Weltuntergang – Wie sicher ist die Erde?

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur, Teil II
Erde und Kosmos. Denkanstöße zu einer anderen (alternativen) Kosmologie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1999/2000Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 30

Transkript als PDF:


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Und wie immer habe ich ein paar Ankündigungen. Hier liegt noch mal als Anknüpfung an die letzte Vorlesung [etwas]. Ich habe am Sonntag im Laufe des Tages drei Anrufe bekommen. Alle drei haben mich hingewiesen auf diese ZDF-Sendung über das Licht, ganz unterschiedlich und nicht in unmittelbarer Beziehung zueinander stehend. Kurze Frage ins Auditorium: Wer hat diese Sendung gesehen am Sonntagabend? Das waren doch wohl nur sehr Wenige.

Also jedenfalls ich fühlte mich bemüßigt, aufgrund dieser drei Anrufe mir diese Sendung, die eine Dreiviertelstunde dauerte, anzugucken. Normalerweise hätte ich nach 5 Minuten ausgeschaltet, weil ich ungefähr wissen konnte, auch gewusst habe, was kommen wird. Das war eine populärwissenschaftliche Sendung über die Frage des Lichtes mit mittlerweile hochkomplexen Computersimulationen. Schon allein der Moderator trat aus einem Raumschiff heraus, aus einem Computer-Raumschiff auf die Bühne und führte dann seine wunderbaren Vorgänge vor. Und ich muss gestehen, dass ich erstaunt war, mit welcher Unbekümmertheit Ende 1999 noch einmal die alten, wenigstens partiell längst widerlegten Vorstellungen geradezu mit Inbrunst für ein Millionenpublikum populär aufbereitet und serviert werden. Was war da zu sehen? Ich gebe mal nur einige Beispiele, weil das interessant ist für diese Art von Denken überhaupt.

Der Moderator stellte dar, das haben wir ja schon oft gehört seit Jahrzehnten, die Lichtgeschwindigkeit sei eine nicht überschreitbare Größe im Universum. Es gäbe zwar hin und wieder Experimente, die darauf schließen ließen, dass es Überlichtgeschwindigkeit gibt. Eine Handbewegung wischte diese Bedenken und die vielen Experimente beiseite. Alle hätten sich als Fehler und Irrtümer herausgestellt. Und dann wurden Experimente vorgeführt. Dann brachte der Moderator das beliebte Beispiel eines fahrenden Zuges, von dem aus ein Geschoss abgefeuert wird, nicht, und stellte dar, was Jedermann bekannt ist, elementare Geschichte eigentlich der Physik, dass nun die Geschwindigkeit dieses Geschosses vorne auf dem Zug sich zusammensetzt für einen Betrachter nicht in dem Zug, sondern neben dem Zug, einem ruhenden Betrachter, aus einer Addition, aus der Addition, nämlich der Geschwindigkeit des Zuges selbst und der Geschwindigkeit des Geschosses. Also stellen wir uns zwei Kinder vor in einem Eisenbahnabteil, der eine Knabe, lassen wir es mal Knaben sein, der eine Knabe sitzt mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung, der andere entgegengesetzt der Fahrtrichtung. Die werfen sich nun Bälle zu. Dann würde das für einen ruhenden Betrachter außen folgendermaßen aussehen: Der Ball in Fahrtrichtung, geworfen von dem Ruhepunkt aus, würde sich in seiner Geschwindigkeit errechnen als die Geschwindigkeit des Zuges plus der Geschwindigkeit des Balls. Derjenige, der entgegengesetzt der Fahrtrichtung wirft, würde natürlich auf eine andere Geschwindigkeit kommen. Fahrtgeschwindigkeit des Zuges minus Wurfgeschwindigkeit des Balles. So, nun wird vorgeführt, man habe durch viele Experimente eindeutig und zweifelsfrei belegt, dass dieses sehr einfache sogenannte Additionstheorem der klassischen Mechanik beim Licht nicht zutrifft, dass man nämlich, wenn man auf einem fahrenden Zug sich befindet oder auch wenn man den Zug aus der Ruhe beobachtet, einen Lichtstrahl in Richtung der Fahrtrichtung, also in Fahrtrichtung absendet, dann sei die Geschwindigkeit dieses Lichtstrahls immer c, und zwar ganz egal, wie schnell sich der Zug fährt.

Daraus wird die Schlussfolgerung abgeleitet, unter anderem daraus, dass die Größe c eine nicht übersteigbare Grenzgeschwindigkeit im Universum ist. Punkt eins. Es ist in der Tat so, dass in vielen experimentellen Zusammenhängen zunächst einmal die Bewegung einer Lichtquelle keinen unmittelbaren Einfluss hat auf die Lichtgeschwindigkeit. Das ist übrigens beim Schall genauso, wurde nicht erwähnt, obwohl es interessant ist. Auch beim Schall ist es so. Ein Impuls geht aus, wird fortgepflanzt, und zwar in wellenmäßiger Form. Daraus abzuleiten, dass es unmöglich sei, eine größere Geschwindigkeit als c zu erzielen, ist schon ein Schritt, der überhaupt nicht abgedeckt ist durch das Experiment. Ganz zu schweigen von einer Fülle von Beobachtungen und Messungen in den letzten Jahrzehnten, die darauf schließen lassen, dass auch diese Grundannahme in dieser absoluten Form so nicht stimmt. Punkt eins. Ich sage es nochmal, das gilt auch für den Schall. Dann wird weiter geschlussfolgert, obwohl es nicht direkt angegeben wurde, worauf sich das bezieht, dass man auch in der Lage gewesen sei, zweifelsfrei nachzuweisen, dass ein Impuls nicht schneller sein könne als Licht, und dann wurde herangezogen die Gravitation. Und darüber habe ich hier auch gesprochen vor einigen Wochen, da wurde herangezogen die Gravitation, früher bei Newton als eine Größe verstanden, die instantan wirkt, das heißt ohne Zeitverlust. Also Sie haben einen Körper A und Sie haben einen Körper B, und wenn beide eine gravitative Wechselwirkung aufeinander ausüben, dann wird in der klassischen Mechanik, auch in der Newtonschen Himmelsmechanik, [das ist] nicht identisch, davon ausgegangen, dass hier keine Zeit abrollt, dass das quasi ohne Zeitverlust geschieht, und zwar vollkommen unabhängig von der Entfernung. Das war ja ein ungeheures Rätsel in der Mechanik. Wie kann es sein, dass eine Wirkung, eine Kraftwirkung, möglicherweise über eine unvorstellbare Entfernung hinweg quasi instantan, das heißt augenblicklich, ohne Zeitverlust, sich vollzieht, sozusagen, bildhaft gesprochen: Der Gravitationstropfen von dem Körper A löst sich ab, ohne real den Raum zu durchlaufen, kommt er ohne Zeitverlust bei dem Körper B an. Daraus kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen. Man kann sagen, dieser Gravitationstropfen, um nochmal dieses Bild zu benutzen, durchläuft gar nicht den Raum; er unterläuft quasi den Raum, er findet gar nicht im Raum statt. Oder dieser Gravitationstropfen bewegt sich mit einer unendlichen oder quasi-unendlichen Geschwindigkeit. Dann muss man fragen: Wie ist es möglich? Wie ist es möglich, dass sich so eine ungeheure Geschwindigkeit überhaupt im Universum herstellen kann?

Jetzt wird von diesem Moderator gesagt, und das findet man ja in vielen Büchern, nicht nur in populärwissenschaftlichen Büchern, dass nun bewiesen sei, dass auch nunmehr bewiesen sei, dass auch die gravitative Wirkung sich nicht schneller fortpflanzen könne als Licht. Dafür gibt es bis zur Stunde nicht den Ansatz, aber auch nicht den zartesten Ansatz eines Beweises. Vermutungen in diese Richtung hat es oft gegeben. Bei vielen verschiedenen Physikern und Naturphilosophen, Astronomen wurde immer wieder der Gedanke ventiliert, dass möglicherweise die gravitative Wirkung nicht einfach, quasi unendlich schnell oder instantan abläuft, sondern eine gewisse Zeit braucht von hier nach dort. So wurden die verschiedensten Überlegungen angestellt, wie schnell möglicherweise die gravitative Wirkung sich vollzieht.

Dann wurde weiter angeführt ein Beleg für die nunmehr widerlegte Denkfigur des Newtonschen Gravitationsgesetz: der Merkur. So wurde also gezeigt der Merkur, der sonnennächste Planet, läuft offenbar nicht exakt, nicht streng nach den Newtonschen Gesetzen. Das ist bekannt gewesen, schon lange. Das hat schon viele beunruhigt, und in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts war das ein großes Problem, bekannt in der physikalischen Fachliteratur als die Perihel-Abweichung oder die Perihel-Drehung des Merkur. Man konnte alle Faktoren, alle gravitativen Faktoren im Sonnensystem zusammenrechnen, gegeneinander aufrechnen ‒ man stieß immer auf einen Restbetrag, der nicht aufging. Und es gab dann Überlegungen, die dahingehend formuliert wurden, das Gravitationsgesetz kann nicht stimmen, da muss ein Fehler liegen, und es hat verschiedene Möglichkeiten gegeben oder gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man das korrigieren kann.

Eine davon, ich habe die auch in meinem Buch dargestellt, ist eine weitgehend vergessene von einem Physiker namens Paul Gerber. Paul Gerber hat die These vertreten, nicht als Erster, aber er hat das durchgerechnet: Wenn man davon ausgeht, dass die Lichtge­schwindigkeit auch die ungefähre Geschwindigkeit der gravitativen Wechselwirkung ist, hat dafür auch eine Formel gefunden, dann kann man auf diesen abweichenden Wert kommen. Übrigens ohne jegliche Raumkrümmung, ohne jegliche spezielle oder allgemeine Relativitätstheorie. Das war lange davor. Also man kann das mathematisch in sich konsequent durchrechnen.

Nun habe ich schon angedeutet, als ich über dieses Thema gesprochen habe, dass allein die Abweichung des sonnennächsten Planeten von den sogenannten Newtonschen Gesetzen ja nur deswegen überhaupt aufgefallen war, weil es nicht gelungen war, die verschiedenen gravitativen Störfaktoren restfrei auszugleichen, immer unter der Annahme, dass man genau wüsste, wie die jeweiligen Dichtewerte der Gestirne sind. Ich habe immer wieder gesagt und auch in meinem letzten Buch noch mal klar herausgestellt, das ist eine pure Fiktion. Die Dichtewerte sind nicht bekannt, sie werden eingesetzt in die Gleichungen, um den Formeln genüge zu tun. Und in einem sehr komplizierten Wechselspiel von Faktoren kommt man dann zu der Schlussfolgerung, dass ja nicht nur der Merkur nicht exakt nach den sogenannten Newtonschen Gesetzen läuft, auch die anderen Planeten nicht.

Das hat die verschiedensten Überlegungen ausgelöst, auch im Zusammenhang mit der Chaostheorie, übrigens auch im Zusammenhang mit der Theorie der Eiszeiten; warum überhaupt Eiszeiten entstanden sind, wurde unter anderem darauf zurückgeführt, dass es bestimmte Anomalien in der Bahnbewegung gab. Sie wissen vielleicht, dass die Theorie der Eiszeiten ungeklärt ist. Es gibt viele Theorien darüber, aber eine restlos schlüssige Theorie gibt es bis zum heutigen Tage nicht, was nun wirklich genau die sogenannten Eiszeiten ausgelöst hat. Kurzum, hier wurde auf eine sehr simple, populäre und rundum ober­flächliche Weise nochmal all das Alte vorgeführt und ohne den Hauch, ohne den zartesten Ansatz einer kritischen Reflexion. Dann wurde, was ich besonders empörend fand, ich habe darüber auch schon gesprochen, die berühmte Fiktion der Einsteinschen Raumkrümmung in der Allgemeinen Relativitätstheorie mit einer Computergrafik verdeutlicht, immer wieder ähnlich in dem Falle, wie ein großes Trampolin, wo man eine Kugel hineinfallen lässt, und dann gibt es Dellungen. Und dann: So ist das auch mit den Gestirnen und dann mit wissendem und süffisantem Lächeln, wird dann eine Kugel in diese Kuhle noch ange­stoßen und bewegt sich dann allerdings sehr schnell dann zum Zentrum, sie hält nicht lange die Bahn. Und dann wird gesagt: Die Massen krümmen den Raum. Eine unvorstellbare Absurdität, weil allein rein logisch, dazu muss man nicht alternative Vorstellungen entwickeln über Gravitation und Licht, rein logisch ist ein Körper, ein Etwas im Raum. Wenn ich annehme, dass der Raum ein Netz ist, in das ein Ball fallen kann, hebel ich sämtliche Grundlagen überhaupt des Denkens über Körper, Kräfte und Bewegung aus den Angeln. Dann ist alles möglich, wenn man eine Raumgeometrie aufstellen kann, das kann man mathematisch relativ widerspruchsfrei, dann ist es das Eine, nun zu behaupten, der Raum selber weist eine Krümmung auf, ist eine vollkommen andere Geschichte, wird hier einem Millionenpublikum wiedermal zum wiederholten Male serviert.

Und ich darf vielleicht ganz kurz Ihnen erläutern, weil das nämlich nicht herauskam in der Fernsehsendung, noch mal, was der Hauptpunkt ist in der Beweisführung an dieser Stelle, und das hätte sich angeboten, das auch computermäßig zu simulieren, das ist nicht geschehen. Ich will es kurz mal andeuten, die normale Beweisführung seit der Allgemeinen Relativitätstheorie sieht so aus: Wenn ein Himmelskörper in der Verbindungslinie zur Erde von der Sonne verdeckt wird, also wenn ich hier eine gerade Linie ziehe, die durch die Sonne hindurchgeht, ([bezogen auf eine Darstellung an der Tafel] soll man jetzt eine gerade Linie sein, wo sie es faktisch nicht ist. Also Sie nehmen mir das mal jetzt ab.), dann würde normalerweise dieser Stern nicht sichtbar sein. Faktisch ist es aber häufig so, dass die Position des Sterns an dieser Stelle wahrgenommen wird, dass also ein scheinbarer Ort des Sterns entsteht an dieser Stelle, also der Stern ist um eine Kleinigkeit verrückt im Raum. Er scheint an einem Ort zu sein, wo er sich faktisch nicht befindet.

Und das wurde übrigens auch schon im Ansatz von Newton so erklärt, dass die gravitativen Kräfte der Sonne das Licht beugen, das heißt eine Krümmung verursachen. Das heißt also, dass im Sonnenfeld quasi diese Figur entsteht, maßlos übertrieben jetzt, eine gekrümmte Linie und dass der Betrachter jetzt in der geradlinigen Sichtachse den Stern in dieser Position sieht. Schon in der Newtonschen Himmelsmechanik war davon ausgegangen worden, von Newton selber, dass ja das Licht kleinste Partikel darstellt, dass natürlich auch, wenn diese kleinsten Partikelchen an Schwerefeldern vorbeifliegen, Krümmungseffekte auftreten müssten. Diese Krümmungseffekte kann man ganz anders deuten. Ich habe das auch angedeutet, Sie können das nachlesen in meinem Buch. Man kann die Krümmungseffekte auch deuten als eine Wechselwirkung der Radialfelder der Gestirne, wobei immer in bestimmten Dichtezonen notwendig die Wechselwirkungen eine gekrümmte Form annehmen. Das heißt, die Energien, die Radialenergien erfahren eine Krümmung. Der Raum selber bleibt Raum, wie er ist und war und immer sein wird. Das heißt, der kühne Überstieg aus einer beobachteten Abweichung, von der Größenordnung dieser Abweichung mal ganz abgesehen, zur Annahme einer realen Raumkrümmung und dann auch, und das ist ja die Pointe des Ganzen, eines nicht unendlichen Universums, das Universum biegt sich ja quasi in sich selbst zurück, ist, also diese Annahme ist in keiner Weise zwingend.

Sie ist auch ein Übergriff, der erstaunlich ist, der den meisten gar nicht auffällt. Ganz zu schweigen davon, dass diese Werte hier auch sehr unsicher sind und keineswegs den hohen Präzisionsgrad aufweisen, der oft unterstellt wird. Also man kann dieses Phänomen, an dem nicht zu drehen ist, das ist wirklich ein Phänomen, ein reales Phänomen, vollkommen anders interpretieren.

Was den Raum anlangt, so will ich Ihnen eine ganz kleine Stelle vorlesen in einem Büchlein, was ich gerade lese von dem Philosophen Hermann Schmitz über den Raum, wo er auf eine sehr prägnante Weise darstellt, wie die Raumkonzeption der Physik immer zugrunde liegt und zugrunde liegen muss, auch wenn sie sich darüber gar keine Rechenschaft ablegt. In gewisser Weise, das habe ich auch schon angedeutet, setzt allein die Vorstellung der Geschwindigkeit eines Körpers, einer Energie, einer Kraft, wie immer, bereits die absolute Zeit und einen absoluten Raum im Sinne Newtons voraus. Man kann es gar nicht anders. Es ist unmöglich. Es ist denkunmöglich, das nicht vorauszusetzen. Hermann Schmitz aus seinem Buch „Der Leib, der Raum und die Gefühle“. Kurze Passage über den Raum: „Denkt man an den Raum, so stellt man sich etwas vor, worin sich feste, von Randflächen begrenzte Körper lang, breit und dick an Orten ausdehnen können, die miteinander durch Lagen und Abstände in einem den ganzen Raum überspannenden Netz verbunden sind. Einem beliebig zentrierbaren Koordinatenraum. Diese Raumvorstellung ist vom Sehen fester Körper im zentralen Gesichtsfeld abgeleitet. In einer Welt aus lauter zäh- oder leichtflüssigen oder nebelhaften Gebilden, in der wir selbst mit einem Körper nach Art einer Wolke oder einer Öllache herumglitten, wäre sie auch optisch nicht möglich. Die Orientierung am Sehen fester Körper im zentralen Gesichtsfeld dient der neutralisierenden Objektivierung und Verfügbarkeit des Begegnenden, weil man dabei in Gedanken alles hübsch ordentlich neben- und hintereinander vor sich aufreihen und sich selbst draußen halten kann.“ Also die berühmte Distanz, die der Sehende immer zum Gesehenen hat, im Gegensatz zum Hörfeld, was immer den Einzelnen hineinnimmt. „Jedoch wird sich zeigen, dass Sehen ein Fernsinn ist, der nur über eine Distanz zum Auge funktioniert. Jedoch wird sich zeigen, dass diese Raumvorstellung, die ja ihr gutes Recht und großen Nutzen hat und von der die öffentliche Meinung beherrschende Naturwissenschaft ganz allein zur Kenntnis genommen wird ‒ es wird so getan als gäbe es überhaupt keinen anderen Raum ‒ ein hochstufiges Endprodukt der Entfremdung des Raumes vom Leib ist und tiefere Schichten ursprünglicher Räumlichkeit, ohne die sie sogar logisch den Begriffen nach nicht auskommt, als unentbehrliche Grundlage voraussetzt ‒ also immer voraussetzt und voraussetzen muss.“

Das ist wirklich diese berühmte Geschichte, die ich ja angeführt habe in dem Essay, den ich Ihnen vorgelesen habe das letzte Mal: Wo sind wir? Die Geschichte mit dem Hasen und dem Igel? Der Igel ist wirklich immer schon da, also die gestalthafte Bewusstseinsform, das Subjekt, kann sich selber nie eliminieren. Es ist immer im Spiel, und es ist immer anwesend. Der Hase mag sich zu Tode hetzen oder hetzt sich faktisch zu Tode. Der Igel beziehungsweise das Igelpaar, es sind ja zwei, ist immer schon da. Das heißt, das ist nicht möglich.

Ich will im Sommersemester dann Ihnen das auch noch mal am Beispiel des Raumes intensiver verdeutlichen, was die Leib-Erfahrung mit dem Raum zu tun hat. Das ist nämlich hochinteressant sich klarzumachen, dass die Raum-Erfahrung zunächst mal eine Leib­erfahrung ist, primär eine Leiberfahrung ist.

Dann als letzter Punkt, etwas noch zu dieser Fernsehsendung, weil ich das nun mir angeguckt habe und weil ich dachte, der Großteil von Ihnen hat das gesehen und deswegen sitze ich mal eine Dreiviertelstunde davor am Sonntagabend. Die Sache mit dem Olbers­schen Paradoxon wurde natürlich nicht erwähnt, als ob es gar kein Thema sei. Ich habe mal hier mitgebracht, um das nur mal kurz zu verdeutlichen, ein, sag ich mal Hardcore-Physikbuch, also kein, kein populäres, weiches Werk, sondern ein Grundlagenbuch für den Physiker ‒ „Mechanik, Relativität, Gravitation, die Physik des Naturwissenschaftlers“. Und hier wird ein großer Raum diesem Olbersschen Paradoxon gewidmet. Will mal nur Ihnen den Anfang vorlesen, ich habe Ihnen das ja dargestellt, dass allein das Olberssche Paradoxon ein Beleg dafür ist, dass die herrschende Sonnentheorie nicht stimmen kann. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, dem Paradoxon auszuweichen. Das ist eben genau dieser gekrümmte, auf ein endliches Universum abzielender Raum. Ich lese das mal kurz vor, Teil daraus, [das] Olberssche Paradoxon: „Das historisch erste kosmologische Problem war das Olberssche Paradoxon. 1886 kam Olbers, 1758 bis 1840, Astronom, in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass der Helligkeitsunterschied zwischen Tag und Nacht ein nicht-triviales Problem ist, ja, dass es ihn eigentlich nicht geben dürfe, sondern dass der Himmel immer dieselbe Helligkeit zeigen müsse.“ Es dürfte nie Nacht werden. „In seiner Untersuchung geht er dabei genau nach dem Verfahren der Kosmologie vor. Seine Überlegungen sind so klar und einfach, dass sie sich in wenigen Sätzen wiedergeben lassen. Zunächst stützt Olbers sich auf das physikalische Gesetz, dass bei einer kugelförmigen Ausbreitung von Licht, das zum Beispiel von einem Stern kommt, die Intensität“, heute würden wir sagen der Energiefluss oder Energiestromdichte, „umgekehrt proportional mit dem Quadrat des Abstandes abnimmt“, also das berühmte reziproke Quadrat-Gesetz 1/r², wie auch im Falle aller zentralsymmetrischen und radialen Felder. „Zum anderen wendet er das Weltpostulat in Form zweier Annahmen an.“ Weltpostulat heißt, die grundlegenden Postulate, das grundlegende Postulat über das Universum als Ganzes. „Einmal nimmt er an, dass der Raum im Großen gleichmäßig mit Sternen erfüllt ist, so dass man, wenn man von der Erde aus in die Tiefen des Weltraums vordringen würde, im Durchschnitt immer dieselbe Stern-Dichte anträfe.“ Das kann man hochrechnen, das ist auch plausibel bis zu einem gewissen Grade. „Seine zweite Annahme war es, dass alle selbstleuchtenden Sterne, das schon die, gar nicht mal als solche aufgeführte Prämisse, die ich ja, wie Sie wissen, in Frage stelle und in Frage ziehe, seine zweite Annahme war, dass alle selbstleuchtenden Sterne etwa die gleiche Größe und die gleiche Oberflächenhelligkeit haben wie die in unserer näheren Umgebung von einigen hundert oder tausend Lichtjahren beobachteten Fixsterne. Das heißt, dass sie durchschnittlich von der Art unserer Sonne sind“, was man ja auch mit einigem Recht erst einmal unterstellen kann. „Diese wenigen und einleuchtenden Annahmen haben nun die unerwartete Konsequenz, dass die Erde einem ziemlich konstanten und räumlich isotopen, das heißt von allen Richtungen mit gleicher Stärke einfallenden Lichtstrom ausgesetzt sein müsste.“ Jetzt wird eine mathematische Beweis­führung geführt, die in sich kaum zu entkräften ist. Es ist logisch-mathematisch voll­kommen einwandfrei. Es stellt sich also heraus, dass eine, wenn man alle Störfaktoren verdeckenden Nebel und Ähnliches abzieht, eine Helligkeit herrschen müsste, die etwa das 50.000fache der Sonnenhelligkeit ausmacht. „Also müsste auf der Erde immer dieselbe Helligkeit und eine mittlere Temperatur von 5.000 bis 10.000 Grad herrschen, was offenbar im Widerspruch zu unserer Erfahrung und eigenen Existenz steht.“

Witziger Nachsatz. Das kann man ausrechnen, ich habe das vereinfacht ja gesagt, die Abnahme der Strahlungsdichte mit dem Quadrat der Entfernung wird überkompensiert dadurch, dass die Anzahl, die pure Anzahl der sogenannten Sonnen mit der dritten Potenz der Entfernung zunimmt. Das heißt, es dürfte nicht dunkel werden, es könnte niemals dunkel werden. „Mindestens eine der Voraussetzungen, die Olbers angegeben hat, muss also falsch sein. Oder wir machen, ohne dass es uns bewusst ist, von Annahmen Gebrauch , die wir nicht explizit genannt haben.“ Also er unterstellt immerhin, es könnten noch Annahmen drinstecken in der Theorie, über die wir überhaupt nicht nachgedacht haben. Würde ich auch sagen, dass es der Fall ist. Eine der Annahmen zum Beispiel besteht darin, dass tatsächlich die Sonnen selber Licht verstrahlen. „Olbers selbst schloss aus seinem Ergebnis nicht auf die Falschheit seiner Voraussetzungen, sondern auf die Existenz von Dunkelwolken, die das von den fernen Stern kommende Licht absorbieren. Dieser Schluss ist indessen nicht richtig, da die Dunkelwolken im Laufe der Zeit durch die Absorption aufgeheizt würden, wenn die Prämisse stimmt, bis sie selbst ebenso viel Energie wieder abstrahlen, wie sie durch Absorption erhalten, so dass sie selbst zu Strahlungsquellen würden wie die Sterne. Das hilft nicht. Auch die Annahme einer gleichmäßigen Erfüllung des Weltraums mit Sternen ist nicht wörtlich richtig, denn die Fixsterne treten immer in Anhäufungen als Galaxien auf. Das tut der Olbersschen Überlegung jedoch keinen Abbruch. Denn man braucht die Rolle, die die Sterne in ihr spielen, nur den Galaxien zu geben oder Clustern von Galaxien, kurzum jenen Gebilden, die gleichmäßig im Raum verteilt sind, um zum selben Resultat zu kommen.“

Jetzt die Lösung des Paradoxons, diese Lösung, Interpretation eines gekrümmten, letztlich endlichen, unbegrenzten Raums. „Tatsächlich ist nun, wie wir heute wissen“, ich würde sagen, die wir heute setzen als Prämisse, „eine explizit nicht ausgesprochene und seinerzeit als selbstverständlich erachtete Annahme, falsch, nämlich, dass das Weltall zeitlich unveränderlich sei. Die fundamentale Entdeckung, dass das Weltall expandiert“, oft wird ja von der Expansion des Raums gesprochen, „und seine inneren Maßverhältnisse ändert, greift entscheidend in die Olberssche Überlegung ein. Da diese Entdeckung der erste experimentelle Beitrag zur Kosmologie und daher von grundlegender Bedeutung ist, wollen wir uns hier näher ihr zuwenden.“ Dann wird die Vorstellung ins Spiel gebracht, dieser Denkfigur und auch die berühmte Rotverschiebung in den Galaxien-Spektren der Gestirne, die man auch ganz anders deuten kann, keineswegs als eine Fluchtbewegung, als eine reale Fluchtbewegung der Galaxien. Zum Beispiel heißt es hier dann an einer Stelle als letztes noch „Man wird vielleicht den Einwand erheben, das Bild vom expandierenden Universum hänge nur daran, dass die Rotverschiebung ferner Galaxien als Dopplereffekt gedeutet werde, dass es vielleicht aber eine ganz andere physikalische Erklärung für die Rotverschiebung geben könnte, die keine so unangenehmen Folgen hätte.“ Und dann wird gesagt, wir kennen die Rotverschiebung auch aus anderen Zusammenhängen. Deswegen können wir davon ausgehen, dass es auch im kosmischen Maßstab sich tatsächlich so verhält, und so weiter.

Also man kann an diesem Beispiel sehr schön erkennen, dass die verschiedenen Modellvorstellungen, Hypothesen, Fiktionen sich gegenseitig stützen, wenn das Eine, dann das Andere. Und es ist aufschlussreich, sich dann klar zu machen, was eigentlich passiert, also wie das Denken über das Universum tatsächlich arbeitet, mit welchen Grundvoraus­setzungen es arbeitet und wie das weiter gerechnet wird. Das wäre ein intellektuell mehr oder weniger müßiges Spiel, auch relativ unerheblich für uns alle, könnte man sagen, wenn daraus nicht so weitreichende Weltbildkonsequenzen gezogen würden, die ja das kollektive Bewusstsein in einem unvorstellbaren Maße prägen. Und da liegt das Interessante, auch für die Bewusstseinsgeschichte Interessante. Wenn das nicht so wäre, könnte man sagen, man kann diese kosmologischen Überlegungen, seien sie so oder seien sie anders, auf sich beruhen lassen und das den sogenannten Fachleuten überlassen. Das ist so nicht der Fall, weil, es ist fundamental. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob die Dinge sich so verhalten, oder ob sie sich grundlegend anders verhalten. Ob das, auf eine kurze Formel gebracht, das Universum tot ist und das Leben nur als mehr oder weniger monströsen Zufall kennt, oder ob das Universum alllebendig ist; und wenn es uns ein totes Antlitz entgegenbringt, wir vielleicht nur uns selber darin erblicken, es vielleicht eine gigantische Projektion sein könnte.

Ich habe das ja in meinem letzten Buch versucht darzustellen und auch eine Fülle von Argumenten dafür gebracht, dass wir gute Gründe haben, anzunehmen, dass diese Annahme eines toten Universum letztlich eine kollektive Projektion ist. Und ich glaube ganz sicher, dass diese Art von kollektiver Projektion eines toten Universums auch kausal zu tun hat mit der ökologischen Krise. Das heißt, wer das Universum so betrachtet, wird kurz oder lang auch die Erde, den Boden unter seinen Füßen zerstören. Das heißt, monströse Weltbilder kreieren, früher oder später auch die buchstäblich reale Zerstörung der Lebensgrundlagen. Eines bedingt immer das Andere. Insofern ist das Eine vom Anderen nicht abzukoppeln. Das führt auf das eigentliche Thema heute.

Ich habe ja die Frage gestellt, ob man dem Kosmos trauen kann, das ist ja die Leitfrage heute. Ich will Ihnen mal noch dieses Motto einmal vorlesen, was ich angedeutet habe letztes Mal, um nochmal die Rahmenfrage zu verdeutlichen: Wie sicher ist die Erde? Können wir dem Kosmos trauen, was gemeint ist. Matthew Fox sagt in einem Gespräch mit Sheldrake Folgendes. Er bezieht sich da auf eine Aussage Einsteins. Ich lese das nur mal vor: „Jeder im alten Griechenland und Rom glaubte an Engel“, sagt Matthew Fox, Domini­kaner, Theologe, „sie waren Teil der akzeptierten Kosmologie. Die Frage war jedoch, ob man diesen unsichtbaren Kräften des Universums, die die Planeten und Elemente bewegten, trauen könne oder nicht. Wie vertrauenswürdig ist das Universum? Das ist deshalb so interessant, weil im 20. Jahrhundert Einstein einmal gefragt wurde, welches ist die wichtigste Frage, die man sich im Leben stellen kann? Seine Antwort war:“, interessante Antwort, „Ist das Universum ein freundlicher Ort oder nicht? Das ist die gleiche Frage. Es ist letztlich ein kosmologisches Thema. Können wir dem Kosmos trauen?“

Man kann hier auch die Frage anders formulieren und sagen: Wo sind wir? Das war ja die Frage vom letzten Mal. Welche Stellung haben wir in diesem Universum? Können wir dem Kosmos trauen? Ist das überhaupt ein Kosmos? Ist das nicht vielmehr etwas ganz Anderes? Eine ganz andere, vielleicht monströse, lebensfeindliche Veranstaltung? Also die Frage: Wie sicher ist die Erde? Man muss sich vielleicht einen Moment klarmachen, dass diese Frage eine Frage war, die tatsächlich über Jahrhunderte hinweg auch in der Natur­wissenschaft diskutiert wurde, obwohl das weitgehend aus dem Bewusstsein geschwunden ist, und zwar festgemacht an der Frage: Wie stabil ist das Sonnensystem? Das war die Frage, die die Schwedische Akademie der Wissenschaften 1885 ausschrieb. Der Mathe­matiker Poincaré hat sich dann beworben und hat den Versuch gemacht, die Frage zu beantworten, er ist daran gescheitert. Es war die Frage nach der Stabilität des Sonnen­systems, die auch Newton beschäftigt hatte. Wie kommt es eigentlich, dass die Gestirn­bewegungen so erstaunlich regelmäßig, gleichförmig in gewisser Weise ja lebensfreundlich sind? Ist es möglich, dass das ein in sich konsistentes, rein mechanistisches Netzwerk ist? Oder bedarf es göttlicher, spiritueller Einwirkungen in dieses System?

Ich habe das ja schon in anderem Kontext angedeutet, dass Newton der Auffassung war, dass es im Universum, das war für ihn immer mehr oder weniger das Sonnensystem, ständiger Eingriffe des Göttlichen bedarf, um diese unvorstellbare Ordnung aufrecht zu erhalten. Das wurde schon zu seinen Lebzeiten verschiedentlich heftig bezweifelt. Es gab schon, nicht nur in der Kontroverse mit Leibniz, es gab einen Zeitgenossen, William Whiston, einen jüngeren Zeitgenossen von Newton, der eine ganz andere Auffassung vertreten hatte vom Universum. Die Frage war also: Wie kommt es, dass die Rotation der Erde so regelmäßig ist? Wie kommt es, dass die Gestirne ihren Gang ziehen und dass sich nicht auf eine fundamentale Weise die Dinge verschieben oder verändern? Dass das über einen relativ großen Zeitraum nicht passiert sein kann, kann man daraus schließen, dass Menschen im Allgemeinen ein großes Grundvertrauen haben, wahrscheinlich auch hier alle im Raum, in die Kontinuität und in die Stabilität dieser kosmischen Bewegung.

Keiner von uns geht ernsthaft davon aus, dass jäh, schockartig, durch welche Faktoren auch immer bedingt, plötzlich etwa die Erdrotation sich rabiat verlangsamt oder beschleunigt oder auch die Bahnbewegung der Erde sich rabiat beschleunigt. Wir alle gehen mehr oder weniger fast wie selbstverständlich davon aus, dass diese kosmische Bewegung eine ruhige, eine gleichförmige ist. Und darauf vertrauen wir. Das hat natürlich viele Wurzeln, unter anderem sicherlich auch die christlich-jüdische Wurzel, dass man annahm, dass eine gottgefügte Ordnung nur so beschaffen sein kann, dass uns nicht dieser Boden, auf dem wir stehen, weggezogen werden kann. Also es gibt ein tiefes Vertrauen in die kosmische Bewegung, wenigstens in der mentalen Bewusstseinsverfassung.

In magischen Bewusstseinsverfassungen ist dieses Vertrauen nicht gegeben. Man kann das nun mal an einem beliebigen Beispiel, etwa an der balinesischen Kultur zeigen und vielen magisch beeinflussten Kulturen, wo immer davon ausgegangen wird, dass diese Bewegung aufs Neue gegen die Flut des Chaos errungen werden muss, wo das nicht als selbstverständlich gilt, wo man nicht davon ausgeht, dass morgen wie selbstverständlich wieder morgen sein wird und morgen ein Tag wie heute, sondern dass der Tag, der morgen sein wird, ein quasi gegen den Strom der Finsternis erkämpfter Tag ist. Das kann man in der balinesischen Kosmologie ganz deutlich sehen, wo auch etwa das Wasser als eine chaotische Energie galt, die ständig die kosmische Ordnung gefährdet.

Also, das Vertrauen in die kosmische Bewegung ist erst einmal ein Element, primär ein Element der mentalen Bewusstseinsverfassung, sicherlich noch mit angereichert durch die jüdisch-christliche Grundüberzeugung einer Gesetzesordnung im Universum. Es ist also keine für sich bestehende Selbstverständlichkeit, dass das so ist. Ganz zu schweigen von gefährdeten Gebieten, etwa durch Flutkatastrophen oder Erdbeben, wo natürlich das Grundvertrauen in den Boden, der trägt, keineswegs so gegeben ist. Zwar wird nicht angenommen, dass jetzt die Erdrotation sich rabiat verändert, aber es wird doch letztlich angenommen, dass der Boden sich weiter fortbewegt durch den Kosmos, aber er trägt nicht mit Selbstverständlichkeit.

Sie erinnern sich vielleicht an eine berühmte Geschichte, das ist oft dargestellt worden, anlässlich des berühmten Erdbebens von Lissabon 1756 hat Voltaire gegen die Theorie von Leibniz von diesem Kosmos als dem besten möglichen Kosmos dieser Welt, als der bestmöglichen aller Welten, eingewendet bei einer so großen Anzahl von Toten und Schwerverletzten kann ja nun schlechterdings nicht die Rede sein von einem Kosmos, der nicht auch anders und besser sein könnte. Nicht, die leibnizsche Grundüberzeugung, dass Gott in der Freiheit seiner Wahl die Welt geschaffen hat, in absoluter Freiheit, die die beste aller möglichen Welten ist. Also ein Einwand derart, dass Leid in der Welt, der Schmerz, alles Furchtbare, Entsetzliche in der Welt, widerlegt das. Und das ist natürlich eine ernstzunehmende Facette, die man nie naiv außer acht lassen soll, wenn man von diesen Dingen spricht, auch wenn man etwa eine ganzheitlich verstandene oder kosmisch verstandene Vorstellung der Erde als Ganzheit, als Gaia, als liebevolles, uns alle tragendes Etwas, als kosmische Plattform. Diese kosmische Plattform kann auch wegbrechen, und diese kosmische Plattform kann auch furchtbare Auswirkungen haben. Also man muss da sehr genau unterscheiden. Also, die Frage ist, können wir dem Kosmos trauen, wurde festgemacht an der Frage: Wie stabil ist das Sonnensystem?

Ich mache eine kleine Pause mal früher als sonst. Ich habe letztes Mal immer weit überzogen und dann machen wir mal 10 Minuten Pause.

Ja, die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit, Regelmäßigkeit, Kontinuität der kosmischen Bewegung war von der Newton-Zeit an primär die Frage und noch weit ins 19. Jahrhundert hinein, wie stabil ist das Sonnensystem? Das war ja die Frage der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, eine Preisfrage, die Poincaré versuchte mathematisch zu lösen und zu beantworten. Also, wie stabil ist das Sonnensystem? Zur Frage des Vertrauens in die Bewegung in Weiterführung dessen, was ich vorhin in kurzer Form angedeutet habe, möchte ich eine ganz kleine Passage hier vorlesen aus dem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“: „Das kollektive Vertrauen in die kosmische Bewegung“, eine Passage, die es nochmal von einem etwas anderen Blickwinkel aus beleuchtet: „Die Bewegung der Himmelskörper erfolgt mit erstaunlicher Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit, und es ist verständlich, dass die antiken Griechen gerade hieraus die Vorstellung abgeleitet haben, dass die Welt zwar im Einzelnen Elemente der Unordnung und des Chaos enthält, aber als Ganzes ein Kosmos, ein System der Ordnung und der Harmonie darstellt. Auch der Begriff der klanglichen oder musikalischen Harmonie wurde zunächst primär aus den Bewegungen der Gestirne abgeleitet. Das alte uranfängliche Chaos schien gebannt, und nun herrschte die kosmische Ordnung. Regelmäßigkeit hat mit Voraus­sagbarkeit zu tun, und das Gefühl der Verlässlichkeit stellt sich ein, wenn man weiß, dass auch morgen die Sonne scheinen und alles seinen geregelten, voraussagbaren Gang gehen wird. Das schafft ein Grundgefühl des Getragenwerdens durch eine übergreifende alles durchwaltende Ordnung. Dieses Grundgefühl als Erbe der antiken Kosmosvorstellung ist auch in der modernen Psyche tief und fast unverrückbar verankert. Was immer der moderne Mensch an ökologischem Chaos anrichtet, welche Gewalt- und Schandtaten er der Erde gegenüber begeht, in der Tiefe kann er sich nicht wirklich und ernsthaft vorstellen, dass ihm der Boden weggezogen wird, dass er abstürzen könnte ins Nirgendwo. Und auch die seit einigen Jahren spürbare kollektive Aufmerksamkeit für kosmische Katastrophen aller Art ist noch kein Symptom dafür, dass sich dieses Grundgefühl fundamental verändert hat.“ Sie wissen ja, dass seit ungefähr den 80er Jahren, seit den frühen 80er Jahren, fast überraschend ein Gefühl aufkam, dass diese Sicherheit der Erde in ihrer Bewegung und überhaupt in ihrer Gegründetheit und Kontinuität jäh unterbrochen und gestört werden könnte durch einen Kometen-Einschlag. Das war über viele Jahre hinweg kein zentrales Thema. Als Immanuel Velikowsky … (** AUDIO-LÜCKE **)

„… Newton tat, ist letztlich die Grundordnung, in diesem Falle Grundstabilität des Sonnensystems und damit auch der Erde so nicht angetastet werden kann. Dass im 18. Jahrhundert allein die Vorstellung eines chaotischen Hagels von Gesteinsbrocken auf der Erde für praktisch unmöglich gehalten wurde, habe ich schon mal in einem anderen Zusammenhang angedeutet. Es war so, dass in einem rational vernünftig verwalteten Universum ein wilder und chaotischer Einschlag von Asteroiden für praktisch unmöglich gehalten wurde und alle Begründungen und Erfahrungen, die es gab, wurden abgewiesen. Der Kometen-Einschlag auf dem Jupiter im Sommer 1994, vielleicht erinnern Sie sich, das war ja ein riesiges Medienspektakel, war für die meisten Menschen eher eine Art Film, den man sich zwar erregt und gespannt, aber doch von der eigenen sicheren Position aus gelassen ansehen konnte, sozusagen die kosmische Katastrophe ist immer am schönsten vom Fernsehsessel aus. Meldungen über Beinahe-Zusammenstöße der Erde mit einem Kometen oder Meteoriten oder Asteroiden häufen sich. Auch weiß man, dass es Einschläge mit verheerenden Folgen gegeben hat, aber das Grundvertrauen in die Verlässlichkeit der kosmischen Ordnung herrscht nach wie vor. Denn was immer an Bedrohung am Horizont aufscheint und welche apokalyptischen Szenarien gemalt werden, die Rotation der Erde bleibt stabil. Die Bahnbewegung des den Menschen tragenden Planeten verläuft ruhig und voraussagbar. Was an chaotischen und schlichtweg monströsen, irrwitzig wirkenden Vorgängen sich da draußen im All abspielt oder abspielen soll, alles ist und bleibt irgendwie Kino und hat gar keine existenzielle und den normalen Tagesablauf prägende Bedeutung. Die psychologischen Muster, die hier greifen, haben ganz unverkennbar Ähnlichkeit mit der verbreiteten Freude an Schrecken und Gewalt und feurigem Spektakel, soweit man Zuschauer bleiben kann, soweit die eigene Existenz nicht unmittelbar bedroht ist.“ Das konnte man im Sommer ‘94 ganz deutlich beobachten, eine ungeheure Erregung, eine kollektive Erregung machte sich breit. Schaurig gespannt wurde dieses Spektakel des Einschlags auf dem Jupiter verfolgt. „Ist das Universum ein freundlicher Ort oder nicht? Für Einstein war das die wichtigste Frage, die man im Leben stellen kann. Fast noch aufschlussreicher ist die Version von Matthew Fox: Können wir dem Kosmos trauen? Beide Fragen, die ja im Kern eine Frage sind, berühren die Frage, was die Gestirne wirklich bewegt.“ Darüber haben wir schon gesprochen. „Sind es gleichsam oder auch tatsächlich uns freundliche Geister, die Erde und Himmel in Gang halten? Geister, denen wir in der Tiefe trauen können, die uns nicht täuschen, nicht betrügen, die uns nicht fallen lassen? Oder ist das Ganze nur mühsam und langfristig auch unzulänglich zu ordnen, gefühltes Chaos, wie es ja in vielen mythischen Denkfiguren gesehen wird?“

Ich habe das Beispiel ja von Bali genannt. „Kurz: Wer herrscht, das Chaos oder der Kosmos? Dass überhaupt so etwas entstehen konnte wie die sogenannte Chaostheorie, ist nur [aus] oberflächlicher Sicht so zu deuten, als würde nunmehr diese Frage in Richtung Chaos entschieden. Die Chaostheorie hat eher dazu beigetragen, das Problem zu ver­wischen, um das es hier geht. Zwar veranstalten Menschen auf der Erdoberfläche Chaos im Sinne von Gewalt, Zerstörung und kollektivem Wahn, aber dieses Chaos ist im Grunde nicht gemeint. Ja, es wird durch die Chaostheorie eher verharmlost. Bei genauerer Betrachtung enthüllt sich das Chaos der Chaostheorie als eine neue modifizierte Form des alten Kosmos-Begriffs, Kosmos als Schönheit, Schmuck und Ordnung. Innerhalb dieses neu- alten Begriffs werden die geometrisch-mathematischen Ordnungsmuster, die allenthalben mit ästhetischem Entzücken betrachtet werden, zu dem, was die Pythagoreer unter Sphären­harmonie verstanden. Sphärenklänge oder heilige Geometrie mittels Computersimulation, darauf läuft es in der Substanz hinaus. Und ähnlich wie in der Systemtheorie feiert auch in der Chaostheorie die Subjektblindheit der abstrakten Naturwissenschaft ihre Triumphe.“

In dem vielleicht interessantesten Buch, was es gibt zur sogenannten Chaostheorie, wir unterstellen mal, dass es so etwas wie eine Chaostheorie gibt, wir haben ja schon mal erwogen, dass es vielleicht eine Mystifikation der Öffentlichkeit ist, unterstellen wir mal, es gäbe so eine Theorie, in diesem vielleicht interessantesten Buch zur Chaostheorie, das nie ins Deutsche übersetzt worden ist, „Chaos, Gaia, Eros“ von Ralph Abraham, einem bedeu­tenden Mathematiker und Mitbegründer dieser sogenannten Chaos-Mathematik, wird zentral Bezug genommen auf die Frage, die hier heute Abend im Mittelpunkt steht: Wie verlässlich ist die kosmische Ordnung? am Beispiel, wie verlässlich ist und wie stabil ist das Sonnensystem? Ralph Abraham outet sich hier, wenn man so will, als Bewunderer, geradezu Fan von Imanuel Welikovsky, von William Whiston und auch, erstaunlich, von Giordano Bruno. Ich bin auf dieses Buch gestoßen, weil ich im Frühjahr 1995 eine Diskussion moderieren sollte, das getan habe zwischen Bodo Hamprecht und Ralph Abraham vor einem größeren Auditorium, und da ist mir dieses Buch in die Hände gefallen. Und ich habe es dann auch gelesen, das eigenartigerweise bis heute nicht in Deutsch erschienen. Ich habe seinerzeit dem Diederichs Verlag das vorgeschlagen, das übersetzen zu lassen, das ist also abgelehnt worden. Warum, weiß ich nicht.

Abraham zählt A Giordano Bruno, B William Whiston und C Emanuel Wilkowski zu seinen, wenn man so will, Vorläufern. Er bringt einen interessanten Gesichtspunkt, der natürlich für mich auch als Bruno-Kenner, Bruno-Forscher, Bruno-Biograph, -Monograph interessant ist, er vertritt nämlich die These, die sehr kühne These, die mir in der Form kaum haltbar zu sein scheint, aber interessant ist sie gleichwohl, dass Giordano Bruno primär deswegen verbrannt worden sei, weil er die Grundüberzeugung von der mathe­matisch fassbaren Stabilität des Universums angezweifelt habe. Bruno war, und das erwähnt auch Abraham, ich habe mich auch mit Abraham darüber unterhalten in Wien, ein scharfer Kritiker der mathematischen Astronomie. Er hatte auf der einen Seite den Kopernikanismus ungeheuer erweitert, kosmologisch radikalisiert, hatte aber die Mathematik als Grundlagen-Wissenschaft kosmischer Ordnung und kosmischer Bewe­gungen im Fundament angegriffen, und zwar dergestalt, dass er meinte, dass alle Bewegungen im Universum, einschließlich, vielleicht sogar primär, der Gestirnbewegungen gewisse Irregularitäten aufweisen, nicht wirklich gleichmäßig sind und folglich auch nicht restlos mathematisch verifizierbar. So war er ja schon zu der These gekommen, dass die Bahnbewegung der Planeten keine Kreisform darstellt.

Abraham zitiert überraschend und eigenartig in seinem Buch eine längere Passage der Theosophin Annie Besant über Giordano Bruno. Auf diese These greift er zurück, die ihrerseits genau diesen Punkt hervorhebt, dass Bruno nämlich die Grundüberzeugung attackiert hat, dass die kosmische Ordnung mathematisierbar sei, was ja die Grund­überzeugung war und dann auch später wurde in der abstrakten Naturwissenschaft seit Galilei. Ich paraphrasiere das mal und übersetze das mal in groben Zügen, diese Passage von Annie Besant über Giordano Bruno. Vielleicht ein kleines Aperçu und eher eine, sagen wir mal, vielleicht Heiterkeit oder Verwunderung auslösende Geschichte, dass Annie Besant der Auffassung war, selbst die Reinkarnation von Giordano Bruno zu sein. Es wurde in theosophischen Kreisen so gehandelt, und auch in anthroposophischen Kreisen wird das ( … ) fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit so weitergetragen. Also Annie Besant hat das immer wieder oder verschiedentlich zu erkennen gegeben, dass sie diese Vorstellung ventiliert. Giordano Bruno in seinem letzten und größten Werk „De Immenso“, „Vom Unermesslichen“, das er kurz vor seiner Inhaftierung geschrieben hat, verneinte die Existenz einer mathematisch fassbaren Ordnung in der Natur und der Stabilität des Sonnensystems. Er erklärte das mit der unvollkommenen astronomischen Beobachtung und die davon ausgegangen waren, dass die himmlischen Körper sich in Kreisen bewegen und wieder zu ihrer Ursprungsposition zurückkehren, „in the long run return to the original position“. Er wies darauf hin, dass die astronomischen Bewegungen unvorstellbar komplex sind, insofern nicht restlos mathematisierbar. Der Glaube an eine simple und reguläre Bewegung der Planeten, so fuhr er fort, sei Täuschung und ein Abkömmling astrologischen Denkens, „the luxury product of astrological thinking“. Es ist notwendig, die Astronomie von diesen platonischen, astrologischen und pythagoräischen, metaphysischen Annahmen zu befreien, sagte er. Und das zitiert Ralph Abraham als Beispiel für, einen ersten Hinweis darauf, dass dieses Stabilitätsdogma in der Form nicht gültig sei und behauptet allen Ernstes, was recht wagemutig ist, um nicht zu sagen auch absurd, dass Bruno deswegen auf dem Scheiterhaufen gelandet sei.

Was für diesen Kontext unseres Themas interessant ist, ist ein Mann, der ein Zeitgenosse von Newton war, ein Mann namens William Whiston, der mit Newton eine Kontroverse über Kometen hatte. Ich habe das auch erst relativ spät erfahren und es in meinem Buch nicht gebracht, dass Newton seine legendären „Principia“ auch in diesem Kontext gesehen hat, unter anderem in seiner Kontroverse mit Halley, nach dem der berühmte Komet, der eine 76-jährige Umlaufzeit hat, ja benannt ist. Halley hatte verschie­dene Überlegungen angestellt, was Kometen seien, welche Bahn Kometen haben und hatte Newton quasi gedrängt, zu dieser Frage eingehender Stellung zu nehmen. Und William Whiston, ein vollkommen unbekannter Mann, also kaum einer kennt mehr den Namen, in den meisten Physikbüchern oder in Geschichtsbüchern der Naturwissenschaft taucht er überhaupt nicht auf, eine Generation jünger als Newton, war zunächst ein begeisterter Newton-Schüler und hatte die Thesen vertreten, die sich in drei zentralen Sätzen zusammenfassen lassen, im Jahre 1694.

Nach Whiston war die Erde ursprünglich ein Komet, ein quasi chaotischer Irrläufer, der die Sonne in einer extrem exzentrischen, chaotischen Bahn umlief. Zweite zentrale These: Zu einem bestimmten Zeitpunkt entschied Gott, „God decided to make earth a planet with a circular orbit“, zu einem bestimmten Zeitpunkt entschied sich Gott dafür, dem Planeten eine kreisförmige Bahn anzuweisen, zunächst mit einer Periode von 360 Tagen. Dritte These schließlich: [es] schlugen andere Kometen, gelenkt von Gott, „guided by God“, „crushed against Earth“, also andere Kometen, gelenkt von Gott, rätselhafterweise, „crushed against Earth“, schlugen also auf die Erde auf, „causing the flood“, verursachten die große Flut, denken Sie an Alexander Tollmann und andere, verursachten die große Flut, die Schrägstellung der Erdachse, die Exzentrizität der Erdbahn und so die Jahreszeiten und auch die tägliche Rotation der Erde und den Zyklus von Tagen und Nächten. Das Sonnen­jahr änderte sich von 360 auf 365 Tage. „Halley secretly shared this view“, Halley war im Geheimen auch dieser Überzeugung.

Das war eine Grundüberzeugung, die nach Newton nicht akzeptabel war. Newton hat scharf, schroff und vehement dagegen protestiert, dass es eine chaotische Vorform des Sonnensystems gegeben haben soll, dass also die Erde einst ein Komet gewesen sein soll, und das durch einen Einschlag eines gewaltigen Himmelskörpers, der die Flut verursachte, auch die jetzige Ordnung hergestellt sei. Sie werden sich erinnern, ich habe das damals gesagt, dass die Polemik, schroffe Polemik von Leibniz und der Leibnizianer gegen Newton ja immer darin bestand, dass Newton nicht auskam ohne göttliche Eingriffe in die Ordnung des Sonnensystems. Leibniz hat darüber gespottet. Newton nimmt einen Uhrmacher an, einen göttlichen Uhrmacher, zwingt diesen Uhrmacher aber, sein Uhrwerk immer wieder neu aufzuziehen. Das ist eine Frage, die Newton immer wieder beschäftigt hat, gerade auch diese Kometen als ja nicht so leicht einzuordnende Himmelskörper, und das hat ja dann im 18. Jahrhundert zu der Auffassung geführt, dass quasi chaotische Bahnen im Sonnensystem nicht geschehen, nicht Platz greifen durften.

Whiston wird hier als ein Vorläufer der Chaostheorie und des Immanuel Velikovsky dargestellt, der letztlich eine ganz andere Ordnungsidee des Sonnensystems im Kopf gehabt habe. Und es ist interessant, wenn man einen Blick ins 19. Jahrhundert wirft und die Fragen, die ich ja in der Stunde vor der Pause angedeutet habe, dann kommt man zu der Frage der Irregulärität der Planetenbahnen.

Ich habe ja das Beispiel des Merkur genannt, ich habe auch angedeutet, dass alle Planetenbahnen eine gewisse Irregulärität haben. Und dann ist die Frage, was die eigentlichen Gründe dafür sind und welche Ordnungsprinzipien dahinter stehen. Das war ja am Beispiel des Merkur nur besonders signifikant geworden. Im Prinzip kann man sehen, man kann zeigen, dass alle Planeten unregelmäßige Läufe haben, und es war eine der Theorien, unter anderem vertreten von dem Astronomen Leverrier, darauf auch die sogenannten Eiszeiten zurückzuführen.

Ich habe eine kleine Passage noch hier einzufügen, das wollte ich ursprünglich in das Buch mit aufnehmen, habs dann nicht getan. Nochmal zu dieser Frage, ich lese das einfach mal vor, es ist dann also ausgeschieden worden von mir, gehört aber hier hinein: „Wie stabil ist unser Sonnensystem? Die von Poincaré gegebene Antwort, Hinweis auf das 3-Körper-Problem, das nicht lösbar ist, also alle Differentialgleichungen scheitern daran, es ist nicht lösbar, wurde erst durch die Chaostheoretiker der 60er Jahre unseres Jahr­hunderts aufgegriffen. Von der Schulmechanik aus war sie erstaunlich, aber im Ganzen doch eher milde. Vergleichsweise milde sind auch die aus Computersimulationen abgeleiteten Überlegungen vieler Chaos-Theoretiker über die Instabilität des Planeten­systems, das ist durchgerechnet worden für einzelne Gestirne, dass von bestimmten Punkten an das Ganze in geordnete Bahnen hinein kippen kann. Instabil werden die Planetenbahnen erst in riesigen Zeiträumen, die die überlieferte menschliche Geschichte weit übersteigen. Das lässt genügend Raum für die Überzeugung, dass das Sonnensystem prinzipiell und bezogen auf die menschliche Zeiterfahrung stabil ist, also keine weitreichenden oder dramatischen Veränderungen erfährt. Nun berichten sämtliche Überlieferungen der Menschheit aus den verschiedensten Teilen der Erde von einer oder gar von mehreren kosmischen Katastrophen, und zwar von Menschen erfahrenen Katastrophen, die wie Endzeitszenarien gewirkt haben müssen und als kollektives Trauma im Gedächtnis der Menschen bewahrt wurden, ehe sie der völligen Vergessenheit anheim fielen oder als ferne Sagen verblassten.“ Das ist ja eine zentrale These von Alexander Tollmann, dem Geologen in seinem Buch „Und die Sintflut gab es doch“ von 1993, der ja meint, dass der Impakt, den er annimmt, als Verursacher der Sintflut vor neuneinhalb tausend Jahren stattgefunden hat und der einen kollektiven Schock in der Menschheits-Psyche bedeutet hat, der sich in sämtlichen Mythologien und religiösen Systemen der Menschheit nachweisen ließe, bis in die Johannes-Apokalypse hinein und so weiter. Die verbreitete Kometenfurcht wird damit zusammenhängen. Die Art der Katastrophen lässt darauf schließen, dass es dramatische und wahrhaft grundstürzende Veränderungen im Lauf der Gestirne gegeben hat. Wenn man die mythologischen Texte daraufhin anschaut, das tut Velikovsky in verschiedenen seiner Bücher, dann kann man das schließen. Also dass es dramatische und wahrhaft grundstürzende Veränderungen im Lauf der Gestirne gegeben hat, Stillstand der Sonne, also Stopp der Erdrotation, Umkehrung des Sonnenlaufs, die Erde dreht sich in die entgegengesetzte Richtung, Veränderung der Anzahl der Erddrehungen pro Jahresumlauf, Auftauchen neuer Gestirne oder eines neuen Gestirns, verbunden mit Gesteinshagel, Feuersbrünsten und globalen Überschwemmungen, auch mit dem Impakt eines oder mehrerer Asteroiden.

Mächtige Sturmböen müssen die Stabilität des Sonnensystems einmal oder mehrere Male gefährdet haben und zwar, und das ist jetzt wichtig, keineswegs in fernster menschenloser Vergangenheit, sondern vor wenigen Jahrtausenden, innerhalb des Zeit­rahmens der relativ sicher überschaubaren menschlichen Geschichte. Das ist wichtig. Es geht also nicht um kosmische Katastrophen in einer fernen Vergangenheit, die für Menschen irrelevant ist, sondern einer Vergangenheit, die in der überschaubaren menschlichen Geschichte verortet ist. Man staunt, wenn man sich der Mühe unterzieht, die Bücher von Velikovsky zu lesen, wie nah diese Katastrophen hier geschichtlich angesiedelt werden. Gelegentlich ist der Gedanke geäußert worden, der jetzige Erdmond sei ursprüng­lich ein Planet zwischen Mars und Jupiter gewesen und aus seiner Bahn ausgeschert, von der Erde eingefangen worden. Mitgerissene Gesteinsbrocken aus dem Asteroidengürtel könnten dabei hier eingeschlagen sein und verheerende Verwüstungen angerichtet haben. Das Einfangen des einstigen Planeten durch die Erde könnte hier die große Flut ausgelöst haben. Wenn es so stattgefunden hat und dafür gibt es Indizien, wann geschah es? Welche Auswirkungen hatte es auf die Bewegungsvorgänge der Venus oder des Merkur? Diese müsste es gegeben haben, auch schon von den herkömmlichen Prämissen aus, aber wie groß waren sie? Die Merkur-Rosette hatte wohl nicht die Muße sich in Ruhe aufzubauen.“ Das bezieht sich auf die angedeutete Allgemeine Relativitätstheorie, wo ja eine Art Rosettenbahn des Merkur unterstellt wurde. Man kann polemisch sagen, dass die Einsteinsche Frage, wie vertrauenswürdig das Universum ist, auch ja eine Frage ist nach der Vertrauenswürdigkeit bestimmter mathematischer Modelle, die ja schlagartig aus den Angeln gehoben würden, wenn es solche chaotischen Vorgänge in einer relativ nahen Vergangenheit gegeben hat. Denn natürlich wird angenommen, in all diesen Modell­vorstellungen, dass ein riesenhafter Zeitraum zur Verfügung steht, um diesen Ordnungen eine eigene Bahn zu verschaffen.

Wenn man annehmen würde, dass zum Beispiel vor wenigen Jahrtausenden die Grundordnung des Sonnensystems auf eine fundamentale, auf eine grundstürzende Weise verändert worden sei durch eine wie immer geschaffene kosmische Katastrophe, dann müsste man vollständig umdenken. Dann müsste man auch ganz anders herangehen an die Frage der Zeiträume, das macht übrigens auch Velikovsky, er ist nicht der Einzige, aber er macht es auf eine faszinierende Weise, und auch da, meine ich, ist viel an Einsicht und Erkenntnis abzuleiten. Viele Zeiträume, fast die meisten Zeiträume, die meistens angegeben werden, sind Fiktionen, man soll sich da überhaupt keinen Illusion hingeben. Ich behaupte sogar, sämtliche astro-physikalischen Zeitangaben sind pure Fantasie. Der empirische Zeitrahmen, den wir zur Verfügung haben, ist minimal. Wir haben ein winziges Zeitfenster, wir haben einen winzigen Beobachtungszeitraum, innerhalb dessen wir überhaupt solche Dinge halbwegs plausibel machen können. Die Annahme solcher gigantischen Zeiträume, innerhalb derer sich quasi nichts verändert hat oder haben soll, sind erstaunlich. Zumal dann auch immer noch unterstellt wird in all diesen Theorien, dass der Zeitablauf letztlich ein mehr oder weniger überraschungsloser Zeitablauf ist, dass also tatsächlich wir überhaupt berechtigt sind, von dem winzigen Zeitfenster, was wir kennen, bis in fernste Vergangenheit oder gar Zukünfte hinein zu extrapolieren. Auch das ist eine Annahme, die in keiner Weise empirisch gestützt ist. Insofern kann man wirklich sagen, dass sämtliche Zeitangaben revisionsbedürftig sind. Ich halte sie samt und sonders für pure Fantasie.

„Das Buch „Chaos, Gaia, Eros“ des Mathematikers Ralph Abraham enthält drei Hinweise, die für die Stabilität oder Instabilität des Sonnensystems wichtig sind. Den Hinweis auf Giordano Brunos Kritik an der mathematischen Astronomie“, das habe ich schon genannt, obwohl es kühn ist, Bruno in diesem Sinne zum Vorläufer dieser Art von Chaostheorie zu machen. Ich glaube, das ist nicht haltbar. „Den Hinweis auf die Chaostheorie, in Anführungszeichen, des Newton Zeitgenossen William Whiston“, es war ja eine Kataklys­men-Theorie, eine Katastrophen-Theorie „und den Hinweis auf die Katastrophen-Lehre von Immanuel Velikovsky. Bruno, Whiston und Velikovsky werden von Abraham angeführt, um die eigene These von der Nicht-Stabilität des Sonnensystems zu unter­mauern.“ Das versucht er in diesem Buch eigentlich als eine zentrale Aussage nachzu­weisen, dass das Sonnensystem nicht stabil ist und dass wir damit rechnen können, dass vollkommen überraschend, quasi wie aus dem Nichts heraus auch die so vertraut scheinenden Elementarbewegungen im Kosmos jäh geändert werden könnten.

„Abrahams Chaosbegriff in dem erwähnten Buch ist nicht eindeutig. Abraham meint wirkliches Chaos, Chaos im Gegensatz zum Kosmos höherer Ordnung und schöpferischen Eros zugleich, mal mehr das Eine, mal mehr das Andere.“ Das ist wieder eine Schwäche dieses Buches, ein vollkommen verwaschener, vager, man kann auch sagen, verblasener Begriff von Chaos. Einmal soll es sein wirklich der Gegenpol zur Ordnung des Kosmos, dann wird die Ordnung wieder negativ gesehen, als eine Art von starrer Ordnung, dann meint es wieder eine Art weibliche kosmische Energie, deswegen auch „Chaos, Gaia, Eros“, er bezieht sich da auf die Hesiodsche Kosmogonie, also Weltschöpfungslehre. Und dann meint es eigentlich eine Art von anderer Ordnung, höherer Ordnung, also wirklich als Gegenpol zum Kosmos höherer Ordnung und als eine Art von Eros-Prinzip im Kosmos. Das führt dann zum Teil zu fast heiteren oder kabarett-ähnlichen Aussagen, dass dann also die Weiblichkeit, dass der Zuwachs an weiblicher Energie, an weiblichem Bewusstsein gleichbedeutend sei mit der Wiederbelebung, Wiederentdeckung des Chaos, sprich kosmischer Ordnung. Und das geht heillos durcheinander. Das ist schade, weil das Buch eine ganze Reihe faszinierender Aspekte enthält. Diese Verschwommenheit ist eher hinderlich. Und das mag vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass das Buch bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden ist. Kann sein, dass die Lektoren, wenn sie das Buch lesen, erst einmal auf diese Dinge stoßen und meinen, das könnte man einem Publikum nicht ohne Weiteres zumuten.

Noch eine kurze Passage hier aus dem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“: „Die Achse des Kosmos-Vertrauens ist die Bewegung, genauer die Bewegung der Erde und der für die Erde relevanten Himmelskörper. Hierauf basiert alles. Würde diese Bewegung einen Moment nur für Jedermann sichtbar und spürbar gestört, also entweder rasend beschleunigt oder jäh zum Stillstand gebracht, wäre das Vertrauen, und zwar unwieder­bringlich, dahin.“ Das würde ich sagen, würde das geschehen, wäre das Vertrauen endgültig dahin, und zwar grundlegend dahin, wahrscheinlich für lange Zeiträume, „denn das würde die menschliche Existenz aus den Angeln heben, die conditio sine qua non ihres in-der-Welt-Seins für immer ruinieren. Schon ein Asteroiden-Einschlag mit all seinen bislang nur theoretisch bekannten desaströsen Folgen wäre ein Schock für die Erdbewohner. Aber auch dieser Einschlag vollzöge sich im Rahmen dessen, was gemeinhin für Naturgesetze gehalten wird. Bei aller Furchtbarkeit, die Naturgesetze wären nicht verletzt oder für ungültig erklärt worden. Im Gegenteil, sie würden sich auf schauerliche Weise bestätigen und auswirken. Der Schock, den eine technische Groß-Katastrophe auslöst, ist ganz anderer Art. Nicht nur, dass er, wenn er nicht eine große, sehr viele Menschen betreffende Region betrifft, kollektiv das Vertrauen in die Technik nur kurzfristig erschüttert, wie wir alle ja wissen. Darüber hinaus bestätigt auch die technische Katastrophe das Gesetzmäßige des Universums, so wie sich hier auf der Erde manifestiert. Auch ein Erdbeben oder eine Flutkatastrophe kann zwar das Vertrauen in die Menschenfreundlichkeit oder Güte der kosmischen Ordnung oder den Glauben an einen gütigen Gott untergraben, aber beides bleibt dennoch im Rahmen.“ Das heißt, es zersprengt nicht den Rahmen selbst, und von diesem Zersprengen des Rahmens rede ich. „Mit einem Wunder dieser Größenordnung rechnet keiner buchstäblich und metaphorisch. Und dabei kann aus gleichsam didaktischen Gründen hier außer Betracht bleiben, dass natürlich ein derartiges Großereignis grund­stürzender Art die Folge von Naturgesetzen sein kann, die wir bislang nicht kennen.“ Das muss man annehmen. „Also auch die Verkürzung der Rotationsdauer der Erde von 24 auf 12 Stunden oder ein vorübergehender Stopp der Bahnbewegung um die Sonne kann oder könnte in einem größeren, uns bis dato nicht zugänglichen Rahmen erklärbar sein.“

Man müsste dann ganz neue Ordnungs- und Erklärungsprinzipien heranziehen, was durchaus möglich ist. Im herkömmlichen Sinne ist es nicht erklärbar. Also das Vertrauen in den Kosmos, auch wenn dieser sich nicht für unser Wohl und Wehe zu interessieren scheint, basiert auf der Tag für Tag sicher erneuernden Erfahrung, ja Gewissheit, dass der kosmische Wind, der das Raumschiff Erde bewegt, um die eigene Achse und um die Sonne nicht unerwartet aus einer anderen Richtung bläst oder seine Intensität je ändert. Wir alle haben ein tiefes, unerschütterliches Vertrauen in die im Prinzip stabile Ordnung der äußeren Dinge, die sich in der Verlässlichkeit und Regelmäßigkeit der erfahrbaren kosmischen Bewegung spiegelt, nicht ausschließlich, aber hier mehr als anderswo. ‒

Also, in den letzten Jahren, ich sagte es schon, seit den 80er Jahren, hat die Vorstellung einer möglichen Katastrophe der Erde eine erstaunliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine kollektive Erregung ist spürbar bis in die simpelsten Machwerke der Filmindustrie hinein, dass eine Katastrophe möglich ist, ja dass sie vielleicht sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat. Tollmann, Alexander Tollmann, der Geologe aus Wien, hat ausgerechnet, dass so ein Ereignis alle 10.000 Jahre passieren könnte. Er glaubt nun und verkündet, dass seit Jahren, viele meinen, er habe sich dadurch eigentlich eher lächerlich gemacht, er verkündet seit Jahren, dass wir kurz vor einem neuen Impakt, einem neuen Einschlag auf der Erde stehen. Er hat schon in seinen früheren Schriften Szenarien entwickelt, wie dieser Impakt aussehen würde und was er bedeuten würde. Man muss vielleicht sagen … noch kurz zu Tollmann, dass er in seinem letzten Buch, das in einschlägigen Kreisen eher bespöttelt wird, die These ja auch vertreten hat, dass der Komet-Impakt, der jetzt kommen könnte, tatsächlich, wie er das auch nennt, ein Endzeit-Impakt ist, das heißt, dass dies tatsächlich die finale, die ultimative Katastrophe ist und damit auch das Ende der Menschheitsgeschichte in dieser Form. Und er hat sich da auf eine eigenartige, befremdliche Weise vollkommen festgelegt, dass es jetzt in nächster Zeit eintreten müsste. Es kann ihm ja nicht daran gelegen sein, seine These verifiziert zu bekommen, dann kann er diese Freude nicht mehr genießen, dass seine These stimmt, das kann er nicht. Aber er vertritt sie mit einer Vehemenz, die staunenswert ist in einem immerhin dicken Buch, was in diesem Jahr erschienen ist.

(** HIER EIN EINWURF/EINE FRAGE AUS DEM PUBLIKUM ** Es geht um eine Beinahe-Kollision)

Es hat verschiedene solcher Beinahe-Kollisionen gegeben, auch eine berühmte Beinahe-Kollision, ich glaube am 23. März 1989. Das ist dann immer, das wird natürlich klar, wie reagieren die Medien auf solche Dinge? Tollmann meint, wenn dieser Einschlag kommt, werden ihn alle für unmöglich halten. Sie werden das, was sie wahrnehmen, ablehnen, herunterspielen, bagatellisieren, in irgendeiner Form abwenden wollen, geistig, psychisch, auf jeden Fall nicht anerkennen wollen. Es hat immer häufig solche Beinahe-Zusammenstöße gegeben, übrigens auch, wie ich von Ralph Abraham weiß, allerdings habe ich keine Belegstellen gefunden, er behauptet das zumindest, dass der Komet Halley zur Lebzeit Newtons und Halleys auch eine Beinahe-Katastrophe ausgelöst habe. Er bezieht sich auf verschiedene Quellen. Und es ist ja vielleicht bekannt, dass 1910, als der Halleysche Komet in ganz Europa und Nordamerika, aber auch anderen Teilen der Erde Furore machte, auch sogenannte seriöse Wissenschaftler der Auffassung waren, die Erde könnte durch den Kometenschweif gehen und einer großen Katastrophe entgegensehen. Also das ist richtig, es hat diese Beinahe-Kollisionen auch in jüngster Zeit immer wieder gegeben und eine Aufmerksamkeit ist entstanden, die ja erstaunlich ist. Ganze Sendungen hat es darüber gegeben in den letzten vier, fünf Jahren über die Anzahl dieser Beinahe-Kollisionen.

Nun kann man natürlich fragen, warum hat es dann doch nie diese in einer uns überschaubaren Zeit, diese furchtbare Impakt-Katastrophe gegeben? Das führt natürlich auf eine noch tiefergehende Frage überhaupt. Was sind diese Katastrophen? Was bedeuten sie? Sind das blinde Vorgänge im Universum, die uns quasi ereilen? Oder haben diese Vorgänge in einem tieferen Sinne, auf einer tieferen Ebene auch was mit uns zu tun? Das rührt dann an Grundfundamente unseres In-der-Welt-Seins, unseres Im-Kosmos-Seins. Was ist das, diese Art, ist es wirklich ein Vabanque-Spiel, ein Lotteriespiel, das so oder anders ablaufen kann, oder stecken tiefere Vorgänge dahinter?

Diese Frage hat natürlich auch schon viele im 18. Jahrhundert beschäftigt, natürlich auch Newton. Denken Sie auch an das, was ich zitiert habe von Whiston. Whiston meinte ja die Kometen, auch ihre verheerenden Wirkungen, sind von Gott gesteuert. Was heißt das? Man kann natürlich sagen, es gibt sozusagen antagonistische Prinzipien im Kosmos, die sich mal zu der einen, mal zu der anderen Seite hin neigen, quasi ein ewiges, dauerhaftes Ringen zwischen Kosmos und Chaos. Dann wäre der Kosmos nicht einfach naiv als eine quasi Kosmos-Idylle zu betrachten, auf die man beliebig vertrauen könnte. Dann könnte es ja auch sein, wenn man solche Gedanken dann einmal überhaupt zulassen möchte, sie überschreiten nun wahrlich den herkömmlichen Diskurs, und ich sage mit aller Vorsicht, dann könnte es ja auch so sein, dass tatsächlich auch Bewusstsein hier eine entscheidende Rolle spielt.

Wenn es so ist, wie ich verschiedentlich sage, dass das Universum auch ein bewusstes Universum ist, ein alllebendiges Universum, warum sollten da nicht auch Bewusstseinsenergien der Menschheit hierauf Einfluss haben? Wenn Chaos-Theoretiker davon fabulieren, sage ich mal, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbel­sturm auslösen kann, warum soll nicht auch ein Gedanke, warum sollen nicht auch Gedanken von Menschen als eigene kosmische Energien in den näheren oder weiteren Raum hineingetragen werden und diese Vorgänge mitbestimmen? Das müsste so sein, wenn man denn überhaupt von einer in diesem Sinne gedachten Einheit des Universums ausgeht. Wenn man den Gedanken dann überhaupt zulassen müsste oder könnte, wollte, dann müsste man fragen in einem weiteren Schritt: Was sind diese Gedanken? Wie werden sie durch den Raum transportiert und welche Auswirkungen haben sie?

Eine schwierige Frage, die in dem Zusammenhang nur zart angedeutet werden kann. Ich habe das ja schon mal vor einigen Wochen erwähnt, dass es ja auch weitreichende Theorien gibt darüber anzunehmen, dass Gedanken tatsächlich wirksame, also Gedanken, von Menschen gedachte Gedanken, wirksame Faktoren sind im Universum. Novalis sagt, Gedanken sind wirksame Faktoren des Universums. Das kann man auch noch weiter­denken. Wenn das so ist, dann müsste das auch mit uns zu tun haben. Dann ist man natürlich in einem vollkommen anderen Kontext. Und das ist schwierig. Bei all diesen Katastrophenszenarien, die dann natürlich auch Grundsatzfragen berühren, etwa die nach der menschlichen Freiheit. Ist das veränderbar? Wenn ja, wie? Denken Sie an diese Filme, die es gegeben hat, dass irgendwelche technischen Mittel dann gefunden werden, um diese Einschläge abzuwenden und die Menschheitskatastrophe zu verhindern. Man ist da in einem sehr schwierigen Feld gelandet, und das wirft eine Fülle von Fragen auf, denen man sich stellen muss und denen sich auch Tollmann in gewisser Weise stellt.

Velikovsky, soweit ich es richtig verstanden habe, eher weniger, obwohl seine Bücher hochinteressant sind, auch faszinierend, auch hochspekulativ in vielerlei Hinsicht, aber doch, sie haben einen Erklärungswert für viele Phänomene, die in der herkömmlichen Astronomie und Astrophysik und Bewegungslehre einfach nicht erklärt werden können. Ich möchte eigentlich noch weiter machen, sehe aber an der Zeit, dass wir ins Gespräch kommen müssen. Ich habe den Bogen jetzt nicht so weit gespannt, wie ich es eigentlich wollte. Das hing damit zusammen, dass ich diese Fernsehsendung zu ausführlich vielleicht behandelt habe. Denken Sie an das, was an der Tafel ist, aber das war mir doch wichtig, weil diese Grundfragen nach Licht und Gravitation, wie sie ja hier zum Ausdruck kamen, auch diese Fragen berühren. Ja, auch die Frage nach den Bewegungsprinzipien der Gestirne. Was treibt denn die Gestirne voran? Sind das blinde Kräfte? Sind das in irgendeiner Form bewusstseinsbegabte Kräfte, was Newton mit gewissen Abstrichen ja annahm, er sagte ja, dass „forces“ fast identisch sein mit „spirits“ ‒ sind das „spirits“? Wenn ja, wie sehen diese „spirits“ aus? Sind die bewusstseinsbegabt oder sind sie bewusstseinsblind? Und was hat das zu tun mit unserem Bewusstsein? Welchen Einfluss haben wir auf die Bewegung? Man könnte ja einen sehr extremen Gedanken sogar wagen, der nun sehr weitgehend ist, zu sagen, dass auch wir, unsere Gedankenenergien vielleicht Garanten dafür sein könnten, dass die kosmische Ordnung so weiter existieren kann, wie sie existiert. Wir könnten Mitspieler sein, wir müssten eigentlich auch Mitspieler sein, wenn die These von dem bewussten Universum denn gilt, dann müsste sie eigentlich auch universal gelten. Dann können wir nicht plötzlich sagen, wir nehmen uns da raus, wir sind nur Zuschauer. Das kann nicht sein. Wenn die These stimmt, sind wir Mitspieler. Und dann müssten wir auch bei solchen Geschehnissen in irgendeiner schwer durchschaubaren Weise Mitspieler sein.

Übrigens, das streitet Tollmann rigoros ab. Er ist natürlich gefragt worden, immer wieder: Könnten wir das verändern, könnten wir das verhindern? Er meint, nein, das sei nicht zu verhindern zu sagen, alle Gedankenenergien können diese Katastrophe, die irgendwann sich ereignen könnte, nicht verhindern.

Gut, ich will das erst mal so weit stehen lassen, auch wenn ich den Bogen jetzt nicht so weit gespannt habe. Ich denke, wir können erst mal an der Stelle vielleicht noch ein paar Fragen behandeln. Ich sage es noch einmal thesenhaft. Die Frage ist wirklich dabei: Was hat eigentlich die Prädominanz? Was heißt Ordnung? Wie kann kosmische Ordnung verstanden werden, und welchen Anteil haben wir daran? Und wie sieht es mit Bewusstsein aus? Sind das blinde Prinzipien, die uns nicht kennen, die von uns nichts wissen, die wir auch nicht kennen als seelisch-geistige Wesen? Oder sind das Zusammenhänge, bei denen unser Bewusstsein mitspielt, wo wir in irgendeiner Form auch eine Einflussmöglichkeit haben? Das, wenn es so wäre, würde uns ja erst die kosmische Würde, wenn wir von der ausgehen wollen, geben. Denn wenn wir nur Beobachter sein könnten, quasi abwarten müssten, was passiert, wo wäre dann diese kosmische Würde? Sie wäre eigentlich dahin.

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