mal alle machen und die Schlussfolgerungen nachzuvollziehen versuchen. Sind sie haltbar? Sind sie nicht haltbar? Wie sähe das heute aus? Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass es geschehen ist. Mag sein, dass es Einzelne gibt, die das gemacht haben. Ich weiß es nicht. Gut, es ist gerade acht. Wir können den Schnitt hier erst mal machen.

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