Schwachstellen der Himmelsmechanik

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000 Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 26

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Ich war erstaunt, vorgestern, nein gestern, in dem neuen „Spiegel”, ein Essay zu finden eines Teilchenphysikers, der viele der Thesen hier zum ersten Mal in einer solchen Öffentlichkeit präsentiert, an kritischen Tönen, was die Mainstream-Physik betrifft, etwa die gigantischen Teilchenbeschleunigen, was ich seit Jahren in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder auch gesagt habe; ich war vollkommen verblüfft, dass hier zum ersten Mal seit 20, 25 Jahren im „Spiegel” zu lesen, von einem Physiker, der offenbar wirklich nachgedacht hat, der weitergedacht hat. Ich kann Ihnen das dringend empfehlen.

Ich will Ihnen mal einige kurze Passagen hieraus vorlesen, die mir aus der Seele gesprochen sind. Ich dachte manchmal schon bei der Überschrift, das könnte von mir sein. Ich war auch verblüfft. Und der Titel ist „Sperrt das DESY zu. Der Teilchenbeschleuniger DESY bei Hamburg, der jedes Jahr 250 Millionen Mark verschlingt, liefert nur irrelevante und langweilige Ergebnisse. Der Öffentlichkeit wird [das] verkauft als ganz tiefe Forschung, als Grundlagenforschung. Ein Musterbeispiel dafür”, heißt es in der Überschrift, „wie die moderne Physik den Laien für dumm verkauft” ‒ was ich immer wieder sage. Der Laie wird für dumm verkauft und glaubt alles oder ist vollkommen hilflos bei dem ihm präsentierten Ergebnis. Schon eine mit Formeln vollgeschriebene Tafel lässt die meisten in die Knie gehen. Dabei ist das, was an Physik, an substanzieller Physik, an substantieller Natur­philosophie dabei geleistet wird und dem zugrunde liegt, oft ganz dürftig, auf aller­dünnstem Boden gebaut. Also, „Sperrt das DESY zu”. „In Deutschland”, schreibt hier Hans Grassmann, der Physiker ist, Teilchenphysiker: „In Deutschland ist die Zahl der Studien­anfänger im Fach Physik in den letzten Jahren auf die Hälfte gefallen, und das ist gut so. Es war die höchste Zeit. Sicher wird nun wieder die Forderung kommen nach noch mehr Geld für die Forschung, um die Labors noch reicher auszustatten, die jungen Leute anzulocken mit der Aussicht auf einen sicheren Job, eine sichere Rente. Zugegebenermaßen würde ein solcher Geldregen die Hörsäle wieder sofort füllen, fragt sich nur wofür.” Und dann kommen einige sehr deutliche Worte. „Wie es um das Verhältnis unserer Gesellschaft zu den Naturwissenschaften bestellt ist, konnte schon vorher wissen, wer nur wollte. Es reicht, in einen Laden zu gehen und sich ein paar Bücher über eine der gegenwärtigen Mode-Theorien zu kaufen, Chaostheorie etwa.” Sie werden sich erinnern, dass über 10, 12 Jahre der Büchermarkt überschwemmt war mit Chaostheorie. In jeder Talkshow wurde das abgehandelt, und das galt als eine revolutionäre, bis dahin noch kaum wahrgenommene Weise, Physik zu verstehen.

„Chaostheorie etwa. Ich”, jetzt Hans Grassmann, „habe mir also Bücher über Chaostheorie gekauft, mehr als ein Dutzend, sicherheitshalber. Da lese ich Zeugs wie dies:”, das werden Sie kennen, das steht in fast allen der einschlägigen Büchern drin. „Die Küste Englands sei unendlich lang, das kriege man nur durch Fraktale in den Griff, deswegen brauche man die Chaostheorie.” Vielleicht kennen Sie diese Überlegungen, dass man einen Dimensionenwechsel vollzieht, indem man in die Fraktale reingeht, was natürlich logisch unsinnig ist. Man bleibt natürlich auf einer Dimensionsebene. Man kann nicht durch ein sogenanntes Fraktal die Dimension wechseln. „Also, die Küste in England sei unendlich lang, das kriegt man nur durch Fraktale in den Griff, deswegen brauche man die Chaostheorie. In Wahrheit ist die Küste Englands aber nicht unendlich lang, sie besteht ja aus einer endlichen Zahl von Atomen endlicher Ausdehnung. Sollten wir die Existenz der Atome bereits wieder vergessen haben? Ein einzelner Schmetterling im Urwald, so lese ich weiter, könne einen Orkan auslösen, vielleicht in New York, vielleicht in Europa. Das müsse berechnet werden. Denn, damit es nicht unversehens einen Orkan gibt in New York. Die herkömmliche Physik kann das nicht, also müsse eine Chaostheorie her. Aber wenn tatsächlich ein einziger Schmetterling eine relevante Auswirkung aufs Wetter hätte, so gäbe es sicher keinen Wetterbericht bei all den Milliarden von Schmetterlingen und Vögeln und Blättern.” Und so geht das immer weiter.

„Ich weiß, trotz der Lektüre all jener Bücher bis heute nicht, was das eigentlich sein soll, die Chaostheorie ‒ ich glaube, es gibt sie gar nicht.” Das würde ich verschärfen und weitertreiben im Hinblick auf die sogenannte Mainstream-Kosmologie. Ich glaube, es ist gar keine Theorie, die in irgendeiner Form substanziell wäre. Eigentlich gibt es sie gar nicht. Nur des Kaisers neue Kleider sind noch nicht wirklich erkannt worden, ich sage aber voraus, dass es in den nächsten Jahren geschehen wird. Und da wird ein großes Aufwachen sein über das, was man ernsthaft über Jahre, Jahrzehnte hinweg geglaubt hat. „In diesen Büchern steht nichts, was man verstehen könnte, denn das Falsche oder Inhaltslose lässt sich nicht verstehen. Aber es fehlt vielen Menschen am Mut zu denken: Ich versteh‘ es nicht. Folglich ist es entweder schlecht erklärt oder einfach nur unsinnig, sondern sie glauben, es liege an ihnen, wenn sie nichts verstehen. Wissenschaft könne man offensichtlich nicht begreifen als Laie und bräuchte das wohl auch gar nicht, sonst würden jene Bücher doch wenigstens den Versuch unternehmen, es zu erklären. Auf die Spitze getrieben wird der Trend”, immer noch Hans Grassmann „das Wissen hinwegzulügen durch die Behauptung, Wissenschaft könne gar nicht verstanden werden ohne Mathematik, das ist ein wichtiger Punkt. Als eines von vielen Beispielen ein Artikel aus der ,Zeit‘. Zitat: ,Naturwissenschaft lässt sich mit Bildern popularisieren, aber nur mit Mathematik verstehen‘, heißt es da. Stimmte das”, jetzt weiter Grassmann, „so dürfte niemand die Bewegung der Erde um die Sonne verstehen, und wir müssten immer noch glauben, es sei die Sonne, welche sich um die flache Erde dreht, denn kaum einer versteht die Differentialgleichungen, welche die Bahn der Planeten um die Sonne beschreiben. Selbst die Mathematiker, die doch eigentlich, die doch angeblich als einzige die Physik verstehen, müssten noch beim mittelalterlichen Bild des Sonnensystems verharren, denn die den Planetenbahnen zugrunde liegende Differentialgleichungen sind prinzipiell unlösbar.” Der sogenannte Fachmann weiß das. Es ist nicht lösbar. Schon drei Körper im Wechselspiel miteinander widersetzen sich jeder wirklichen mathematischen Beschreibung mittels Differentialgleichungen. Das war ja einer der Punkte, der auch dann die sogenannte Chaostheorie mit vorangetrieben hat. „Ebenso wenig kann man aus der Mathematik, die Existenz der Atome ableiten, oder die Thermodynamik, noch sonst etwas? Woher kommt das? Warum versuchen so viele Leute dem sogenannten Laien einzureden, er verstünde die Physik nicht? Es liegt am Geld, woran sonst? Denn, leider lässt sich viel Geld damit verdienen, den Laien für dumm zu verkaufen. Es hat sich ein riesiger Markt gebildet, auf dem nichts getan wird, als den Laien für dumm zu verkaufen. Ein Bombengeschäft, weil man verkauft, ohne irgendetwas selbst zu produzieren. Aber was ist es eigentlich, was man verkauft?” Jetzt kommen bedenkenswerte, auch gesellschaftspolitisch bedenkenswerte Sätze. „Es ist das Ansehen, welches die Forschung einmal zu Recht genossen hat. Die Autorität, die früher einmal der Verstand besaß, die werden zu Cash-Flow, in bunte Büchlein verpackt voller Fraktale. Dieser Ausverkauf ist verheerend für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für den einzelnen Laien, weil auch jeder Fachmann Laie ist auf allen Gebieten außer seinem Fachgebiet. Wenn ich aber als Physiker nicht mehr über Philosophie nachdenken darf, weil ich ja kein Fachmann bin, wo soll das enden? Wenn ich am Ende selbst als Physiker nicht mehr über Physik nachdenken darf, weil ich ja kein Mathematiker bin, der doch einzig die Physik verstehen könne, angeblich ‒ wo soll das hinführen?”

Dann kommt er auf das Beispiel der Teilchenbeschleuniger, zu denen ich mich ja immer wieder in den verschiedensten Zusammenhängen geäußert habe, als eine gigantische Veranstaltung, bei der die Öffentlichkeit wirklich rundum getäuscht wird. “Beispiel DESY Hamburg, Groß-Forschungslabor für Teilchenphysik mit weit über 1000 Mitarbeitern und um die 250 Millionen Mark Etat pro Jahr. Wissen Sie, lieber Steuerzahler, was die Teilchenphysiker am DESY tun und vor allem, warum Sie es tun? Sie möchten es gerne wissen? Bitte sehr. Dies ist es, was das DESY tut.” Er hat selbst dort gearbeitet, einige Jahre. „Neben einigen wenigen wichtigen und einigen weniger wichtigen Dingen, studiert man vor allem Pomeronen, Struktur-Funktionen und Lepto-Quarks. Der Reihe nach. Ein Pomeron ist” ‒ jetzt kommt ein wunderbarer Satz ‒ „Wenn man sich vorstellt, es gäbe ein Teilchen, das es aber gar nicht gibt und dann berechnet, wie es aussähe, wenn es es gäbe.” Das ist eine pointierte, charakteristische Bemerkung, die keinem absonderlich oder fremdartig erscheinen müsste, der sich mit der Sache näher beschäftigt hat. „Also ein Pomeron ist, wenn man sich vorstellt, es gäbe ein Teilchen, dass es aber gar nicht gibt, und dann berechnet, wie es aussähe, wenn es es [doch] gäbe. Als am Ende des besagten Vortrags ein Theoretiker den DESY-Mann darauf hinwies, dass heutzutage niemand mehr an die Existenz eines Teilchens namens Pomeron glaube, da war die Antwort: Man könne doch messen, was man wolle, es sei doch egal, wie man das dann nenne, warum nicht Pomeron? Die Struktur-Funktion des Protons beschreibt, wie das Proton ein Bestandteil des Atomkerns aus kleineren Quarks und Gluonen-Teilchen zusammengesetzt ist, denn das Proton ist kein punktförmiges Teilchen, sondern es hat eine innere Struktur. Entdeckt wurde dies in Stanford vor über 40 Jahren. Die Proton-Struktur wurde inzwischen, Zeit genug war ja, ziemlich genau vermessen. Das DESY ist nun damit beschäftigt, jährlich neue Weltrekorde der Messgenauigkeit aufzustellen, zum Beispiel zu messen, ob das Proton bei einer bestimmten Energie 200 oder doch eher 205 Gluonen enthält. Eine Frage, die weder für den Rest der Physik noch für den Rest der Welt irgendeine Bedeutung hat, im Grunde genommen nicht einmal für die Struktur-Forscher selbst, denn die Messungen werden allmählich genauer als die theoretischen Vorhersagen, sind also von nichtssagender Genauigkeit. Auf diese Kritik antwortete der DESY-Mann: Man könne nun einmal so genau messen mit den Geräten, die man habe, deshalb tue man es. Derartige Argumente sind zwar schlüssig, insofern, als sie in sich widerspruchsfrei sind. Man kann tatsächlich messen, was man messen kann. Und wenn man ein teures Messgerät hat, so soll man es nutzen. Aber diese Schlüssigkeit wird erkauft um den Preis, die Frage nach der Relevanz der Messung explizit auszuklammern.”

Und dann wird die Frage gestellt, ist das überhaupt noch Physik? Ich kann das hier auslassen. Er verneint das, das ist im Grunde keine Physik mehr im eigentlichen Sinne, wie Physik ursprünglich gemeint war, und dann heißt es hier ganz am Ende des Artikels: „Wir befinden uns in einem Teufelskreis. Die Physik ist eindeutig auf dem Rückzug aus unserer Gesellschaft, und das führt zu Zuständen, wie sie am DESY herrschen. Und das DESY wiederum, indem es behauptet, seine sinnlosen Massenproduktionen von Zahlenkolonnen sei Physik, treibt diesen Rückzug weiter voran, unter Dampf gehalten von einer Unmenge verbrannter Steuergelder.” Und dann am Ende hier: „Glaubte der DESY-Manager nicht, die öden Zahlenkolonnen, die das DESY produziert, das ist nicht die Physik. Die wahre Physik ist anders. Sie ist etwas außerordentlich Lebendiges, das von den letzten und äußersten Dingen handelt, vom Leben zum Beispiel, davon, woher die Welt kommt und warum sie da ist. Und davon, dass da draußen keineswegs das Nichts auf uns lauert, sondern dass Etwas ist, das sagt uns die Physik. Von Schönheit handelt sie und vom Denken, somit vom Bewusstsein.”

Erstaunlich der Schlussteil. Auf jeden Fall ein brillantes Plädoyer für Denken, für naturphilosophisches, physikalisches Denken. Ich habe im Ende des letzten Semesters Ihnen versucht zu sagen, dass ich keinen substanziellen Unterschied mache zwischen Naturphilosophie und Physik. Das ist Denken über Natur, und Newton, wie Sie wissen, hat sich selber primär als Naturphilosoph verstanden und nicht in diesem engeren Sinne als Physiker, was auch viele nicht wissen, was aber historisch zweifelsfrei belegbar ist, das zuvor. Also ich kann Ihnen das ans Herz legen, diesen Artikel, erstaunlich, wahrscheinlich werde ich mich zu einem Leserbrief durchringen, diesmal zustimmenden und durchaus begeisterten Leserbrief.

Zweiter Punkt als Einstieg, gehört auch zum Thema. Sie werden sich vielleicht erinnern, was schwierig ist in einer Zeit, wo Events die Aufmerksamkeit beanspruchen und man schnell wieder beim nächsten ist. Fast weiß heute keiner mehr etwas von der Sloterdijk-Debatte, die doch so lange die Medien beschäftigt hat. Vielleicht wissen Sie noch, dass es in Potsdam eine Konferenz gegeben hat über die Frage der Weltformel. Es war ein ungeheures Medienereignis und jeder, der sich damit näher beschäftigt hat, weiß, da ist nichts rausgekommen. Man hat keine neuen Erkenntnisse gefunden, und das war auch voraussehbar. Aber die Medien haben sich darauf gestürzt und nun ist etwas Interessantes passiert. Das ist mir zugekommen, das will ich Ihnen nicht verschweigen. Ich bin seit vielen Jahren bekannt, einige wissen das, mit einem der … , wahrscheinlich dem besten Newton-Kenner und -Forscher der Gegenwart, der Ed Dellian, der die Newtonschen „Principia” herausgegeben hat und auch neu übersetzt hat, der den großen Briefwechsel von Samuel Clarke mit Leibniz, 1715/16, herausgegeben und übersetzt hat. Und Dellian hat nun ein Flugblatt, halb heiter, halb ernst gemeint als Berlin-Flyer nun in diese Konferenz gegeben und folgende Fragen einfach mal aufgeworfen an die hehre Gemeinschaft: Warum fallen Körper? Und: Warum fallen alle Körper, schwer oder leicht mit derselben Geschwindigkeit? Und dann hat er ein Beispiel gegeben aus dem Bestseller von Stephen Hawking „Eine kurze Geschichte der Zeit”, „A Short history of Time”, gleich aus den ersten Seiten und ganz deutlich und ohne dass man daran zweifeln müsste, dargelegt, dass hier an entscheidender Stelle sowohl physikalischer als auch mathematischer Unsinn steht. Mittlerweile hat der Rowohlt-Verlag reagiert. Er hat versprochen, eine Passage zu streichen, Hawking selber hat nicht reagiert. Da heißt es nämlich, wie er in diesem Flyer zeigt, das Buch ist zwölf Jahre lang Bestseller gewesen, die meisten haben darin gelesen, sind natürlich auf diese Passagen nicht gestoßen, haben darüber hinweg gelesen. Da schreibt Hawking, in der deutschen Ausgabe ist es wie folgt übersetzt: „Nun wird ersichtlich, warum alle Körper gleich schnell fallen”, ja ein wichtiges Problem der Physik, wie kommt das überhaupt, dass alle Körper gleich schnell fallen, im Vakuum? Weiter Hawking in der Übersetzung hier: „Ein Körper mit doppeltem Gewicht wird mit doppelter Schwerkraft zu Boden gezogen, aber besitzt auch die doppelte Masse, was nur die halbe Beschleunigung bedeutet. Nach dem zweiten Newtonschen Gesetz heben sich diese beiden Wirkungen exakt auf, sodass die Beschleunigung in allen Fällen gleich ist.” Wer das mitgedacht hat, ich lese es nochmal vor, müsste feststellen, dass das hanebüchen ist, was hier steht, noch mal, sowohl physikalisch als auch mathematisch: „Nun wird ersichtlich, warum alle Körper gleich schnell fallen. Ein Körper mit doppeltem Gewicht wird mit doppelter Schwerkraft zu Boden gezogen. Aber er besitzt auch die doppelte Masse, was die halbe Beschleunigung bedeutet. Nach dem zweiten Newtonschen Gesetz heben sich diese beiden Wirkungen exakt auf, so dass die Beschleunigung in allen Fällen gleich ist.” Jetzt zeigt Dellian auf eine schlichte Weise, die jeder 14, 15-jährige verstehen kann, dass diese Aussage Unsinn ist. Allein der Nebensatz, die doppelte Masse, was nur die halbe Beschleunigung bedeutet, ist physikalisch so unsinnig, dass jetzt die Herausgeber im Rowohlt-Verlag für die nächste Ausgabe diesen Teilsatz gestrichen haben, der aber eine Einführung ist, der nicht von Hawking selber stammt. Wenn man diese Gedanken jetzt weiter verfolgt, ich will das mal abkürzen, wenn ich das eingehend darstellen würde, würde ich eine halbe Stunde dazu brauchen, müsste man sagen, dass ein Körper, der zu Boden fällt, eine Gegenkraft produziert, die diese Kraft, die den Körper zu Boden zieht, genau ausgleicht. Dann käme Null raus, das wäre null. Und dann bleibt die Frage, wenn Hawking recht hätte, wenn das auf Null rauskommt, das wäre mathematisch so, das wäre Null, nicht, Masse mal Beschleunigung gleich minus Masse mal Beschleunigung, 2 m*a = – 2 m*a. Das ergibt Null. Warum fallen Körper, wenn doch 0 rauskommt? Also eine durchaus berechtigte Frage: Wie ist es überhaupt möglich, dass Körper zu Boden fallen? Wenn denn, wie diese an sich unsinnige mathematische Gleichung nahelegt, das Ergebnis Null ist. Wie kann ein Körper bei einer Null-Kraft fallen, sich überhaupt bewegen? Und da sind wir bei einem wichtigen Punkt, was ich Ihnen heute versuchen möchte darzustellen, bei der Frage nämlich der Bewegung überhaupt.

Es ist .., wen das interessiert, der kann das gerne hier sich anschauen, das ist auf englischer Sprache abgefasst, weil Ed Dellian, der fließend Englisch spricht, das der hehren Versammlung der Weltformel-Konferenz in Potsdam vorgelegt hat, auf Englisch, mit Fragen eben dann „Why do bodies fall nevertheless?” Er hat das hier vorgerechnet, dass das unsinnig ist. Der Herausgeber bei Rowohlt hat ihm das auch zugestanden, die wollen das ändern. Und dann „Why do all bodies heavy or light nevertheless fall at the same rate?” als Frage. Es war vorauszusehen, dass niemand darauf reagiert hat. Niemand. Nur der Verlag, der Rowohlt-Verlag, der die Übersetzung produziert und veröffentlicht hat, hat darauf reagiert. Sonst keiner der beteiligten Herren, meistens waren es Herren, waren wohl auch einige Damen dabei. Auf jeden Fall, es war vorauszusehen. Dellian hat mir den Flyer hier zukommen lassen, und wir haben darüber auch korrespondiert. Auf jeden Fall ein interessantes Beispiel dafür, dass dem sogenannten Laien, dass der sogenannte Laie, sag ich mal, so weit mit Grassmann gesagt, für dumm verkauft wird, dass er nicht einmal merkt, wenn vollkommen offensichtlich ja auch, für jeden Mittelschüler begreifbarer mathe­matischer oder physikalischer Unsinn geschrieben wird. Es fällt ihm gar nicht auf, weil er sozusagen mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist und sein Geist gleich von Seite zu Seite weiter springt, um die ungeheure Geschichte des Kosmos, die hier aufgerollt wird, zu begreifen. Und der Gedanke, dass hier nichts weiter geschieht, als das, was ich eine Ontologisierung nenne, kommt wenig oder kaum auf, dass hier mathematische Modell­vorstellungen ontologisiert werden, sie werden zur physikalischen Wirklichkeit, ja überhaupt zur objektiven Wirklichkeit, wenn nicht gar Wahrheit, emporgeschraubt. Was man machen kann, das ist ja ein gängiges Verfahren. Man kann mathematische Modelle ontologisieren, man kann sagen: Was wir ausrechnen, so oder so, hat auch eine wie immer geartete eigenständige physikalische Wirklichkeit, eine objektive Realität, wie seltsam fremdartig, ja absurd, widersprüchlich, paradox diese auch sein mag.

Die Frage ist also heute, warum sich die Gestirne bewegen. Ja, was überhaupt Bewegung ist. Es ist eine der für mich seit Jahren beklemmendsten, erstaunlichsten, ja geradezu schwindelerregenden Beobachtungen, dass die wenigsten Menschen von dieser Frage in irgendeiner Form tangiert sind oder gar nicht beunruhigt sind dadurch, dass es auf diese Frage überhaupt keine Antwort gibt. Die Frage etwa: Warum bewegt sich ein Gestirn um ein anderes? Warum fällt ein Körper zu Boden? Warum bewegt der Mensch seinen Leib und so weiter? All diese Fragen, die eng miteinander zu tun haben, sind im herkömmlichen Verständnis nicht beantwortet. Ich will Ihnen das versuchen zu zeigen, weil es zunächst verblüffend ist, weil der sogenannte Laie denkt, er hat doch diese vielen Physik-Bücher mit den Formeln und all dem, was er lernt. Das kann doch nicht wahr sein, dass die Physiker das gar nicht erklären können. Es ist wirklich wahr, und man kann es wirklich von diesem Hörsaal aus in alle Welt rufen, sämtliche Physiker, Nobelpreisträger eingeschlossen. Was ist die Ursache der kosmischen Bewegung? Es gibt keine Antwort darauf. Es gibt bestimmte Formen, die Bewegung mathematisch zu beschreiben. So oder so. Es gibt aber keine wirkliche Kausalerklärung. Ich will Ihnen das versuchen zu erläutern. Das kann ich nur tun, indem ich einen Blick richte auf die Ausgangssituation der neuzeitlichen Naturwissenschaft im 16. Jahrhundert, wo die Frage ja zum ersten Mal eine brennende und aufwühlende Frage war.

Nachdem Kopernikus die geozentrische Welt, das mittelalterliche Weltbild entthront hatte, war ja die Frage plötzlich wie nie zuvor aufgebrochen: Was ist die kosmische Bewegung? Warum bewegen sich die Gestirne? Das war ja die Frage. In der mittelalterlichen Kosmo­logie war darauf eine sehr klare Antwort gegeben worden. Eine, kann man sagen, fiktive, eine religiöse Antwort, eine spirituelle Antwort. Aber es war der Versuch einer Antwort. Diese Antwort sieht etwa folgendermaßen aus, ganz vereinfacht gesagt: Es gibt jenseits dieser gigantischen Hohlkugel, von der ich Ihnen erzählt habe, den sogenannten unbeweg­ten Beweger, das Göttliche. Aristoteles sprach vom unbewegten Beweger. Und dieses Göttliche senkt sich nun stufenförmig von Sphäre zu Sphäre, immer weiter hinab zur Erde hin, und bewegt die sphärischen Hohlkugeln, diese gewaltigen Kristallschalen kräftefrei und Kraft des einen göttlichen Grundimpulses quasi von oben aus, wobei ich Ihnen versucht habe zu erklären letztes Mal, dass dieses Oben kein wirkliches Oben ist. Denn diese gigantische Hohlkugel im Sinne der mittelalterlichen Kosmologie kennt kein Außen. Denn wenn Sie ein Außen kennte, ich hab das versucht zu erläutern, dann müsste man sagen, dass danach, dahinter, auch noch Raum existiert, und dann müsste es weitergehen, dann ist ja kein Halten mehr, dann müsste man fragen: Gibt es ähnliche andere Kugeln in diesem ja dann unermeßlichen Raum? Das hatten ja schon die Pythagoreer gegen die geozentrischen Schalen-Theoretiker eingewendet, dass das so sein müsste. Und darauf hatte Aristoteles 300 v. Chr. das Argument gebracht, so dürfe und könne man grundsätzlich nicht fragen, weil außerhalb der Schale der kugelförmigen Welt kein Raum existiert. Das ist wichtig. Also man kann nicht fragen, wo ist diese Kugel? Diese Kugel ist nirgendwo. Weil, es gibt keinen Ort im Raum, den sie einnehmen könnte. Wenn es einen Raum-Ort gäbe, dann müsste es auch andere Raum-Orte geben, in denen im Prinzip ähnliche Kugeln möglich sind. Wenn man so weit geht, dann ist der Raum unendlich. Da kommt man notwendig zum Gedanken der Unendlichkeit des Universums. Denken Sie an die berühmte Denkfigur des römischen Naturphilosophen Lukrezius, der die Gedanken ventiliert hat, was passiert, wenn ich am Rande dieser Kugel stehe und schieße einen Pfeil jenseits dieser Kugel. Bleibt der Pfeil erhalten wie er ist, geht der Raum da weiter? Verschwindet er aber auf eine unbegreifliche Weise, dann ist da wirklich kein Raum. Also die Raum-Frage war zentral.

Also, man ging ja in der mittelalterlichen Kosmologie davon aus, dass die Erde nicht nur im Mittelpunkt des Kosmos ist, sondern mitsamt der Menschheit auf ihr auch zutiefst erlösungsbedürftig ganz unten. Ich habe Ihnen das ja auch versucht zu erläutern, dass die berühmte Kopernikanische Kränkung, die Sigmund Freud als These in die Welt gesetzt hat, einfach eine Fiktion ist. Diese Kopernikanische Kränkung hat es nie gegeben, obwohl unzählige Wissenschaftshistoriker mit Inbrunst immer wieder neu diese These vertreten haben, Kopernikanische Kränkung, Darwinistische Kränkung, Psychoanalytische Kränkung. Diese Kopernikanische Kränkung hat es nie gegeben, weil das Selbstbewusstsein des Menschen ist in der Renaissance, seit der Renaissance, enorm angestiegen und keineswegs verkleinert worden. Fast könnte man sagen: Das Gegenteil war der Fall. Die vorhandene Kränkung des Menschen ganz unten im Kosmos ist jetzt umgepolt. Also, hier war eine Frage ganz einfach beantwortet mit dem Göttlichen. Es gibt also einen göttlichen, unbewegten Beweger, der senkt sich quasi auf diese gewaltigen, kristallenen, durchsichtigen Hohlkugeln herab, von Stufe zu Stufe herab gemindert und diese bewegen sich kräftefrei. Das ist wichtig, ohne Kräfte und auch ohne dass es notwendig gewesen wäre, dass hier physikalische Wahrscheinlichkeiten vorliegen. Denn wenn man das System sich anschaut, mittels dessen mathematisch-geometrisch diese Bewegung beschrieben wurde, dann ist das ja ein Kreis-System, ein sog. Epizykel-System. Es gibt den Hauptkreis, und auf diesem Kreis ist ein zweiter Kreis, der Epi-Zykel, und mittels dieses Epizykel-Systems konnte man Gestirn-Positionen mit erstaunlicher Genauigkeit voraussagen. Diese Sphären greifen vielfältig ineinander. Wie gesagt, physikalische Wahrscheinlichkeiten konnten nicht ins Spiel kommen, weil um diese ging es nicht, weil nur hier unten, ganz unten auf der Erde, dem Wohnplatz der erlösungsbedürftigen Menschheit, griffen physikalische Wahrschein­lichkeiten. Vielleicht muss man noch sagen, was auch der Sloterdijk in seinen „Sphären” mit Recht vermerkt: Der Mensch stand ja auch in diesem Weltbild nicht wirklich im Mittelpunkt, sondern im Mittelpunkt sitzt der Teufel, im mittelalterlichen Weltbild, siehe Dante, „Divina Commedia”, „Göttliche Komödie”, ganz unten in der kosmischen Mitte sitzt der Satan, steckt da drin.

Lesen Sie diese eindrucksvollen Passagen bei Dante. Der Mensch hat von vornherein eine mittlere Position, ganz unten der Satan, etwas weiter oberhalb der Mensch und dann etwa in der Mitte zwischen irdischer Sphäre und Fixstern-Sphäre die Sonne. Ich habe Ihnen das erläutert, das war doch dann wesentlich größer gedacht, als es meistens gesehen wurde. Man kann das auf ungefähr 100 Millionen Kilometer schätzen. Also diese kleinen Abbildungen, die man dann immer sieht, dass gleich nach der Saturn-Sphäre dann die Fixsterne-Sphäre kommt, so simpel ist das nicht gedacht worden, weil es ist riesig vorgestellt worden, also knapp 100 Millionen Kilometer. So, nun war die Frage aufgetaucht: Wenn nun die Erde selbst plötzlich ihren ruhenden Status im geozentrischen Weltall verliert, dann muss sie sich bewegen, dann muss es eine Rotationsbewegung geben, es muss eine Bahnbewegung geben und dann muss man das ganze auf eine ganz neue Weise sich anschauen. Dann muss man neu fragen: Wie kommt überhaupt Bewegung zustande? Wie entsteht Bewegung?

Das Thema, um das es hier geht, habe ich in meinem Kopernikus-Büchlein vor vielen Jahren als die Kopernikanische Herausforderung bezeichnet. Ich will kurz mal diese Punkte nennen, die ich damals hier aufgeschrieben habe. Also die Kopernikanische Heraus­forderung, [19]84 geschrieben, ‘85 erschienen, zeigt die Punkte, die als Fragen aufbrachen für den damaligen Menschen, der sich auf diese Fragen überhaupt einließ. Ich lese das mal kurz vor.

Erster Punkt in dieser Kopernikanischen Herausforderung. „Warum entzieht sich die Bewegung der Erde der unmittelbaren sinnlichen und physikalischen Erfassung, das tut sie? Die physikalische Registrierungsmöglichkeit der Rotation als einer Form der Beschleu­nigung im theoretischen Rahmen der klassischen Mechanik kann hier unberücksichtigt bleiben. Anders gesagt, warum ist die irdische Physik abgeschottet gegenüber der rasenden Bewegung der Erde?” Das wissen Sie alle. Das ist ja der Haupteinwand gewesen gegen Kopernikus, dass diese Lehre der unmittelbaren Sinneserfahrung widerspricht. Wir spüren nichts davon, also kann es nicht sein. Denken Sie an die berühmte Stelle im Drama „Leben des Galilei” von Bertolt Brecht, wo ja die Kardinäle spotten darüber, es müsste ständig irgendwie eine torkelnde Bewegung zu verspüren sein, eine Art Gegenwind. Aber all das ist nicht der Fall. Also muss man plausibel machen, warum bewegt sich die Erde, obwohl wir nichts davon merken?

Zweiter Punkt. Welche Kräfte treiben die Gestirne auf Ihrer Bahn entlang? Diese Frage wurde besonders drängend nach der gedanklichen Überwindung der die Planeten tragenden materiellen Sphären, also feinmateriellen, feinstofflichen Sphären. Was bewirkt die Rotation der Erde, der Gestirne? Also warum bewegen sich die Gestirne? Welche Kräfte treiben die Gestirne auf ihrer Bahn entlang, wenn man den unbewegten Beweger im geozentrischen Weltbild nicht mehr heranziehen will?

Dritter Punkt. Wie lässt sich die gestirnbezogene Relativität der Schwere erklären? Diese Frage lässt sich in zwei Fragen auffächern. 3.1: Welche Wirkungsform hat die Schwere? 3.2: Welchen Ursprung hat die Schwere wenn die Raumstruktur als Führungsfeld im aristotelischen Sinn wegfällt? Ganz kurz gesagt, Aristoteles stellte sich das vor, dass die Schwere quasi zurückzuführen ist auf die Struktur des Raums. Alle Dinge streben zum Mittelpunkt des Universums, das heißt zum Erdmittelpunkt hin.

Vierte Frage: Ist der Kosmos endlich oder unendlich? Wenn er endlich ist, wie lassen sich die Grenzen dieser Endlichkeit bestimmen? Gibt es leeren Raum außerhalb der Endlichkeit? Oder hat Aristoteles doch recht, wenn er auf die radikale Andersartigkeit und Raumzeit-Entrücktheit des Außerhalb-der-materiellen-Welt verweist? Das habe ich ja angedeutet. Die Frage ist ja keine akademische, keine theoretische Frage, sondern doch ungeheuer wichtig. Auch existenziell ist ja die Wo-Frage, wo befindet sich der Mensch? Wo sind wir in diesem Weltall? Also eine zentral wichtige Frage, ja auch für das Selbst­verständnis des Menschen. Die Frage musste natürlich neu ventiliert werden. Fünftens. Wenn die Erde zum Himmelskörper erhoben wird, das wurde sie ja durch Kopernikus: Gibt es noch weiterreichende Analogien als die bloße Bahnbewegung, zum Beispiel? Sind auch andere Gestirne von lebenden Wesen bewohnt? Diese Frage stellt Kopernikus gar nicht, und er stellt auch nicht die Frage einer möglichen Achsendrehung anderer Himmelskörper. Er kommt nicht auf den Gedanken, das lag ihm vollkommen fern zu fragen: Wenn sich die Erde dreht, warum dreht sich zum Beispiel die Sonne nicht? Er ging davon aus, dass es nicht der Fall ist. Er wusste nichts von einer Rotation der Sonne. Der erste Mensch überhaupt, der die Rotation der Sonne als These behauptet hat, war Giordano Bruno in seiner Schrift „De Immenso”, 1591, und der zweite einige Jahre später Kepler, ich glaube 1597. Vorher war nie von einer Rotation der Sonne die Rede. Es war also vor, wohlbemerkt, vor den minutiösen Sonnenflecken-Beobachtungen Galileis mittels des Fernrohrs.

Sechstens. Welches Verhältnis hat der aus der kosmisch-graphischen Mitte vertrie­bene Mensch zum Kosmos? Das ist wichtig. Die Frage nach dem Ort des Menschen im Kosmos ist ja grundsätzlich die Frage nach seiner Beziehung zum Universum überhaupt, ja eine zentral wichtige Frage, die Mensch-Kosmos-Frage: Welches Verhältnis hat der Mensch zum Universum? Kennt ihn quasi das Universum, meint ihn das Universum, oder ist es eine monströse Veranstaltung, die den lebendigen, leidenden, liebenden, denkenden, schaffenden Menschen gar nicht meint und kennt? Also die Frage, zentral wichtig: Welches Verhältnis hat der aus der kosmographischen Mitte vertriebene Mensch zum Kosmos? Siebtens. Wenn die geozentrische Seins-Hierarchie zerstört ist, wenn das ist: Welche Funktion hat das Göttliche, hat dann die Gottheit in der entgrenzten Welt? Die Frage nach Gott, die dann sofort in dem Zusammenhang selbstverständlich aufkam und auch die gesamte Diskussion in den darauffolgenden Jahrhunderten immer mitbestimmt hat. Ich habe Ihnen ja das im Wintersemester in einer Vorlesung versucht zu sagen oder zu zeigen, wie in dem großen Briefwechsel zwischen Samuel Clarke und Leibniz diese Frage zentral ist, und beide Kontrahenten sich gegenseitig immer Atheismus vorwerfen, ständig. Der eine sagt, diese Position würde faktisch zum Atheismus führen, und das wird als Replik zurückgegeben, d. h. ein ganz zentraler Punkt: Wo bleibt Gott in dieser so gesehenen Welt? Ich habe das oft gesagt, dieser Briefwechsel gehört zu den spannendsten intellektuellen Briefwechseln, die es überhaupt gibt. Zu dieser Frage, denn hier werden alle Grundfragen 1715/16 ventiliert, die heute noch genauso brennend, spannend sind wie früher. Die Frage: Was ist der Raum? Was ist die Zeit? Was ist Bewegung? Was ist das Göttliche? Was ist Immanenz? Was ist Transzendenz? Wie können wir Kräfte denken? Und da sind wir schon bei einem entscheidend wichtigen Punkt, der in dieser ganzen Frage dann zentral war, die Frage nach den Kräften. Wenn wir Bewegung verstehen wollen, jedwede Bewegung, auch eine rasend schnelle subatomare Bewegung, egal welche Bewegung, dann müssen wir ja auch hier die Frage stellen dürfen: Was sind, welcher Natur sind die Kräfte, die diese Bewegung vorantreiben? Wenn die Frage nicht zugelassen ist, wenn man sagt, die Frage nach den Kräften darf bei Bewegung nicht gestellt werden, dann läuft es mehr oder weniger auf die Idee hinaus, dass es eine Art von perpetuum mobile gibt. Und wenn ich vorhin plakativ gesagt habe, dass die herrschende Physik keine Erklärung hat für Bewegung, dann kann man das noch weiter zuspitzen und sagen: Was letztlich behauptet wird, übrigens auch für die subatomare Bewegung, ist eine ursachelose Perpetualbewegung, eine ursachelose ewige Bewegung. Bewegung, einmal angestoßen, geht unendlich weiter. Und das ist der einzige Ansatzpunkt, der in der klassischen Mechanik überhaupt gefunden wurde, zur Frage der Ursache der Bewegung, nämlich dieses Phantasma der geradlinig-gleichförmigen Bewegung. Annahme: Wenn ein Körper keine Kräfte-Einwirkungen erleidet, befindet er sich in Ruhe, oder er bewegt sich in einer geradlinig gleichförmigen Bewegung us quad infinitum, unendlich weiter, wenn er nicht daran gehindert wird, in den Raum hinein. Eine unvorstellbare Idee, dass dieser Körper also tatsächlich mit absoluter Geradlinigkeit bis in die Unendlichkeit und Ewigkeit hinein voranjagt, mit einer offenbar ganz genauen Wahrnehmung für die Umwelt. Das ist ja das berühmte Trägheitsgesetz.

Man hat deswegen verschiedentlich oder man findet verschiedentlich in Physik-Lehrbüchern die interessante, fast biologistische Vorstellung, Trägheit sei eine Art Fühl-Organ, können Sie in Physik-Büchern lesen, für die Raumzeit-Metrik. Also plötzlich wird die Trägheit ausgestattet …, wie ein Organ verstanden, ein Fühl- Organ für die Raumzeit-Metrik. Also, diese Bewegung geht unendlich weiter, und hier kommt der Punkt ins Spiel, der letztlich die ganze klassische Mechanik bestimmt hat. Jeder Physiker weiß, dass eine geradlinig-gleichförmige Bewegung in diesem Sinn eine pure Fiktion ist. Es ist eine hilf­reiche Fiktion, wenn man denn die Kräfte in diesem Kontext eliminieren möchte, aber es ist eine pure Fiktion. Niemand hat jemals in dieser Welt eine absolut geradlinig-gleichförmige Bewegung gesehen, noch dazu eine, die us quad infinitum sich in den Raum hinein erstreckt. Das ist aber die Grundannahme letztendlich, auf der die sogenannte klassische Mechanik und Himmelsmechanik immer aufgebaut hat.

Wenn ich der Annahme bin, dass Bewegung letztlich im Sinne einer platonischen Grundform, einer geradlinig-gleichförmige ist, also wenn das Wesen der Bewegung die Geradlinigkeit ist in diesem Modell, dann brauche ich die Kräfte gar nicht mehr. Dann kann ich davon ausgehen, dann kann ich postulieren, eine solche Bewegung ist kräftefrei, was auch geschieht, das ist ja Elementarwissen oder Elementarpostulat möchte ich eher sagen, der Mechanik. In allen Physik-Lehrbüchern steht das ganz zu Anfang, als eine ganz elementare Geschichte, die man ganz früh begriffen haben muss, um überhaupt weiter­zudenken, dass nämlich eine geradlinig-gleichförmige Bewegung nicht unterschieden wird von der Ruhe. Das ist ein wichtiger Punkt. Es leuchtet ein, auch ohne dass man in die Subtilitäten dieser Frage hineingeht, dass das eine Fiktion ist und dass es in sich unbeweisbar ist. Und Weizsäcker sagte einmal: Diese geradlinig-gleichförmige Trägheits­bewegung sei ein kausales Paradoxon. Und eine Fiktion.

Und ich will das noch kurz vor der Pause sagen. Es war also ein wesentlicher Schritt, die Frage nach den Kräften, die Himmelskörper bewegt, erst einmal quasi zurückzunehmen mit dieser Fiktion einer geradlinig-gleichförmigen Trägheitsbewegung, die dann durch die gravitativen Wirkungen der Himmelskörper so herumgebogen wird und dann auf unend­liche, quasi unendliche Zeiträume beibehalten wird. Das ist ja eine erstaunliche Annahme, eine geradezu schwindelerregende Annahme. Das müsste ja auch dann Newton aufgefallen sein. Er hat verschiedentlich dann über diese Sache nachgedacht und hat dann sich vorgestellt, es gibt eine berühmte Briefstelle bei Newton, dass Gott, um das Sonnensystem zu schaffen, Newton war ja auch zutiefst Theologe, dass also Gott, um das Sonnensystem zu schaffen, die Schwerkraft der Sonne habe verdoppeln müssen, und dann habe er aus der göttlichen Hand die Himmelskörper, die dann Planeten wurden, zur Sonne hin fallen gelassen. „Let fall them towards the sun”, heißt es in der Briefstelle, zur Sonne hin fallen gelassen, und dann würden sie durch die nunmehr doppelte gravitative Kraft der Sonne herumgebogen, um nun einer eigenen und nicht mehr zu stoppenden Bewegung zu unterliegen. So jedenfalls hat das die klassische Mechanik gedeutet.

Newton selber hat es anders gesehen. Newton hat nicht geglaubt, das ist auch wichtig für den Kontext hier, dass das Sonnensystem .., von dem er letztlich ausging, für ihn war letztlich mehr oder weniger das Sonnensystem auch das Universum, er hat sich ernsthaft gefragt, ob diese von ihm entdeckten Gesetze überhaupt außerhalb des Sonnensystems gelten. Also er beschäftigt sich primär mit dem Sonnensystem. Er hat also nicht geglaubt, dass diese Kräfte in sich immanent eine solche Bewegung aufrechterhalten können. Er meinte, Gott, der große Uhrmacher, müsste dieses Sonnensystem immer neu nachstellen, worüber Leibniz spottete, er hielt es für eine schlechte theologische Denkfigur, dass Newton einen Rückgriff nötig hatte auf die auf die göttliche Instanz. Also Newton glaubte nicht, dass eine immanente mechanistische Erklärung von Bewegung möglich ist, er hielt das für absurd. Es kommt auch in dem Briefwechsel von Samuel Clarke und Leibniz heraus, dass eine pure Immanenz der Bewegung eine Unmöglichkeit ist, was Leibniz behauptete.

Letzte Bemerkung vor der Pause. Newton… Können wir weitermachen? Ich sehe, dass ich zeitlich ein bisschen jetzt unter Druck gerate. Etwas zu lange hier aufgehalten mit der Kopernikanischen Herausforderung.

Nochmal zur Newton-Leibniz-Kontroverse, obwohl das schon wichtig ist, weil da Grundfragen angesprochen werden, nämlich die nach Immanenz und Transzendenz. Das ist ja nicht eine Frage, die eine unerhebliche wäre, zu fragen, werden die Gestirne von einem göttlichen Willen aus gelenkt, von einer göttlichen Instanz, von Kräften, die man auch, was Newton tat, als spirits bezeichnen kann? Bei Newton manchmal fast synonym „forces“, Kräfte und „spirits“, Geister, oder sind das einfach vollständig immanente, nach mecha­nistischen Prinzipien ablaufende Vorgänge? Wofür man sich entscheidet, für das Eine oder für das Andere, hat ja ungeheure Auswirkungen für das menschliche Selbstverständnis. Deswegen sind solche Fragen so wichtig, sind ja in keiner Weise, sagen wir mal, wissenschaftsgeschichtliche Fragen, sondern es sind ja zentral existenzielle Fragen. Die Frage nach dem Mensch-Kosmos-Verhältnis ist existenziell und essenziell. Kein Mensch kann ernsthaft dieser Frage ausweichen. Er mag das vertagen. Er mag das für den Moment beiseite legen oder stellen, weil ihm seine Alltagsgeschäfte wichtiger sind. Aber in der tiefsten Tiefe kann kein Mensch dieser Frage ausweichen, genauso wenig wie er der Frage nach dem eigenen Tod ausweichen kann, der Frage nach dem eigenen Verhältnis zur Sexualität, zum Eros, zum Leib, zur Erde und all dem anderen. Es sind also ganz zentrale Punkte. Darum geht es. Und das ist auch wichtig, um die Bewusstseinsverfassung, die herrscht, zu verstehen und auch Ansatzpunkte zu finden, die vielleicht einen Grad, einen kleinen Grad von Hoffnung beinhalten, dass diese desaströse Entwicklung, die wir alle kennen und auch ja beklagen, vielleicht durch neue, andere Impulse in eine andere Richtung gelenkt werden kann oder könnte. Deswegen sind die Fragen wichtig, und deswegen müssen sie immer wieder neu gestellt werden. Und deswegen ist es wichtig, sich nicht mit Antworten allzu flacher Weise abspeisen zu lassen, sondern tiefer nachzufragen. Wirklich, was sind diese Kräfte? Und da möchte ich noch mal ansetzen. Das war immer ein großes Problem bei jedweder Erklärung von Bewegung überhaupt: Was sind Kräfte? Hier, Hermann von Helmholtz, den man sieht, wenn man durchs Hauptgebäude reinkommt, die Statue, hat gesagt: Eine Erklärung eines physikalischen Phänomens ist nur dann wirklich vollständig, wenn man das Phänomen oder die Phänomene auf die letzten in ihm oder in ihr wirksamen Naturkräfte zurückgeführt habe. Also eine Erklärung wäre dann nur wirklich gegeben, wenn man auf diese letzte Ebene der Naturkräfte kommen könne. Was sind dann diese Kräfte? Das hat Newton ja beschäftigt und viele andere und mich auch seit vielen Jahren, was sind Kräfte? Materie sind sie jedenfalls nicht. Diese Kräfte sind nicht Materie. Wenn man den Feldbegriff heranzieht, was ja häufig geschieht, dann ist man zunächst einmal nicht wesentlich weiter, weil man nur einen neuen Begriff gefunden hat oder verwendet. Dann bleibt ja die Frage, was sind dann diese Felder ontologisch? Sind das irgendwelche geisterhaften Wesenheiten im Raum, vielleicht sogar der Raum selbst? Oder was ist das? Warum kann man dann nicht sagen, es tun ja auch einige, in gewisser Weise tue auch ich das, zu sagen: Das sind letztlich metaphysische, eigene, immaterielle Entitäten. Kein Mensch würde ernsthaft annehmen, ein Feld sei etwas Materielles. Es ist immateriell. Was sind diese immateriellen Entitäten, die eigentlichen Wirkkräfte in der tiefsten Tiefe? Es sind offenbar Energien, die die Materie durchdringen, durchwirken und auch steuern müssen. Und Newton, um noch einmal kurz auf ihn einzugehen, hat sich mit einer Frage beschäftigt, die auch in diesem Buch eine zentrale Frage ist: Was hat der menschliche Wille als ein substanziell und in der Tiefe freier Wille, der den eigenen Leib bewegt, zu tun mit den Kräften, die die Gestirne vorantreiben? Gibt es da einen Zusammenhang? Da ist ja eine zunächst verblüffende Frage, aber doch eine sehr naheliegende Frage. Wenn wir kraft eines Willens-Impulses den eigenen Leib bewegen können, daran zweifeln wir nicht, obwohl man eigentlich daran zweifeln könnte, man könnte ja sagen, ich sagte es ja auch mehrfach, dass die These vertreten wird, wir sind nur höhere Automaten, also gäbe es diesen Willen gar nicht, der die Materie beeinflussen und steuern kann. Also wenn wir das können, das ist ja unsere unmittelbarste Erfahrung, dass wir das können mittels des Willens ‒ warum soll nicht prinzipiell und grundsätzlich Bewegung in der tiefsten Tiefe als Kraftwirkung Willenswirkung sein?

Wenn Sie die Literatur zu dieser Frage im Laufe der Jahrhunderte sich anschauen, was ich getan habe, dann werden Sie immer wieder auf einen Punkt stoßen, der verblüffend ist und der Staunen macht, dass nämlich immer wieder gesagt wird, schon von Newton selber, aber auch von Mystikern, Jacob Böhme zum Beispiel, von Philosophen wie Schelling, Schopenhauer, in gewissem Sinne auch Nietzsche und vielen anderen, dass diese Kräfte in der Tiefe Willenskräfte sind. Und es gibt immer wieder Überlegungen, diesen Willen sogar bis in die kleinsten Teilchen der Materie zurückzuverfolgen. In einigen extremen Deutungen der Quantentheorie wird gesagt, Cochran zum Beispiel ist ein Fall, er sagt: Letztlich haben sogar die Elementarteilchen eine Art eigenen Willen, auf welcher Ebene und welchen Grades auch immer. Das heißt also, die Frage nach dem Willen ist keine spekulativ müßige oder gar rein mystische oder poetische oder religiöse Frage, sondern eine zentral wichtige Frage: Was bewegt Materie? Ich sag’s nochmal, wenn die Frage überhaupt zugelassen wird. Man kann natürlich auch sagen, und das geschieht ja im Mainstream, diese Frage als solche ist schon eine schlechte oder falsche Frage, weil wir mathematische Modelle haben, mittels deren wir Bewegung beschreiben können. Das können wir ja. Das ist ja nicht zu leugnen, dass es möglich ist, auch wenn sie ganz verschiedener Art sind. Und wenn also die Frage zugelassen wird: Was sind letztlich Kräfte? Dann kommt man mehr oder weniger deutlich auf die Antwort, dass diese Kräfte immaterielle, metaphysische Entitäten sind, und dass es letztlich Willenskräfte sind, wenn diese Analogie zutreffend ist, wenn die Analogie erlaubt ist.

Das ist eine Grundfrage. Wenn ich Analogien anwende, dann ist immer die Frage, ist das legitim? Darf ich einen Begriff, den ich aus meiner eigenen Erfahrung kenne, aus meiner Innen-Perspektive kenne, darf ich diesen Begriff anwenden zur Naturerklärung. Also bis zu welchem Grade ist so eine Analogie zulässig? Ich würde sagen, sie ist nicht nur zulässig, sie ist sogar unvermeidlich. Denn mehr oder weniger machen wir das ohnehin ständig, wir können gar nicht anders. Wir würden von der Welt absolut nichts erkennen können, wenn wir nicht bis zu einem gewissen Grade immer auch Analogien heranziehen, wenn wir nicht immer mittels Analogien denken. Anders geht es gar nicht, denn allein der Kraft-Begriff ist ja zunächst einmal ein Begriff aus der unmittelbaren eigenen Erfahrung des Menschen als Körperkraft, als Willens-Kraft, als Willens-Energie. Das ist ja eine ganz unmittelbare innere Erfahrung des Menschen, die er dann auch außen voraussetzen darf, ja muss, wenn denn Erkennen, ich sage es noch mal, überhaupt möglich sein soll, das muss man immer einschränkend sagen.

Man kann natürlich sagen, was einige extreme Skeptizisten sagen: Es gibt überhaupt keine Erkenntnis letztlich. Wir projizieren immer nur, wir machen Analogiebildung, wir sind alle Analogisten, gute oder schlechte. Das ist eine mögliche Position, die aber, wenn man sie weiter verfolgt, in große Selbstwidersprüche kommt, weil es sich nachweisen lässt und zweifelsfrei belegen lässt, dass bestimmte Formen von Erkenntnis, bestimmte Ebenen von Erkenntnis wirklich möglich sind. Man kann tatsächlich die Projektion bis zu einem gewissen Grad überschreiten. Also, nichts spricht dagegen, dass die Kräfte in der tiefsten Tiefe tatsächlich metaphysische willensmäßige Energien sind, die tatsächlich auch etwas zu tun haben mit dem menschlichen Willen. Das heißt nicht, dass der menschliche Wille die Gestirne antreibt, das hat auch Newton nicht gesagt, aber er hat einen tiefen Zusam­menhang, einen inneren Zusammenhang versucht herzustellen, eine tiefe Analogie. Und wenn man sagt, diese Analogie ist falsch oder sie darf nicht sein, dann muss man die Gegenfrage gestatten: Was sind dann diese Kräfte? Wie ist es möglich, dass diese Bewegungen, etwa eben diese Gestirnbewegungen, mit dieser erstaunlichen Regel­mäßigkeit und Gleichmäßigkeit ablaufen? Dass das rein mechanistische Prinzipien sein sollen, wie behauptet wird, ist ein pures Postulat – das ist ja ein pures Postulat. Eine geradlinig-gleichförmige Bewegung ist nie beobachtet worden. Alle Bewegungen, auch die Satelliten-Bewegungen der künstlichen Satelliten, kommen nach relativ kurzer Zeit zum Erliegen. Es gibt überhaupt keinen Beobachtungszeitraum, der lang genug ist, um zweifelsfrei zu belegen, dass überhaupt Körper über längere Zeiträume hinweg sich nach mechanischen Prinzipien bewegen können. Wir haben ja nur einen ganz kleinen Beobachtungszeitraum, der uns zur Verfügung steht. Man muss das postulieren. Man muss sagen, das ist so, weil die Prämissen so sind und nicht anders. Aber beweisbar, empirisch beweisbar ist es nicht. Insofern bleibt die Frage nach wie vor erst einmal eine offene, eine aufwühlende, und es ist verständlich, dass, sagen wir, religiöse oder spirituelle Menschen erst einmal schlicht, naiv und ohne tieferes Nachdenken die Auffassung haben: Das sind göttliche Kräfte, das ist letztlich ein gottgefügtes Gesamtes. Das hat auch Newton so gesehen und für ihn war Naturwissenschaft letztlich Gottesbeweis, nicht, bis hin zur Gravitation, zu den Bewegungen.

Gerade die ungeheure Regelmäßigkeit der Gestirnbewegung war für ihn ein Beweis für die Existenz Gottes, worüber Leibniz spottete, obwohl doch Leibniz auf seine Weise Theist war, nur auf andere Weise. Und beide haben ja auch gerungen, und das ist ja bis heute zentral, was diese Willens-Energien wirklich sind, ob es wirklich eine Art von freiem Willen gibt, mittels dessen man Materie beeinflussen kann. Auch die Frage, ob Gott frei ist, ob der Mensch frei ist, welche Freiheitsgrade es überhaupt gibt in der Welt. Ja, ungeheure Fragen, die auch natur-, so eigenartig das klingen mag, die auch naturphilosophische, ja physikalische Fragen sind. Naiv könnte man ja sagen, was hat der menschliche Wille, ob er nun frei ist oder nicht, zu tun mit der Gestirnbewegung? Wieso konstruiert Newton und nach ihm viele andere, und ich tue das auch in diesem Buch hier, einen Zusammenhang, der doch zunächst gar nicht einsehbar ist. Er ist verständlich, fast notwendig, wenn diese Welt als Einheit verstanden wird. Und dann ist in der Tat auch wieder eine Prämisse, von der man ausgehen muss, diese Welt ist in gewisser Weise eine Einheit. Wenn sie diese Einheit nicht ist, sie also auseinanderfällt in vollkommen disparate Elemente, quasi ein Scherben­haufen, dann müsste man das Ganze nochmal vollkommen neu denken. Aber es spricht eigentlich nichts dafür, dass dieser Scherbenhaufen die Wirklichkeit sein soll. Eher spricht alles dafür, dass die Welt tatsächlich eine Art Einheit ist und dass dann auch unser Bewusstsein, auch unsere Willens-Energien ein integraler Teil dieser Einheit sind und dass deswegen auch dieser Zusammenhang vollkommen legitim hergestellt werden kann, ja hergestellt werden muss geradezu.

Ich will Ihnen mal zwei kurze Passagen aus diesem Buch vorlesen, die das noch etwas berühren, um Ihnen einige Akzente zu setzen, die vielleicht zum Weiterdenken anregen könnten. Bei der Frage nach den Kräften, nach den Willens-Energien, die Materie vorantreiben, nach den immateriellen Entitäten im Sinne von Newton, von mir aus auch nach den spirits, die nicht widerlegt sind, in keinster Weise, auf keiner Ebene. Die Mechanisten, die das behaupten, postulieren Prinzipien, die nicht beweisbar sind. [Auf] Seite 92 heißt es hier, „Materie, Bewusstsein und Weltseele“: „Im Übrigen kann man schon mit einem Minimum an erkenntnistheoretischer Reflexion zu der Feststellung gelangen“, das ist hier im vierten Kapitel, „dass ausnahmslos alle Dinge, alle Phänomene, alle Wesen der Natur ihre Innenseite haben, auch die über weite Strecke tot wirkende Materie. Ein Stoff, der einfach nackt und brutal purer Stoff ist, also Stoff als Es, ohne den Ansatz eines bewusstseinsmäßigen Wir oder Ich, ist ein Phantom. Er kann allenfalls intellektuell postuliert, aber niemals empirisch verifiziert werden. Wie sollte das auch möglich sein? Jede Verifizierung kann ja nur über das Medium des menschlichen Geistes geleistet werden“, wie anders, sonst ist sie unsinnig. „Jede Verifizierung kann ja nur über das Medium des menschlichen Geistes geleistet werden und damit allein wäre der Stoff als pures bewusstseinsloses Es aufgehoben. Wenn in Physik-Lehrbüchern gelegentlich Trägheit“, also diese geradlinig gleichförmige Trägheit bis in die Ewigkeit hinaus, was pure Metaphysik ist, also reinste Metaphysik, „wenn in Physik-Lehrbüchern gelegentlich Trägheit als ein der Materie innewohnendees Fühl-Organ für die Raumzeit-Metrik bezeichnet wird, dann wird damit, ohne dass dies beabsichtigt wäre, die Materie selbst zum Lebewesen erklärt, das mit Wahrnehmungsorganen ausgestattet ist. Ein Fühl-Organ, das in der Lage ist, immer und überall und mit absoluter Korrektheit die Raumzeit-Metrik zu registrieren und dann auch noch diese Wahrnehmung an die Materie, offenbar instantan, d. h. ohne Zeitverlust, zu vermitteln, kann durchaus als Ausdruck eines kosmischen Bewusstseins gewertet werden.“

Hier kommt übrigens der zentral wichtige Faktor Zeit ins Spiel. Vergeht bei der Übermittlung von Kraft auf Materie, Zeit oder nicht? Newton nahm an, dass hier eine gewisse Zeit vergeht. Leibniz nahm an, dass das synchron, absolut synchron verläuft. Eine wichtige Frage, die ich Ihnen mal sozusagen als Denkaufgabe stelle: Wenn man einen Tisch wegzieht und die Gegenstände auf dem Tisch, die sich dort befinden, wenn sie nun, nach dem weggezogenen Tisch zu Boden fallen, gibt es eine gewisse Verzögerung oder fallen sie sofort? Mal als Denkaufgabe, fallen sie sofort, oder scheinen sie einen Moment lang wie zögernd zu verharren, und dann fallen sie, oder fallen sie gleich? Newton würde sagen, da gibt es einen zeitlichen Zwischenraum, Leibniz würde sagen, sie fallen sofort, absolut synchron. Das ist ja genauso mit dem Willen, wenn Sie einen Willens-Impuls [setzen], dann gibt es eine Verzögerung, das kann man auch sogar bis zu einem gewissen Grade empirisch verifizieren. Also, „dieses kosmische Bewusstsein ist unter-ichhaft“, also das der Materie, „ohne deswegen und ausschließlich es-haft zu sein. Und die Präzision und Weite dieser Wahrnehmung übersteigt offenbar das ich-hafte empirische Bewusstsein des Menschen bei Weitem. Denn der Mensch hat im Normalfall diese Wahrnehmung ja gar nicht. Materie, das Anorganische überhaupt, kann schlechterdings nicht in einem absoluten Sinne tot, d. h. ein ewiges und ewig unerlöstes Es sein. Schon die Annahme von Naturgesetzen, wie immer nun diese bestimmt und ontologisch fundiert gedacht werden, macht ein pures Es unmöglich. Die Naturgesetze deuten auf einen die Gesamtheit der Materie durchwaltenden Logos, der überhaupt so etwas wie Ordnung ermöglicht.“ Das ist nicht Logik im ursprüng­lichen, engeren Sinne, sondern einfach Geist.

„Naturgesetze, nach denen sich die Materie richtet und ausrichtet, setzen eine Art Elementar-Wahrnehmung der Materie voraus. Man mag die These eines unter-ichhaften kosmischen Bewusstseins der Materie als solche für abwegig oder fremdartig halten und überhaupt der Materie jede Wahrnehmungsfähigkeit, jede bewusstseinsmäßige Innenseite absprechen. Dann allerdings müsste auf eine andere Weise plausibel gemacht werden, warum dieser blinde und tote Stoff so präzise auf Gesetze reagiert, die ganz offensichtlich nicht dieser Stoff selbst sind, sondern ihn in Gänze durchdringen und bestimmen.“ Das müsste man dann plausibel machen, wenn man dann diese Prämisse ablehnt. Das kann man nicht plausibel machen, das ist unmöglich. „Was sind Naturgesetze anderes als strukturierter Geist, als anordnendes Bewusstsein? Die Naturgesetze, die wir kennen und in Formeln bannen, müssen nicht die wirklichen und eigentlichen Naturgesetze sein, nicht die wirklichen und eigentlichen Geistprinzipien, die das Universum bestimmen und vor denen unsere Naturgesetze abzuleiten wären.“ Sie kennen vielleicht die These von Roger Penrose, dem bekannten Mathematiker und Physiker, der immer wieder darauf hinweist, diese Naturgesetze, die wir kennen, sind nicht die eigentlichen Naturgesetze. Hinter ihnen sind die eigentlichen Naturgesetze. Wir kennen sozusagen nur den Vorhof dieser Naturgesetze, weil wir letztlich nicht wissen, was Gravitation und was Bewusstsein ist. Und erst wenn wir das wüssten, würden wir einen Zipfel erhaschen von den eigentlichen Naturgesetzen. „Aber darum geht es hier primär nicht. Dadurch wird lediglich die Fragestellung verschoben, nicht aber aufgehoben.

Die Kernfrage ist doch in diesem Kontext, warum reagiert die Materie auf den in den Naturgesetzen manifestierten Geist?“ Das tut sie ja ständig, unaufhörlich. Warum tut sie das? Warum reagiert sie auf dieses Logos-Prinzip? „Dieser Geist muss von kosmischer Dimensionalität sein, ein allgegenwärtiges, ja allmächtiges Etwas, das jeden Widerstand mühelos überwindet. Die Materie gehorcht und zwar nicht einfach so und blind und tot, sondern über das Medium einer Primärwahrnehmung, die zu ihren Eigenschaften gehört. Die Materie reagiert auf den Logos. Ja, vielleicht ist sie strukturell nichts anderes als eben dieses ,auf-den-allgemeinen-Logos-Reagieren’.“ Da gibt es eine wunderbare Formel von Schopenhauer, die sagt, Materie selber ist die Kausalität. Materie selber ist die Manif­estation der Kausalität. „Wenn die Primärwahrnehmung Bewusstsein oder eben Geist ist, oder Materie, wenn auch in unter-ichhafter Form, dann ist das Verhältnis von Naturgesetz und Materie ein solches zwischen zwei Ebenen oder Formen oder Dimensionen von Geist, auf der einen Seite eine unter-ichhafte Elementarwahrnehmung, auf der anderen Seite eine geisthafte Formkraft, die die Gesetze überhaupt ausmacht. Jedes Naturgesetz richtig verstanden, widerlegt den Materialismus. Nicht zufällig haben sich die Naturwissen­schaftler seit jeher schwer getan, klar zu sagen, was eigentlich Naturgesetze sind, zumal diese ja als ewig und unwandelbar gelten. Was für die Naturgesetze gilt, gilt analog auch für die Form. Auch Form ist nicht einfach Materie, nicht einfach toter Stoff. Sie ist im Stoff und über dem Stoff, manifestiert sich aber zugleich als Stoff.“ Auch eine brennende Frage, was überhaupt Form an der Materie ist.

„Auch auf der subatomaren Ebene tritt uns die Materie als Form entgegen, auch wenn wir wenig, fast gar nichts wissen über die wirkliche Wirklichkeit dieser rätselhaften, Tiefen-Welt, in der die Fühlhörner des mathematischen Geistes hinein zu reichen scheinen. Warum eigentlich? Auch das, wenn es so sein sollte, müsste zu denken geben. Und es ist durchaus konsequent, wenn Platoniker wie Heisenberg die mathematische Form über­haupt zum Wirklichkeitsgrund erklären. Dann verschwände der Stoff und nur die Form, in diesem Falle als mathematische vorgestellt, bliebe. Ganze Zahlen scheinen in der subatomaren bzw. atomaren Welt eine zentrale Rolle zu spielen. Sie scheinen als konstitutive Wirkprinzipien zu agieren, mit durchaus eigener, von der Materie losgelöster Wirklichkeit.“

Ein Zitat was ich hier bringe, das will ich noch kurz vorlesen, von Ernst Jünger zur Frage von Geist und Stoff: „Die Physik, die zu so scharfsinnigen Gleichungen von Kraft und Stoff vorgedrungen ist, bedürfte der Ausdehnung in neue Dimensionen, um uns zu lehren, dass der Stoff gleichzeitig Geist ist und so gesehen nichts außerdem. Dort müssen die feinsten, die immateriellen Teilchen sein. Erst so erklärt sich die Macht der Phänomene, und zwar nicht nur der physikalischen, sondern auch der biologischen und moralischen, deren Ähnlichkeit auf eine unteilbare Einheit hinweist und deren Divergenz auf die perspektivische Beschränkung des exzentrisch gewordenen Beobachters. Das Vegetative ist schon in den Elementen, das zeigen die Eisblumen. Die Eisblume ist nicht genetisch älter als die Rose, sie ahmen beide ein verborgenes Bild nach“ usw.

Dann heißt es hier, und dann will ich an dieser Stelle erst einmal abbrechen, mit dem vierten Kapitel hier: „Ich will nicht den mindesten Zweifel daran lassen“, dass wissen Sie, „das habe ich auch in anderem Kontext oft gesagt, dass ich die hier skizzierte Vorstellung eines kosmischen Alllebens oder allgegenwärtigen Bewusstseins in der Grund­richtung akzeptiere, ja, für die einzig befriedigende Denkmöglichkeit halte.“ Ich gehe wirklich so weit zu sagen, die Annahme einer Universal-Intelligenz, eines Alllebens ist die einzige befriedigende Denkmöglichkeit überhaupt, den Kosmos zu betrachten. „Alle anderen Denkansätze, etwa der eines wesenhaft oder überwiegend toten Universums, aus dem uns dann das anthropische Prinzip retten soll, führen konsequent weitergedacht in einen Irrgarten der Widersprüche, Zirkelschlüsse und Paradoxien. Schon Giordano Bruno hat dies in seinen kosmologischen Schriften von 1584 bis 1591 überzeugend dargestellt. Ähnlich überzeugend, und ich glaube bis heute unwiderlegt, wie den Gedanken der aktualen realen Unendlichkeit des Universums. Alles, was in diesem Buch gesagt wird über Gravitation, Äther, Gestirnbewegung und Ähnliches, ist nicht abzulösen von dieser grundlegenden These der absoluten Existenz des kosmischen Alllebens. Der das kosmische Allleben zusammenfassende Begriff heißt Weltseele. Weltseele ist das Alpha und Omega meiner gesamten Argumentation. Dieses Universum ist wirklich in toto lebendig, muss in toto lebendig sein, weil es lebendige und bewusstseinserfüllte Wesen hervorgebracht hat“, und so weiter.

Ich habe das ja in verschiedenen Zusammenhängen auch verdeutlicht. Ich will Ihnen jetzt nochmal eine zweite kurze Passage vorlesen zur Frage der Bewegung, aus dem sechsten Kapitel. Das sechste Kapitel hier hat den Titel „Welcher kosmische Wind bewegt das Raumschiff Erde? ‒ Umrisse einer neuen Theorie der Gestirnbewegungen“. Es macht den Versuch, die causa, die Ursachen der Gestirnbewegungen aufzuzeigen und stellt am Anfang Bewegung überhaupt noch einmal vor bzw. zeigt die Frage, um deren Klärung es hier geht, ehe dann die eigentliche conclusio hier vorgetragen wird mit dem Titel „Warum sich die Erde bewegt ‒ Grundprinzipien der kosmischen Bewegung jenseits von Newton und Einstein“. Ich lese mal den Anfang hier vor. „Das Rätsel der Bewegung, Phäno­menologie und Kausalität“, weil das noch mal den Punkt berührt, der grundsätzlich berührt ist bei der Frage nach der Bewegung, es geht ja um jede Bewegung, jede nur denkbare Bewegung, auch um die subatomare Bewegung. Wenn wir nicht von einem perpetuum mobile ausgehen wollen, müssen wir uns dazu bequemen, nach der causa, nach der Kausalität dieser Bewegung zu fragen.

Also, Zitat am Anfang des sechsten Kapitels: „Diese Welt ist eine Welt unaufhörlicher und allgegenwärtiger Bewegung, von der Mikrowelt der subatomaren Teilchen über den Mesokosmos, mittleren Kosmos der menschlichen Erfahrungssphäre bis zu den Groß­formationen der Galaxiengruppen und vielleicht noch darüber hinaus. Alles Lebendige und alles Tote, das tot Erscheinende, ist voller Unruhe, jagender, gehetzter Bewegung in aberwitziger Geschwindigkeit, etwa der Elektronen im Atom oder jeder Art Teilchen und Wellenstrahlung, die uns unausgesetzt durchdringt, steht neben ruhiger, getragener wie gelassen wirkender Bewegung. In der Makro-Perspektive des Sonnensystems ist die Bewegung der Planeten von dieser Art. Streng gesetzmäßig ablaufende rhythmische Schwingungen in festen Bahnen und Grenzen, etwa die Bewegung eines einzelnen Pendels oder die Achsendrehung der Erde, stehen neben chaotisch wirkenden Turbulenzen, etwa der atmosphärischen Vorgänge bei Sturm und Gewitter oder der Ausbreitung einer Erdbebenwelle. Leicht Berechenbares, etwa der fallende Stein, steht neben Bewegungen, die sich jeder Mathematisierung entziehen, oder diese auf einer Ebene der Kompliziertheit heben, die sie praktisch undurchführbar macht, etwa die Bewegung eines vom Baum fallenden Blattes in einem Herbststurm hat sich bis heute der mathematischen Erfassung entzogen. Manches entzieht sich grundsätzlich und aus prinzipiellen Gründen der Berechenbarkeit. Das gilt für den größten Teil der lebendigen Bewegung, genauer der Bewegung der Lebewesen. Wie sich der Wein, der eine Hauswand hoch wächst, bewegt, ist nicht vorhersagbar. Noch weiter entfernt von der mathematischen Erfassung ist die Bewegung eines Delphins im Meer oder die eines spielenden und hüpfenden Kindes.“

Es kommt eine kurze Passage, die ich auslassen kann, über Musik. Dann geht es weiter. „Jede Bewegung ist eine Mischung“, denken Sie an das, was ich vorhin gesagt habe, „oder ein komplexes Ineinander von zwei Polen von Freiheit und Notwendigkeit, Zwang. Der zu Boden stürzende Felsbrocken hat keine Freiheit, dies nicht zu tun, wenn er etwa von einem Bergsteiger herausgetreten wurde. Er muss die sich rasend beschleunigende Sturzfahrt Richtung Erdmittelpunkt antreten, die dann irgendwann zum Stoppen kommt. Alle der Schwere unterworfenen Wesen, also alle physischen Körper überhaupt, haben diesen dem Radialfeld entsprechenden Drang, sich gleichmäßig beschleunigt Richtung Erdmittelpunkt zu bewegen. Dieser Erdmittelpunkt ist der große allgewaltige Attraktor für alle Körper. Auch der ruhende Körper will eigentlich fallen oder stürzen, will zum großen Attraktor fallen, will in den Erdmittelpunkt hineinstürzen, quasi in den Erdkern. Der feste Boden verhindert die Vereinigung mit dem Ursprung. Wird dieser Boden weggezogen, setzt sich jeder Körper ohne Ausnahme sofort Richtung Erdmittelpunkt in Bewegung.“ Es kommt hier eine Antwort auf die Frage, die ich vorhin gestellt habe, lasse ich jetzt weg. „Vom Körper aus gesehen ist Gravitation also ein unaufhörlich vorhandener Bewegungsdrang hinab in die Tiefen des Gestirns. Dass die Gravitation bewirkende Radialfeld macht alle Körper als Körper unfrei. Ein mit Bewusstsein begabter Stein, so meint Spinoza, würde sich für frei halten“, berühmte Aussage von Spinoza. „Er würde glauben, dass sein Fallen einem von ihm ausgehenden freien Willens-Impuls entspreche. Spinoza benutzt dies als Veranschaulichung für die Unfreiheit des menschlichen Willens. Wie Leibniz glaubt er nicht an einen freien Willens-Impuls des Menschen, mittels dessen dieser zum Beispiel seinen eigenen Leib bewegen kann. Das hält er für unmöglich. Spinoza glaubt wie Leibniz, dass der Mensch das nicht kann. Wenn er glaubt, es zu können, dann müsse es sich um eine Täuschung handeln. Der Mensch auf dieser Ebene, also der der Erfahrung der empirischen Realität, hält sich für frei, ist es aber nicht, in diesem Sinne. Von Descartes über Spinoza und Leibniz und Kant bis in die Gegenwart hinein ist genau dies immer wieder behauptet worden. Ist die Welt lückenlos deterministisch gebaut, wie ja die Schulmechanik behauptet, ist natürlich die Freiheit dahin.“ Auch das habe ich verschiedentlich gesagt, dass die herrschende Vorstellung der Kausalität immer Determinismus ist. Fast alle Darstellungen zu diesen Themen setzen Determinismus und Kausalität gleich. Determinismus ist eine absolut lückenlose Kausalität. „Dann erübrigt sich auch eine Betrachtung des genannten Ineinanders von Freiheit und Notwendigkeit in der Bewegung. Dann kann jeder Freiheits­grad bis hinauf zum Höchsten, dem freien Willen des Menschen, nur Täuschung und Schein sein. Die Freiheit lässt sich dann nur retten, wenn man sie herausnimmt aus der empirischen Realität, wie ja im Idealismus von Leibniz und Kant geschieht“, das ist ja einer der Ansatzpunkte überhaupt der kantischen Vernunftkritik. „Aber ich will hier zunächst und überhaupt zentral bei der Erfahrung bleiben, und diese Vorbetrachtung hat nur das Ziel, die Bewegungsfrage als eine phänomenologische und empirische ins Bewusstsein zu rücken. Also, der fallende Stein bewegt sich zwanghaft unfrei. Sein Freiheitsspielraum als Stein ist gleich Null. Mag er in der Mikrostruktur seinen subatomaren bzw. atomaren Aufbaus wirkliche Freiheitsgrade enthalten, ob nun als Bewusstsein oder als Eigenwille oder im Sinne der Quantentheorie, der Stein als ein ganzer ist vollständig unfrei, unfrei wie jeder physische Körper als physischer Körper im Radialfeld des Gestirns. Sicher gibt es das skizzierte Materiebewusstsein, aber dies bewirkt keine Freiheitsgrade in Bezug auf die Schwere. Bewegungen, die sich absolut notwendig vollziehen, sind in erster Linie die der sogenannten toten Körper. Ein Universum toter Körper als Weltmaschine, zusammen­gesetzt aus kleinen und großen Billardkugeln, stellt sich dem entzückten Auge der irdischen Mathematiker und des göttlichen Mathematikers als in Gänze berechenbar dar. Kant meinte, er verstehe, wie sich die Gestirne bewegen und wie sie entstehen, aber er sei außerstande, einen einzigen Grashalm wirklich zu begreifen.“ Wurde oft zitiert. Erstaun­lich, dass da niemand ins Grübeln gekommen ist. Wenn man den Grashalm nicht versteht, wie kann man dann die Gestirne verstehen? „Die Äußerung Kants wird oft angeführt, selten aber als das bezeichnet, was sie eigentlich ist: eine denkerische Bankrotterklärung und eine schwer begreifbare Leichtfertigkeit. Wie kann man ernsthaft die Genesis der Gestirne verstehen wollen oder zu verstehen vorgeben, ohne die Struktur des Lebendigen zu verstehen? Das Lebendige entwickelt sich doch auf eben diesen Gestirnen, muss also mit ihnen und auch mit ihrer Genesis zu tun haben. Später feiert Ernst Haeckel den von ihm bewunderten Darwin als Newton der organischen Welt“ und so weiter.

[Ich] entwickle dann weitergehend von Stufe zu Stufe diese Vorstellung, dieses Wechselspiels von Freiheit und Notwendigkeit und versuche zu zeigen, wie man von dort aus tatsächlich in sich konsistent, schlüssig und bis zu einem gewissen Grade dann auch logisch, tatsächlich Bewegung begreifen und verstehen kann, auch die Bewegung der Himmelskörper. Ich meine, dass das in der Form noch nicht geschehen ist bisher im Denken und kann gespannt sein, wie diese Denkmomente aufgegriffen werden. Noch mal ganz kurz auf einige bündige Formeln gebracht, ehe wir dann zum Gespräch kommen, wo wir dann vielleicht das eine oder andere noch vertiefen können.

Die Frage nach der Bewegung ist die Frage nach den Kräften. Wenn ich die Frage nach den Kräften nicht stellen darf, indem ich sage, Kräfte sind nicht wichtig, mathema­tische Beschreibungen sind das, worum es geht, dann eliminiere ich eine wichtige Ebene bei diesem Thema überhaupt. Ich meine, man kann und man muss und darf die Frage nach den Kräften stellen. Und dann ist die Frage erlaubt, wenn diese Kräfte die tiefste Ebene der Erklärung sind, oder sein sollen, was sind diese Kräfte essenziell und ontologisch und in ihrem eigentlichen Sein? Und hier muss man sich, wenn denn Welt überhaupt erklärbar und verstehbar sein soll, und diese Prämisse allerdings setze ich hier an, dann muss man sich dazu bequemen, dass ein Willens- und Bewusstseins-Prinzip bis in die tiefsten Tiefen auch der sogenannt anorganischen Materie hinein anwesend ist. Nur dann lässt sich wirklich die Welt in einem gewissen Grade auch konsistent vom menschlichen Geist verstehen. Nur aus dieser Analogie heraus ist es möglich. Wenn die Welt ein absolutes Es wäre, ein pures Ding, dann würden wir auf ewig verstrickt sein, notwendig in den Zirkel unserer eigenen Projektion, dann wäre Naturerkenntnis unmöglich. Ich meine, dass die Annahme einer wie immer gearteten Naturerkenntnis letztlich dazu führen muss, dass so etwas wie Geist, Wille und auch Logos in der Welt tatsächlich vorhanden ist und auch mit den Kräften zu tun haben muss. Und dann muss man das Ganze nochmal vollkommen neu denken.

Die Behauptung, dass die Himmelskörper sich nach rein mechanistischen Prinzipien bewegen, ich sage es noch mal, ist ein pures Postulat. Es ist nie bewiesen worden, kann gar nicht bewiesen werden. Ich sage es nochmal, weil der Beobachtungszeitraum, der uns zur Verfügung steht, ein sehr kleiner ist und alle uns beobachtbaren Bewegungen dieser Art nach relativ kurzer Zeit zum Erliegen kommen. Das heißt, empirisch ist es nicht. Es ist eine postulathafte Setzung, könnte man jetzt mal ideologiekritisch sagen, um dieses Wort zu verwenden. Eine Setzung mit der Absicht, die immateriellen, göttlichen, quasi göttlichen Kräfte aus der Welt zu eliminieren. Sie dürfen nicht sein, die Welt muss ein toter Mechanismus sein. Und wenn sie das nicht ist, müsste man vollkommen neu an die Welt herangehen, dann müsste man sie neu betrachten. Dann müsste man neu nachdenken über die eigene Position im Kosmos. Dann wäre man nämlich wirklich schlagartig in einem vollkommen lebendigen, vollkommen intelligenten und bewusstseinserfüllten Universum angelangt. Und da muss man ganz neu die Frage stellen: Wer bin ich in diesem Universum? Dann müsste man quasi das ganze Denken in dieser Richtung noch einmal ganz neu aufrollen. Ich meine, dass es auch notwendig ist. Und nicht nur das, es geschieht auch. Ich sag’s noch mal: Diese Fragen interessieren und bewegen und rühren ja sehr, sehr viele Menschen auch in der Tiefe an. Es ist ja letztlich wichtig, wer wir sind und wo wir sind. Es ist ja keine müßige Frage, und man muss wirklich aufpassen, dass man sich nicht von halb gedachten und letztlich gesetzten und substanziell auch metaphysischen Prinzipien die Sicht verdecken lässt. Und da möchte ich für plädieren, auch in Weiterführung dieses Artikels aus dem „Spiegel“, den ich vorgelesen habe, da wirklich eine Aufmerksamkeit zu entfalten, wirklich eine Wachheit und eine Offenheit. Da kann jeder Mensch, der nicht vollkommen, sagen wir mal, abgedunkelt und verblendet ist, tatsächlich fundamentale, neue, offene Fragen stellen. Die darf er stellen, die müsste er auch stellen. Er sollte nicht die ihm vorgegebenen, allzu schnellen Antworten, auch wenn sie in allen Akademien der Erde als letzte Wahrheit verkündet werden, hinnehmen. Das finde ich einen guten Ansatzpunkt, noch einmal neu zu fragen und nicht zu denken, diese Art Fragen seien naive Fragen. Nicht, wenn angenommen wird, ich sag es noch als Letztes, um nochmal ein konkretes Beispiel zu geben, wenn angenommen wird in der ominösen Urknall-Fiktion, dass der Raum selber sich ausdehnt, dann ist es eine fast-Kinderfrage, die auch Schüler sofort stellen, wenn sie zum ersten Mal davon hören, der Raum dehnt sich aus: Wohin dehnt der Raum sich aus? Wohin? Dann sagen meistens die Physiklehrer: Die Frage kann man nicht stellen, weil es eine schlechte, eine falsche Frage, weil da ist kein Raum. Wenn da noch Raum wäre, kann der Raum sich nicht ausdehnen. Wie kann sich etwas ausdehnen in einen Nicht-Raum, es kann nur Raum sein. Und wenn ich sage, es ist kein Raum, das ist ein Hyperraum, wie es ja in vielen mathematischen Modellen geschieht, dann ist es doch Raum. Oder ich nehme alle unsere vertrauten Kategorien von dem, was Raum ist, vollkommen heraus. Dann bin ich bei Aristoteles gelandet, dann bin ich in der Scholastik, dann bin ich im Mittelalter. Nur ist das Ganze wesentlich vergrößert, aber ich bin letztlich genau wieder an dem Punkt, bestimmte Fragen nicht stellen zu dürfen, etwa die nach dem Außerhalb der Kugel. Das ist dann schwierig, dann sind wir im Mittelalter gelandet dort. Das muss möglich sein, und die Fragen lassen sich auch auf Dauer, glaube ich, nicht weiter verdecken. Und ich sage es noch mal wie einleitend, dass ich glaube, dass irgendwann ein großes Erwachen kommen wird bei manchen Fragen, wie man sich wirklich über Jahre und Jahrzehnte hinweg diese Frage hat wegnehmen lassen, kaum getraut hat, sie zu stellen, weil sie als Scheinfragen abqua­lifiziert worden sind. Aber das sind echte Fragen. Die Frage nach dem Raum ist keine Scheinfrage, auch keine naive Frage, sondern eine ganz tiefe, echte Frage. Wenn sich der Raum ausdehnt, wohin dehnt er sich aus? – Gut, bis dahin erstmal.

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