Innenwelt – Außenwelt

Vorlesungsreihe:

Mensch und Erde, Teil IV
Gedanken zu einer neuen Theorie der Natur und des Kosmos

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1998/99
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr.5

Transkript als PDF:

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Ich will eine kurze Ergänzung noch bringen, bevor ich auf diese, auf das Schema da eingehe. In dem Buch von Johannes Heinrichs „Öko-Logik“ gibt es auch eine Auseinandersetzung um die Frage Innenwelt ‒ Außenwelt und auch um die Frage des sogenannten Dualismus von Innenwelt und Außenwelt. Sie wissen, dass Johannes Heinrich eine eigene Vorlesung hält und auch bei mir am 1. Dezember hier einen Gastvortrag. Ich entnehme dieses Schema hier seinem Buch „Öko-Logik“, das den Versuch macht, den simplen Dualismus, wie er häufig genug vertreten wird, zu überwinden.

Wir haben übrigens das Mikrofon jetzt ausgeschaltet. Ich habe gehört, das sei so ein Hall-Effekt immer gewesen. Ich habe das selber nicht gemerkt. Also wir haben jetzt …, wir machen es jetzt ohne Mikrofon.

Im dualistischen Verständnis von Innenwelt und Außenwelt geht [es] meistens durcheinander, ich habe das schon mal in anderem Kontext gesagt, der Dualismus von Seele und Leib und der Dualismus von Körper und Geist. Also wenn in der Literatur immer wieder vom Dualismus gesprochen wird, dann wird selten klar unterschieden, was überhaupt gemeint ist. Ist gemeint der Unterschied zwischen Materie und Geist? Das wäre das Eine. Oder ist gemeint der Unterschied zwischen dem Körper von innen empfunden, im Sinne von Leib und Seele, im Sinne von Ich-selbst-Sein, also, meine subjektive Befindlichkeit? Das ist ja ein Riesenunterschied. Was meinte denn Descartes mit seinem berühmten Dualismus? Er meinte nämlich primär den Dualismus von Ich-selber-Sein, das meinte er mit Seele, Ich-Sein und Körper, den eigenen Körper, Leib. Er meinte nicht primär den Unterschied zwischen Materie und Geist, im Gegenteil, er war ja der Auffassung, dass Materie materialisierter Geist ist, deswegen sei sie erkennbar. Man muss das einfach mal sagen, weil da ein heilloses Durcheinander in vielen Büchern auch existiert. [Ich] sage es nochmal, Dualismus in den meisten Büchern wird sehr undifferenziert hingestellt. Dualismus von Materie und Geist bzw. Seele, das wird nicht unterschieden. Das ist aber zweierlei. Ich sage es noch mal, Descartes glaubte an einen Geist in der Natur und hat das überhaupt nicht dualistisch gesehen, im Gegenteil. Das war für ihn die Ermöglichung von Naturwissenschaft. Was ihn interessierte als dualistischen Gegensatz war die Innensicht des Subjekts, das „Ich“ sagen kann: „Ich denke, also bin ich“ ‒ und der eigenen Körperlichkeit als Leib. Das war der Dualismus, der Descartes beschäftigt hat. Man muss es einfach mal sagen, um dieser Ungenauigkeit, mit der es in vielen Darstellungen auftaucht, mal entgegenzutreten. Also das ist gemeint. Und das finde ich sehr schön, dass der Johannes Heinrichs in diesem Buch „Öko-Logik“ ein Schema hier entwickelt hat, das er auch ausführlich begründet, das genau den Versuch macht, diesen Gegensatz differenzierter darzustellen zwischen dem Subjekt, dem Einzelnen, jedem Einzelnen von uns und einer Objektwelt da draußen, die Dinge, alles, was wir um uns herum empfinden, letztlich ja verstanden als etwas, was überhaupt nur „Es“ sein kann, was kein eigenes Subjekt ist, in diesem Sinne kein „Du“ sein kann, im traditionellen Verständnis. Und dann wäre das andere Subjekt, das „Du“, auf den anderen Pol zu setzen. Also es gibt da eine Vierheit zwischen dem Subjekt, dem Einzelnen, dem anderen Subjekt, dem jeweiligen „Du“, einer Objektwelt da draußen und das Verbindende, ohne das überhaupt gar keine Kommunikation möglich wäre, was man als Logos bezeichnen kann, was ja griechisch einfach „Wort“ heißt und so viel auch wie „Geist“. Also das ist ein entscheidender Unterschied.

Also, sozusagen die höchste Position ist das Sinnmedium Logos, Geist, und über das Sinnmedium ist überhaupt eine Verständigung möglich und auch das Verstehen von Gesetzmäßigkeiten der Natur. Also, dieses Vierer-Schema, vielleicht wird er dazu etwas sagen in seinem Gastvortrag, ich weiß nicht genau, was er bringen wird und bringen möchte. Ich finde, dass er das schön in seinem Buch dargestellt hat. Darf ich vielleicht nur ganz kurz noch mal vorlesen, was er über „Sinnmedium“ sagt, diese Stelle, weil das ein Begriff ist, der zunächst nicht so geläufig ist. Er übernimmt den von Paul Tillich übrigens. „Sinnmedium“, schreibt er, „kann als handlungs- und kommunikationstheoretische Übersetzung des griechischen Logos gelten. Nach seiner strukturellen Seite enthält es offenbar die unverfügbaren logischen Grundgesetze, die sich zum Beispiel vor allem im Hinblick auf die Körperwelt auch als mathematische Sätze und Gesetze zeigen“. Also er setzt auch die Mathematik zum Beispiel in dieser Ebene an, das ist wichtig. Also die Mathematik, in gewisser Weise, als eine eigene Geistsphäre. „Die Geltung solcher Gesetze, von der Ebene aus, beansprucht Zeitlosigkeit, gleich ob sie von den der Zeit unterworfenen Subjekten früher oder später erkannt und formuliert werden. Die Faszination dieser Entdeckung zeitloser Geltung, logischer Beziehung, brachte Platon dazu, von einer Welt der zeitlosen Ideen zu sprechen.“

[Das] wäre also diese Ebene. Die Platoniker unter den Naturwissenschaftlern sind natürlich der Auffassung, hier ist die eigentliche Wirklichkeits-Ebene, etwa Heisenberg. Es gibt ja das tiefste Sinnmedium, Logos, Geist hinter allem.

„Mag es mit der Wirklichkeit der Idee eines ganzen Reiches von Ideen stehen, wie es wolle, eine Idee hat sicher Realität auf ihre Weise die des Logischen und Medialen überhaupt als Inbegriff dessen, worin Menschen ihrem je Subjektiven, doch eben nicht bloß Subjektiven alles Denken übereinkommen.“ Also, Kurzform, wenn das nicht existierte, diese Ebene in irgendeiner Form, gäbe es gar keine Kommunikation zwischen Subjekt und Subjekt und auch kein Erkennen einer Gesetzesordnung hier. Das finde ich sehr schön, wie er das darstellt, denn sie müssen das vielleicht in seinem Buch, wenn sie das näher verfolgen wollen, nachlesen. Man bräuchte eine halbe Stunde, um das differenziert darzustellen, wie er das in seinem Buch bringt.

Nun, dieses Schema, was ich hier auf diese Weise gezeigt habe bei Ken Wilber in mehreren seiner Bücher, mittlerweile drei seiner letzten Bücher, so dargestellt. Ob das nun so geschickt ist von Ken Wilber, dass auf diese Weise darzustellen oder nicht, sei dahingestellt. Er stellt das dar als ein Koordinatenkreuz, wobei vom Mittelpunkt jeweils vier Vektoren ausgehen, wobei jede Position auf dieser Geraden einer jeweils anderen entspricht. Das heißt, hier zum Beispiel, setzt er [weist auf die Zeichnung an der Tafel] das jetzt würde sehr viel Schreibarbeit bedeuten, dass im Einzelnen jetzt hier reinzusetzen. Hier setzt er an, äußerlich individuell etwa, Atom, auf der ersten Position, die zweite Position Molekül und so weiter. Dann geht das schließlich bis hinauf zum komplexen Neokortex bei Position 10 etwa. Also [der] komplexe Neokortex ganz oben, also die Großhirnrinde, und hier unten das einzelne Atom. Hier setzt er an auf der äußerlich sozialen Ebene: Galaxien, Planeten, Gaia-System, Ökosysteme, Gruppen, Familien usw. Industriegesellschaft, ganz oben dann Informationsgesellschaft. Das bringt er dann auch in Zusammenhang mit ganz bestimmten materiellen Korrelaten. Das könnte man hier auch bezeichnen als die Sphäre der [äußerlich, innerlich, sozial wäre auch Kultur, einfach] Kultur. Er sagt auch manchmal world space dazu, also Weltraum, der Weltraum, den eine bestimmte Kultur erschließt: Dann heißt es hier physisch, protoplasmatisch, dann uruborisch und so weiter, die ganze Skala der Entwicklungen, am Ende rational. Dann geht es in die transzendentalen Stufen hinein und jeweils entspricht die eine Stufe der anderen. Man könnte also jede Position auf jeder Geraden mit der jeweils anderen verbinden. Man würde also eine große Zahl von Quadraten hier rein zeichnen können, wenn man das möchte. Und hier auf der individuell-innerlichen Ebene geht es dann immer mehr in die Wahrnehmung hinein. Hier heißt es dann einfach: Empfinden, Impuls, Emotion, Symbole, Begriffe und rationale Wahrnehmung. Und dann Schaulogik und dann auch eine offene Grenze.

Das heißt, jede Position hat ihr Korrelat in allen anderen Fakultäten. Und das ist schwierig, weil das, ich sage es noch mal, einen gewissen Schematismus bedeutet. Man kann ja ganz schematisch jetzt sagen, mache hier eine Linie [arbeitet an der Tafel am Wilberschen Modell], und dann ist das so miteinander verbunden, dann ist das natürlich fragwürdig, wie weit da tatsächlich diese Verbindung so genau existiert. Da finde ich eine Schwäche in dem Schema bei Wilber. Denn diese Gefahr liegt nahe, dass man nun Bezüge sucht auf dieser Skala, vielleicht dann auch mit Mühe sucht und sie nicht findet. Also das muss man, muss ich kritisch sagen gegen das Schema, das in seinen Büchern dann auftaucht, denn es kann so dann auch nicht sein, schlechterdings. Und ich finde, dass bei Wilber die Position des „Du“ hier auch zu kurz kommt. Also die taucht zwar auf bei ihm, letztlich ist sie dann angesiedelt in diesem kulturellen Bereich. Das ist aber eigentlich eine andere Stufe, denn die Ich-Du-Relation ist ja nicht unbedingt identisch mit dem kulturellen Hintergrund. Also obwohl es wichtig ist, sich klar zu machen, dass man auf jeder einzelnen dieser vier Linien Stufen einzeichnen kann. So ist er drauf gekommen.

Er schreibt in diesem Buch „Kurze Geschichte des Kosmos“, wie er auf diese Skala kam. Er hat den Versuch gemacht, hunderte von Stufenmodellen aus der Psychologie, aus der Soziologie, aus der Biologie, aus der Physik, aus der Kosmologie, hunderte von Stufenmodellen der verschiedensten Wissenschaften hat er sich zusammengelegt und hat versucht: Gibt es eine Möglichkeit? Gibt es ein verbindendes Muster sämtlicher Stufen-modelle? Immerhin ja ein naheliegender Gedanke. Man kennt das aus der Psychologie, man kennt das aus der Wahrnehmungsphysiologie. Denken Sie etwa an den berühmten Franzosen Jean Piaget, der das ja minutiös untersucht hat: Wie nimmt ein einjähriges Kind wahr? Wie ein zweijähriges, dreijähriges Kind, wie ein 14-jähriges Kind? Wo sind die eigentlichen Umkipppunkte? Das gibt es in der Soziologie, das es gibt es menschheits-geschichtlich, bewusstseinsgeschichtlich. Es gibt Skalen, etwa von Lawrence Kohlberg über die moralische Entwicklung des Menschen, wie ganz bestimmte moralische Entwicklungen sich abzeichnen. Es gibt sie in der Kosmologie, es gibt sie in der Physik und Biologie und so weiter. Daran ist er gescheitert. Er schreibt dann auch, er habe kein verbindendes Muster feststellen können.

Es hat eine Weile gedauert, bis er eigener Überzeugung nach, eigener Auffassung nach, dann verstanden hat, dass es vier Grundansätze gibt, vier Grundmöglichkeiten überhaupt, solche Entwicklungslinien zu zeichnen. Und insofern könnte man hier, also wenn man jetzt berühmte Autoren hier einführen möchte, kann man ja tun oder systematische Ansätze, dann könnte man hier sehen, was man hier einbeziehen könnte. Dann wäre etwa hier, wenn es um die Gesellschaft geht, natürlich Marx anzusetzen, auf der Seite, hier eher Gebser oder Heidegger, die eher von den kulturellen Kontexten, von innen das Ganze betrachten, nicht, also die berühmte Kontroverse etwa von Luhmann und Habermas lag auf der Ebene. Die strukturelle Ebene, die Soziologie, beschreibt Strukturen und eine andere Soziologie, die eher von der Innenperspektive der Kulturen ausgeht, also von dem, was die Leute empfinden. Ich kann einen Regentanz irgendeines sogenannten primitiven Volksstammes beobachten, kann es beschreiben, äußerlich, systemtheoretisch, kann aber auch versuchen zu verstehen, was innen abläuft. Also eine vollkommen verschiedene Perspektive. Hier wären auch die ganzen materiellen Ablagerungen einer Kultur zu verankern, etwa Institutionen. Was sehr wichtig ist, denn Geist wird ja auch durch Institutionen mittransportiert. Hier zum Beispiel setzt er an in dem innerlich-individuellen Bereich, Freud und Jung genauso, da aber auch Aurobindo und alle großen spirituellen Lehrer, Buddha oder auch Philosophen wie Plotin und andere, während er hier dann Skinner ansetzt, Locke, Strömungen wie Empirismus, Behaviorismus, die herrschende reduktionistische Neurophysiologie, Biologie, Physik und so weiter. Hier dann auch die eher reduktionistische Systemtheorie. Also man kann dann die verschiedenen Theoriengebäude von Menschen in diese vier Ebenen eingliedern.

Natürlich gibt es immer vielfältige Überschneidungen. Das ist übrigens interessant. Nächstes Mal will ja Johannes Heinrichs darüber sprechen über den Gegensatz von Luhmann und Habermas, und Johannes Heinrichs gehört zu den Sozialphilosophen, die das auch zusammendenken, das äußerlich Soziale und das innerlich Soziale. Und es ist wichtig, dass man sich darüber im Klaren ist. Auch hier sollte man nicht schematisch verfahren. Das wäre auf jeden Fall falsch. Aber es ist ein Ansatzpunkt, der, wenn man ihn mal verstanden hat, eine große Skala an Erkenntnisnuancen erschließt. So einfach, man kann auch sagen: simpel, das zunächst erscheint, innen und außen, es gibt das Individuelle und das Kollektive, hört sich sehr einfach an, ist aber ein Schlüssel, sehr komplexe Phänomene zu verstehen. Man kann auch individuell-biografische Entwicklungen verstehen. Man kann Gesellschaften verstehen, die ja kulturelle Räume erschließen, aber gleichzeitig natürlich immer auch institutionelle, materielle Ablagerung schaffen in der Geschichte. Das korreliert miteinander, genauso hier oben auf der Ebene, also da hat man wirklich eine Möglichkeit, das zu begreifen. Und wichtig ist, dass jede dieser vier Sektoren erst einmal für sich betrachtet durchaus legitim ist. [Alle Erläuterungen beziehen sich hier auf Wilbers Quadranten-Modell.]

Es ist ja nicht so, dass das in irgendeiner Form schlecht wäre, die materiellen Ablagerungen einer Kultur zu studieren, oder dass es für sich genommen schlecht wäre, die Interpretationszusammenhänge einer Kultur zu studieren oder es irgendwie schlecht wäre, die neurophysiologische Phänomene zu beobachten oder auch die individuell-psycho-logischen Phänomene. Also das ist nicht schlecht. [Mit] jeder einzelnen Sache ist nicht eine Wertung verbunden, sondern es geht darum, dass diese vier Quadranten, wie das Wilber nennt, zusammenwirken. Und die Stärke des Denkansatzes von Wilber besteht darin, dass er das zusammendenkt. Der einzige, soweit ich das sehen kann, heute, der einzige Philosoph, der es wirklich zusammendenkt. Das kann natürlich nicht ausbleiben, dass er dann kritisiert wird von irgendeinem Einzelsegment hier, weil die meisten Ansätze dazu neigen, von einer Position aus den Rest zu kritisieren, also etwa hier jetzt eine bestimmte Version des Marxismus hier anzusiedeln, dann kollabieren die anderen Welten. Jetzt mal etwas überspitzt gesagt, ich habe es ja vorhin angedeutet, so einseitig und platt hat das Marx nicht gesehen. Aber [es entspricht] erst einmal einer, sagen wir mal, sehr gängigen Version des marxistischen Materialismus, dann wäre das die Hauptebene. Und es ist immer der Punkt, dass man sagt, eine Wirklichkeitsebene ist die eigentlich wahre und wirkliche, die anderen sind nur scheinwirklich.

Und das versucht Wilber auszuhebeln. Und er sagt: Alle vier Bereiche, bei allem was passiert, sind wichtig. Bei jedem Gedanken, bei jeder Emotion, bei jeder Intentionalität: Immer ist es eine Korrelation von innen und außen und auch von Kultur und eben äußerlich Sozialem, ein ständiger Zusammenhang. Und das ist wichtig, denn das ist wirklich ein Versuch, in einem integrativen Sinne oder man auch sagen, in einem integralen Sinne zu denken. Das ist wirklich ein Versuch, auf eine andere Ebene zu kommen, denn es bringt überhaupt nichts, wenn man eine Fakultät absolut setzt und von dieser einen Fakultät aus den Rest erklärt. Ich sage mal, dann müssen die anderen Bereiche in gewisser Weise kollabieren. Das ist dann das, was in den 70er Jahren Habermas der Systemtheorie vorgeworfen hat: Das ist ein Kolonialismus der Lebenswelt. Und dagegen kann man nicht scharf genug vorgehen. Es kann also nicht sein, dass irgendein Bereich, etwa dieser hier, nun den Rest hier kollabieren lässt und die Herrschaft an sich reißt. Das ist natürlich passiert.

Dieser Bereich ist der stärkste heute. Das wissen wir alle, das ist der machtvollste, hier ist die Technik angesiedelt. Hier sind die ganz materiell institutionellen Ablagerungen des rationalen Geistes angesiedelt. Hier ist die stärkste Position heute, also die macht-vollste, global gesehen machtvollste, stärkste. Und diese Position neigt dazu, alle anderen eben zu kolonialisieren, um das mit Habermas zu formulieren. Das ist schwierig. Genauso verfehlt wäre es, wenn man jetzt nur die kulturellen Innenräume betrachtet und sich überhaupt nicht kümmert darum, was auf der Ebene passiert, oder extrem auch in der Jungschen Psychologie, bei aller Verehrung für Jung, die ich durchaus hege, wird überhaupt nicht beachtet, dass der Mensch ja auch ein Leib ist, nicht nur physiologisch, sondern auch eine Innenperspektive hat, dass er auch Körper ist, dass er als Körper ja auch in der Welt steht. Das fällt bei Jung mehr oder weniger heraus. Das auch übrigens im Grundansatz, in der Therapieform bei Freud und anderen, und damit kommt eine Einseitigkeit, eine Schieflage rein. Das ist wirklich eine Aufgabe, diese Integration zu leisten, [das] setzt natürlich voraus, dass man überhaupt in der Lage ist, diese Fakultäten wahrzunehmen und dann noch zusammenzudenken. Das ist ja natürlich erst mal viel einfacher, wenn man irgendeine Sache gelernt hat, auf irgendeinem Feld tätig geworden ist, nun den Rest dahin zu drehen und zu biegen.

Also das ist der Hauptansatz, sagen wir mal, die Stärke besteht in der Integra-tionskraft, die ist enorm in diesem Ansatz. Die Schwäche liegt in einem gewissen Schematismus; dass man jetzt hier zu mechanistisch, kann man fast sagen, zuordnet. Nicht, und da gibt es Ungenauigkeiten, die das gar nicht ermöglichen. Also da muss man sehr vorsichtig sein. Wilber hat das zum Beispiel in diesem Buch „Eine kurze Geschichte des Kosmos“ an verschiedenen Stellen sehr eingehend dargestellt; [ich] lese mal eine Passage nur vor, eine kurze Passage, die sehr eingängig ist. „Beachten sie jedoch, dass dies (zuvor Gesagte) sämtlich äußere Beschreibungen sind. So sehen diese Holons objektiv und empirisch betrachtet von außen aus.“ Das Holon ist das Grundelement der Wirklichkeit. „So finden sie zum Beispiel in einem wissenschaftlichen Text das limbische System ausführlich beschrieben, seine Bestandteile, seine Biochemie, sein Alter und seine Entwicklung, seinen Zusammenhang mit anderen Teilen des Organismus und so weiter. Wahrscheinlich wird auch erwähnt sein, dass das limbische System der Sitz bestimmter, sehr grundlegender Affekte ist, bestimmter grundlegender Formen von Sexualität, Aggressivität, Angst, Begierde, gleichgültig, ob es sich um das limbische System von Pferden, Menschen oder Affen handelt. Die Affekte werden jedoch nicht weiter beschrieben sein, weil Affekte zur inneren Erfahrung des limbischen Systems gehören.“

Also in den Büchern, die das limbische System darstellen, der neurophysiologischen Bücher, wird zwar gesagt, dass es ein Korrelat gibt in der Innenbefindlichkeit, in Affekten und ähnlichem. Das wird aber nur angedeutet. „Diese Affekte und die damit verbundenen Empfindungen sind etwas, dass das Holon mit seinem limbischen System in seinem Innern erfährt. Objektive wissenschaftliche Beschreibungen interessieren sich höchstens am Rande für dieses innere Bewusstsein, weil dieser Innenraum objektiven empirischen Methoden nicht zugänglich ist.“ Das Beispiel des Gehirns, was immer da passiert, was hat es für ein Korrelat in der Großhirnrinde? Kann man das sehen? Das kann man nicht sehen. „Man kann diese Gefühle nur in seinem Innern fühlen. Wenn man zum Beispiel eine Art Urfreude empfindet, wird man, selbst wenn man Gehirnphysiologe ist, nicht sagen: Oh, welch ein limbischer Tag! Man beschreibt vielmehr diese Gefühle mit subjektiven und vielen persönlichen, emotionalen Begriffen. Ich fühle mich großartig. Das Leben ist schön und was immer. In der linken Spalte finden sich, da einige der grundlegenden Formen subjektiver oder innerer Gewahrwerdungen, die mit den verschiedenen objektiven oder äußeren Formen der rechten Spalte verbunden sind. Reizempfindlichkeit, die Fähigkeit, aktiv auf Umweltreize zu reagieren, beginnt mit Zellen. Sinnesempfindungen beginnen mit neuronalen Organismen, Wahrnehmung mit einem Nervenstrang. Impulse emergieren mit einem Gehirnstamm und grundlegende Affekte mit einem limbischen System.“ Und so weiter. Dies ist ebenfalls eine Holarchie, jedenfalls eine subjektive oder innere. Jede Ebene transzendiert auch hier ihre Vorgänger, das ist wichtig. Bei all diesen Schemata, es gibt Hunderte in allen Wissenschaften, ist es immer so, dass die nächsthöhere Ebene die jeweils vorhergehende überschreitet, transzendiert, aber auch im Hegelschen Sinne aufhebt. Das ist erstaunlich, dass das so ist. Das muss doch offensichtlich ein Grundimpuls im Denken sein, in dieser Form evolutionär Stufen wahrzunehmen, das kann nicht nur ein mensch-liches Konstrukt sein im Kopf, es muss auch eine Verankerung in der Wirklichkeit haben.

„Worauf es jedoch vor allem ankommt ist, dass diese linke Dimension mit dem Inhalt zu tun hat, mit der inneren Tiefe, die das Bewusstsein selbst ist.“ Also darum geht es in diesem, ja, wie soll man das nennen, um diesen integralen Zusammenhang der Phänomene. Und ich meine, dass es wirklich unbedingt notwendig ist, diesen Zusammen-hang zu denken. Es wäre also vollkommen verfehlt, wenn man jetzt aus einem lieb gewordenen subjektiven Innenraum heraus, gegen den ja überhaupt nichts einzuwenden ist, nun den ganzen Rest sozusagen der Außenwelt [stellt]. Das kann niemals eine Position sein, die in irgendeiner Form Fehlentwicklungen korrigiert. Sondern man kann nur im integralen Zusammendenken in irgendeiner Form einen Schritt weiterkommen. Das ist der große Ansatz von Ken Wilber, den man erst einmal so zur Kenntnis nehmen kann, obwohl er kaum aufgegriffen wird. Also hier in Deutschland überhaupt nicht. Das ist blamabel.

Ich hatte das ja schon öfter gesagt, die deutsche Kultur- und Intellektuellen-Szene nimmt das gar nicht zur Kenntnis. Also ich habe in keiner der großen Zeitungen und Zeitschriften jemals eine Rezension gelesen, die in irgendeiner Form dieses Themas sich angenommen hätte. Das scheint keinen in Deutschland im Moment zu interessieren. Das ist eigenartig, aber es ist offenbar so!

Wichtig ist noch kurz zu sagen, dass jedes sogenannte Holon, wie Wilber das nennt, also jenes Seins-Element, eine bestimmte Schicht der Welt erschließt, und dass diese Schicht für dieses Holon auch dann nur existent ist. Das heißt, jedes Holon schaut gewissermaßen aus dem Weltganzen einen bestimmten Abschnitt heraus und kann dann auch nur diesen Abschnitt wahrnehmen, hat also eine entscheidende Wahrnehmungs-begrenztheit. Wichtig ist, sie dürfen sie, die vier Quadranten, auch ein etwas unglücklicher Begriff, das als Quadranten zu bezeichnen, na gut, sie dürfen sie nur nicht aufeinander reduzieren.

„Ich habe diesbezüglich ganz bestimmte Ideen, doch möchte ich im Augenblick meine eigene Theorie noch zurückstellen. Deshalb jetzt nur der allgemeine Hinweis, dass man diese Quadranten nicht ohne schwerwiegende Verzerrungen und gewalttätige Brüche aufeinander reduzieren kann.“ Das ist ja genau der Reduktionismus, der mir sagt: Das ist die eigentliche Wirklichkeit, das ist wirklich wirklich, sozusagen. Das ist nur Schein-wirklichkeit. Das ist ja genau der Reduktionismus, der auch passiert, der ja läuft. Das ist diese Kolonialisierung. „Ich meine da, dass wir ihnen eine gewisse Integrität einräumen müssen, sagen wir einfach, dass sie in einer Wechselwirkung zueinander stehen und, oder dass jeder Quadrant in anderen Entsprechungen hat. Damit hat man eine sehr gute Arbeitsgrundlage.“ Und ich kann Ihnen das wirklich empfehlen, dass Sie das mal selber versuchen mitzuvollziehen, was hier eigentlich gesagt wird.

Ich würde sagen, ich will mal versuchen, das ein bisschen jetzt zusammenzufassen, und dann noch in ein Gespräch kommen, die Punkte noch mal thesenartig, die ich jetzt versucht habe, Ihnen in knapper Form darzustellen. Das wird uns immer wieder beschäf-tigen, diese Frage, auch beim nächsten Mal, wo ich über Newton reden werde.

Nochmal in knappster Form: Der Grund-Dualismus von Innenwelt und Außenwelt ist richtig. Es gibt diesen Innenwelt-Außenwelt-Dualismus, aber er reicht nicht. Er muss ausdifferenziert werden. Mindestens in dem Sinne, dass man im Sinne der vier Quadranten jedem Innen-Sein ein individuelles und ein kollektives Innensein zuspricht, wahrscheinlich auch noch darüber hinausgehend, indem man das „Du“ einbezieht. Und das ist nicht nur eine Frage der Psychologie, das wär viel zu wenig. Wir sind hier nicht nur im psycho-logischen Raum, sondern wir sind hier in einem existenziellen Raum.

Es geht um Wirklichkeiten. Das sind die Grundfragen überhaupt. Es geht ja nicht um Konstrukte und um abstrakte Schemata. Es geht um Wirklichkeit. Wir wollen ja die Wirklichkeit verstehen. Was kann denn anderes interessant sein, wirklich interessant, als die Wirklichkeit zu verstehen. Und auch die Außenwelt muss in diese zwei Segmente eingeteilt werden. Und dann mag es sinnvoll sein, hier das Schema von Johannes Heinrichs heranzuziehen, dass auf der Ebene etwas Verbindendes entsteht oder einfach da ist, zwischen dem einen Subjekt und dem anderen Subjekt. Das würde eine Differenzierung sein. Und es ist eine ungelöste Aufgabe der Erforschung der Wirklichkeit, das noch tiefer zu verstehen. Das muss nicht bedeuten, dass man zu jedem Innen-Phänomen ein Außen-Phänomen exakt zuordnet (dass man jedem Innen-Phänomen ein Außen-Phänomen exakt zuordnet,) das kann nicht funktionieren. Aber es gibt dieses Rätsel. Mag sein, dass das ein Rätsel ist, was den Menschen überfordert. Also das muss man auch noch sagen, das ist einer der schwierigsten Komplexe überhaupt. Mag sein, dass der Mensch von seinem Bewusstsein aus da überfordert ist, wirklich in der Tiefe das zu durchdenken, ist möglich.

Also, man hat es ja immer wieder gesagt, auch indem man zum Beispiel darauf hinweist, der Mensch kann nicht wirklich verstehen, was die Zeit ist, [es ist] immer wieder gesagt worden, die Zeit ist etwas, das man nur in Paradoxien denken kann. Und hier kommt man auch immer in etwas Unlösbares hinein, wie immer man sich dann dreht und wendet, man kommt an Stellen, wo es nicht weitergeht. Jeder kann das versuchen, das mal zu durchdenken. Und er wird immer wieder feststellen, dass er an bestimmten Stellen nicht weiterkommt. Es scheint da gewisse innere Paradoxien zu geben, die wahrscheinlich auf der rational-mentalen Ebene nicht zu lösen sind. Und dann hätten ja wieder auch die Zen-Meister Recht, die das ja immer wieder gesagt haben: Das mentale Bedienen einer bestimmten Ebene ‒ man muss eine neue Ebene finden.

Das vermute ich auch. Ich vermute, dass man mit mentalen Herangehensweisen zwar eine Kartographie schafft, das gelingt, man kommt da sehr weit. Aber dass man im Letzten diese Korrelationen nicht wirklich verstehen kann, wahrscheinlich nur auf einer anderen Ebene. Und dann mag sie sich auflösen. Aber das ist schwierig. Könnte ja sein, dass es dann auf der nächsthöheren Ebene, dass diese Paradoxie dann gar keine mehr ist. Das ist eine ähnliche Paradoxie, wie sie Kant in den Antinomien der reinen Vernunft darstellt. Nicht, etwa die Frage: Gibt es einen Anfang der Welt, oder nicht? Kant, spielt ja beides durch, nicht, im Mittelteil der „Kritik der reinen Vernunft“. Ja, es gibt einen Anfang. Man kann das konsequent weiterdenken, oder nein, die Welt ist anfangs nur so endlos, kann man auch konsequent weiterdenken. Beides ist intellektuell, rational, vollkommen schlüssig. Und doch hat man das Gefühl, dass da der … oder gerade deswegen hat man das Gefühl, dass der Verstand da überfordert ist. Man kann diese Antinomie nicht lösen, mit dem Anfang oder Nicht-Anfang, [das] ist nicht lösbar. Der Verstand implodiert an der Stelle, weil wenn er logisch weiterverfolgt, dann muss er sagen immer, es gibt immer ein Vorher, es gibt immer ein Nachher. Das ist die…. Oder es gibt einen Punkt Null. Aber dann kann der… dann stoppt der Verstand, weil die Frage dann nicht erlaubt sein kann, was davor ist. Aber die Frage nach dem Davor ist eine Frage der Logik und eine Frage der Kausalität. Wenn die vollkommen ausgehebelt wird, dann wird die Ebene verlassen. Und so vermute ich, dass auch dieser Zusammenhang im Letzten etwas Unauslotbares hat. Also, soweit ich das in langen Jahren des Nachdenkens über diese Fragen sagen kann, ist da etwas drin, was uns überfordert, in der Tiefe überfordert, im rationalen Denken überfordert.

Ich will, bevor wir dann vielleicht in ein kleines Gespräch gehen, sagen, ich will beim nächsten Mal jetzt an einer konkreten Figur der Wissenschaftsgeschichte, an Newton, den Zusammenhang darstellen von Naturwissenschaft und Spiritualität und will Ihnen mal diesen Newton, über den so unsäglich viel geschrieben worden ist im Laufe der 200 Jahre, der letzten 200 Jahre, seit fast 300 Jahren, je nachdem, was man ansetzt als Anfangspunkt, 1687 erschien sein Hauptwerk, also ihn als eine Schlüsselfigur der Wissenschafts-geschichte, und will dann versuchen, das ein bisschen genauer zu beleuchten, als es meistens geschieht, denn in den meisten Darstellungen gibt es entweder Newton als der große Heroe der Naturwissenschaft, in diesen üblichen Darstellungen, oder die Quanten-theoretiker und Relativitätstheoretiker sagen, na, Newton ist nur ein Grenzfall unseres Systems oder die anderen seit 20, 25 Jahren, im New Age, wo es dann immer heißt Newton und Descartes sind so die Erzbösewichte, die alles in eine falsche Richtung gelenkt haben. Damit kommt man, glaube ich nicht weiter, mit solchen Kategorisierungen. Ich will da mal versuchen, Ihnen an diesem Beispiel das Grundproblem vor Augen zu führen. Dann in der Stunde darauf dann am Beispiel der Quantentheorie. Das sind ganz verschiedene Aspekte. Ich hoffe, dass das gelingt. Das ist schwierig, weil gerade über Newton ganz unsägliche Geschichten verbreitet sind. Kaum einer macht sich ja die Mühe, die Sachen überhaupt im Original zu lesen.

Gut, ich denke, dass wir ein kleines Gespräch noch machen, wenn Sie noch hierbleiben wollen, ein paar Fragen noch gerne, wenn wir es nicht zu lange ausdehnen, wir sind ein bisschen erschöpft jetzt.

[Ein sich entspinnender Dialog von JK mit der Hörerschaft ist hier ausgelassen. Es ging im Kern um die Frage, inwieweit Wilbers Ansatz hinreichend begründet ist und ob er überhaupt wahrgenommen wird und wahrgenommen werden kann von Intellektuellen und Wissenschaftlern. Dabei werden die Schwächen seiner Setzungen benannt und die Schwierigkeiten des Wissenschaftsbetriebs, eine ehrliche und distanzierte Selbstverortung in einem Modell der Wirklichkeitsbereiche sinnvoll vorzunehmen u.ä. – Zum Nachhören im Video ab Minute 27. Weiter in der Vorlesung.]

Dann habe ich letztes Mal Ihnen ja ein Buch vorgestellt, was eigentlich gar kein Buch ist, sondern ein Buch über Bücher, nämlich eine sogenannte alternative naturwissenschaftliche Literaturliste. Und da habe ich gemerkt, dass das Interesse daran sehr groß ist. Und dem möchte ich noch einmal nachgehen. Ich habe ein paar Kopien hier gemacht, wo Sie noch einmal alle Infos, wie es so schön heißt, zu dieser Literaturliste kriegen können. Auch Möglichkeiten, das per Diskette zu bestellen und all dieses, und das könnte man hier vorne sich nehmen. Wir können aber auch in der Pause noch hier Kopien machen. Andernfalls, wenn das nicht gehen sollte, kann ich das auch noch mal anschreiben, wie man da herankommt.

Ich hatte ja untertreibend gesagt, dass hier einige hundert Titel… , hier stehen 5327 Titel, immerhin noch ein Unterschied, und niemand wird auch nur von einem einzigen dieser Gebiete alle Bücher nun hier lesen, die angegeben sind. Aber es ist schon bemerkenswert und hochinteressant, dass sich jemand der Mühe unterzogen hat. Ich sage es noch mal, gerade weil hier eine ganze Reihe von Büchern drin sind, die man normalerweise nicht kennt und auch kaum kennen kann. Also Norbert Moch, „Die alternative naturwissenschaftliche Literaturliste“. Dass natürlich dabei auch vielerlei, sagen wir mal Merkwürdigkeiten auftauchen, dass manches, vieles auch nicht Seriöse und Scharlatanmäßige hierbei mitläuft, ist klar. Das ist nicht zu vermeiden bei solchen Sachen, aber ich kann es Ihnen sehr empfehlen. Ich habe eine Menge daraus gelernt und habe bei einigen Themen nachgeschlagen, habe gestaunt. Das wusste ich gar nicht, wie viel Literatur dazu existiert. Also das können Sie noch mal sich nehmen.

Dann habe ich in der letzten Woche zu meinem Erstaunen in dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Artikel gefunden, der eher am Rande figurierte mit dem typisch Spiegel-jargonmäßigen in der Überschrift „Sensibles Grünzeug“ und was ich da unter dem eigentlich dumm-arroganten Titel „Sensibles Grünzeug“, also Pflanzen sind gemeint, [so verbirgt]. Es muss natürlich Grünzeug sein, das ist schon interessant. Zeug ist ja ein Es, ein Etwas. Eine Sache also, was unter dem schlichten Begriff „sensibles Grünzeug“ hier dargestellt wird, ist staunenswert.

Wenn Sie vielleicht an das denken, was ich im Sommersemester gesagt habe, und ich will da nur mal einige Passagen daraus vorlesen. Und um zu zeigen, wie neuerdings auch, wenn man dem trauen kann, selbst in der Molekularbiologie Einsichten Platz greifen, die zeigen, dass Pflanzen eine wesentlich weiterreichende Wahrnehmung haben, ja überhaupt eine Wahrnehmung, als wir bisher vermutet haben. Sie werden sich vielleicht erinnern, es gibt ja dieses berühmte Buch „Das geheime Leben der Pflanzen“, 1973 auf Englisch erschienen, 1977 auf Deutsch, heute immer noch ein Bestseller mit einer ungeheuren Auflage weltweit. Das ist ein Buch, das die Wahrnehmungsfähigkeit der Pflanzen dokumen-tiert, auf eine verblüffende Weise. Und da ist es schon erstaunlich, wenn hier plötzlich ein Artikel erscheint, an einer Stelle, wo man überhaupt nicht damit rechnet und eigentlich Ungeheuerlichkeiten hier drin stehen. Ich darf nur mal ganz kurz einige Passagen hier vorlesen, also „Sensibles Grünzeug“. Die halbfett gedruckten Zeilen darunter lauten dann: „Auch Pflanzen können sehen, schmecken, riechen, fühlen und hören.“ Aha, sie haben doch gar kein Nervensystem. Wie können sie dann schmecken, riechen, fühlen und hören? Das war doch immer die große Frage. Wenn Pflanzen wahrnehmen, wie denn eigentlich, wenn gar kein Nervensystem da ganz ist, zentrales Nervensystem? Sie nutzen diese Fähigkeiten vor allem, um sich gegen Insekten und konkurrierende Gewächse zu behaupten. Und dann heißt es hier am Anfang des Artikels: „Rizza Weber war ihrer Zeit weit voraus. Pflanzen, so entdeckte die damals 14-jährige 1986 beim Regional-Wettbewerb von ,Jugend forscht‘, lieben Klassik und hassen Rockmusik.“ Und es ist eine ganz alte Einsicht, wenn man sie nennen darf, aus den 70er Jahren, eben da sind Pflanzenexperimente gemacht worden mit Musik, und Rockmusik mögen Pflanzen in der Tat nicht, das kann man vielfältig nach-weisen. „So begeistert waren die Stangenbohnen der Schülerin von Bachs Branden-burgischen Konzerten, dass sie sie schon bald durch Buschbohnen ersetzen musste. Die Schlingpflanze hatte mit exzessivem Wachstum die Decke der elterlichen Wohnung erreicht. Die Erforschung der Sinne von Pflanzen hat in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht. Dass Pflanzen sensibel auf Einflüsse ihrer Umgebung reagieren, konnte nun auch mit den modernen Methoden der Molekularbiologie nachgewiesen werden.“ Das ist ja eine zentrale Behauptung dieses Buches „Das geheime Leben der Pflanzen“, dass Pflanzen eben eine derartige Wahrnehmung haben.

Nun also, wenn das, wenn ich das hier so übernehmen darf, hat auch die Molekularbiologie sich dieses Terrain erschlossen. „Keineswegs tumb ist das Grünzeug. Im Gegenteil. Pflanzen, so steht fest, können schmecken, riechen, fühlen und wahrscheinlich auch hören. Im Saft ihrer Äste und Blätter schwimmen Phytohormone, die wichtige Botschaften übermitteln. In ihren Stengeln werden Erregungen geleitet wie in einem Nervensystem, und über Duftstoffe können Pflanzen mit anderen Pflanzen kommunizieren und gezielt nützliche Insekten anlocken. Möglich wurden die meisten Entdeckungen erst durch neue Arbeitsmethoden.“ Jetzt werden hier die Arbeitsmethoden geschildert. Ein Schaubild zeigt hier, dass Lichtrezeptoren bei Pflanzen und Tieren erstaunlich ähnlich sind, viel ähnlicher als man es lange Zeit vermutet hat. „Die Ähnlichkeit der Lichtrezeptoren von Pflanzen und Menschen überrascht.“ Jetzt kommt einer der typischen Sätze in diesem Kontext: „Offensichtlich hat die Evolution“, die wird hier wie ein Wesen behandelt, was handeln kann, „offensichtlich hat die Evolution für ein und dasselbe Problem unabhängig voneinander verwandte Lösungen gefunden.“

Und da gibt es eine ganze Reihe interessanter Beispiele in diesem Artikel, verblüffende Geschichten. Wie gesagt, für den Leser des „Geheimen Lebens der Pflanzen“ nichts Neues, aber doch neu, dass das hier neuerdings von Seiten der Biologie auch dargestellt wird. Und weitere Forschungen sind da geplant. Also erstaunliche Dinge. Ich kann es sehr empfehlen. Also nicht diese Woche, sondern letzte Woche stand der Artikel drin. Es führt uns auch direkt in das Thema, denn es ist ja …, ich habe das hier genannt: Innenwelt ‒ Außenwelt und habe hier die Frage gestellt, wie es denn aussieht mit dem Verhältnis von Erkennen, Wahrnehmung, Bewusstsein. Und wenn die Pflanzen, wie mittlerweile eben auch Molekularbiologen behaupten oder zu behaupten scheinen, eine Art von Wahrnehmung haben, dann müsste man ihnen oder könnte man ihnen eine Art von Bewusstsein zubilligen. Und das ist natürlich ein frappierender Gesichtspunkt. Denn was hieße das, wenn man Bewusstsein auch dort ansetzt, wo nach herkömmlichem Verständnis überhaupt gar nicht die Bedingungen dafür vorhanden sind? Dann könnte man ja noch einen Schritt weiter zurückgehen, etwa überhaupt in die sogenannte anorganische Materie. Und könnte ja fragen: Hat vielleicht sogar diese sogenannte anorganische Materie eine Art von Wahrnehmung, eine Art von Bewusstsein?

Sicherlich kein Bewusstsein, was in irgendeiner Form ichhaft fokussiert wäre, das wohl kaum. Aber es ist schlechterdings nicht von der Hand zu weisen, dass auch die sogenannte anorganische Materie in irgendeiner Form geistartig, wie das Samuel Hahnemann genannt hat, reagiert. Ich habe Ihnen das ja vor einem Jahr im Zusammenhang mit der Homöopathie dargestellt, und Volker Rohleder [hat] das im Sommer noch einmal unterstrichen. Also auch die anorganische Materie, etwa als Arzneimittel, wirkt ja geistartig. Sie ist nicht Geist, aber sie hat etwas Geistartiges, sie wirkt geistartig, und das ist schon erkenntnistheoretisch hochinteressant. Was hieße das? Es gibt verschiedentlich in trockenen und für den sogenannten Laien eher schwer nachvollziehbaren Physik-Lehr-büchern die Formulierung, auf die bin ich mehrfach gestoßen: Trägheit der Physik sei eine Art Fühlorgan der Materie für die Raumzeit-Metrik, wörtlich in physikalischen Nach-schlagewerken, ein Fühlorgan für die Raumzeit-Metrik, eine schwindelerregende Aussage. Was heißt das?

Nun wird wahrscheinlich erst einmal gesagt werden, das ist rein metaphorisch gemeint, das ist nur eine Art zu sprechen und eine Ausdrucksweise. Keineswegs läge dem eine wirkliche Wahrnehmung, ein wirkliches Fühlorgan zugrunde. Aber dass eine solche Metaphorik überhaupt verwendet werden kann, ist aufschlussreich. Also Trägheit als eine Eigenschaft, ein Fühlorgan für die Raumzeit-Metrik, festgemacht an der Fähigkeit oder an dem Vermögen der Materie im Sinne der klassischen Mechanik, unbegrenzt, geradlinig gleichförmig, sich fortzubewegen, mit gleichmäßiger Geschwindigkeit einmal angestoßen, es wird ja behauptet, in der klassischen Mechanik bewegt sich ein Körper usque ad infinitum, geradlinig gleichförmig. Warum tut er das? Was ist das für ein rätselhaftes Vermögen in der Materie selber? Oder noch weiter gefasst, und das gibt mir die Möglichkeit anzuknüpfen an das, was ich am Ende der letzten Vorlesung gesagt habe: Warum reagiert die Materie überhaupt auf ganz bestimmte, gleichsam Vorgaben aus einer Geistebene? Nennen wir das jetzt mal mit dem herkömmlichen Begriff Naturgesetze. Warum reagiert die Materie so gesetzmäßig darauf? Nimmt sie gar, was verschiedentlich vermutet worden ist, ich habe das auch vermutet, in verschiedenen Zusammenhängen, ich glaube auch so im Buch „Was die Erde will“ gibt es da eine Passage drüber, also nimmt vielleicht die Materie auf eine uns nicht nachvollziehbare Weise etwas wahr? Das heißt, reagiert sie nicht einfach blind, tumb, hier im Jargon des Spiegel-Artikels, nimmt sie wahr? Hat sie eine Art von, wie ich das nennen würde, Primärwahrnehmung? Gibt es so etwas wie eine primäre Wahrnehmung in der anorganischen Materie? Wir haben gute Gründe dafür, diese Frage zu bejahen. Es gibt zunehmend Indizien dafür, dass das so sein könnte, mal ganz vorsichtig gesagt, also eine Art Primärwahrnehmung der anorganischen Materie, metaphorisch: Fühlorgan für die Raumzeit-Metrik, siehe Trägheit. Also der Gedanke, dass diese Materie in irgendeiner Form in ihrer Geistschicht auf diesen Geist reagiert, der die Naturgesetze repräsentiert.

Also jetzt mal ganz weitergedacht, dann wäre …, dann würde also, noch einen Schritt weiter, das Geistartige in der Materie, jetzt mal den Begriff von Hahnemann aus der Homöopathie, würde das Geistartige in der Materie reagieren auf den Geist, der die Naturgesetze repräsentiert, das wäre jetzt eine sehr weitgehende Schlussfolgerung. Da würde also ein Geist auf den anderen Geist reagieren. Da würde gar nicht unmittelbar die Materie als solche reagieren, sondern ihre geistartige Dimension, als eine Hypothese, nicht als eine Behauptung, die in irgendeiner Form restlos verifizierbar wäre. Auf jeden Fall, es muss so etwas geben wie eine Art Primärwahrnehmung, auch eine Art von Kommu-nikation, die ja jeder kennt. Jeder weiß ja, dass auch anorganische Materie in irgendeiner Form auch psychisch und mental auf den Menschen wirken kann. Warum ist das so? Das ist schwer zu erklären aus einem traditionellen Verständnis von Materie. Man muss da wohl noch andere Schichten heranziehen, also dass da wirklich eine Art von Bewusstsein ist.

Nun ist das, bestimmt, ich sage es noch mal, kein ich-fokussiertes Bewusstsein, eine Art Wir-Bewusstsein wohl auch nicht. Wahrscheinlich greifen alle Begriffe nicht, die wir in dem Zusammenhang anwenden. Wir haben ja schon große Schwierigkeiten, überhaupt eine klare Aussage darüber zu machen, was Tiere oder wie Tiere wahrnehmen. Ich habe das ja im Sommersemester angedeutet. Ich will im Sommersemester nächsten Jahres auf diese Fragen mehr eingehen, auch auf Pflanzen, Tiere und ähnliche Wesenheiten, um mal jetzt nicht „Dinge“ zu sagen oder „Phänomene“ zu sagen. Also wir wissen eigentlich fast nichts darüber. Wir können zwar feststellen, dass zum Beispiel Insekten auch auf Schwingungen reagieren, die uns nicht zugänglich sind. Aber was ist wirklich sozusagen, wie sich …, ich sage es mal ganz flapsig, wie es sich anfühlt, ein Insekt zu sein oder eine Fledermaus zu sein oder der Dackel zu sein, der angeblich jedes Wort versteht ‒ das ist eine andere Frage, oder wie ich weiß, auch Ken Wilber bringt das Beispiel, wenn ich einer Ameise oder einem wie immer hoch organisierten Tier zum Beispiel ein Stück Brandenburgische Konzerte von Bach vorspiele, dann ist es schlecht vorstellbar, dass von dort eine wirkliche Resonanz kommt. In irgendeiner Form aber scheint es eine Wahrnehmung zu geben, die tatsächlich im Falle der Pflanzen positiv das Pflanzenwachstum beeinflusst. Dann muss man fragen: Was ist das? Sind das Schwingungen, die in ihr transportiert werden, von der Pflanze aufgenommen werden? Alles schwierige Fragen. Immerhin scheint man sich diesen Fragen ein bisschen zu nähern. Also die Frage nach der Wahrnehmung müsste sehr tief ansetzen. Sie müsste tatsächlich, wenn man ganz konsequent ist, schon in der anorganischen Materie ansetzen.

Dann ist es auch schlechterdings schlecht vorstellbar, dass ein ichhaftes Wesen, dass ein Wesen, das Geist und Bewusstsein hat wie wir, hervorgegangen sein soll aus einem bloßen „Es“, einem Ding, einem etwas, was in sich absolut geistlos ist. Also wir haben gute Gründe, Geist ganz tief unten gewissermaßen anzusetzen. Und da liegt der Punkt jeglicher Erkenntnistheorie. Und zwar viel konkreter als sich, dass die philosophische Erkenntnis-theorie, im Laufe langer Jahre häufig genug immer verdeutlicht hat. Da gibt es ja in vielen, spätestens seit dem deutschen Idealismus, seit Kant, aber auch im Grunde genommen schon vorher, gibt es ja immer die Frage, die quälende Frage, ja auch leidig quälende Frage und sehr abstrakt beantwortete Frage: Wie ist es denn mit Innen und Außen? Wie steht denn die Innenwelt zur Außenwelt?

Und man kann sogar sagen, dass vielleicht diese Frage nach dem Verhältnis von Innenwelt und Außenwelt überhaupt die Schlüsselfrage ist der gesamten Erkenntnis-theorie. Nicht, wie …, was hat es damit auf sich? Und das ist der Ansatzpunkt auch dessen, was ich nachher noch darstellen möchte, der Lehre von Ken Wilber über die vier Quadranten. Er versucht nämlich, einen Zugang zu finden, was diese Frage betrifft.

Nun ist das immer auch eine Frage, die sehr schwierig und abstrakt beantwortet wurde, oft wenig konkret. Interessant sind ja eben solche Beobachtungen, solche Phänomene, die man einbeziehen müsste und aber neuerdings natürlich auch neurophysiologisch, was den Menschen betrifft, viele Antworten gefunden haben oder sich jedenfalls vorgestellt, dass viele Antworten gegeben haben. Wen das interessiert, das will ich im Detail nicht darstellen, in diesem Moment hier, dem sei ein Buch empfohlen, was nicht auf der Literaturliste ist. Aber wenn verschiedentlich von mir auch schon mal angedeutet wurde, was diese Fragen im Hinblick auf die Neurophysiologie [betrifft], finde ich klarer und überzeugender als andere Bücher, die mir bekannt sind, darstellt. Ich meine das letzte Buch von John Eccles, dem berühmten Medizin-Nobelpreisträger, der vor kurzem verstorben ist, „Wie das Selbst sein Gehirn steuert“, von John Eccles, „How the Self controls its Brain“ heißt das im Original, also, in diesem Buch gibt John Eccles im ersten Teil eine sehr differenzierte und didaktisch meisterhaft gemachte Darstellung der Grundantworten auf diese Frage. Also wie kann man denn, wenn man sich überhaupt dieser Frage öffnen [mag], jetzt bezogen auf den Menschen, (immer Innenwelt ‒ Außenwelt, jetzt mal bezogen auf den Menschen,) auf die neurophysiologischen Prozesse, nicht, das ist ja bekannt, da ist ja innen und außen, da gibt es bestimmte Korrelationen. Wenn ich in bestimmter Weise denke oder wahrnehme, imaginiere, wenn ich erregt bin, wenn ich Musik höre, wenn ich träume, immer verändert sich die andere Seite, die materielle Seite, und ein nicht endender Streit entsteht natürlich darüber was ist das Primäre, was ist das Sekundäre? Verursacht das eine das andere? Gibt es Zeitverzögerungen, oder ist das absolut synchron und parallel? Das ist ja eine Diskussion, die zum Teil auch empirisch geführt wird, mit genauesten Messungen. John Eccles versuchte es auch, hat es versucht.

Auf jeden Fall, er gibt eine Darstellung der möglichen Positionen, die man zu dem Thema einnehmen kann, sozusagen die Grundpositionen. Und dann stellt er am Ende in der zweiten Hälfte des Buches seine eigene Theorie dar, auf die wir jetzt nicht im Einzelnen eingehen. Sie ist eigentlich ja weltbekannt geworden seit den späten 70er Jahren. Das Ich und sein Gehirn, seine Grundthese des Dualismus, nicht, wie er das genannt hat, wie man ihm das auch als Etikett angeheftet hat, also er sei dualistisch. Er nimmt an, dass es eine eigenständige Selbst-Instanz, einen eigenständigen Selbst-Geist gibt, der sich des Gehirns als seines Werkzeugs bedient, wie sich ein Pianist des Klaviers bedient. Das ist ja eine seiner Grundthesen, natürlich von den meisten Neurophysiologen heute abgelehnt. Aber immerhin, damit ist er weltberühmt geworden, und das hat er in verschiedenen Büchern immer wieder dargestellt und im letzten Buch hier auf eine großartige Weise auch unter Einbeziehung möglicher Freiheitsspielräume in den sogenannten Synapsen, also den Nervenendungszusammenhängen in Einbeziehung auch von quantentheoretischen Überle-gungen. Also hochinteressant, denn, ich habe Ihnen das ja schon mal, oder zwei, drei Mal im Laufe des letzten Jahres erläutert, dass ja das das Hauptproblem ist bei Innenwelt- Außenwelt in Bezug auf den Menschen, dass die Prozesse im Körper, wenn sie sogenannte normale materielle Prozesse sind, ja autonom so laufen, als ob der Geist, als ob das Selbst wie immer, gar nicht vorhanden wäre. Nicht, das habe ich Ihnen ja auch das letzte Mal kurz angedeutet, das muss man sich immer mal wieder klar machen, weil das wirklich Verblüffung auslösen kann.

Ich sage das ja öfter und erlaube mir hier noch mal diese Wiederholung ‒ wie überhaupt der menschliche Wille auf den Leib einwirken kann, wovon ja jeder überzeugt ist. Wie selbstverständlich, es ist ein ganz großes Rätsel, das bis zum heutigen Tag noch keiner gelöst hat. Wie ist es möglich, dass eine Willens-Instanz im Menschen, die mit dem Ich irgendwie verbunden ist, auf den Leib überhaupt einwirken kann? Denn wenn sie es wirklich könnte, in jedem Moment, dann wäre in dem Moment die Naturgesetzlichkeit gleichsam aus den Angeln gehoben. Dann müsste in irgendeiner Form ein Energie-Transfer stattfinden. Der findet aber nicht statt. Also was ist? Und dann muss man andere Begriffe wählen, muss sagen, es geht hier gar nicht um Energie, es geht hier um Information und so weiter. Sehr schön bei John Eccles nachzulesen.

Also, es geht um die Grundfrage von innen und außen. Die Außenwelt, die der Mensch zunächst einmal wahrnimmt, folgt ja ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die er einfach hinnehmen muss, die er zunächst einmal gar nicht beeinflussen kann. Aber seine Innenwelt ist ja so differenziert, so vielfältig, so farbig, so unvorstellbar weit und eben vielgestaltig, dass man zunächst gar nicht sehen kann, wo der Zusammenhang überhaupt bestehen soll, worin der Zusammenhang bestehen soll. Das ist die Grundfrage, mit der sich jeder, der überhaupt sich mit Erkenntnistheorie beschäftigt, auseinandersetzen muss: Wie kommt das Innen zum Außen, oder wie kommt das Außen zum Innen. Natürlich ist die einfachste Form immer gewesen, indem man sagt, das eine lässt sich auf das andere reduzieren, das ist die einfachste Version, also hier ist die Innenwelt, die eine Seite, und da ist die Außenwelt auf der anderen Seite. Die Frage ist ja, was für eine Wechselbeziehung existiert hier?

Natürlich hat es immer Überlegungen gegeben, das Eine auf das Andere zu reduzieren. Also reduktionistisch natürlich, klar, das kennen Sie. Wenn man sagt, die Innenwelt hat überhaupt keine Eigen-Wirklichkeit, sie ist nichts weiter als eine Widerspiegelung der Außenwelt. Hier auch bei Karl Marx, obwohl es hier Marx schon differenziert gedacht hat, Marx ist ja nicht so, sagen wir mal, grobstofflich-materialistisch in seinem Denken gewesen, dass er nur gemeint hätte, dass sei restlos darauf reduzierbar. Es gibt ja auch im Sinne von Marx diese Wechselwirkung. Aber erst mal primär, die Außenwelt im Sinne von materiellen Produktionsverhältnissen wirkt auf die Innenwelt, individuell und kollektiv. Also, könnte man sagen, in einer Extremposition, die Innenwelt gibt es eigentlich gar nicht. Sie ist ein kulturelles Produkt von sehr komplizierten materiellen Prozessen. Dass wir diese Verbindung nicht vollständig herstellen können, läge einfach daran, dass wir nicht genug wissen über die Welt, wie sie da außen ist.

Dann habe ich mir die Position im letzten Sommer dargestellt, in der sogenannten Kognitionswissenschaft da gehen beide ineinander, da greift das ineinander, als Innenwelt und Außenwelt, und zwar auf eine unlösbare Weise, so dass eine Zwischenzone entsteht, die unsere eigentliche Wahrnehmungszone ist, aus der wir nicht heraus können. Nicht, das behaupten ja die Kognitionswissenschaftler. Wir sind unlösbar in dieser Überschneidungs-zone von Innenwelt und Außenwelt. Das heißt, jeder Versuch, die eine Seite zugunsten der anderen gleichsam kollabieren zu lassen, ist per se hinfällig, denn das muss man sich konsequent klarmachen. Wenn ich, jetzt mal ganz plump, grob materialistisch, obwohl das ja kaum gedacht wird, sage, alle Innenwelten sind restlos reduzierbar auf Außenwelten, wenn ich das so radikal sage, dann kollabiert natürlich die Innenwelt. Die extremste Schule in der Psychologie ist ja der Behaviorismus. Da heißt es bei Skinner und Anderson: Es gibt überhaupt keine Innenwelt, es gibt nur das Verhalten, nur die Phänomene, Menschen verhalten sich in bestimmter Weise, es wird beobachtet, kartografiert, mathematisiert, nicht, die radikalste Schule in dieser Form der Psychologie. Alles ist letztlich Außenwelt, die wir auch messen können.

Eine andere Möglichkeit ist natürlich, indem man es umgekehrt macht. Auch diese Ansätze hat es ja gegeben in der Menschheitsgeschichte, immer wieder. Wie man genau das eben … , indem man die Außenwelt gleichsam kollabieren lässt, indem man sagt, die Außenwelt ist nur eine Emanation der Innenwelt, alles ist Geist, und auch die Außenwelt scheint nur eine Materialität außen zu besitzen, in Wirklichkeit ist es nur etwas in unserem Bewusstsein. Das ist in einem absoluten Sinne nicht widerlegbar. Man kann natürlich sagen, das ist doch absurd, man spürt doch die Materialität, man hat doch die kollektive, auch harte Wirklichkeit. „Hart im Raume stoßen sich die Sachen“, heißt es bei Schiller. Also trotzdem kann man das nicht konsequent widerlegen, nur als eine mögliche Gegenposition. Also die Position kann man als idealistisch jetzt bezeichnen, wenn man einen Begriff dafür wählen möchte oder Spiritualismus, es ist nicht so wichtig, meistens als idealistisch bezeichnet.

Es gibt heute einige Entwicklungen, auch in der Quantentheorie, die in diese Richtung deuten. Es ist eher eine Position in der Minderheit, aber es gibt da einige Quantentheoretiker, die wollen das so weit treiben bis zu diesem, kann man ja sagen, wenn man das kritisch beleuchten will, absurden Extremen, wenn man sagt, alle Außenseiten sind eigentlich nichts weiter als Widerspiegelung von Innenwelten und eine Vielzahl von miteinander verzahnten Faktoren, die das Ganze ungeheuer kompliziert machen.

Nun hat es natürlich früh, jetzt mal auf Kant zu sprechen kommen, den Gedanken gegeben, diese Außenwelt unterliegt doch ganz offenbar bestimmten Regelhaftigkeiten, Gesetzmäßigkeiten. Das ist ja nicht einfach ein wirres Spiel unter Phänomenen, das sind ja nicht nur Farbkleckse, Empfindungen, sondern das ist geordnet in irgendeiner Form. Wie kommt die Ordnung in diese Welt hinein? Und da war ja der Grundansatz von Kant der gewesen, dass er sagte, der Mensch projiziert, das Wort tritt bei ihm nicht auf, aber faktisch sagt er das, der Mensch projiziert eine Gesetzeswelt in eine an sich vollkommen undurch-schaubare Außenwelt. Das sagt er also nicht stramm idealistisch, sage ich mal, mit George Berkeley und anderen: diese Außenwelt gibt es gar nicht, er sagt nur, was die Außenwelt für sich ist, ohne dass ich sie mit meinen Kategorien, wie er das mit Aristoteles nennt, beobachte, das weiß ich gar nicht. Also darüber gibt es keine gesicherte Auskunft, aber ich habe die Möglichkeit, Projektionen anzubringen. Kant geht dann sogar so weit, dass er sagt: Raum, Zeit, Substanz im Sinne von Aristoteles sind solche Kategorien, mit denen man also diese Außenwelt erkennbar macht. Frage: Warum funktionieren sogenannte Naturgesetze? [Da] sagt Kant: Ganz einfach, weil wir diese Naturgesetze selber gemacht haben. Nicht, das ist ja der Ausgangspunkt, die verblüffende Pointe, wenn man so will bei Kant. Nicht, das war ja seine Frage ausgehend von der Newtonschen Physik: Ja wieso funktioniert dann eigentlich die Natur, der Kosmos nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten, die man auch bis zu einem gewissen Grade mathematisieren kann? Warum ist das so? Kant’s verblüffend einfache und auch erschreckende Antwort, wenn man so will: Ja, wir haben es hineinprojiziert. Also unsere, die sogenannten Naturgesetze sind nichts weiter als Projektionen und die nun zurückgespiegelt werden. Viel kritisiert worden [ist] auch der Ansatz von Kant. Auf jeden Fall ist er damit berühmt geworden. Nicht, also „das Ding an sich“ ist nicht erkennbar.

Nun ist das eine mögliche Position, auch eine Mischform. Das hat man denn auch so interpretiert, dass Kant radikal Idealist gewesen sei, was in der Form nicht stimmt. Also Kant war in dem Sinne nicht Idealist, wie das etwa George Berkeley war. Also, das wäre eine andere Möglichkeit: Ich sage, es gibt eine mich umbrandende, eine vielleicht unge-heuer lebendige, intensive Außenwelt. Aber ich weiß in der Tiefe nicht genau, was sie ist, denn ich bin gewissermaßen durch mich selber bestimmt. „Der Mensch verdeckt die Dinge“, sagt Nietzsche einmal sehr schön. Nicht, wir können die Dinge nicht sehen, weil wir selber, in unserer Konstitution, verdecken die Dinge. Das heißt, wir wissen nicht wirklich, was diese Welt außerhalb unsererselbst wäre. Und die vorhin genannte Ameise oder der Hund, wie immer, nehmen natürlich eine an sich ganz andere Welt wahr. Und jeder hier im Raum, so sehr wir auch eine gemeinsame Wirklichkeit haben, wie ich hoffen möchte, und uns auch über eine gemeinsame Sprache verständigen können, hat doch jeder einzelne seine ganz eigene Innenwelt.

Also, was der Jochen Kirchhoff hier erzählt, wird in jedem von Ihnen in der Tiefe einen anderen Kontext haben. Jeder hört zwar die gleichen Worte, aber in jedem gibt es einen ganz anderen Kontext, biographisch, wie man sich in dem Moment fühlt und tausend Dinge sehr komplex zusammenkommen. So baut sich in gewisser Weise, ich weiß nicht wieviele Menschen jetzt hier im Raum sich befinden, gibt es soundso viel, was weiß ich, siebzig könnten es sein, siebzig verschiedene Vorträge werden hier gehört, obwohl ich nur einen halte. Das ist einfach so. Wenn man dann hinterher fragen würde, was hat der denn gesagt? Kann man immer wieder feststellen, dann sagen Leute ganz verschiedene Dinge, legen dann den Akzent auf vollkommen verschiedene Dinge, sodass man das Gefühl hat, die reden überhaupt von einer anderen Veranstaltung. Also, das weiß ich nun aus lang-jähriger Erfahrung. Das ist einfach die Wirklichkeit der Wahrnehmung. Wir alle haben die berühmte selektive Wahrnehmung, das geht mir genauso. Man hört bestimmte Dinge, hört andere Dinge nicht, filtert manche Dinge heraus, die einen im Moment nicht interessieren, oder man versteht das nicht. Kann das sein? Lagert es, legt es zur Seite und geht dann weiter.

Also. Nun ist es aber zu einfach, wenn man häufig in diesen Diskussionen hört und auch bei den Philosophen immer wieder, auch bei Kant lesen konnte, es gibt also die Innenwelt und die Außenwelt. Häufig wird dabei missachtet, sage ich mal bewusst scharf, auch bei Kant übrigens, dass wir ja auch den anderen Menschen, um nicht von anderen Wesen zu reden wie Pflanzen oder Tiere oder der Erde als Gesamtheit, dass wir also auch die anderen Wesen ja nicht einfach als Oberfläche wahrnehmen, das wäre ja furchtbar. Aber das ist ja hier …, sicherlich wird das immer wieder den Blick geben, den gleichsam von außen vollzogenen Blick, der nur die Oberfläche wahrnimmt, sozusagen nur die Außen-seite, die man beschreibt. Das Außen hat ja ein Innen, insofern wird die Sache ja extrem kompliziert. Wir haben ja nicht einfach nur unsere subjektive Innenwelt und eine Außenwelt, sondern jeder von uns hat ja den jeweils anderen als eine Außenwelt, die gleichzeitig eine Innenwelt ist. Und da setzt ja die Schwierigkeit der menschlichen Kommunikation an, dass man eben …, dass die Innenwelt, das ist ja die ganze Psychologie, dass man die Innenwelt des anderen nicht wirklich versteht, weil der andere ist eben wie er ist, aus seiner eigenen Tiefe und Biografie heraus, und die Sprache kann nur immer bis zu einer bestimmten Grenze gehen und eine bestimmte Grenze ist nicht überschreitbar. Deswegen sagen die Behavioristen: Vergesst das ganze Zeug, können wir sowieso nicht ausloten, gehen wir mal davon aus, dass die Dinge einfach nur Außenseite sind, es gibt nur Verhalten. Extrem.

Also, es reicht im Grunde nicht zu sagen Innenwelt-Außenwelt, es ist ein dürres, abstraktes, irgendwie unlebendiges Schema. Denn man müsste ja hier eigentlich alles unterbringen auf dieser Seite, was nicht die individuelle Innenwelt ist. Da kann man natürlich dann den nächsten Schritt vollziehen. Das macht Ken Wilber, und das machen auch andere, mit einigem Recht, sie sagen, gut, da gibt es erstmal innen und außen, aber, vielleicht kann man dies auch noch unterteilen, indem ich sage: Es gibt das individuelle Innen, das Innen jedes Einzelnen, und es gibt das kulturelle Innen, das Innen als wir, denn jeder Einzelne, der sich als Ich empfindet, ist ja nicht einfach als isolierte Monade, die irgendwo im eiskalten Universum schwebt, sondern unsere gesamte Sprache, unsere gesamt Kultur, unseres gesamtes In-der-Welt-Sein ist ja geprägt von einem kulturellen Kontext. Insofern kann man das schon mal primär unterteilen in individuell und ganz vereinfacht gesagt, kollektiv. Also, oder, wenn man dafür jetzt Begriffe verwendet, die bei Wilber auftauchen, dann kann man sagen, dass ist Ich und das ist das Wir, wobei auch das natürlich sehr unzulänglich ist, denn man müsste das Du hinzubringen. Nicht, das Du, die Begegnung zweier Menschen ist ja nicht einfach ich und wir, das zu wenig. Sicherlich ist es auch ich und wir, und man sagt ja auch, eine Frau ist eher dazu geneigt, das Wir hervorzuheben, der Mann eher das Ich und die müssen sich irgendwie einigen, das klappt nicht, und es ist eine nicht endende Konfusion, weil er immer das Ich meint und sie immer das Wir meint, und insofern reden dann beide furchtbar aneinander vorbei.

Also, hier müsste man noch die Kategorie, die Martin Buber angeführt hat, das Du einbringen, das Dialogische, also das Du. [Das] wäre also die dritte Komponente, das Ich, das Wir und das Du. Und dieses Du, wenn man denn überhaupt sich anheischig macht, einen naturneuen Ansatz zu betrachten, wäre dann eben auch die Pflanze, das Tier, die Mineralien, die Erde. Das wäre ein neuer Ansatz, das wäre nicht einfach ein Zurückfallen in eine vormentale Stufe, alles ist belebt, kollektiver Animismus, das nicht. Es wäre ein neuer …, man würde auf einer neuen Stufe das Du in den Dingen wiedergewinnen. Zum Beispiel, das Du in einer Pflanze, die im Zimmer steht, die ich vielleicht jeden Tag gieße, aber ich begreife gar nicht, dass diese Pflanze, um noch mal darauf zurückzukommen, in irgend einer Form eine Art Wahrnehmung für mich hat.

Nun ist die Frage nicht entscheidbar, was genau nimmt die Pflanze wahr, was kann sie wahrnehmen? Das wissen wir nicht. Aber dass in irgendeiner Form eine Form der Wahrnehmung existiert, dürfte als sicher gelten. Und diese Wahrnehmung geht sehr weit. Diese Wahrnehmung geht in die psychische, mentale Befindlichkeit des Menschen hinein. Das geht sehr weit. Ich darf nochmal auf das Buch „Das geheime Leben der Pflanzen“ verweisen, wo eine Fülle von Beispielen genannt werden.

Also, man kann sagen, die Innenwelten haben eine individuelle und eine kollektive Seite und eben auch die Außenwelt. Und das ist ein erstaunlicher Gedanke, den hier Wilber angeführt hat. Der ist eigentlich naheliegend, und man fragt sich, warum ist das nicht früher gesehen worden? Er sagt auch, in der Außenwelt gibt es diese Unterscheidung: individuell und kollektiv. In gewisser Weise, das müsste man dann in Anführungszeichen setzen, auch eine Art Ich und eine Art Du und eine Art Wir. Dann hätte man, und das sind diese sogenannten vier Quadranten bei Ken Wilber, vier Komponenten. Ich finde das auch etwas abstrakt, schematisch gedacht bei Ken Wilber, das muss ich kritisch sagen, so sehr ich das auch sonst schätze. Es ist etwas abstrakt, schematisch gedacht und kann leicht in die Irre führen, wenn man das Lebendige dabei draußen vor lässt. Und das kann einem leicht verloren gehen, wenn man das schematisiert in solchen Skizzen. Es ist immer sehr gefährlich. Ich mache das immer mit gewissen Vorbehalten.

Also, man hätte dann hier auch eine individuelle und eine kollektive Schicht. Man kann also sagen: Das wäre die intimste Sphäre, der Innenraum des eigenen Ich. Das wäre sozusagen, wenn man will, der kleinste Raum jedes Einzelnen von uns, auch hier im Raum, die Intimsphäre, der Ich-Innenraum, unsere gesamten Träume, Visionen, Wünsche, Hoffnungen, in der Psychologie nennt man das auch das Intentionale, also die gesamte Innenperspektive, die wir mit keinem anderen Menschen teilen, die wir wirklich …, wo jeder nur ganz für sich und mit sich ist. Und dem entspräche dann auf dieser Seite, das wäre also ein Korrelat, die materiell-physiologische Grundlage. Dieser Mensch, der diese Innenwelt hat, diese Vision, diese Träume, diese Hoffnungen, diese Intentionalität, diese Liebesgefühle, Verbundenheitsgefühle, diese Einsamkeit, was auch immer er an Empfindungen hat, diese Innenseite hat auch eine Außenseite, eine individuelle Außenseite. Dieser Mensch ist nämlich ein ganz bestimmtes Individuum, auch als Körper bzw. von innen gesprochen als Leib. Er hat zum Beispiel bestimmt, vielleicht, ganz bestimmte Defekte. Er ist krank geworden, hat Einwirkungen auf sich erleiden müssen, die nun auch das Ich beeinträchtigen. Das ist die berühmte Wechselwirkung, also ich habe heute meinen schlechten Tag beispielsweise, oder mir geht es heute schlecht oder diese ganzen Gefühle, die von vielen Faktoren abhängig sind.

Wer krank ist und ständig Schmerzen hat, hat eine andere Innenperspektive als jemand, der das nicht hat, der ohne Schmerzen ist. Das ist banal, aber es ist doch immer wieder ganz wichtig, sich das mal klarzumachen. Also, es gibt diese Außenseite, und was immer an komplizierten Vorgängen möglicherweise unter einer Schädeldecke sich abspielt, kann ja sein, dass sich da extreme Wunderwelten abzeichnen, von außen sieht das Ganze ganz anders aus. Man müsste quasi die Schädeldecke abheben während einer zu Gange ist, wie immer und genau [sehen] was passiert da. Das geschieht ja auch, nicht, man hat ja, man kann das machen, man kann zum Beispiel ganz bestimmte Substanzen eingeben, während ein Mensch träumt. Dann kann man das verfolgen, auf dem Bildschirm sieht man genau, jetzt läuft das diese Bahnen, man kann das machen, das hat man ja auch gemacht. Man kann, da ist man auch ziemlich weit gekommen. Man kann bestimmte Gehirnregionen dann auch den Träumen zuordnen. Das erklärt die Träume nicht, es bleiben viele Fragen, aber es gibt ja den Zusammenhang. Nicht, sie wissen das ja alle, diese Zuordnungen sind ja bekannt seit dem 19. Jahrhundert, obwohl es ja immer noch eine Fülle von vollkommen rätselhaften Phänomenen gibt, die nicht erforscht sind. Auf jeden Fall. Es gibt diese Innenperspektive, die Innenperspektive und die Außenperspektive des Einzelnen.

Und man könnte, so man von Bewusstsein spricht, tatsächlich den Neokortex untersuchen. Also jetzt mal: Was passiert im Gehirn von Mozart, während er sein letztes Streichquartett geschrieben hat? Was ist da passiert? Das ist doch das ganze Thema, das kennen sie ja, man sagt, ja gut, bestimmte schöpferische Leistungen, die müssen irgendwie hier auch neurophysiologische Korrelate haben. Also schließe ich mal einen Künstler, wenn er gerade seine genialen Einfälle hat, im Labor an irgendwelche Elektroden an. Leider nur ist das Labor nicht der Ort, wo dann diese Einfälle so fließen. Da liegt die Schwierigkeit, dass man also diese …, dass man zwar einen Zusammenhang herstellen muss, dass man sagen muss, alles … , wenn es denn stimmt, alle Bewusstseinsphänomene haben in irgendeiner Form ein Korrelat im Neurophysiologischen. Wenn die Prämisse stimmt, es sieht so aus, als ob es dieses Korrelat gibt, diese Korrelationen gibt. Mit letzter Sicherheit ist das nicht … Es könnte genauso gut sein, es ist auch nicht widerlegbar, dass es Bewusstseinsphänomene gibt, die eben nicht gebunden sind an gehirnphysiologische Prozesse. Dass, wenn die Pflanze zum Beispiel jetzt auf der unter-ichhaften Ebene Wahrnehmungsvorgänge hat, dann gibt es ja kein zentrales Nervensystem, was in irgendeiner Form diese Möglichkeiten überhaupt beinhaltet.

Also, es ist schwierig. Man kann ja auch sagen, wie das in asiatischen Denkformen gesagt wird, wo man ja auch nicht wusste, dass der Neokortex der Sitz des Gehirns [ist], man glaubt ja, das Herz sei der Sitz des Bewusstseins; dass man auf bestimmten Ebenen bestimmte Bewusstheitsschichten auch annimmt. Dann sieht es natürlich vollkommen anders aus. Dann könnte man sagen, es gibt auch eine Art Wahrnehmung einer ganz anderen Bewusstseinsschicht. Man spricht ja vielleicht nicht umsonst vom Kehlkopf. Kehlkopf ist ein interessantes Wort; eben in asiatischen Traditionen ist der Kehlkopf eine Vermittlungsebene, ein Verwaltungszentrum, zwischen dem mentalen und dem Herzbereich, also durch die Sprache. Also Kehlkopf, also wirklich ein Kopf, und mit dem Herzen denken war in der asiatischen Tradition, nicht metaphorisch gemeint. Wie muss man mit dem Herzen denken? Ist immer so kalt intellektuell, das Herz muss denken, das war nicht metaphorisch gemeint, sondern buchstäblich. Das Herz galt als Zentrum des Denkens, als Zentrum des Bewusstseins. Also, man kann also unterstellen, dass es bestimmte Korrelate gibt, ich sage es noch mal, mit restloser Sicherheit ist es nicht erweisbar. Es könnte Bewusstseinsphänomene geben, die nicht auf dieser Ebene nachvollziehbar sind. Ich will jetzt mal schweigen von vielen Belegen, die es ja auch gibt für Menschen, die aus ihrem Körper herausgetreten sind in Grenzzuständen, das ist ja nun millionenfach mittlerweile belegt und auch eine Art von Wahrnehmung haben oder hatten, die offenbar auch bewusstseinsmäßig fassbar ist, die aber nicht an die Neurophysiologie gebunden ist. Das ist, soweit ich weiß, noch nicht letztgültig erforscht, und das ist immer die Frage, wenn jetzt parallel im Gehirn etwa in Grenzzuständen eine Ausschüttung von Endorphinen [auftritt], wie es etwa heißt, mit Glücksgefühlen. Ja, was löst die Glücksgefühle [dann letztlich aus?]

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Hinweis: Zwischen Min. 36:46 und 46:44 des Videos gibt es eine Passage mit Frage und Antwort, die aber nur mittels der Zeichnungen bzw. dem jeweiligen Tafelwerk verständlich werden. Dieser Teil ist deshalb hier ausgelassen.