Vom Ursprung der Formen in der Natur

Vorlesungsreihe:

Der Mensch, das Licht und die Pflanzen
Naturphilosophie und tiefenökölogische Perspektiven

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Sommersemester 2002
Dozent: Jochen Kirchhoff

Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 42

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Ich habe Ihnen in der letzten, schon in der vorletzten Vorlesung gesagt, dass diese drei Vorlesungen heute, vor einer Woche und vor 14 Tagen in gewisser Weise eine Einheit darstellen, das heißt, thematisch ganz eng miteinander verflochten sind und aufeinander verweisen, sich ineinander spiegeln. Ich hatte Ihnen ja vor 14 Tagen zu erläutern versucht, wie man das Aufsteigen der Säfte in den Pflanzen, etwa in den Bäumen, Wachstums­prozesse jetzt mal vertikaler Art überhaupt deuten kann als eine große Pulsations­bewegung des Gestirns Erde; Levitation, Gravitation und so weiter, vermittelt über das kosmische Licht. Und in der letzten Vorlesung ging es um die Frage eines anderen oder höheren Raumes. Wir haben uns unterhalten über einen sogenannten prädimensionalen Raum im Sinne der Leibphilosophie von Hermann Schmitz, festgemacht vor allen Dingen an der Polarität von Enge und Weite, dem zunächst einmal bekannten vertrauten dimensio­nalen Raum und einem sogenannten transdimensionalen Raum. Der Begriff „transdimen­sionaler Raum“ hat nichts zu tun mit mathematisch-physikalischen Spekulationen über höhere Raumdimensionen. Das habe ich mehrfach angedeutet, und ich lege auch hier noch einmal Wert darauf, das festzuhalten, als [dass] es auf diesem Gebiet primär um die existenzielle, um die empirische, um die wirklich erlebbare Dimension geht. Und das ist immer grundsätzlich etwas Anderes als eine modellmäßig fassbare, in diesem Sinne objektivierbare, wissenschaftlich beschreibbare Schicht der Dinge.

Jemand hat mich nach der letzten Vorlesung, nicht im Plenum, aber hier vorne dann gefragt, wie man in diesem Zusammenhang dessen, dass ich ausgeführt hatte, die Vor­stellung einbeziehen oder einordnen kann, was denn der Mensch im vorgeburtlichen Raum sei? Also die Frage des vorgeburtlichen Raums. Ich will versuchen, weil die Frage von grundsätzlichem Interesse ist, darauf kurz einzugehen.

Nun kann man vorgeburtlichen Raum in zweierlei Weise begreifen. Man kann das zunächst einmal begreifen als den vorgeburtlichen Raum im Mutterleib, also den soge­nannten intra-uterinen Raum, wie das gemeinhin genannt wird. Und dann die Frage stellen: Wie empfindet der Embryo bzw. Fötus den Raum, in den er mittels einer Flüssigkeit eingelagert ist? Und was bedeutet das für seinen Bewusstwerdungs-, Ichfindungs-Prozess?Sie wissen vielleicht, dass über diese Dinge sehr eingehend geforscht hat der kürzlich verstorbene französische HNO-Arzt und Pionier psycho-akustischer Grundlagenforschung, Alfred Tomatis. Ich habe ja hier vor zwei Jahren, am Ende des Sommersemester über diese Dinge auch ausführlich gesprochen. Und Alfred Tomatis hat hierzu sehr viel gesagt. „Klangraum Mutterleib“ zum Beispiel als eines seiner Bücher. Er hat versucht, diesen intra-uterinen Raum existenziell, in gewisser Weise ontologisch, wenn man das so nennen will, zu fundieren als eine Art Ur-Raum des Menschen, den dieser in seiner Individuation während einer biographischen Entwicklung immer wieder zurückzugewinnen sucht, auch im sozialen Bereich. Das heißt also, alle sozialen Ordnungsgebilde interpretiert Alfred Tomatis als den Versuch des Menschen, letztlich wieder in diesen Ur-Raum zurück­zufinden.

Nun kann man aber auch den vorgeburtlichen Raum anders deuten. Es gibt ja genügend Hinweise und Forschungen in diese Richtung, dass damit ein Raum gemeint ist, der kein physisch fassbarer, in diesem Sinne kein dimensionaler oder auch prädimensionaler Raum ist, sondern ein Raum, aus dem die sich dann inkarnierende Individualität hineinkommt, durchdringt in ihre eigene Körperlichkeit. Es gibt da faszinierende Forschungen, etwa in Mitte der 80er Jahre das berühmte Experiment der Psychologin Helen Wambach, die die Frage gestellt hat 850 oder 750 Probanden Probanden in der Hypnose, ob sie sich erinnern können an diesen vorgeburtlichen Raum. Da gab es sehr interessante Durchgaben und Aussagen, die Helen Wambach zunächst einmal phänomenologisch auf sich beruhen ließ, ohne sie vorschnell zu deuten, etwa psychologisch-reduktionistisch oder nun gleich esoterisch. Einfach phänomenologisch ist das hochinteressant, was die Probanden sagten.

Sie hätten sich zu einem erstaunlichen Teil als eigene Entitäten, als individuierte Entitäten in einem anderen Raum befunden und seien dann erst ganz allmählich in die Materialität eingestiegen und hätten dann im fötalen, embryonalen Zustand unterschied­liche Grade der Verbindung mit dem Fötus bzw. Embryo gehabt, also immer noch existierende Freiheitsspielräume.

Das wäre die andere Komponente der Frage nach dem vorgeburtlichen Raum. Wenn man das für wenigstens hypothetisch möglich hält, ja dem einen gewissen ontologischen Wirklichkeitsstatus zuspricht, ist natürlich die Frage nach dem vorgeburtlichen Raum eine völlig andere. Dann könnte es, mal versuchsweise gesagt, so aussehen, als gäbe es diesen anderen, höheren Raum, den ich ja in gewisser Weise mit dem Weltseele-Raum identi­fiziere, als die eigentliche Heimat, in Anführungszeichen, als den Quellgrund des mensch­lichen Seins überhaupt. Nicht, dann ist man in einem ganz anderen Bewusstseinsraum. Man hätte ganz andere Koordinaten. Das muss nicht den intra-uterinen Raum in diesem engen Sinne ausschließen. Das wäre bloß eine erweiterte, eine in diesem Sinne alternative Vorstellung, die man parallel betrachten könnte. Das führt auf faszinierende Fragen, die nur angedeutet werden können. Das kann ich hier im Rahmen dieser Vorlesung gar nicht ausführlich behandeln. Da müssten Sie dann einfach nachforschen, zum Beispiel in meinem Buch was in Kürze erscheint, mein neues Buch „Die Anderswelt ‒ Eine Annäherung an die Wirklichkeit. Die innere Kosmologie von Raum, Zeit und Selbst“ wo ich auf diese Fragen sehr eingehend eingegangen bin. Die Frage des anderen und höheren Raums auch im Zusammenhang mit meditativen Bewusstseinspraktiken, also ein Buch letztlich auch über Bewusstseinsforschung eigener Art. Und es bleibt natürlich die Frage, die in vielen Tradi­tionen gestellt wird in diesem Zusammenhang nach der Ausdehnung der eigenen Selbstheit, der eigenen Ichheit, von mir aus auch auf einer anderen Ebene, der eigenen feinstofflichen Leiblichkeit. Also wie ausgedehnt sind wir? Wie weit greifen wir in diesen Raum hinein?

Der Ausgangspunkt in der letzten Vorlesung war ja, zu verstehen oder dem nachzu­spüren, was Bäume an Raumqualitäten entbergen, was sie gewissermaßen abstrahlen, Raumqualitäten, in die sich der Mensch hineinbegeben kann, die er seelisch, geistig, meditativ und auch leiblich erspüren kann. Nicht, darüber haben wir gesprochen, dass man da ganz andere Raumqualitäten spüren kann bei der Eiche, bei der Erle, bei der Pappel usw. Diese Fragen sind spannend und hochinteressant. Das wird uns noch in der nächsten Woche beschäftigen, wenn wir uns mit der Frage der seelisch-geistigen Dimension der Pflanzen überhaupt beschäftigen, dann kommt noch einmal diese Frage der Raumqualität verschiedener Pflanzen ins Spiel, etwa auch der Bäume, die ja häufig genug als Übermittler, als gleichsam mediale Wesen zu der, keltisch-mythologisch gesprochen, Anderswelt, fungiert.

Die zweite Komponente, die ja im Plenum noch kurz behandelt wurde, will ich nochmal aufgreifen, weil das wichtig war. Zwei von Ihnen hatten ja gefragt, völlig zu Recht: Was könnten wir oder was gewinnen wir, was können wir wieder gewinnen, was gewinnen wir dann wieder, was gewinnen wir zurück, was haben wir also verloren, oder in welchem Grade gewinnen wir eine neue, andere, bewusstseinsmäßige Qualität, die menschheits­geschichtlich noch nie in einem größeren Kollektiv existiert hat? Also die Frage, haben wir etwas verloren, was wir wiedergewinnen müssten?

Das habe ich ja angedeutet mit meiner Formel von der Raumblindheit des modernen Menschen, auch in gewisser Weise von der Weltseele-Blindheit des modernen Menschen. Oder müssten wir uns zu dem Gedanken bequemen, den ja mit gewissen Einschränkungen Ken Wilber in seiner evolutionären Psychologie entwickelt hat, dass diese Stufe der Integration in eine Weltseele-Ebene der individuellen und kollektiven Bewusstheit etwas ist, was noch nie erreicht worden ist, bislang, außer von Einzelnen. So heißt es etwa, ich habe das nochmal rausgeschrieben, in seinem wichtigsten Buch „Sex, Ecology, Spirituality“ am Ende, „Eros, Kosmos, Logos“, die letzten Sätze dieses Buches handeln davon und Wilber benutzt auch den Begriff der Weltseele, „world soul“, nur in einem etwas anderen Sinne als ich. Das muss ich einfach sagen, damit kein Missverständnis auftaucht. Da heißt es am Ende dieses dicken, also wirklich umfangreichen, aber grundlegenden Buches von Ken Wilber: „Da also stehen wir jetzt im Raum der Rationalität und auf der Schwelle zu transrationaler Wahrnehmung, zu einer scientia visiones“ ‒ also einer Wissenschaft des visionären Bewusstseins, wenn man das so nennen will ‒ „die Menschen aller Art und überall und immer wieder mal und mit wachsender Klarheit Ahnungen vom wahren Abstieg der alles durchdringenden Weltseele zuträgt.“ Also „ …descend of the … world soul“.

Dies, was Wilber hier ganz eng anlehnt an den Gedanken der „over soul“, der Überseele von Ralph Waldo Emerson, als Weltseele bezeichnet, ist nicht unbedingt iden­tisch mit dem, was ich mit diesem Begriff bezeichne, ohne dass ich jetzt sagen würde, das ist etwas vollkommen Anderes. Die Fokussierung ist ja eine andere. Ich habe das ja versucht zu zeigen, dass für mich Weltseele mehr oder weniger identisch ist mit diesem anderen und höheren Raum und dass ich der Auffassung bin, dass individuiertes Bewusst­sein und die Kommunikation der Bewusstseine untereinander und miteinander nur möglich ist, wenn es ein alles verbindendes Bewusstseinsfluidum gibt, auf den verschie­densten Ebenen des Seins und dass dieses Fluidum als Weltseele bezeichnet werden kann. Also die Einzelseele, die individuierte Seele, wird getragen von diesem Weltseele-Fluidum, von diesem Grundwesen, das den Raum ausmacht. Eine wichtige Komponente dieses Weltseele-Raums in meinem Verständnis ist, dass dieser Weltseele-Raum in gewisser Weise von den dreidimensionalen Anschauungsformen aus beurteilt paradoxe Eigen­schaften hat. Das heißt, was wir üblicherweise als Nähe und als Ferne empfinden, ist dort anders. Ferne ist in gewisser Weise Nähe. Das heißt, was wir als sehr weit weg empfinden, ist auf dieser Seinsebene des Weltseele-Raums nah, auch wenn das unvorstellbare Entfernungen sind. Also eine nicht-perspektivische Form der Raumwahrnehmung spielt hier hinein. Und das führt natürlich auf eine zentrale Frage nach der Räumlichkeit von Bewusstsein. Das habe ich auch angedeutet. Das will ich noch kurz erwähnen, dass ja idealistische Philosophen immer gesagt haben, das Seelisch-Geistige des Menschen ist in seinem Grundwesen jenseits von Raum, Zeit, Kausalität und so weiter. Es ist also nicht räumlich.

Ich habe gerade am Wochenende, war ich auf einem Kant-Symposion, auf einer Privat-Akademie und musste da drei Vorträge über Kant halten. Da ist mir nochmal deutlich geworden, wie Kant das sieht, der die Wesenheit des Menschen eigentlich ansiedelt jenseits von Raum und Zeit. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass die Seele in der Tiefe räumlich ist. Bloß sie ist sicherlich nicht einfach ein Element des dreidimensionalen Anschauungsraums. Das sicher nicht. Das sind hochinteressante, spannende Fragen, denen man nachgehen kann, die auch weiterführen, wenn man sie meditativ-gedanklich angeht. Das wird uns ja noch in verschiedenen Zusammenhängen beschäftigen, das wollte ich ergänzen. Also, Wilbers „to transcend and include“, überschreiten und einschließen, gilt auf der einen Seite sicherlich. Frühere Stufen werden überschritten und eingeschlossen, gilt aber nicht so streng, wie das manchmal in seinen Schriften erscheint, meiner Überzeugung nach, in dem eine neue Stufe, etwa die mentale, die mythische Stufe ablöst, denken Sie an die Vorlesung, an die zweite Vorlesung dieses Semesters, dann verliert häufig genug in diesem Ablösungs­prozess das mentale Selbst auch ganz bestimmte Grundqualitäten dieser mythischen Stufe und nimmt sie keineswegs mit in die neue Stufe hinein. Häufig genug ist es eine Dissoziation, und es geht etwas verloren, was vielleicht gar nicht hätte verloren werden dürfen. Das ist eine Frage, die man hier gar nicht erörtern kann. Aber es sind spannende Fragen.

Gut, jetzt zu der Frage, die heute angesprochen werden soll, die daran unmittelbar anknüpft: Felder, Seelen, Formungskräfte, Überlegungen zum Ursprung der Formen in der Natur, hier speziell zum Ursprung der Formen, Gestalten in der Pflanzenwelt, Formungs­kräfte, formative Kräfte. Die Anthroposophen und auch Theosophen reden von Bilde-Kräften, ätherischen Bilde-Kräften. Es ist gar nicht jetzt so wichtig, sich an einen Begriff hier festzuhalten. Die Frage ist grundsätzlich: Gibt es formative Kräfte, Bilde-Kräfte von mir aus, die das Organische in seiner lebendigen Gestaltganzheit letztlich formen, dass es auch halten … , dass die Verbindung aufrechterhält zwischen der Erscheinungswelt und dem anderen und höheren Raum. Und wenn es diese Bildekräfte, diese Formungskräfte gibt, sind wir berechtigt, hier, wie es ja viele tun, etwa Sheldrake und andere, Vorstellungen von Feldern hineinzunehmen, das ist ja in den 20er Jahren schon gemacht worden, die morpho­genetischen Felder sind ja keine Erfindung von Rupert Sheldrake. Das sind ja auch Vorstellungen von russischen und deutschen Biologen aus den 20er Jahren, also morpho­genetische Felder. Ist es berechtigt, hier den Feldbegriff einzubeziehen, oder führt das eher in die Irre? Ist es nicht sinnvoller, dann gleich zu sagen: Haben wir es mit seelischen oder seelisch-geistigen Formungskräften zu tun? Wobei dann eben der Begriff des Feldes vielleicht eher in die Irre führt.

Sie kennen vielleicht einen Buchtitel, einen Gesprächsband von Matthew Fox, dem amerikanischen Dominikaner und Ökologen mit Rupert Sheldrake. Der trägt im Deutschen den seltsamen, aufschlussreichen und zugleich fragwürdigen Titel „Die Seele ist ein Feld“. Nicht, da wird eine Gleichsetzung vorgenommen, die Seele ist ein Feld. Das kann man ja anders, kann man ja in verschiedenerlei Hinsicht deuten. Man kann sagen, die Seele kann man auch als ein Feld bezeichnen, oder reduktionistisch betrachtet kann man sagen, die Seele ist eigentlich nichts weiter als ein, könnte man jetzt ergänzen, möglicherweise auch physikalisch fassbares Feld. Und da sind wir in einem interessanten Grenzbereich ange­langt, der für unsere Frage zentral wichtig ist. Es ist ja schon angedeutet worden, dass der andere, höhere Raum, den einige als Äther-Raum bezeichnen, möglicherweise die Quelle ist, der Quellgrund dieser Formungskräfte, dass also im Sinne dieser Polarität, die ich Ihnen versucht habe darzustellen, dass also aus den Weiten des Weltalls, vermittelt über das kosmische Licht, Formungsprinzipien, Formungsenergien, Formungskräfte, vielleicht sogar ganz lebendige gestalthafte Wesenheiten diese Morphogenese, diese Entstehung der Formen der lebendigen Welt, eben auch der Pflanzen, organisieren, bestimmen und halten.

Was sind Felder? Ich muss das ganz kurz nochmal Ihnen vor Augen führen. In meinem Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle ‒ Impulse für eine andere Natur­wissenschaft“ gibt es einen größeren Passus über Felder. Den will ich Ihnen nicht als Ganzes vorlesen, nur einen kleinen Teil daraus, weil er bezeichnend ist, damit man weiß, worüber redet man, wenn man von Feldern redet, denn der Begriff des Feldes ist noch nicht so alt in der Naturphilosophie, etwa anderthalb Jahrhunderte. Und dass er eine solche erstaunliche Karriere gemacht hat, ist nicht selbstverständlich gewesen. Viele haben im Ansatz schon diesen Begriff kritisiert als einen letztlich leeren Begriff, der überhaupt keinen Erklärungswert hat. Das geht bis heute. Da heißt es in einem Abschnitt „Was also ist die Schwere, vom Sinn der Felder zur Genesis und Reichweite des Feldbegriffs“. Ich darf das Ihnen mal kurz vorlesen, diese eine Passage, weil das vielleicht noch einmal verdeut­licht, dass der Feldbegriff keineswegs selbstverständlich ist: „Als Felder gelten immaterielle Wirkungszonen im Raum,“ wichtig ist: immaterielle Wirkungszonen im Raum, „im Fall der Physik Wirkungszonen, deren Vorhandensein physikalisch bestimmbar und messbar ist.“ Also in der Wirkung sind diese Felder messbar, unterliegen sie der Messbarkeit bis zu einer gewissen Grenze. „Diese Wirkungszonen sind offenbar so eng mit dem Raum verbunden, dass sie oft mit ihm gleichgesetzt werden.“ Der von mir hier angedeutete Begriff der Raumenergie, denken Sie an das, was ich vor 14 Tagen gesagt habe, geht ja in die Richtung. „Felder haben eine bestimmte Ausdehnung, ohne dass ihre Grenzen scharf bestimmbar wären. Im Prinzip sind Schwerkraftfelder genauso unendlich wie elektromagnetische Felder, unendlich wie der Raum, dem sie eingelagert sind. Ihre radiale Form, Abnahme der Intensität mit dem Quadrat der Entfernung, hat zur Folge, dass die ausgelösten Wirkungen irgendwann so schwach werden, dass sie quasi nicht mehr existent sind bzw. überlagert werden. Zwar müsste das irdische Schwerkraftfeld noch im Andromeda-Nebel spürbar sein, um von ferneren Galaxien abzusehen, aber faktisch wird es keine Rolle spielen. Wo der eine Körper ist, kann nicht zugleich ein anderer Körper sein. Bei Feldern ist dies anders. Sie können sich überlagern und durchdringen.“

Sie können in vielfältiger Weise ja wechselwirken miteinander. Sie können auf verschiedenen Ebenen gelagert sein. Nicht, ich habe das ja angedeutet mit der Vielzahl der sogenannten Informationen, Millionen an der Zahl, etwa elektromagnetisch hier im Raum. Das schließt ja nicht aus, dass auch ganz andere, nicht-elektromagnetische Felder hier eingelagert sind, die nicht unbedingt interferieren müssen, die auch keine Kollisionen gewissermaßen haben müssen mit diesen Feldern. Zitat Sheldrake: „Dieses Schwerkraftfeld ist vom elektromagnetischen Feld durchdrungen, mithilfe dessen wir uns gegenwärtig sehen können und das auch von Radiowellen, Fernsehübertragungen, kosmischen Strahlen, ultravioletten und infraroten Strahlen und allen möglichen Arten unsichtbarer Strahlung überlagert ist. Und diese stören sich gegenseitig nicht. Radiowellen stören sich gegenseitig nur, wenn sie die gleiche Frequenz haben. Aber alle Radio- und Fernsehprogramme der Welt können koexistieren, wenn sie sich im gleichen Raum durchdringen, ohne sich gegenseitig auszuschließen oder einander zu leugnen. Selbst wenn wir nur die Felder betrachten, die die Schulwissenschaft derzeit erkennt, Quantenfelder, elektromagnetische Felder, Schwerkraftfelder durchdringen sie sich alle.“ Zitatende.

„Die hier angesprochene Fähigkeit der Felder, sich gegenseitig zu durchdringen, ist im Grunde mysteriös. Warum gibt es diese Durchdringungsfähigkeit? Die herrschende Physik hat keine plausible Erklärung dafür, zumal völlig unbekannt ist, was diese Felder überhaupt sind.“ Also die Frage der Ontologie dieser Felder ist völlig rätselhaft, spielt jetzt auch für unser Thema der formativen, möglicherweise formativen Felder eine zentrale Rolle. „Man muss immer unterscheiden zwischen den Wirkungen, den registrierbaren Wirkungen solcher Felder und ihrer ontologischen Qualität, die man nicht unbedingt bestimmen können muss, die man bis zu einem gewissen Grade auch auf sich beruhen lassen kann. „Entgegen der herrschenden Überzeugung sei hier die Behauptung aufgestellt, die aus dem an anderer Stelle Gesagten schon implizit hervorgeht: dass die Radialfelder der Gestirne diese Schwerewirkungen auslösen, sich nicht vollständig durchdringen.“ Und so weiter, das muss ich hier nicht im Einzelnen ausführen.

Also Felder sind immaterielle Wirkungszonen im Raum. Das ist wichtig. Sie sind auf eine rätselhafte Weise in den Raum eingelagert, vielleicht auch in das Vakuum eingelagert, ohne dass sie in einem direkten Sinne nun gleichzusetzen wären mit dem Raum. Das führt auf Theorien, die immer auch eine gewisse, sagen wir mal, vordergründige Vereinfachung darstellen, wenn man sagt: Weil diese Felder in den Raum eingelagert sind, sind sie in gewisser Weise dieser Raum selbst.

Jetzt die Frage also, was ist die Ursache dieser Formen? Wie kann man das denken? Es hat im Laufe der geistigen Entwicklung verschiedene grundlegende Ansatzpunkte gegeben, wie man das denken kann. Ganz vereinfacht gesagt zunächst mal am Anfang, hat es folgende Alternativen gegeben, die auch heute noch keineswegs überholt sind und keineswegs nur jetzt philosophische Denkprinzipien wären, sondern die auch praktisch- existenziell relevant sind. Man kann sagen, alle Formen, etwa die Pflanzenformen, einschließlich der Gestaltprinzipien der Morphogenese, sind in gewisser Weise Abbilder eines hinter oder in ihnen wirkenden Urbildes, also platonisch verstanden oder auch platonistisch. Man kann also sagen: Es gibt immaterielle, höhere Wirkprinzipien, im Sinne Platons, gewissermaßen Ideen, die alle physisch-materiellen Gestalten, etwa auch die Formen der Pflanzen bestimmen, die sie tragen und die sie durchdringen. Wenn man jetzt einen heute, ein bisschen, sagen wir mal, modisch beliebten Begriff anführen möchte, dann könnte man sagen: Das sind in gewisser Weise auch Attraktoren. Wir kennen das ja vielleicht aus der Mathematik. In der Kosmologie redet man von den großen Attraktoren, also ungeheure Ballungen von Materie, die im Sinne dieser üblichen kosmologischen Fiktionen und Hypothesen also Schwerkraftwirkungen auslösen oder auslösen sollen. Also Attraktoren. Das bringt natürlich auch eine zeitliche Dimension ins Spiel, denn diese übersinnlichen, überirdischen, häufig ja auch als unwandelbar gedachten Ideen, die nun die irdischen Gestalten formen sollen, da muss ja in irgendeiner Form auch die Zeitdimension reinkommen. Diese Gestalten wandeln sich ja. Es gibt ja einen Prozess der Metamorphose, der besonders bei Pflanzen sehr eindrucksvoll ist. Denken Sie an das, was ich Ihnen erzählt habe über den eigenartigen Raum, der am Scheitel der Stiele in Blüten erkennbar wird, wie das ja Gerhard Adams sehr eindrücklich geschildert hat. Ich habe Ihnen ja diese Stelle vorgelesen. Also wie kommt die Zeitdimension hinein?

Man kann sagen, was in der Zeit in unserer irdisch-sinnlichen Erfahrung sich entfaltet, in einem Nacheinander, ist im Grunde genommen auf dieser anderen, platonisch gesprochen: Ideen-Ebene, nebeneinander oder ineinander. Dann wäre also die physisch-sinnliche Welt, einschließlich der Formung der Gestalten, eine Entfaltung des Eingefalteten, Explikation zu Implikation, von mir aus, mit Nikolaus von Kues gesprochen, kommt hier jetzt nicht so sehr auf feste Begriffe an, im Gegenteil, es ist fasst eher zunächst fruchtbarer, die Begriffe in eine bestimmte fluidale Form zu bringen, sie zu verflüssigen, sie nicht zu schnell festzuzurren, weil durch diese allzu festgezurrten Begriffe geht die Lebendigkeit dieser Vorgänge wieder verloren. Also das kann man denken. Man kann …, das hat man immer gedacht. Es hat immer eine, wie das Sheldrake ganz schön formuliert in diesem Buch „Das Gedächtnis der Natur“ auch eine platonische Biologie gegeben, wie es auch in gewisser Weise eine platonische Chemie, eine platonische Physik gibt. Letzter Abkömmling etwa der platonischen Physik ist ja die Vorstellung unwandelbarer, ewiger Naturgesetze, die sich nicht also ändern im Laufe langer Zeiträume, sondern die Ewigkeitscharakter haben. Das ist ja ein ganz wesentliches Element, das stellt übrigens Rupert Sheldrake ausgezeichnet in diesem Buch dar, das habe ich hier auf der Literaturliste. Da muss man gar nicht unbedingt jetzt die Sheldrakesche Lehre von den morphogenetischen Feldern jetzt hier ins Zentrum rücken, diese Neufassung, Adaption dieser alten Lehre aus den 20er Jahren, aber das ist sehr klug und auch kenntnisreich, materialreich dargestellt, die Frage der Philosophie der Form, die uns noch hier beschäftigen wird. Ich werde hier noch einige Passagen dann auch mal vorlesen.

Also, das kann man platonisch sehen. Das ist interessant, auch fruchtbar, hat aber auch Nachteile, weil die Zeitdimension dabei unterzubringen schwierig wird. Nicht, das ist schwierig. Wie soll denn die Zeitdimension da ins Spiel kommen? Das in Zahlen sich entfaltende Abbild des Einen, nannte Platon die Zeit. Gut.

Dann kann man das im Sinne seines Schülers und Dissidenten Aristoteles ganz anders deuten, die Frage der formativen Prinzipien. Das wissen Sie bestimmt, der Begriff der Entelechie, nicht, den Aristoteles geprägt hat, den dann im 19. Jahrhundert der Embryologe, Biologe und Naturphilosoph [Hans] Driesch wieder aufgegriffen hat. Also die Frage der Entelechie. Da ist das Wort Telos drin, das heißt so viel wie Ziel, also eine Zielvorstellung, Entelechie. Ein Organismus hat immanent dieses Telos in sich, also nicht dualistisch gesehen. Wenn man Platon dualistisch sehen will, das muss nicht so sein. Das kann man aber so interpretieren. Aristoteles hat es so gesehen, hat seinen Lehrer Platon genau deswegen kritisiert. Aber man kann Platon auch anders deuten, aber das ist jetzt nicht so wichtig. Also wenn man das jetzt nicht dualistisch sieht, dann kann man sagen, dass diese Formprinzipien etwa im Pflanzenwachstum immanent sind. Sie sind also im sich entwickelnden und gestaltenden Pflanzenwesen enthalten. Wie sind sie enthalten? Sind sie immer anwesend? Man kommt ja auch wieder auf die Frage, wenn es eine Entelechie ist, dann ist ja auch die Vorstellung des Telos drin enthalten, der Teleologie. Und dann bleibt die Frage sofort, kommt sofort auf: Wo ist denn dieses Telos, die vollendete Gestalt im Ursprung? Ist sie in irgendeinem geistig-seelischen höheren Raum bereits enthalten und zieht sie gewissermaßen, um nochmal den Attraktor-Begriff anzuführen, zieht sie gewissermaßen die organische Gestalt einschließlich vielleicht des vertikalen Längenwachstums in diese Richtung, auch evolutionär auf der Zeitlinie, der rhythmisch zu verstehenden Zeitlinie gedacht? Das ist auch zu denken, also als platonische Idee, höhere Ebene, physisch-materielle Ebene, das kann man dualistisch denken und als Entelechie, von innen heraus.

Da bleibt natürlich genauso die Frage nach der Realität, auch nach der ontologischen Wirklichkeit dieser Entelechie. Erschöpft sich die Entelechie einer Pflanze in der letztlich dann erreichten Form, wenn es diese überhaupt gibt, da es ja eine ständige Metamorphose ist? Man kann ja auch sagen, es ist nur die Blüte, nur die Blüte. Anthroposophen z.B. sagen, nur in der Blüte zeigt sich in einem kurzen Moment, eine gewisse Phase, unterschiedlich lang, das eigentlich Seelische, das Seelisch-Geistige der Pflanzen. Was bedeutet dann in diesem Prozess das Blühen? Also das sind Fragen, die sind dann naheliegend und müssen in gewisser Weise auch gestellt und beantwortet werden. Also Entelechie. Und dann kann man natürlich sagen, das hat ja die reduktionistische Naturwissenschaft immer gemacht, seit Darwin sowieso, man kann sagen, das ist einfach genetisch zu erklären. Das ist nur aus den organischen Ursprungskräften zu erklären. Da gibt es überhaupt kein Telos, kein Ziel. Das ist die herrschende Linie formal in der Biologie. Faktisch sieht es völlig anders aus. Man führt ja durch die Hintertür all die teleologischen Forschungen sowieso wieder ein. Man spricht von Teleonomie, und man kommt im Grunde, das stellt Sheldrake sehr schön da, gar nicht aus, ernsthaft, wenn man ernsthaft mit dem Thema sich auseinandersetzt, man kommt gar nicht aus ohne die Vorstellung in irgendeiner Form eines Telos, eines Ziels. Das ist einfach unredlich geistig, wenn man von vornherein sagt, das darf nicht sein. Faktisch ist die moderne Biologie längst teleologisch orientiert, kann gar nicht anders. Selbst die Vorstellung, sagen wir mal, die ja in dem modischen verflachten Sprachgebrauch im genetischen Code angelegt ist, ist ja nichts weiter, wenn man das genau analysiert, was da drinsteckt, ein versteckter Dualismus. Auf der einen Seite wird also die Software, eine Art platonische Idee, verstanden als Computer-Software quasi der Biologie und dazu dann die Hardware, das genetische Programm, ist eine reine Konstruktion, zumal man dann ja auch erklären müsste, was ist denn das überhaupt, was ist denn dieses genetische Programm? Ist das nicht letztlich ein Geistprinzip? Wird damit nicht ein formativer Geist wieder in die Biologie, in die lebenden Organismen eingeführt? Genau das wird abgestritten. Aber wenn man das genauer in seiner Argumentationsstruktur analysiert, stellt man fest, dass es letztlich dualistisch ist, dualistisch, und dass man hier letztlich von der Eigenexistenz, von der Wirkkraft des Geistes ausgeht, obwohl man es reduktionistisch leugnet. Das ist ein eigenartiger Zirkel, den man überall in der Biologie beobachten kann, übrigens auch in der Neurophysiologie.

Dann gibt es natürlich die Vorstellung, die mit dem Entelechie-Gedanken eng verbunden ist, die mit dem Schlagwort „Vitalismus“ verbunden ist. Nun gilt der Vitalismus als widerlegt. Die Biologen, die werfen nur, wenn man das Wort „Vitalismus“ auch nur anspricht, lehnen sich sozusagen hochmütig zurück. Das gibt sozusagen nichts, was widerlegter wäre. Das ist auch sehr vordergründig gedacht, denn der vitalistische Grund­gedanke ist nicht so ohne Weiteres aus den Angeln zu heben. Der vitalistische Grund­gedanke sagt ja nichts weiter, als dass es ein Lebensprinzip gibt in der physisch-materiellen Welt, was die organischen Gestalten entstehen lässt, was sie am Leben erhält, was sie durchträgt, was überhaupt das Lebendige ermöglicht, und das, nachdem es sich getrennt hat von der physisch-sinnlichen Materie, dann auch den Tod bewirkt, die Dissoziation. Das ist ja kein dummer Gedanke, auch kein oberflächlicher Gedanke, kein primitiver Gedanke, sondern zunächst einmal ein sehr naheliegender Gedanke. Das kann man ganz verschieden deuten. Ich meine Hans Driesch, der ja als der Begründer des modernen Vitalismus gilt, hat das überhaupt nicht metaphysisch oder mystisch gedeutet. Der meinte, dass seien sozusagen natürliche Kausalfaktoren in den Dingen selber, der hat das immanent gedeutet. Das ist eigentlich nicht dumm.

Im Übrigen gibt es ohnehin eine Renaissance des Vitalismus. Ich habe hier vor vier Jahren auch in einer Vorlesungsreihe im Sommersemester, wenn ich es richtig im Kopf habe, über diese Renaissance auch des Vitalismus gesprochen. Ich glaube auch kaum, dass man ernsthaft an diese Fragen herangehen kann, ohne bis zu einem gewissen Grade auch vitalistische Prinzipien heranzuziehen. Man kann das ausklammern, man kann sagen Entelechie, platonische Idee, Vitalkräfte oder gar Bildekräfte ̶ das sind alles Konstrukte menschlicher Phantasie, anthropomorphische Spekulationen, die man in die Natur hineingibt? Das ist zu billig. Denn wenn man tiefer fragt, dann kommt man, wenn man nicht in einem heillosen projektiven Zirkelschluss sich befinden möchte, kommt man ohne diese Prinzipien gar nicht aus. Also, insofern kann man mit gutem Recht diese Dinge wieder aufgreifen.

Und ja, das war ungefähr das, was ich auch gedacht habe. Jetzt ist es Neun. Ich will nach der Pause Ihnen versuchen zu zeigen, wie man das weiterdenken kann, wie man möglicherweise auch diese platonische, aristotelische, vitalistische, andersweltliche Dimen­sion im Wachstumsprozess der lebendigen Organismen zusammendenken kann. Ich glaube nämlich, dass diese verschiedenen Ansätze im Kern, in der Substanz, auf das Gleiche zulaufen und letztlich genauer betrachtet mit ganz ähnlichen Erklärungsprinzipien auch arbeiten, das ist gar nicht so verschieden voneinander. Und das führt noch mal auf die Frage des anderen und höheren Raumes. (…)

Ich habe vorhin noch etwas vergessen, was ich mit vorlesen wollte, was ich jetzt tue, zum Feldbegriff. „Feld, englisch „field“, ist in der ältesten erkennbaren Wortbedeutung eine offene Ackerfläche, ein genau abgegrenzter Bezirk landwirtschaftlicher Aktivität, wie ein Kornfeld oder ein Reisfeld angelegt wurde, [ers] war nicht Wildnis oder Wüste. Im Feld wurde die als lebendig geachtete Natur aufgerufen, ihre schöpferische Potenz in den Dienst des Menschen zu stellen. Das Feld war die Fläche, die man abschreiten und ausmessen konnte, also ein sichtbares, greifbares Stück Erdoberfläche. Zugleich aber war dieses Stück Erdoberfläche, das den Samen aufnahm und keimen ließ, ausgestattet mit der ganzen Potenz und Kreativität der Erde überhaupt. Jedes Feld war gleichsam ein Stück praktizierter Demeter-Kult, war gezielte Anrufung der großen Kraft der Erdmutter. So war das Feld nicht nur Fläche und damit messbare Materie, sondern zugleich immaterielle Form und Gestaltungskraft, also Kraft der Demeter.“ Das ist der Ursprung von „field“. Erstaunlich, dass dieser Begriff dann so eine Karriere gemacht hat, wie gesagt.

Schon zu Faradays Zeiten, also vor 150 Jahren, war diese ursprüngliche Bedeutung überschritten und weitläufig ausgedehnt worden, ohne sich jedoch, und das ist ganz wichtig, gänzlich zu verlieren. Und noch der physikalische Begriff des Feldes enthält Restbestände der Ursprungsbedeutung, und zwar bis heute. Nur weil dies so ist, konnten Naturphilosophen wie Helmut Friedrich Krause oder Rupert Sheldrake auf je verschiedene Weise den Feldbegriff neu beleben und ihn gegen den herrschenden Abstraktionismus ins Feld führen. Auf meine Weise verfolge ich ein ähnliches Anliegen. Auch in meinem Verständnis von Feld ist Demeter und der Demeter-Kult mitgedacht, was schon indirekt deutlich geworden ist in meinen Überlegungen zur Bewusstseinsqualität des Radialfeldes der Erde. Das wird uns ja noch beschäftigen, die Frage des Demeter-Kultes. Das nur als Ergänzung.

Also Feld im Sinne von „field“, ursprünglich tatsächlich ein lebendig-organisch bezogener Begriff, der dann zunehmend erst einmal seines Lebens verlustig ging und heute eine abstrakte Größe ist, die beliebig verwendet und eingesetzt werden kann und erst einmal erneut mit Leben gefüllt werden muss, damit man diesen Begriff in der Biologie fruchtbar machen kann.

Ich darf noch einmal erinnern, ich hatte Ihnen die verschiedenen Ansatzmöglich­keiten vorgestellt, wie man die organische Form, wie man auch die pflanzliche Form einschließlich des Pflanzenwerdens verstehen, wie man das denken kann. Und ich hatte angedeutet, dass man möglicherweise diese verschiedenen Ansätze, also die platonische, die aristotelische, die vitalistische, die spirituell-andersweltliche, um das mal so zu nennen, zusammendenken kann. Es ist interessant, dass die viel geschmähten Scholastiker, noch rückgreifend auf die antike Philosophie, vier verschiedene Arten von Ursachen kannten, die man hier auch heranziehen könnte. Sie werden das wahrscheinlich wissen, ich sage es trotzdem nochmal: Die Scholastiker unterschieden die causa efficiens, das war die Wirkursache, also das, was zeitlich gesehen, genetisch, einem Prozess, einem Geschehen, einem Ding zugrundeliegt, also zeitlich gesehen dahinter liegt. Causa efficiens, Wirkursache, das [ist] im Wesentlichen die Ursache, die die Naturwissenschaft anerkennt, an der [sie] sich orientiert. Dann gab es die causa materialis, das war der Stoff, aus dem etwas entstand. Dann gab es, und das wird interessant, deswegen führe ich das an, eine eigene Ursache, causa formalis, eine Form-Ursache, also eine causa materialis, eine causa formalis, unterschieden also von Stoff und Form, was ja, wie Sie wahrscheinlich wissen, zu einer endlosen Debatte geführt hat: Gibt es auch Stoff ohne Form und Form ohne Stoff, die ganze Frage nach dem Substrat, dem materiellen und auch feinstofflichen Substrat und den formativen Energien. Nach allem, was wir wissen, nach allem, was wir empirisch feststellen können und nach allem, was wir auch in höheren Bewusstseinsschichten erschließen können, muss es tatsächlich diese Zweiheit geben, ohne dass man sie unbedingt dualistisch deuten müsste. Ein Substrat, also Substrat-Ebene und eine formative Ebene. Und dann hatten die Scholastiker, auch jetzt zurückgreifend auf die alte Philosophie, auch noch eine causa finalis, also eine Ziel-Ursache oder Zweckursache. Damit kam also die Frage des Telos, der Teleologie ins Spiel, oder um noch einmal diesen mathematischen Begriff zu benutzen, die Frage des Attraktors. Ich meine, der ist mathematisch abstrakt, aber so schlecht ist der Begriff gar nicht. Er transportiert doch ein Stück weit auch etwas an Einsicht. Das kann man ja auch räumlich verstehen. Der Attraktor im Sinne der angedeuteten Levitationstendenz in diese vertikale Richtung, also Entlastung in die kosmischen Weiten hinein, formative Prozesse vermittelt über das kosmische Licht. Das ist eine Bedeutungsschicht, das kann man dann genauso zeitlich, evolutionär verstehen. Also Attraktor des evolutiven Prozesses. Das heißt: Was ist der Attraktor des evolutiven oder evolutionären Prozesses? Beide Adjektive sind ja möglich. Was ist der große Attraktor? Ist es ein höheres Bewusstsein, ein möglicherweise Atman-Bewusstsein, ein kosmisches Bewusstsein, und alle anderen sind nur stufenmäßige Hinführungen daraufhin, oder hat jede Stufe ihre eigene Würde? Jede Stufe ist im Sinne von Leopold von Ranke, jede Epoche ist unmittelbar zu Gott, jede Stufe ist unmittelbar zu Gott, nicht nur einfach eine Stufe.

Die These, die ja Sheldrake aufgestellt hat vor 20 Jahren, womit er weltberühmt geworden ist, muss ich hier nicht im Einzelnen darstellen. Mir geht es jetzt nur um einige Aspekte, die ich für meinen Ansatz fruchtbar machen kann. Sheldrake hatte ja aus den 20er Jahren einen Gedanken aufgegriffen, der damals nicht weitergeführt wurde. Das war der Versuch der Biologie, einiger Biologen in den 20er-Jahren, die Vorstellung des Feldes, die man aus der Physik kannte, für die Biologie fruchtbar zu machen. Also zu sagen, es gibt in allen lebendigen Organismen, um alle lebendigen Organismen herum, quasi Felder, formative Felder und auch Felder, die die einmal erreichte Gestalt aufrechterhalten und diese dann auch weiter transportieren an die nachfolgenden Generationen, in Anführungs­zeichen. Hier wird von der Annahme ausgegangen, dass diese Felder, die schon damals morphogenetische Felder genannt worden sind, physikalisch real sind, und zwar in dem Sinne wie auch die Felder der Physik. Es wird angenommen, [Aron] Gurwitsch und andere haben das auch schon angenommen vor 80 Jahren, dass jede Art von Zellen, Geweben, Organen und Organismen ihre eigene Art von Feldern hat. Was schon ein eigenartiger Gedanke ist, der ist einerseits interessant, andererseits ist er auch wieder eine Schwäche dieser Vorstellung, dass tatsächlich alle Arten von Zellen, Geweben, Organe, Organismen eigene Felder haben soll. „Diese Felder gestalten, organisieren die Entwicklung von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren und stabilisieren die Form des ausgewachsenen Organismus. Dies können sie aufgrund ihrer eigenen räumlich-zeitlichen Organisation. Das neue an der Hypothese der Formbildungsursachen, wie er das nennt. besteht in der Idee, dass die Struktur dieser Felder“ ‒ jetzt kommt der entscheidende Punkt, den ich dann als Ansatzpunkt nehmen möchte ‒ „dass die Struktur dieser Felder“, also was er dann mor­phische oder morphogenetische Felder nennt, das wird oft synonym verwendet, ist aber nicht das Gleiche, morphogenetische Felder sind eine Unterart der morphischen Felder, das Neue an der Hypothese der Formenbildungsursache besteht in der Idee, „dass die Struktur dieser Felder nicht von transzendenten Ideen oder zeitlosen mathematischen Formeln bestimmt ist, also nicht platonisch, sondern sich aus den tatsächlichen Formen ähnlicher Organismen der Vergangenheit ergibt. Das heißt, dass diese Felder existieren, und damit sie ihren Zweck, in Anführungszeichen, erfüllen können, muss es bereits die Gestalt, die Form geben. So werden etwa die morphogenetischen Felder von Fingerhutpflanzen durch Einflüsse geformt, die von früheren Fingerhutpflanzen ausgehen. Sie bilden eine Art kollektive Erinnerung dieser Art. Jedes Exemplar der Art wird von den Artfeldern geformt, gestaltet selbst aber auch diese Artfelder und beeinflusst damit künftige Exemplare seiner Art.“ Das Buch heißt im englischen Original „The Presence of the past“, also die Gegenwart der Vergangenheit, was eigentlich noch treffender ist als das Gedächtnis der Natur.

Das heißt, ein wesentlicher Ansatz liegt hierin, dass gesagt wird: Die formativen Prozesse der Natur laufen über das Gedächtnis. Das heißt, diese Felder speichern in gewissen Maßen diese formative Kraft, transportieren sie weiter. Wie könnte dieses Gedächtnis wirken? Naheliegende Frage, wie wirkt das überhaupt? Die Hypothese der Formenbildungsursachen postuliert, dass es eine Art von Resonanz, die wir morphische Resonanz nennen, [gibt]. Resonanz-Phänomene spielen in vielfältigen Feldern, auch in der modernen Naturphilosophie, eine wichtige Rolle. Sheldrake hat schon vor zwanzig Jahren den Begriff der morphischen Resonanz geprägt, der ein fruchtbarer Begriff ist, mit dem man wirklich arbeiten kann. Das ist also ein quasi Schwingungs-Phänomen, auch ein musikalisches Phänomen, wenn man das so nennen will, das auf Resonanz beruht. „Morphische Resonanz wiederum beruht auf Ähnlichkeiten. Je ähnlicher ein Organismus früheren Organismen ist, desto stärker die morphische Resonanz. Und je mehr solche ähnlichen Organismen es in der Vergangenheit gegeben hat, desto stärker ist ihr kumulativer Einfluss. Eine sich entwickelnde Fingerhutpflanze steht in morphischer Resonanz mit zahllosen früheren Pflanzen ihrer Art und diese Resonanz formt und stabilisiert ihr morphogenetisches Feld.“

Nun, ist das natürlich .., Sheldrake behauptet, das würde ohne Energietransfer ablaufen, dass sie nicht mit einem Energietransfer von einem System auf das andere verbunden sind. Dann behauptet er weiter eine sehr weitreichende und kühne Hypothese, die naturgemäß sich nicht verifizieren lässt, dass diese morphische Resonanz eine Art Fernwirkung eigener Art bedeutet, die sich nicht abschwächt mit der Zeit und mit der räumlichen Distanz, also keine Abschwächung erfährt, sondern ungebrochen in ihrer Wirkkraft erhalten bleibt. Nun ist das eine, Sie wissen das, eine viel diskutierte Hypothese, mittlerweile ja schon fast im Sprachgebrauch nicht nur des New Age, sage ich mal, morphogenetische Felder, das ist so wie eine Münze, die so herumgereicht wird, wird ständig verwendet, auch sehr unreflektiert und oberflächlich, aber das ist fast jedermann geläufig.

Nun hat das natürlich .., es ist auch erst einmal interessant und suggestiv, hat natürlich, wirft eine schwierige Frage auf, die Sheldrake natürlich kennt und die er unbeantwortet lassen muss. Die Frage stellt sich sofort: Wenn das tatsächlich so ein Feld ist, was die Form über lange Zeiträume transportiert, was sich nicht abschwächt, was zurückgeht auf bereits existierende Gestalten ̶ wie entsteht dann überhaupt Neues? Das ist ja eine Frage, die sich sofort stellt, die er aufstellt und unbeantwortet lässt. Er sagt, diese Frage kann er nicht beantworten.

Nun ist die Frage natürlich eine Schlüsselfrage dieser Art von Gedankengängen: Wie entsteht Neues? Man kann natürlich sagen, es entsteht gar nichts Neues, es gibt nichts Neues unter der Sonne. Alles ist nur eine ständige Metamorphose bereits vorhandener Grundstrukturen. Das, was wir als das Neue empfinden, ist gar nicht neu. Es ist nur das ewig Alte. Das kann man auf der einen Seite sehr, sagen wir mal, begrüßen und frohgemut darüber reden. Auf der anderen Seite hat das natürlich auch etwas Erschreckendes, dass gar nichts Neues entsteht, dass es eigentlich immer nur ein Sich-Ausfalten des Alten darstellt. Das läuft ja letztlich dann doch auch wieder in einen platonischen Gedankengang hinein. Das meint er aber nicht. Also wie entsteht Neues? Die Frage ist ungeklärt. Ich habe noch keinen, noch niemanden, ich betone, kein Biologen, kein Naturphilosophen, kein Naturwissenschaftler hat jemals eine wirklich überzeugende Antwort auf diese Frage gegeben, wie Neues entsteht. Alles, was ich bisher gelesen habe, sind nichts weiter als Vermutungen, Spekulationen, Gedanken, waghalsige Behauptungen. Eine der … und häufig genug nichts weiter als ein Spiel mit Metaphern. Das muss man auch kritisch dazusagen, häufig genug werden einfach Metaphern benutzt, die wenig Inhalt transportieren.

Eine dieser Metaphern, die gerne benutzt wird in dem Zusammenhang, das werden Sie wissen, wenn Sie die Literatur ein bisschen kennen, ist Emergenz. Emergenz, selbst organisierende Systeme, auch so ein wunderbarer Modebegriff, der nach meiner Überzeu­gung auch weniger transportiert, als es zunächst erscheint. Selbstorganisierende Systeme sollen emergieren, sollen von einem bestimmten Komplexitätsgrad dann in einem Sprung das Neue schaffen oder etwas Neues. Natürlich ist es nur eine Behauptung. Das kann, wenn man die ungeheuere Vielfalt der lebendigen Welt, die erschütternde Vielfalt, die Farbigkeit, die Fülle auch der Dinge sich anschaut, dann mutet das zumindest eigenartig an, dann hat man doch, sagen wir mal, fast möchte ich sagen, naiv die Vorstellung, dass es mit den Formen in der Natur noch eine andere Bewandtnis haben müsste, dass sie verweisen auf Formprinzipien dahinter, die einen wesentlich tieferen Sinnzusammenhang haben, mit uns übrigens auch, mit dem Menschen. Das würde dann auch erklären, warum wir spontan, auch ästhetisch, emotional und spirituell auf diese Formen reagieren, was wir ja tun, was jeder Mensch in irgendeiner Form ganz elementar, auch wenn er das gar nicht reflektiert, tut. Was sind diese immer wieder neu und doch auch neu-alt entstehenden Formen? Man kann sagen, dass wahrscheinlich im Gesamtzusammenhang diese Formen nur erklärt werden können, das möchte ich mal als jetzt nicht weiter zu stützende Hypothese in den Raum stellen, wenn man davon ausgeht, dass kosmische Systeme grundsätzlich Organismen sind. Ich habe ja oft gesagt, auch in diesem Hörsaal, und sage es auch jetzt wieder, dass ich nicht glaube, dass aus unorganisch-materiellem, rein immanent, physikalisch, chemisch, biolo­gisch Erklärbarem in irgendeiner Form Leben entstehen kann. Ich glaube, dass, und dafür spricht viel, dass das Lebendige, das Leben überhaupt das Grundprinzip, die Basis in gewisser Weise das Alpha und Omega der gesamten Entwicklung ist und auch organisch-lebendig beseeltes Leben, das heißt Leben, was auch in den evolutionären Prozess auf höheres Bewusstsein zielt, Träger höheren Bewusstseins ist, dass die Welt in toto organisch ist.

Einer der Denker, die das wunderbar vor über 200 Jahren auf den Punkt gebracht hat, war Schelling, der, das muss man nicht so übernehmen, wie er das damals formuliert hat, aber er hat auf eine wunderbare Weise gezeigt, dass man die Vielfalt der organischen Welt oder dass man sich der Vielfalt der organischen Welt am sinnvollsten annähert, wenn man von dem kosmisch, von den kosmischen Systemen als einem Total-Organismus ausgeht, und dass man … dann muss man auch unterstellen, dass es in einem in toto lebendigen Kosmos natürlich auch Wechselwirkungsphänomene gibt, vielleicht auch Resonanzphänomene, vielleicht wirklich Attraktoren gibt, die aus anderen Gestirnen und anderen Planetensystemen, Sternensystemen sozusagen im Sinne dieses Attraktors auch die Formen schaffen. Dann wäre es möglich, rein hypothetisch, dass die Formen, die hier entstehen, nicht einfach neu sind, auch wenn sie uns neu erscheinen, sondern dass sie uralt sind, lange vorgeprägt im kosmischen Gesamtzusammenhang und sich sozusagen ent­wickeln im Sinn des Attraktors, zu einer Form gezogen werden oder Erinnerungsvorgänge sind, dass sich sozusagen aus einem Erinnerungsvorgang heraus die Form neu schafft. Damit ist man dann bei einem vollkommen anderen, … bei einer vollkommen anderen Dimension.

Das muss man Sheldrake immerhin zugute halten, es gibt bei ihm Überlegungen in diese Richtung, dass auch er …, er vertritt auch gelegentlich die Auffassung, dass es eine morphische Resonanz in kosmischer Größenordnung geben könnte und dass von dort her die Formen erklärt werden könnten. Mal eine kleine Passage nur von Schelling. Ich lese Ihnen das mal vor, weil der Text wird Ihnen sonst nicht geläufig sein. Und das ist in der Sprache der Philosophie der damaligen Zeit geschrieben, aber auf eine wunderbare Weise bringt er diese Dinge hier auf den Punkt. Ich lese das mal vor, eine kleine Passage, Schelling, 1797: „Im Zweckmäßigen durchdringt sich Form und Materie, Begriff und Anschauung. Eben dieses ist der Charakter des Geistes, in welchem Ideales und Reales absolut vereinigt ist.“ Das hat die Menschen damals kolossal bewegt, die intellektuelle Elite bewegt. Wie ist das möglich? Die Fragen sind heute, werden heute gestellt, sie sind auch damals gestellt worden. „Daher ist in jeder Organisation etwas Symbolisches, und jede Pflanze ist sozu­sagen der verschlungene Zug der Seele.“ Das ist echt poetisch, metaphorisch, buchstäblich in Anführungszeichen. „Jede Pflanze ist sozusagen der verschlungene Zug der Seele, da in seinem Geist ein unendliches Bestreben ist, sich selbst zu organisieren.“ Interessant ist, dass der Begriff der Selbstorganisation bei Schelling schon auftaucht. „So muss auch in der äußeren Welt eine allgemeine Tendenz zur Organisation sich offenbaren. Das Weltsystem ist eine Art von Organisation, das sich von einem gemeinschaftlichen Zentrum aus gebildet hat. Die Kräfte der chemischen Materie sind schon jenseits des bloß Mechanischen. Selbst rohe Materien, die sich aus einem gemeinschaftlichen Medium scheiden, schießen in regelmäßigen Figuren an. Der allgemeine Bildungstrieb der Natur verliert sich zuletzt in einer Unendlichkeit, welche zu ermessen selbst das bewaffnete Auge nicht mehr fähig ist. Der stete und feste Gang der Natur zur Organisation verrät deutlich genug einen regen Trieb, der mit der rohen Materie gleichsam ringend, jetzt siegt, jetzt unterliegt, jetzt in freieren, jetzt in beschränkteren Formen sich durchbricht. Es ist der allgemeine Geist der Natur, der allmählich die rohe Materie sich selbst anbildet. Vom Moosgeflecht an, in dem kaum noch die Spur der Organisation sichtbar ist, bis zur veredelten Gestalt, die die Fesseln der Materie abzustreifen zu haben scheint, herrscht ein und derselbe Trieb, der sie nach einem und demselben Ideal von Zweckmäßigkeit zu arbeiten, ins Unendliche fort und dasselbe Urbild, die reine Form unseres Geistes auszudrücken bestrebt ist.“

Das ist der entscheidende Punkt. Die reine Form des Geistes ̶ das ist das Telos, gewissermaßen. „Es ist keine Organisation denkbar ohne produktive Kraft. Ich möchte wissen, wie eine solche Kraft in die Materie käme, wenn wir dieselbe als ein Ding an sich annehmen“, also wenn sie nur Außenwelt wäre im Sinne Kants. „Es ist hier kein Grund mehr, in Behauptungen vorsichtig zu sein. An dem, was täglich und vor unseren Augen geschieht, ist kein Zweifel möglich. Es ist produktive Kraft in Dingen außer uns. Eine solche Kraft aber ist nur die Kraft eines Geistes. Also können jene Dinge keine Dinge an sich, können nicht durch sich selbst wirklich sein. Sie können nur Geschöpfe, Produkte eines Geistes sein. Die Stufenfolge der Organisationen und der Übergang von der unbelebten zur belebten Natur verrät deutlich eine produktive Kraft, die erst allmählich sich zur vollen Freiheit entwickelt. Es ist also notwendig Leben in der Natur, so wie es eine Stufenfolge der Organisationen gibt, so wird es eine Stufenfolge des Lebens geben.“ 1797, müssen Sie bedenken, ist das formuliert. „Nur allmählich nähert sich der Geist sich selbst an, denn nur das Leben ist das sichtbare Analogon des geistigen Seins.“ Und so weiter.

Also sehr tiefsinnige, großartige und weitreichende Überlegungen, die hier der damals 22-jährige Schelling in seiner naturphilosophischen Reflexion anstellt. Also die Frage, wie Neues entsteht, lässt sich mit den bisherigen Mitteln des Denkens nicht beantworten. Es ist ein Mysterium und kann auch ruhig als ein solches erst einmal in das Bewusstsein aufge­nommen werden. Es ist etwas, was einer Erklärung und nicht nur einer reduktionistischen Erklärung sich weitgehend entzieht. Es ist ein Rätsel. Wenn wir das in einem höheren evolutionären Kontext sehen, dann ist es wahrscheinlich, dass sich in der Stufenfolge der Wesen, um jetzt nicht den tausendfach abgenutzten Begriff „Evolution“ zu verwenden, der schon wenig mehr aussagt, also in der Stufenfolge der Wesen und ihrer vielfältigen Organisationen sich ein großer Attraktor bemerkbar macht, gewissermaßen der einem Telos zustrebt, was zu tun hat mit Geist; Annäherungsstufen des Geistes an seine eigentliche Gestalt, wobei diese Stufen nicht nur Stufen zu dem Höchsten hin, sondern auch unmittelbar zu Gott im Sinne von Leopold von Ranke sind.

Also, die Gestalten nach meiner Überzeugung, vorsichtig formuliert, die Gestalten­fülle der Natur, die Pflanzen, bei denen sind wir ja, damit beschäftigen wir uns ja in diesem Semester, das sind Formprinzipien, die meiner Überzeugung nach aus diesem höheren oder anderen Raum wirken. Da sind Formprinzipien, die nicht im engeren Sinne, im Anschauungsraum, im dreidimensionalen Anschauungsraum wurzeln, die in diesem ande­ren höheren Raum wurzeln und aus diesem anderen Raum heraus in den physisch-sinnlichen Raum, in die physisch-sinnliche Welt, hineinwirken. Ob das ein Reservoir von Archetypen ist, die kosmischen Ursprungs sind, ist zu vermuten. Das weiß ich nicht. Es ist möglich. Es ist wahrscheinlich, dass wir es hier zu tun haben mit einem ungeheuren Reservoir an kosmischen Archetypen. Das kann man nicht letztgültig beweisen und muss es auch gar nicht. Man kann ruhig an dieser Stelle mit einiger, sagen wir mal, ruhig mal Bescheidenheit und Zurückhaltung sagen: Diese Phänomene müssen sich gar nicht einem reduktionistischen Zugriff erschließen. Alles spricht dafür, dass das in sich unmöglich ist. Man kann diesen Phänomenen und man muss diesen Phänomenen sich grundsätzlich anders nähern.

Und das will ich Ihnen ja auch immer wieder nahelegen, indem was ich sage, das habe ich ja auch schon getan, in der letzten Stunde etwa, will das auch in der nächsten Vorlesung wieder machen, wenn ich Ihnen dann versuche darzustellen, wie man die geistig-seelische Dimension der Pflanzen verstehen kann, wie man sie auch in ihrer mög­licherweise kosmischen Dimension verstehen kann und wie man sich bewusstseinsmäßig diesen Schichten auch annähern kann, ohne dass man nun Techniken nennt, die zu schnellen Ergebnissen führen. Also, das habe ich auch schon mal im Scherz gesagt, ohne dass ich das lächerlich machen will: Setze dich in einer Vollmondnacht unter eine Buche, habe ich, glaube ich, gesagt, und gucke was dann passiert. Das ist auch gut, das zu tun. Ich sage nicht, dass das schlecht ist, aber man muss einfach wissen, dass man dann in einem sehr subtilen und sehr zarten Bereich sich befindet, wo alle Schematismen eher hinderlich sind. Nicht, Sie erinnern sich an meine vorsichtige Kritik an dem Schematismus etwa des Geomanten Stefan Brönnle in seinem Buch „Paradiesgarten“. Nicht, der hatte ja das am Beispiel von Sanssouci entwickelt, habe ich Ihnen ja erzählt. Und dann gibt er eine Zuordnung, und das mündet in einen Schematismus. Und das ist schade, weil das zu einer falschen und letztlich vereinseitigenden Sichtweise führt. Das berühmte Ganzheitliche, von dem so gerne geredet und auch fabuliert wird, geht dabei einfach verloren. Also das versuche ich ja gerade zu erhalten, soweit es jetzt einmal durch Sprache, durch das, was ich hier selbst vortrage, möglich ist. Das ist ja immer nur begrenzt, aber immerhin. Man kann durch die Sprache etwas in den Raum stellen, Gestalt werden lassen, und wer dann das mit vollziehen möchte, der kann es mitvollziehen, wenn er sich da einschwingt. Ich rede ja nicht nur über die Dinge, sondern ich versuche ja, das habe ich ja mehrfach auch gesagt, sozusagen die Sache selber in diesem Moment, in dem ich hier stehe und rede, zur Erscheinung zu bringen. Ich rede nicht von außen darüber, das ist uninteressant, sondern ich versuche es sozusagen in dem Moment von innen her zu verdeutlichen. Und wenn man das mitvollzieht, wenn man das mitvollzieht, konditional, dann hat man ein Stückchen von dem begriffen, worum es mir geht.

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