Wie wird der Kosmos zum Oikos (Heim)?

Vorlesungsreihe:

Mensch und Erde, Teil IV
Gedanken zu einer neuen Theorie der Natur und des Kosmos

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale Wintersemester 1998/99
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 13

Transkript als PDF:


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Ich habe das heute genannt: „Wie wird der Kosmos zum Oikos“. „Oikos“ ist ein Wort aus dem Griechischen, Haus oder Heim [bedeutend]. Daher kommt ja auch Ökologie, Oikologie eigentlich, der Logos vom Heim oder Haus, das ist ja gemeint. Nun, ich will das versuchen zu erläutern.

Zunächst aber die Anknüpfung an die letzte Vorlesung. Wir hatten ja ein Thema, das sehr komplex, sehr schwierig und auch sehr subtil ist, ein Grenzthema, ein Thema, das sich wirklich an den Randzonen der normalen Diskussionen bewegt. Trotzdem meine ich, dass das Thema fundamental wichtig ist und in eine zentrale Schicht der Frage Mensch-Natur, Mensch-Erde, Mensch-Kosmos hineinreicht. Es ist ja im Letzten eine Frage der Anthropologie, der Lehre vom Menschen, des Logos vom Menschen: Was ist der Mensch? Das ist ja die Leitfrage, der man sich immer stellen muss. Ja, auch in der ganzen Ökologie-Diskussion ist ja die Frage: Was ist der Mensch? Ist der Mensch ein Bios-Wesen, ein höheres Tier?

Es gibt ja eine ganze Reihe von Argumenten erst einmal, die man anführen kann, dass es sich so verhält. Dann hat man eine ganz andere Form der Betrachtung auf Natur, Mensch und Kosmos. Aber ich kann sagen, der Mensch ist in der Tiefe ein Geistwesen, [so wie] Hegel [das] gesehen hat. Der Mensch ist ein Geistwesen. Dann ist die Frage, wenn er dann ein Geistwesen ist, wie sieht es dann aus mit seiner Leiblichkeit, mit seiner Körperlichkeit? Ist das ein Außerhalb? Ist das ein fremdes Etwas an diesem Geistwesen? Oder wie steht das zueinander? Oder der Mensch ist primär in der Tiefe, substanziell Seele: Was hieße das dann für das Verhältnis zum Geist und zum Körper? Schwierige Frage, um die ja seit Jahrhunderten gerungen wird. Und ich meine, es ist wichtig, sich klarzumachen, dass der Mensch auch ein kosmisches Wesen ist.

Ich habe hier über den Begriff des „Kosmos“ mehrfach gesprochen, was das heißen könnte, und was das auch traditionell heißt, also: Schönheit, Ordnung, Schmuck. Und in der griechischen Antike war ja Kosmos nicht einfach das materielle Weltall, das Universum, wie das später der Fall war, sondern war eine Ganzheit, eine Gesamtheit, die den Menschen in seiner seelisch-geistigen Struktur einbezieht und auch die Götter, also von vornherein wesentlich weiter gefasst. Kosmos mit dem Akzent auf dem „o“.

Ken Wilber in seinen Büchern, seinen letzten Büchern, unterscheidet dann Kosmos, mit „k“, Griechisch, und dann cosmos, mit „c“, klein geschrieben, Englisch. In den deutschen Übersetzungen ist es dann Kosmos mit Akzent und ohne Akzent, ‒ Kosmos ohne Akzent, einfach das materielle Universum, und Kosmos mit Akzent ist die Gesamtheit der physisch- sinnlichen und metaphysischen, übersinnlichen, geistig-seelischen Existenz, also das Ganze. Und wenn man fragt, wie der Kosmos zum Oikos wird, dann kann man ja zunächst grundlegend die Frage stellen: Warum soll er das dann überhaupt [sein]? Warum soll denn der Kosmos, wie immer er nun vorgestellt wird, überhaupt so etwas wie der Oikos oder das Heim, das Haus des Menschen sein? Er muss es ja nicht, könnte man meinen. Und es gibt ja ganze Anthropologien, die darauf aufbauen, dass das Eigentliche und Wesentliche des Menschen eben gerade nicht kosmisch ist.

Ich habe ja schon ein Beispiel angeführt aus der Gnosis, dass andere Denkfiguren, die das Wesen des Menschen gerade in seinem Nicht-Kosmisch-Sein ansetzen, nicht, also der Erlösungsgedanke etwa wurzelt ja darin. Da wird ja der Mensch als ein metaphysisches Wesen betrachtet, das in irgendeiner Form sich irgendwann aus dem Physisch-Sinnlichen herauslöst und dann in eine Existenzform übergeht, die eben nicht mehr materiell, energetisch, auch nicht mehr in irgendeiner Form gestalthaft, sinnlich ist und sich so definiert in gewisser Weise als etwas Akosmisches. Besonders radikal ist das ja im zweiten, dritten, vierten Jahrhundert nach Christus gedacht worden in der großen Konkurrenzströmung zum Christentum, eben in der Gnosis.

Es ist ja hochinteressant, wenn man diese Zeit sich klarmacht, zweites, drittes, viertes Jahrhundert, im untergehenden oder Weltreich des Imperium Romanum, was da an Gegensätzen existiert hat; das ist ganz modern, wenn man das so nennen will, ein brodelnder Kessel von Strömungen. Die drei mächtigsten waren der Neuplatonismus, das aufkommende Christentum und eben diese Gnosis. Und die Gnostiker haben auf eine sehr radikale Weise den Menschen gerade als akosmisch gedacht. Das habe ich ja auch schon angedeutet, das ist wichtig. Also man muss zunächst einmal den Menschen ja nicht kosmisch denken, man kann ihn ja auch akosmisch denken. Dann muss man natürlich genau sagen: Was meint man mit Kosmos? Die meisten, die in der Antike, in der Spätantike dann ein akosmisches Menschenbild aufgestellt haben, meinten mit Kosmos primär die Natur, die physisch-sinnliche Natur, das Werden und Vergehen, das Blühen, Wachsen, Sterben, das Ganze, was unsere physisch-leibliche Existenz ausmacht, das meinten sie mit Kosmos. Und aus diesem Kosmos galt ein Herauszukommen als höchstes Bestreben der Seele. Ich will das gleich noch mal erläutern, weil das zentral wichtig ist für unsere ganze Frage.

Es gibt ja nicht nur eine kosmische Spiritualität, es gibt auch eine akosmische Spiritualität. In gewisser Weise, kann man sagen, mit Einschränkungen, müsste man das festhalten, ist die christliche Spiritualität eine akosmische Spiritualität. Es gibt Unterströmungen im Christentum, selbstverständlich. Die hat es immer gegeben, die den Versuch gemacht haben, das Kosmische, die kosmischen Rhythmen, die kosmischen Zusammenhänge in die christliche Ideologie einzubeziehen. Aber im Grundimpuls lässt sich kaum leugnen, dass die christliche Erlösungsidee eine akosmische Erlösungsidee war. Dazu muss man nicht nur die berühmte Johannes-Apokalypse lesen, wo letztlich der ganze Kosmos in ein Flammenmeer aufgeht und dann eine überirdische, übersinnliche Existenz am Ende steht, das „neue Jerusalem“ usw., auf jeden Fall etwas, was mit dem Kosmos nichts zu tun hat. Genau das hat ja den Christen den Vorwurf eingetragen, etwa von Plotin und den Neuplatonikern, sie seien Feinde des Kosmos. Das war ja einer der Hauptvorwürfe der Neuplatoniker [wie] Plotin, Iamblichos, Porphyríos, Proklos und andere, Celsus, der eine richtige Kampfschrift gegen die Christen abgefasst hat.

Es ging immer wieder um den einen zentralen Vorwurf, die Christen wollen letztlich den Kosmos zerstören, weil, sie haben eine Vorstellung von Erlösung, von Spiritualität, die sich überhaupt nicht vereinbaren lässt mit einer kosmischen Ordnung, also einer schön gefügten, göttlich-harmonischen Ordnung. Die wurde ja gerade abgelehnt, bis hin zu der Vorstellung, das habe ich ja schon mal angedeutet, dass einige der radikalen Gnostiker davon ausgingen, dass es zwei Götter gibt. Es gibt sozusagen den einen Gott, der ein überweltlicher, transzendenter Gott ist, ein reines Geistwesen. Der hat aber gar nicht die Welt geschaffen, also interessante Denkfigur, sondern der Demiurgos, der Weltenschöpfer, ist ein eher untergeordneter Geist, ein eher untergeordneter Gott, der hat die Welt geschaffen, und zwar sehr unvollkommen, leidvoll geschaffen. Und es kann nur das oder könnte nur das Bestreben des Menschen sein, sich aus diesem Leidvollen in irgendeiner Form herauszubegeben. Also radikal, die berühmte Zwei-Götter-Lehre in der Gnosis.

Auch das zieht sich bis ins 20. Jahrhundert. Ich habe ja letztes Mal das schon kurz angedeutet, ich habe mal zwei Beispiele hier aus einem Sammelband über die Gnosis mitgebracht, wo die Linie gezogen wird, diese Linie, die akosmische Geistigkeit bis zum Existenzialismus. Zwei kurze Beispiele mal. Der berühmte Philosoph Hans Jonas, auch einer der großen Denker der ökologischen Krise, also ein Mann, der wirklich versucht hat, die ökologische Krise zu verstehen und neu zu denken, also Hans Jonas hat sich auch intensiv mit der Gnosis beschäftigt. Er schreibt zum Beispiel dazu ‒ es gehört zu der Frage: Ist der Kosmos ein Oikos? Ist das so etwas wie Heimat? Könnte er das sein? „Bevor wir weitergehen, lass uns fragen, was hier passiert ist“, sagt Hans Jonas, „mit der alten Idee des Kosmos als eines göttlich geordneten Ganzen“. Er meint jetzt in der Gnosis, zweites, drittes, viertes Jahrhundert. „Nichts der modernen Wissenschaft Ähnliches war beteiligt an dieser katastrophalen Entwertung und geistigen Entleerung des Universums. Wir brauchen nur zu beobachten, dass in der gnostischen Epoche dieses Universum gründlich dämonisiert wurde. Dennoch führt eben dies zusammen mit der Idee vom transzendenten akosmischen Selbst“ ‒ hier taucht auch der Begriff auf ‒ „zu eigentlich eigentümlichen Analogien und Phänomenen des Existenzialismus in unserer Zeit. Was, wenn es nicht Wissenschaft und Technologie waren, veranlasste für die fraglichen Gruppen damals den Zusammenbruch der klassischen Kosmosfrömmigkeit, auf der so viel von der antiken Ethik beruhte?“

Also ganz wichtig hier der Gedanke, dass ein Großteil der antiken Ethik, partiell noch bei den Römern, primär aber bei den Griechen, auf einer Art von Kosmosfrömmigkeit beruhte. Der Kosmos war eben ein Bild, ja das Urbild, der Archetyp des geordneten Zusammenspiels, Zusammenklingens der Harmonie der Sphären. „Nietzsche bezeichnete die Wurzel der nihilistischen Situation mit den Worten ,Gott ist tot’“, nicht, berühmter Satz von Nietzsche, und meinte primär den christlichen Gott. „Die Gnostiker, hätten sie die metaphysische Basis ihres Nihilismus“, behauptet Hans Jonas, kann man jetzt kritisieren, auch interpretieren, kann man erstmal so stehen lassen, stimmt das? ‒ also „hätten sie die metaphysische Basis ihres Nihilismus ähnlich formulieren wollen, hätten nur sagen können: Der Gott des Kosmos ist tot. Das heißt als Gott. Er hat für uns aufgehört, göttlich zu sein und unserem Leben Richtung zu geben.

In einem paradoxen Sinne passt dies auch auf die gnostische Position. An sich ist natürlich ihr extremer Dualismus das gerade Gegenteil einer Aufgabe der Transzendenz. „Der außerweltliche Gott“, nicht, davon habe ich gesprochen, „der reine Geist-Gott, der eben nicht die Welt geschaffen hat, stellt sie ja in der radikalsten Form dar. In ihm ruft das absolute Jenseits durch die kosmischen Sphärenhöhen hindurch. Aber diese Transzendenz, anders als die Ideenwelt Platons oder der Weltherr des Judentums, steht in keiner positiven Beziehung zur sinnlichen Welt. Sie ist nicht deren Essenz oder Ursache, sondern ihre Verneinung und Aufhebung. Der vom Demiurgen verschiedene gnostische Gott ist der total Andere, Fremde, Unbekannte. Wie sein innermenschliches Gegenstück, das Pneuma, also die Geistsubstanz des Menschen, dessen verborgene Natur [sich] nur in der negativen Erfahrung der Andersheit und der undefinierbaren Freiheit offenbart, hat dieser Gott mehr vom Nihil als von Ens an sich. Eine Transzendenz ohne normative Beziehung zur Welt gleicht einer Transzendenz, die ihre wirkende Kraft verloren hat“ … und so weiter.

Also, eine ganz klare Aussage. Die gnostische Spiritualität war eine in der Tiefe akosmische Spiritualität.

Ich behaupte, dass es beim Christentum auch der Fall war, was auch keine originelle Einsicht ist, das ist immer wieder gesagt worden, dass auch das Christentum letztlich eine akosmische Spiritualität favorisiert hat, in gewisser Weise, in diesem Sinne auch den Grund gelegt hat für eine Haltung zur Welt, die dann auch unter anderem zur ökologischen Krise geführt hat. Schon Eugen Drewermann, prominenter Christ, hat das Anfang der 80er Jahre in einem Buch ausdrücklich so festgehalten. Noch einmal Jacob Taubes, ein Religionsphilosoph: „Auszugehen ist von der gnostischen Welterfahrung. Kosmos heißt auch in gnostischer Sprache Ordnung und Gesetz. Aber das Vorzeichen, diese Vokabel im Griechischen, wird verkehrt. Ordnung, also einst die lebendige, klingende Ordnung, die auch schön ist, Ordnung führt zur starren und feindseligen Ordnung, Gesetz zum tyrannischen und bösen Gesetz. Aber in dieser Veränderung des Vorzeichens wird nicht nur ein Plus in ein Minus verwandelt und dem antiken Kosmos alle positive Qualität entzogen, sondern das kosmologische Schema der Antike grundlegend verändert, denn die Vorstellung von der Grenze, die dem antiken Kosmos eigen [ist], wird in der gnostischen Erfahrung überschritten. Die Grenze, die in dem antiken kosmologischen Schema Garant der harmonischen Ordnung war, wird in der gnostischen Ordnung zur äußerlichen Schranke, die es zu überschreiten gilt.“ Ich habe Ihnen das ja erläutert. Diese Denkfigur, das Mythologem, wie das Johannes Heinrichs genannt hat, vom Aufstieg der Geistseele durch diese Sphären hindurch in eine supramontane, außerweltliche, in diesem Sinne überkosmische Geistigkeit. Also das war eine Unterströmung, die es immer gegeben hat. Wenn man das mal geistesgeschichtlich zurückverfolgt, dann kann man feststellen, in der sehr großen Vereinfachung jetzt mal, dass es drei Ansätze gegeben hat, die darauf abzielten, den Menschen als ein akosmisches Wesen zu definieren.

Das eine ist in der Antike, in der griechischen Antike festzumachen, oft verbunden mit der sokratischen Philosophie, nicht, berühmt ja ein Wort eines englischen Schriftstellers, D.H. Lawrence, in einem seiner letzten Bücher:„With the Coming of Sokrates and the Spirit the Cosmos died.“, also „Mit dem Erscheinen des Spirit, des Geistes und des Sokrates, starb der Kosmos“. Nicht, das ist ja ein großer Essay, den Lawrence 1930 verfasst hat, eine Klage darüber, dass der Kosmos unwiederbringlich in unser aller Bewusstsein dahin sei und dass es darum ginge, ihn wiederzubeleben. Für D.H. Lawrence dann bedeutet das eine ekstatische Eroserfahrung, das ist für ihn letztlich die Wiedergewinnung des Kosmos, wie ja in vielen seiner Bücher und auch Romane, dafür ist er ja bekannt geworden, gegen die viktorianische Gesellschaft, [nachzulesen ist].

Also, das zweite ist dann das Christentum, also die eine Strömung wäre der Sokratismus. Die andere wäre dann das Christentum, in gewisser Weise die Gnosis und dann der nächste Punkt auf eine ganz andere Weise: die nachkopernikanische Entwicklung, die sich bündelt, bündeln kann, in dem Satz von Nietzsche. „Seit Kopernikus rollt der Mensch aus dem Zentrum ins X“, also dass zwar der Kosmos, das materiell-physisch- sinnliche Weltall zunehmend erforscht wird, aber die eigentliche, ursprünglich gemeinte antike kosmische Dimension einfach dahingeht. Der Nachkopernikanismus mit der radikal entgrenzten Welt, dem Abgrund des „Immer-weiter“ lässt zunächst mal überhaupt keine Möglichkeit zu, dass der Mensch sich in dieses Universum in irgendeiner Form eingliedern könnte, dass er da irgendwie zu Hause sein könnte. Das ist ja der Punkt, um den es geht im Nachkopernikanismus, denn wir stellen ja die Frage nach einem möglichen Ort des Menschen im Kosmos, nicht in einem geozentrischen Kosmos, mit der Mittelpunktstellung der Erde und den harmonisch klingenden Sphärenschichten um diese Erde, sondern wir stellen die Frage ja in einer ganz anderen historischen, geistesgeschichtlichen Situation. Wir stellen die Frage in einer nachkopernikanischen Situation, die Frage innerhalb eines ungeheuer entgrenzten Universums.

Und da ist die Frage natürlich eine aufwühlende und auch zutiefst erregende, brisante Frage: Wie kann dieser Kosmos, auch verstanden als das ungeheure Weltall, aber möglicherweise auch in seinen spirituellen geistigen Dimensionen, zum Oikos werden? Also gibt es so etwas wie eine Oiko- oder Kosmo-Ökologie? Das ist ja eine offene Frage. Ich kann sie auch nicht lösen. Die Frage ist extrem schwierig. Ich habe auch Ansätze, die ich auch vorstellen kann, aber in der Tiefe ist die Frage eine offene Wunde im modernen Bewusstsein. Das muss man einfach sagen. Es wäre verlogen, das in irgendeiner Form zuzudecken. Das ist ein Trauma, eine tiefe Wunde im modernen Bewusstsein. Und es ist wichtig, meine ich, dass man sich dieser Wunde erst einmal stellt und nicht zu schnell in Vorstellungen flüchtet, die diese Wunde als Wunde gar nicht zulassen. Ich will da die Frage Ökologie, Kosmologie noch mal von einem anderen Gesichtswinkel aus ansteuern.

Vor sechs Jahren, ich habe das schon mal in anderem Kontext genannt, [da] gab es hier im Auditorium Maximum eine Diskussion zwischen Rudolf Bahro, dem Biologen Michael Succow, dem letzten Umweltminister der DDR, später Träger des Alternativen Nobelpreises, und mir, genau über diese Frage Mensch und Natur, Mensch-Kosmos, Kopernikanismus, Stellung des Menschen im Nachkopernikanismus. Und da war es hochinteressant, dass Michael Succow, der schon damals eine sehr pessimistische Haltung vertrat: Wir zerstören ja hier die Erde, alles was noch bewahrt werden kann, wird irgendwann dahin sein. Allenfalls noch, meinte er, auch im privaten Gespräch, könne man noch in der Dritten Welt [Natur] finden, da könnte man noch letzte Reservate finden, aber diese technische Maschine wird weiter rollen, sie wird weiter die letzten Gräser, die letzten Wiesen, das letzte Stück Natur niederwalzen. Also eine relativ pessimistische Sicht. Und dann kam seine Argumentation auf einen interessanten Punkt. Er sagte nämlich, dass wir in gewisser Weise den Kopernikanismus zurücknehmen müssen. Nicht, dass wir nun plötzlich nicht mehr der Überzeugung sind, dass die Erde ein Planet ist, der sich um ein anderes Gestirn dreht, sondern existenziell, in der Tiefe, müssten wir quasi diese Öffnung, diese Aufmerksamkeit für das Universum zurücknehmen und fokussieren auf die Erde. Mit anderen Worten, wenn die Erde bewahrt werden soll, muss sie in gewisser Weise für unsere Wahrnehmung wieder ins Zentrum des Universums rücken.

Und damit, nächster Punkt dann: Er vertrat dann die These, es sei im Grunde für die heutige ökologische Krise auch vollkommen belanglos, unwichtig, eher hinderlich, sich mit kosmischen Fragen zu beschäftigen, eine Ablenkung. Er ging ja dann so weit zu sagen, dass es mehr oder weniger eine Art Ablenkungsideologie [sei], diese ganze kosmologische Frage. Viel wichtiger sei es hier auf dieser Erde im Physisch-Sinnlichen zu schützen, was zu schützen ist, das sei wirkliche Ökologie. Rudolf Bahro hat dann so eine Mittelposition eingenommen, und ich fühlte mich danach herausgefordert, ja verständlicherweise, unter anderem als Autor einer Kopernikus-Schrift, die nun auch sozusagen die Würde des Kopernikanismus dagegen ins Feld führt, nur mit partiellem Erfolg, weil dann immer wieder doch das Argument kam, das ist sozusagen: Diese Rakete, die da abgeschossen wurde durch den Kopernikanismus, die hat uns letztlich ruiniert. Uns ist der Boden weggerissen worden. Wir stehen im leeren Raum, und wir täten gut daran, uns zu konzentrieren auf diese Erde hier.

Dann erschien, zweiter Punkt, ich habe es in meinem Buch „Was die Erde will“ auch angedeutet, dann erschien Anfang der 90er Jahre ein interessantes Buch von einem Schweizer Psychiater, den der Rudolf [Bahro] auch mal eingeladen hatte, hier an der Universität: Hanspeter Padrutt, ein in Zürich lebender Psychiater, vielleicht hat der eine oder andere damals auch den Gastvortrag von Padrutt gehört (1992), und Padrutt hat ein dickes Buch geschrieben, das hat den Titel „Und sie bewegt sich doch nicht“, Untertitel: „Parmenides im epochalen Winter“, also berühmt „Eppur si muove!“, Galilei, „sie bewegt sich“, ob er es gesagt hat oder nicht gesagt hat, es könnte auch erfunden sein. Auf jeden Fall, das bekannte Wort „Sie bewegt sich doch“, als er verurteilt wurde von der Inquisition und eine Auflage bekam, er dürfe fortan nur noch im Privaten forschen. Gut, „sie bewegt sich doch nicht“, das heißt natürlich nicht, dass nun Padrutt aufgetreten wäre und gesagt hätte, Kopernikus hat sich geirrt, also Ptolemäus hat recht, wir müssen das Ganze umdrehen. Nein, er meinte das anders. Er meinte das existenziell. Er meinte, dass wir uns existenziell auf die Erde konzentrieren müssten und nicht in einen wie immer gearteten Kosmos starren, Weltmodelle entwickeln, kosmologischer Art, uns vollkommen entwurzeln lassen, in diesem Sinne ruinieren lassen. Also eine sehr weitreichende These „Und sie bewegt sich doch nicht“. Und das ist existenziell gemeint, er bezieht sich dann noch auf Heidegger, auf bestimmte Elemente in der Heideggerschen Philosophie, fächert aber dann in seinem hochinteressanten Buch mit einer ungeheuren Kenntnis die ganze Palette der kosmologischen Weltmodelle auf, um aber immer wieder auf den Punkt zu kommen für die Ökologie und für unser Selbstverständnis auf der Erde: Es ist gut, wenn wir sozusagen den Vorhang zuziehen nach drüben. Drüben, in diesem Sinne, in die unbegrenzte Weite. Mag es sein, wie es sich verhält, wie [auch] immer ‒ wir machen den Vorhang zu. Und das ist ja eine Haltung, die durchaus ehrenwert ist, die sogar eine gewisse Plausibilität hat.

Es gibt ja viele Menschen, die das mehr oder weniger ohnehin tun. Sie hören von Vorstellungen, die Menschen entwickeln, Philosophen oder Naturforscher, Kosmologen, über den Kosmos, hören sich das an und finden das interessant oder nicht interessant, aber letztlich für weitgehend irrelevant für ihre reale Existenz. Also ein Abschotten gegenüber dieser ganzen Dimension. Diese beiden Persönlichkeiten, Hanspeter Padrutt und Michael Succow, zeigen sehr deutlich das Thema. Geht das? Das würde ja in einer radikalen Weiterführung bedeuten, wir koppeln die Ökologie vollkommen ab von der Kosmologie. Wir sagen, es gibt eine Ökologie, die beschäftigt sich mit dem Oikos hier auf der Erde, mit der biologischen, sinnlich fassbaren Natur, ihren systemisch begreifbaren Zusammen­hängen, wie immer, da ist unser Fokus. Und etwas ganz anderes sei eine Betrachtung des Universums in einem kosmologischen Sinn. Das ist möglich. Und das erschwert natürlich die Grundfrage, die hier im Mittelpunkt steht, die Frage, ob der Kosmos ein Oikos sein kann. Was hieße das dann? Dann müsste man doch wahrscheinlich, wenn das überhaupt einen Sinn machen soll, die menschliche Existenz ganz neu und ganz anders denken.

Natürlich kann man da sehr viele Überlegungen anstellen, die werden ja auch angestellt: ob es extraterrestrisches Leben gibt, ob es andere bewohnte Himmelskörper gibt, ob da auch Menschheiten existieren und wie sie sich entwickelt haben, ob das eine trostlose Leere ist, oder ob da in irgendeiner Form Dimensionen, auch andere Ebenen von Wahrnehmung, von Bewusstsein, andere Wesenheiten und so weiter. All die Fragen werden ja lebhaft diskutiert, sie sind offen, die Fragen sind offen, beunruhigen viele, verständlicherweise, und ich sage nochmal, das ist wirklich eine offene Wunde. Es ist also nicht etwas, was in irgendeiner Form leicht wäre. Also wenn man das Thema wirklich in seiner ganzen Tiefe betrachtet, dann muss man einräumen, es ist ein zutiefst aufwühlendes und sehr schweres Thema, wo man sehr vorsichtig sein muss, dass man nicht mit sehr schnellen Formeln sich über die Frage hinwegbewegt. Auch das geschieht natürlich sehr häufig, und das versuche ich ja, ob mir das gelingt oder nicht sei dahingestellt, aber ich versuche es ja immer wieder, die Fragen voranzutreiben an bestimmte Punkte, immer wieder neu danach zu fragen. Und Sie wissen das ja, ich habe das ja immer wieder auch gesagt, dass mir zentral wichtig ist, dass man unterscheidet und überhaupt eine Wahrnehmung dafür gewinnt zwischen der existenziellen, erfahrungsmäßigen Dimension jedes Einzelnen von uns allen und einer theoretisch-konstruktiven Weltbetrachtung, die in irgendeiner Form Modelle baut, die, wie ich das gerne nenne, ontologisiert, die aber doch erst einmal getrennt ist. Und da ist eine große Kluft zwischen dem, was ich unmittelbar erfahre und was ich unmittelbar bin, und dem, was ich höre, wo ich Modelle entwickle. Und unermüdlich versuche ich da eine Aufmerksamkeit zu wecken dafür, dass man das überhaupt erst einmal sieht. Das muss immer wieder neu angesprochen werden, weil es eine Tendenz ist, darüber sich sehr schnell hinwegzubegeben, indem man Modelle hat und die eigene Existenz in diese Modelle in irgendeiner Form einbaut, ohne überhaupt die Brücke beschreiten zu können oder überhaupt plausibel zu machen, dass da eine Brücke existiert.

Ich will noch eine kurze Ergänzung bringen, die zu dem Thema auch gehört. Ich hatte am Anfang der letzten Vorlesung Ihnen an die Tafel geschrieben drei Begriffe. Ich hatte gesagt „Weltäther“, dann „Weltseele“ und „Weltgeist“ und das hingestellt als eine in gewisser Weise kosmische Triade, die mir plausibel erscheint aus einer Fülle von Gründen heraus und möchte kurz noch sagen, dass man diese Art von Triade in den verschiedensten Zusammenhängen auch wiederfindet mit ganz anderen Begriffen.

Also es gibt auch in bestimmten Strömungen der neueren Physik Überlegungen, so eine Triade festzumachen, die dann allerdings mit anderen Begriffen versehen wird. Da heißt es häufig in diesen Texten: Es gibt Materie oder auch Energie. Das wird häufig zusammen genommen Materie, Energie, dann gibt es Struktur und Information. Nun sind das sehr abstrakte Begriffe und schwierige Begriffe, also „Materie“, „Energie“ auf der einen Seite dann „Struktur“ und dann „Information“. Und „Information“ ist ein Begriff aus der Computersprache, man kann ja auch sagen Geist, wenn man sagt, Information, was ist Information? Information ist ja nicht Materie, sondern ist ja das, was transportiert wird über Materie, Energie, ist ja in gewisser Weise Geist, also Information und Struktur, kann man auch sagen, ist Form. Kann man sagen, man muss es nicht so denken, man kann es auch anders denken, man kann sagen: Form. Also ich schreib das noch mal an die Tafel. Das wäre der eine Pol: Materie, Energie, dann Struktur und schließlich Information.

Nun ist das nicht identisch mit der von mir angeführten Triade von Weltäther, Weltseele und Weltgeist, in keiner Weise. Aber es zeigt, dass, viele andere Beispiele gibt es, dass man auf eine Dreiheit nicht aufgrund eines Willküraktes stößt, aufgrund einer philosophisch weitreichenden Überlegung, sondern dass es gute Gründe gibt erst einmal, eine solche Dreiheit anzunehmen. Ich darf das vielleicht noch mal hier sagen: Weltäther, ohne dass ich das jetzt gleichsetzte, ich will das nur noch mal in Erinnerung rufen, Weltseele und Weltgeist. Wir wissen alle, dass diese Begriffe vielfältig belastet sind. „Weltgeist“ ist einfach ein Begriff, der in der Hegelschen Philosophie eine zentrale Rolle spielt, jeder der vom Weltgeist hört, denkt zunächst an Hegel. Man muss aber auch gar nicht Hegel heranziehen, man kann den Geist auch vollkommen anders denken. Und, die Frage „ Wie weit reicht der Geist?“, wird ja in diesem Sinne immer beantwortet: Der Geist ist universell. Es gibt überhaupt keinen Winkel im Universum, wo kein Geist wäre, also Geist, Weltgeist in diesem Sinne als universell, genauso Weltseele als universell, Weltäther auch als universell, von mir ja auch als Urmaterie bezeichnet. Natürlich kann man sagen, reduktionistisch, das und das ist letztlich hierauf zurückzuführen, nicht, also kollabiert gleichsam hierauf. Das wäre dann der radikale Reduktionismus. Alles ist nur Materie, Energie. Letztlich ist Struktur und Information nur daraus ableitbar. Man kann es ganz anders sehen.

Es gibt ja durchaus auch einige Ansätze, selbst in physikalischen Zusammenhängen, wo man sagt, es ist primär die Struktur, primär die Form, auch als Symmetrie, und alles andere ist daraus abgeleitet. Oder es gibt primär Information im Sinne auch von Geist. Und dann erhebt sich sofort die Frage, die für für das Thema zentral wichtig ist. Man muss ja philosophisch fragen, wenn von Geist die Rede ist: Was ist gemeint? Also die Systemtheoretiker, Gregory Bateson und andere, haben ja immer gesagt, der Geist ist kein Wesen, hat keine Ich- oder Selbsthaftigkeit. Der Geist ist nur ein Muster, pattern ist ja das Wort. „The pattern that connects“, heißt es bei Gregory Bateson, ein wichtiger Mann für die ganze Ökologie-Diskussion, auch Systemtheorie. Er sagt, der Geist, und das sieht er als eine Errungenschaft seines Denkens an, ist ein Muster in den Dingen. Er ist also kein Wesen, hat keine eigene, ist keine eigene Entität. Das wäre also eine… Ist das dann noch Geist in dem Sinne? Das ist die Frage.

Und dann die nächste Frage natürlich, die für das Thema ja auch zentral wichtig ist. Wie steht es mit dem Bewusstsein im Sinne von Selbstbewusstsein? Auch da muss man sehr genau differenzieren. Was meint man, wenn man von Bewusstsein redet? Auch auf die Gefahr, dass es jetzt ein bisschen zu erkenntnistheoretisch und weitschweifig wird, will ich es trotzdem sagen. Ist Geist gleich Bewusstsein? Nicht unbedingt. Kann man sich auch einen Geist vorstellen, der in diesem Sinne nicht bewusst ist? Und dann, was heißt Bewusstsein? Bewusstsein als ein reflexives Bewusstsein, wie wir das haben? Rückbezogen auf uns selber? Oder gibt es auch ein wie immer geartetes Bewusstsein, was gar keine Selbstreflexivität hat? Ist dann Geist nicht nur ein Wort, wo man auch gleich sagen könnte, man meint Energie? Es ist also extrem schwierig. Man muss aufpassen bei der ganzen Thematik, dass man nicht in ein Jonglieren mit Begriffen hineingerät. Man muss sich schon darüber im Klaren sein, was man eigentlich meint, wie man die Begriffe dann definiert. Also ich würde sagen, dass Geist auch überichhaft gedacht werden kann bis zu einer gewissen Grenze und habe verschiedentlich auch die These vertreten, und will es hier noch mal nennen, dass allein die Tatsache, dass die sogenannte anorganische Materie bestimmten Gesetzen folgt, dass da überhaupt bestimmte Regelhaftigkeiten festzustellen sind, schon ein Beweis dafür ist, dass Geist existiert. Denn diese Regelhaftigkeit ist ja nicht die Materie selbst. Das habe ich oft genug gesagt und will es auch jetzt noch mal sagen.

Eine ganz andere Frage ist, wenn ich die Frage stelle, wie ist es dann mit der Selbstreflexivität, mit dem Bewusstsein meinerselbst? So weit wird man wohl nicht gehen dürfen an der Stelle. Es gibt ja einige weitreichende Überlegungen, etwa in der Anthroposophie, die davon ausgehen, dass letztlich dieser Geist, der Logos in der Welt, das sind Geist-Wesenheiten, die auch bis zu einem gewissen Grade Bewusstsein schaffen. Dann sieht es vollkommen anders aus. Auch da würde man nicht zu schnell sagen, das ist unmöglich, das kann nicht sein, ‒ erst einmal die Sache mit einer gewissen Offenheit versuchen zu denken. Auch das ist möglich. Nicht, erst einmal als Betrachtungsweise. Das alles gehört zu dieser Frage, wie der Kosmos zum Oikos werden kann, also eine zentral wichtige Frage.

Ich will es noch einmal, bevor ich weitergehe, nochmals thesenhaft auf den Punkt bringen. Wir registrieren, dass der Mensch diesen Planeten zunehmend ruiniert. Das muss man nicht ernsthaft bezweifeln, das ist ein Phänomen, das einfach jeden Tag sich neu darstellt. Die Frage ist: Warum geschieht das? Wo liegt der Fehler, wenn es denn ein Fehler ist, wenn es nicht eine notwendig desaströse Entwicklung ist, die keiner durchschaut, die einfach abrollt? Die Frage ist: Warum passiert das? Und es gibt viele Antworten darauf. Ich habe ja auch versucht, Antworten zu geben, unter anderem die, dass hier eine Abspaltung vollzogen worden ist, dass der menschliche Geist in seiner Bewusstseinsentwicklung in irgendeiner Form, an irgendeiner Stelle, die ich auch nicht genau benennen kann ‒ ich kenne niemanden, der diese Stelle genau benennen könnte ‒ an irgendeiner Stelle ist etwas passiert, was offenbar im Moment irreversibel zu sein scheint. Die Selbstbewusstwerdung des Geistes ist in Kollision geraten mit der physisch-sinnlichen Wirklichkeit, mit dem Planeten. Also das mentale Selbst hat sich in irgendeiner Form abgesprengt, wie eine Rakete. Die Frage ist, war das…, hätte das vermieden werden können oder hätte es eine, in irgendeiner Form eine andere Weichenstellung geben können?

Ich halte die Frage für müßig. Sie wird oft gestellt. Es gibt ganze Bücher darüber, mittlerweile ganze Bibliotheken, die sich mit der Frage beschäftigen wo, an welcher Stelle ist die Weiche in diese Richtung gestellt worden? Und ob wir vielleicht an diese Stelle zurückkommen können. Das halte ich in der Form für müßig. Natürlich ist es interessant, sich das klar zu machen, aber die Situation ist wie sie ist, und mit der muss man sich erst mal auseinandersetzen. Also da ist eine Abspaltung erfolgt, die nicht nur einen Einzelnen betraf, sondern eine epochale Abspaltung, eine kollektive Neurose, wenn man das so nennen will.

Und meine These ist, dass das auch zu tun hat ‒ auch wenn das nicht das einzige und vielleicht auch noch nicht mal die Achse ist, aber es ist eine Komponente ‒ dass der Mensch nicht den Kosmos als Oikos, als sein Zuhause, als seine existentielle Heimat, ansehen konnte, dass ihm in gewisser Weise die Erde unter den Füßen weggerissen worden ist und der nun treibt im Wesenlosen, siehe den von mir schon zitierten Jean Paul, „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“, siehe 1798, berühmte Abhandlung von Jean Paul, von dem Dichter Jean Paul Friedrich Richter, dass er das…, dass der Mensch es nicht verkraftet hat. Das meint ja auch seitdem, das „seit Kopernikus rollt der Mensch aus dem Zentrum ins X“, da hat er irgendetwas nicht verkraftet.

Der alte Kosmos, der geozentrische Kosmos, war ja auch keine Idylle, wie das gerne hingestellt wird, im Nachhinein sozusagen, dass dieser schützende, hegende, antike, mittelalterliche Kosmos, den Menschen nun die Heimstatt geboten hätte, aus der er dann herauskatapultiert sei. So verhält es sich nicht. Aber immerhin hatte der Mensch seinen Ort in der Welt. Und die Frage, etwa aus dem antiken System heraus, ist der Kosmos ein Oikos des Menschen, die wäre in der Form eine vollkommen unsinnige Frage gewesen. Selbstverständlich ist der Kosmos der Oikos des Menschen. Die Frage brauchte gar nicht gestellt zu werden. Sie war beantwortet durch die existenzielle Erfahrung von Millionen von Menschen. Die haben das gelebt. Die Frage musste gar nicht gestellt werden. Die Frage stellt sich ja erst in einer bestimmten geschichtlichen Situation, wo eben die Selbstverständlichkeiten weggefallen sind. Das ist ja gerade das Problem, dass der Geist in irgendeiner Form eine Entwicklung eingeschlagen hat, wo er seine eigene Grundlage in gewisser Weise abgesprengt hat. Und nun, wie eine Raketenstufe ins All schießt, aber den Boden verloren hat? Wo ist der Boden?

Und dann die Frage: Ist die Erde überhaupt noch in diesem Sinne Heimat des Menschen? Ich meine, ich will jetzt nicht die vielen Aussiedlungsphantasien hier ansprechen, die es ja mittlerweile in den letzten Jahren zuhauf gibt, Umsiedlungs­phantasien, Aussiedlungsphantasien, Kolonisierung anderer Himmelskörper und so weiter. Also der Drang des Menschen weg von der Erde, raus hier. Hier ist nichts mehr zu machen, sozusagen, irgendwann erlischt das Leben hier, wir müssen weg. Wir müssen die kostbare Software Geist auf eine bessere Hardware bringen, um das in der Computersprache zu sagen. Es gibt ja seit 15, 20 Jahren eine Fülle von Überlegungen in diese Richtung. Auch da könnte man drüber nachdenken, warum das so ist.

Also, die Frage ist eine existenzielle Frage und berührt letztlich die Frage, warum der Mensch die Erde zerstört. Der Mensch hat in irgendeiner Form, an irgendeiner Stelle etwas ausgegrenzt aus sich. Und es gelingt ihm im Moment nicht, dieses Ausgegrenzte, das Abgespaltene zurückzubringen. Er müsste, [das ist] schon meine These, ja, seit langem, eine neue Ebene erreichen. Es wird nichts bringen und kann auch nicht in irgendeiner Form sinnvoll sein, diesen Nachkopernikanismus aus unserem Bewusstsein zu streichen, jetzt mal im Sinne von Michael Succow oder Hanspeter Padrutt, auch anderen. Das kann es nicht sein. Wir können, glaube ich, die Ökologie auf diese Weise nicht abkoppeln, auch wenn das verständlich ist, dieser Impuls, vollkommen verständlich.

Genauso ist es vollkommen verständlich, wenn viele Menschen das starke Bedürfnis haben, wieder in einen mehr oder weniger geozentrischen Kosmos zurückzukehren. Es gibt ja viele spirituelle Vorstellungen in unserer Zeit, die mehr oder weniger denn doch einen geozentrischen Kosmos dann ansetzen. Dann ist die Erde nicht buchstäblich der Mittelpunkt des Universums, aber sie ist es praktisch. Natürlich ist sie für uns alle der Hauptbezugspunkt, das ist ja selbstverständlich. Ich meine, es geht ja nicht darum, das Bezugssystem einfach aus den Angeln zu heben. Aber es geht darum, dieses Bezugssystem Erde, den Planeten Erde, den Großorganismus Erde in einen neuen Zusammenhang hineinzunehmen. Und das kann nur geschehen, indem man auch den Menschen als geistig- seelisches Wesen in eine neue Kosmologie hineinnimmt, vereinfacht gesagt: Diese Kosmologie muss oder sollte den geistig-seelischen Menschen mit enthalten. Da liegt die zentrale Schwierigkeit. Da liegt der zentrale Punkt, um den es bei dieser ganzen Frage geht. Ist das möglich? Ist das eine Utopie? Ist es ein Wahn? Geht das überhaupt? Wie sieht es dann aus mit vielen Überlegungen in der Richtung?

Astrologie ist ja ein Beispiel dafür, dass das Bedürfnis in Menschen sich in irgendeiner Form rückzubinden an die Gestirne, Positionen auszurechnen, die mit dem eigenen Leben was zu tun haben in irgendeiner Form, ein Ur-Bedürfnis der Menschen [ist]. Um das in einen Kontext zu bringen: Man kann menschliche Kulturen, Epochen, ganze Geistesströmungen, wenn man möchte, unter fünf Gesichtspunkte bringen. Ich nenne das die fünf Grundverhältnisse des Menschen. Und man kann geradezu eine Untersuchung vornehmen für fast jede Epoche oder Kultur, wie es aussieht mit dem Verhältnis des Menschen zu diesen Grundverhältnissen. Ich nenne das mal die fünf Grundverhältnisse: das Verhältnis zum eigenen Körper, zum Leib, damit auch zum Eros, zentral wichtig, auch zum Eros, also Leib, Körper. Natürlich auch zu den anderen, das ist ja auch die Bezogenheit auf andere. Das alles gehört da mit rein. Also im weiten Sinne Eros, also Leib, Körper, auch in gewisser Weise zu den anderen Menschen. Zweitens, die Frage zur physisch-sinnlichen Natur, zu den ihn umgebenden Natur, im weiteren Sinne, Pflanzen, Tieren, dem Boden, auf dem er steht oder wandelt, dann zentral wichtig für jede Kultur: Wie steht die Kultur zum Tod? Jede Kultur der Menschheitsgeschichte, soweit wir das sagen können, hat ein ganz spezifisches Verhältnis gewonnen, erarbeitet, über die Sterblichkeit des Menschen. Keine Epoche, keine Kultur kann sich da rausnehmen, gleichsam davonstehlen, dies als ein zentrales Moment ist ein Thema jeder Kultur. Jede Kultur hat ein eigenes Verhältnis zum Universum, wie immer das vorgestellt wird, zum Kosmos, zu dem, was drumherum ist, also zum Boden, zu den Mitgeschöpfen, zum eigenen Leib, zum Eros und dann zu dem Kosmos da draußen, in Anführungszeichen, zum Universum, zu den Gestirnen, wie immer diese verstanden werden, ob nun als große Strahlquellen oder als Götter oder als nah oder als fern, wie immer ‒ und ein Verhältnis zur Transzendenz, zur Gottheit, zu einem wie immer vorgestellten transmundanen, einem überweltlichen Wesen. Das kann man überall zeigen. Und nun ist es interessant, wenn man die Kulturen gleichsam abscannt daraufhin, wie dieses Verhältnis konstelliert ist und von wo eigentlich, wenn es dann Fehlentwicklungen und desaströse Prozesse gibt, das Unheil gleichsam seinen Anfang nimmt. Und da wird es ja hochinteressant. Was ist der Punkt? Viele würden ja sagen, also zum Beispiel, ja in der ganzen Grundannahme von Reich, hier liegt der Punkt, hier im Leib und im Eros. Wenn da eine fundamentale Störung erfolgt, schlägt das sozusagen auf andere, alle anderen Schichten durch. Man kann so sagen, wenn der Mensch hier neurotisch wird, wird er automatisch auch ein neurotisches Gesamtverhältnis gewinnen zu allen anderen Komponenten. Dann kann seine Spiritualität auch nur neurotisch sein, oder auch seine Haltung zum Kosmos, zu seiner eigenen Sterblichkeit, zur ihn umgebenden Natur ‒ ist eine durchaus legitime Sichtweise. Ob sie stimmt oder nicht stimmt, kann man da auf sich beruhen lassen. Ich würde sagen, es ist eine partielle Wahrheit, steckt da drin, unbestritten. Also eine neurotisierte Leiblichkeit, also so ein Geist innerhalb einer neurotisierten Leiblichkeit, glaube ich, wird kaum in der Lage sein, ein nicht-neurotisches Verhältnis zu gewinnen etwa zum Kosmos oder zur Natur, zur Erde. Also wenn da eine Neurotisierung vorliegt, wird das durchschlagen.

Genauso kann man natürlich das ganz anders sehen. Man kann sagen, die zentrale Achse ist immer das Verhältnis des Menschen zu seiner eigenen Sterblichkeit. Alles Mühen des Menschen dreht sich immer nur darum, in irgendeiner Form Modelle zu finden, Fantasien zu erdichten, religiöse Systeme sich auszudenken oder sich damit zu beschäftigen: Warum gibt es das Werden und vor allem das Vergehen? Warum ist alles Leben gleichzeitig ein langsames Sterben? Es ist ja so, leben ist gleichzeitig sterben, wir leben, indem wir gleichzeitig unaufhörlich sterben. Und insofern kann man das als zentrale Achse sehen, natürlich.

Aber [man] kann [auch] sagen, das wichtigste Grundverhältnis sei das Verhältnis zur Transzendenz, zu einem überweltlichen Wesen, alles andere sei daraus ableitbar.

Man sieht sofort, dass das ganz verschiedene Blickwinkel sind. Ich würde sagen, dass diese fünf Komponenten nicht nur in der Geschichte, also epochal, sondern auch in jedem Einzelnen auf vielfältige Weise ineinandergreifen. Ich glaube, das ist ein Wechselverhältnis, ein sehr subtiles Wechselverhältnis, das man nicht unbedingt eine prima causa angeben kann, an welcher Stelle nun das Ganze seinen Anfang nimmt. Ich glaube, das es eine subtile Wechselwirkung ist, die in jedem einzelnen Fall wieder anders konstelliert sein mag. Es mag Epochen geben, die mehr bestimmt sind von einer bestimmten Haltung zum Tod. Das war vielleicht die ägyptische Epoche, scheint so gewesen zu sein, obwohl es ja schwierig ist, das zu sagen, weil wir so wenig Konkretes wissen. Diese Fokussierung auf den Tod und die Pyramiden unter anderem als gigantische Grabmonumente. Alles war konzentriert darauf, auf diese Art von Ewigkeit, die im Tod angenommen wurde, die ganze Kultur, hat man das Gefühl, hat diesen Fokus; oder in der griechischen Kultur, ja, fokussiert auf einen sehr sinnlich, physisch schönen, auch irdisch verstandenen Kosmos. Denken Sie an den Raumbegriff, wie ihn Oswald Spengler für die Antike annimmt. Auch das kann man natürlich sagen.

Also, wir sind im Moment bei diesem Punkt, bei diesem Verhältnis, bei dem Verhältnis zum Kosmos, Mensch-Kosmos. Natürlich ist das nicht abtrennbar. Das hat man dann immer gewusst. Ich habe ja vorhin den englischen Schriftsteller D.H. Lawrence genannt und sein wunderbares Buch „Apocalypse“, ein großer Essay, kurz vor seinem Tode entstanden, über die Johannes-Apokalypse, und da heißt es zum Beispiel in diesem Essay „Apocalypse“, 1930: „Wir haben den Kosmos verloren, die Sonne stärkt uns nicht mehr und auch nicht der Mond in mystischer Sprache. Der Mond ist für uns schwarz und die Sonne wie ein härenes Tuch. Jetzt müssen wir den Kosmos wiedergewinnen, und das geschieht nicht durch irgendwelchen Trick. Die vielen Beziehungen zu ihm, die in uns erstorben sind, müssen wieder lebendig werden. 2000 Jahre hat es gedauert, sie zu töten. Wie lange mag es dauern, bis sie wieder lebendig sind? Höre ich heute Menschen über ihre Einsamkeit klagen, dann weiß ich, was los ist.“ Immer noch D.H. Lawrence. „Sie haben den Kosmos verloren, uns fehlt nichts Menschliches oder Persönliches, uns fehlt das kosmische Leben, die Sonne in uns und der Mond in uns.“ ‒ und so weiter.

Wenn man dann die Lösung sich geistig vergegenwärtigt, die D.H. Lawrence vorbringt, dann ist eindeutig die Eros-Komponente die zentrale, er meint alles, anders als Wilhelm Reich, aber doch mit einer gewissen Ähnlichkeit, die Eros-Komponente, ein total neurotisiertes Verhältnis des Menschen zu seinem eigenen Leib, seinem eigenen Körper, besonders über den Sokratismus und über das Christentum, habe letztlich zu einer Art kosmischer Grundhaltung geführt, und die Lösung wäre eine ekstatisch gesteigerte Eros-Erfahrung, wie sie ja auch von Lawrence in vielen seiner Bücher dargestellt wird. Der Mensch muss lernen, auf eine ekstatische Weise sich wieder zu verbinden mit dem Kosmos. Das ist nicht intellektuell, das ist nicht wissenschaftlich, das ist nicht in irgendeiner Form kosmologisch und auch nicht in irgendeinem Sinne astrologisch, das ist einfach existenziell. Also aus der Seinserfahrung des Eros, meint er, könnte man ein neues Kosmosverständnis gewinnen. Und das ist interessant, der Gedanke, wenn sie sich vielleicht erinnern an das, was ich im Sommer in zwei Vorlesungen ja versucht habe darzustellen, nämlich den asiatischen Tantrismus, nicht, mit der Vorstellung des sogenannten Purushakara, des kosmischen Menschen, wo ja auch die Vorstellung zentral ist, dass über eine vertiefte und spiritualisierte Erotik letztlich ein Wiederanschluss an den Kosmos möglich ist. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt in diesen Erfahrungen, eine Spiritualisierung des Eros mit dem Ziele, auch den Tod zu transzendieren und in den Kosmos gleichsam hineinzuwachsen, dadurch. Anders allerdings als bei Lawrence geht es ja im Tantrismus, vielleicht erinnern sie sich, die da waren, ja um ein ausdifferenziertes System von Arbeit mit den sogenannten feinstofflichen Energien im Körper. Nicht, der Purushakara ist ja der kosmische Mensch, dessen Grundstruktur dem Kosmos entspricht. Und das ist nicht im engeren Sinne der geozentrische, der kleine, der überschaubare Kosmos. Auch schon im asiatischen Denken dieser Provenienz ist der Kosmos ja ungeheuer ausgedehnt. Nicht, die Asiaten, zum Teil im Hinduismus und im Buddhismus und andere, waren ja überhaupt die ersten, die die Unbegrenztheit des Kosmos dargestellt haben. In gewisser Weise ja, anders als Giordano Bruno, aber davor. Also sie sprechen ja unermüdlich von der Entgrenzung der kosmischen Gesamtheit. Also es ist nicht der enge, überschaubare geozentrische Kosmos unseres Mittelalters oder der antiken Welt primär gemeint, sehr subtil gedacht. Also auch da gibt es den Zusammenhang.

Also, wie immer der Zusammenhang im Einzelnen aussieht, wenn man diese fünf Verhältnisse sich klarmacht, hat man, glaube ich, einen Ansatzpunkt, mal ganz vorsichtig gesagt, sich auch dieser Frage zu nähern. Denn es geht schlecht, diesen Punkt vier rauszuschneiden und vollkommen für sich zu betrachten. Ganz zu schweigen von natürlich einer Fülle von sozialen, politischen und ökonomischen Konditionierungen, die immer mit hineinspielen, das ist klar. Das ist so selbstverständlich, dass man es eigentlich kaum zu erwähnen braucht. Natürlich sind alle diese Komponenten auf vielfältige Weise auch geprägt und konditioniert durch ein oft sehr komplexes System von gesellschaftlichen Zwängen, Konditionierungen und Bedingtheiten. Das ist klar. Es geht mir nur erst einmal um die archetypische Grundkonstellation.

Also, vielleicht ist es nicht möglich, sozusagen den Punkt 4 auf direkte Weise anzusteuern und nun zu versuchen, das neurotische Kosmosverhältnis umzuwandeln. Und so ist es kein Zufall, dass Überlegungen, auch philosophische Überlegungen, erst einmal in die Richtung gehen, dass es darum gehen müsste, hier anzusetzen, vielleicht bei Punkt 1 und bei Punkt 2. Beispiel: Der von mir, wie sie wissen, hochgeschätzte Johannes Heinrichs, er ist heute nicht da, insofern kann ich das etwas befreiter auch sagen, aber auch wenn er da wäre, würde ich sagen, er hat in seiner hervorragenden „Öko-Logik“, ein Buch, was ich Ihnen immer wieder ans Herz legen kann, also als ein exzellentes Buch, sich auch zu der Frage geäußert. Und er hat auch eine Art von, mal ganz vorsichtig gesagt, eine Art von Lösung vorgestellt, die für meine Wahrnehmung nicht weit genug geht, aber die einen Ansatz darstellt. Sein Ansatz ist der, in der „Öko-Logik“ sehr genau begründet, dass es darum ginge, zunächst primär einen kosmischen Naturbegriff zu finden, also diese beiden, die Komponente 2 und die Komponente 4 zusammenzuschließen, die Natur in gewisser Weise zu kosmisieren. Was heißt das, die Natur zu kosmisieren?

Er gibt eine ganze Reihe von Beispielen in seinem Buch, wie ein solcher kosmischer Naturbegriff aussehen könnte oder aussehen sollte, und er gibt dann eine ganze Skala von Grundvoraussetzungen dafür an. Ich erlaube mir mal, das zu zitieren. Das ist besser, wenn ich es zitiere, als wenn ich es einfach paraphrasiere, was ich auch tun könnte. Aber ich lese mal diese anderthalb Seiten vor, weil sie einen Ansatzpunkt darstellen. Also nach Johannes Heinrichs, wie ist ein kosmischer Naturbegriff möglich? Wie ist er praktikabel? Und zwar wichtig für Heinrichs, und das finde ich zentral bedeutend für seine Position und für uns alle wichtig, die soziale Komponente; mehr als ich das tue, betont er ja die soziale Komponente dabei. Geht ja nicht nur, dass der Einzelne das kann, wenn er es denn kann, sondern es geht darum, dass, wenn es überhaupt greifen soll, es ein sozialer Prozess sein soll und muss. Und diese fünf Grundverhältnisse mögen ja für jeden Einzelnen anders konstelliert sein. Keiner kann sich vollkommen trennen von einem epochalen Strom, von einem sozialen Zusammenhang. Und wenn es überhaupt so etwas geben kann wie eine ökologische Wende, dann kann sie auch nur eine sozial-ökologische Wende [sein]. Dann muss sie ins Soziale einmünden. Davon bin ich absolut überzeugt. Wenn sie das nicht kann, wird sie letztlich nur Inseln schaffen, die auch wichtig sind. Und sie müssen sich aber irgendwie verbinden. Es muss ein sozialer Impuls in das ganze Geschehen rein. Insofern halte ich den Ansatz hier für zentral wichtig. Ich nenne mal diese Punkte, die sich Johannes Heinrichs in seinem Buch Öko-Logik darstellt. Es sind sieben Punkte, er liebt das mit der Zahl sieben, taucht immer wieder auf in seinem Buch. Wir haben das ja schon angedeutet, er nennt sieben Punkte. Ich lese mal die sieben Punkte vor, die ich mir im Wesentlichen zu eigen machen könnte.

Erstens: Es geht, wie gesagt, um den kosmischen Naturbegriff. „Erst Exaktheit, Sorgfalt für die physische Ebene und ihre Naturgesetze, jedes Naturgesetz ist zugleich ein Einblick in den unwandelbaren Logos.“ Das ist wichtig für Johannes Heinrichs, und da stimme ich mit ihm vollkommen überein, dass das immer auch den Logos hier spiegelt. „Sorgfalt, kein Schwärmerisches Über-die-Dinge-hinweg-springen. Genauigkeit, auch Konkretheit“, das ist mir auch wichtig, Konkretheit. Zweitens: „Achtsamkeit und Respekt für das biologische Leben. Das Pflanzenreich liefert nicht nur natürliche Werkstoffe, sondern repräsentiert zugleich die Einheit der“, jetzt setzt er das in Anführungszeichen, „Weltseele“. Drittens: „Emotionale Sympathie für die fühlenden Mitgeschöpfe, nicht allein für die Haustiere im engeren Sinne im Oikos, im Haus der Natur sind alle Tiere Haustiere, alle auf die verschiedene Weise unserer Freundschaft wert und ihrer bedürftig.“ Viertens: „Informationelle Aufgeschlossenheit und endlich reiche Lernfähigkeit. Über die Notwendigkeit der Integration dieser Tugenden und der Herzkräfte bzw. der Herzenskräfte zum höheren Mentalkörper, wurde oben gesprochen“, das muss hier nicht noch einmal zitiert werden, „die mentalen Möglichkeiten stellen den Wendepunkt zur Entwicklung des höheren Menschen dar.“

„In dieser ,Wendezeit’“, [in] Anführungszeichen, er bezieht sich auf den Amerikaner Arthur Young, nicht auf Capra und nicht auf Wilber, „befinden wir uns gesamtmenschheitlich durch das ungeheure Anwachsen der Information und ihrer technischen Verarbeitungsmöglichkeiten“, jetzt von ihm kursiv gedruckt, „die spirituelle Aufgabe ihrer Integration unter die Herzenskräfte darf weder antiintellektualistisch noch moralistisch verkürzt werden.“ Ist wichtig, auch die Würde im Mentalen, im Denken. Das ist mir auch sehr wichtig. Ist ja ein Trend heute, dass man, sehr verbreitet, man sagt, das Denken hat sowieso abgewirtschaftet, die Philosophie, der eine sagt das, der andere sagt das, Systeme folgen aufeinander, was soll das Denken? Denken hat ja keinen Stellenwert heute. Das muss man einfach ganz phänomenologisch feststellen. Es hat keinen hohen Stellenwert. Naturwissenschaften werden hoch geschätzt. Ihre Art von technisch-rechnendem Zugang; aber das Denken, der Stellenwert des Denkens geht gegen Null im öffentlichen Bewusstsein. Fünftens: „Selbstreflexive Konzentration, Innerlichkeitskultur. Hier liegt von der intellektuellen wie von der willensmäßigen Seite das Gegengift zu einem bloß nach außen gewandten Intellektualismus des Informationssammelns und Rechnens.“ Dann wichtig, zentral, „Meditation“. Schwieriger Begriff, nicht, das wissen wir alle schon. Bei Descartes, eine der Schriften von Descartes heißt meditationes. Was meint Descartes mit Meditation? Er meint Denken, er meint bestimmte Art von Denken. Keineswegs das, was heute, sagen wir mal vereinfacht, in manchen Kreisen als Meditation bezeichnet wird, also, Meditation der kosmischen Einheit aller natürlichen Dinge. „Es gab früher leichtere, natürliche Formen der Meditation, wie Bewegung, Wandern, Reiten, Ruhen und Arbeiten in der Natur, die sich unter anderem in der Naturdichtung niederschlugen heute. Nach der stattgefundenen Naturentfremdung eines immer größeren Teils der Menschheit muss die meditative Geisteshaltung in Beziehung auf den Kosmos umso bewusster durch ausdrückliche Meditation gefördert werden.“ Unbedingt wichtig, ich glaube, dass ohne eine meditative Grundhaltung, ohne die meditative Erschließung dieser Schicht überhaupt keinen Millimeter weiterzukommen ist. Dann müsste man darüber sprechen, das ist schwierig in so seinem Hörsaal, was Meditation ist und was sie leisten kann.

Und der siebte Punkt: „Logosbewusstsein“, ich habe darüber das letzte Mal gesprochen, „als ganzheitlicher, nicht einseitig theoretischer Vollzug ist Gottesliebe, ja, wobei der Ausdruck Gott bis zur Unbrauchbarkeit wie ein transzendentes Wesen verwendet wurde, das sich nicht mehr in Mensch und Natur als es selbst spiegelt, also nicht bezogen auf eine spezielle religiöse Grundfigur. Wo diese vorhanden ist, wird man sich nicht in spitzfindige, dem Göttlichen unangemessene Theorie ohne genügende Erfahrungsbasis hineinsteigern. Leider sind theologische Spekulationen zu oft Ersatz für oder Missbrauch … und tatsächliche Erfahrung des Göttlichen und ihrer behutsamen Versprachlichung, sei es in Dichtungen, sei es in einer echt spekulativen Einheit von geistiger Schau und Denken.“

Ich sage es noch mal, die sieben Punkte: eine Sorgfalt für die physische Ebene, auch eine Genauigkeit, genau hingucken. Wir leben in einer konkreten Welt. Die Dinge sind konkret, sie sind gestalthaft, und als Gestalten können sie sehr konkret, ganzheitlich- phänomenologisch auch wahrgenommen werden, bevor man sie, wie das häufig genug geschieht, abstrakt, analytisch, aus den Angeln hebt und dann wieder zusammensetzt auf einer intellektuellen Ebene. Wichtig also, die Ganzheit der Gestaltphänomene. Mir ist der Begriff kolossal wichtig: die Gestalt. Ich will auch im Sommersemester auf diese Fragen dann ganz konkret auch eingehen. Ich will das in der nächsten Vorlesung ihnen vorstellen, wie ich mir das denke. Auch ganz konkret auf die Punkte, auf die organische Gestalt.

Dann war der zweite Punkt: Achtsamkeit und Respekt für das biologische Leben. Stichwort hier in seinem Verständnis von Weltseele, das ist nicht das meine, Heinrichs Verständnis ist enger, er versteht Weltseele enger, für mich ist das ein weiterer Begriff. Dann: emotionale Sympathie für die Mitgeschöpfe, dann: informationelle Aufgeschlossenheit, Lernfähigkeit. Eher wirkt das ja utopisch. Lernfähigkeit, unbegrenzte Lernfähigkeit, Integration der Herzenskräfte, dann: selbstreflexive Konzentration. Dazu gehört auch Denken. Dann: Meditation der kosmischen Einheit aller natürlichen Dinge auf vielfältige Weise. Und dann: Logosbewusstsein im Sinne dieses Bezugs, nicht im Sinne eines einseitig religiös oder gar theologisch verstandenen Bildes, sondern im Sinne eines existenziellen Tiefen-Bezuges zu dieser 5. Ebene.

Also ich finde die sieben zentral wichtige Komponenten, die er auch dann im Einzelnen beleuchtet, also ein Teil dieses Buches, das muss ich jetzt hier nicht paraphrasieren und vorstellen, das könnte ich auch jetzt zeitmäßig gar nicht, besteht auch darin, das zu konkretisieren, was das bedeutet, etwa für den Landschaftsschutz, was das bedeutet für unseren Umgang mit Flüssen, mit Seen, mit Wäldern, mit den Meeren, also wie das konkret dann aussehen kann, wie das dann auch ins Soziale hineingeht, wie das dann auch in die sozialen Strukturen reingeht, das ist auch wichtig. Das Ganze sind ja immer auch soziale Strukturen, die dafür mitverantwortlich sind. Es kann nicht darum gehen, dass man nur das Ganze, die ganze Last immer auf den Einzelnen legt, was ja geschieht, also die totale Individualisierung. Nicht, du kannst deinen Beitrag leisten, sicherlich, aber ohne eine Strukturveränderung wird der Einzelne immer hoffnungslos überfordert sein. Insofern also die Betonung der sozialen Dimension. Das wird dann sehr konkret. Geht dann auch bei Heinrichs ins Politisch-Strukturelle. Also, das finde ich hochinteressant.

Und das ist dann auch verifizierbar, die Frage: Wie ist das politisch umsetzbar und so weiter. Also auf eine hochinteressante, sehr konkrete Weise werden dann auch diese sieben Aspekte, auch handlungstheoretisch, umgesetzt. Aber wie gesagt, ich muss das jetzt hier nicht paraphrasieren. Das Ganze ist hochinteressant und kolossal wichtig. In der Form kenne ich überhaupt kein Buch, was so dieses ganze Thema von der sozialökologischen Seite in den Blick nimmt. Und ich finde es eine wunderbare Ergänzung auch zu meiner eigenen, eher ja naturphilosophisch oder bewusstseinsgeschichtlich orientierten Arbeit. Sie wissen ja, dass bei mir diese sozialen Komponenten eher am Rande behandelt werden. Es ist ja nicht mein Hauptfokus. Also ich finde es wichtig, auch wenn ich allen Schluss­folgerungen hier nicht folgen kann und will, dass man einen kosmischen Naturbegriff entwickelt, dass man Natur versucht, auf eine neue Weise als Gestalt zu denken. Als Gestalt, das ist konkret und spirituell gleichzeitig.

Und das ist ein wichtiger Punkt in dem ganzen nächsten Semester. Das will ich mal versuchen, das habe ich in der Form bisher noch nicht getan, dass ich [mich] wirklich dann zentral orientiere an dem Aspekt der Polarität. Das soll im Mittelpunkt dann des Semesters stehen, drei Vorlesungen über die Polarität. An der organischen Form [werde ich] zeigen, wie man das denken kann, wie man das betrachten kann, wie man die Gestalt sich neu, wirklich ganzheitlich, verdeutlichen kann. Also, da gibt es eine ganze Reihe von Punkten, die ich da versuche. Ob mir das dann so gelingt, weiß ich nicht, aber ich halte das für eine Herausforderung. Ich kann das ihnen ja dann noch am nächsten Dienstag vorstellen, wie ich mir das im Grundlegenden denke.

Meditation wurde schon erwähnt, das ist zentral wichtig, das wissen auch alle Gesellschaften, das ist ja nie vollkommen vergessen worden, das ist aber immer wieder neu zu beleben, [das] sind Rituale. Das ist ja ein Punkt, mit dem wir alle zu tun haben. Wir alle kennen die Verlogenheit und Ausgedünntheit und das ganze Thema der Rituale. Aber auch das gehört für eine Gesellschaft zentral zu einem neuen, möglicherweise neuen, Verständnis der kosmischen Wesenheit, die Rituale neu zu beleben. Es ist ja eigenartig, dass die Menschen auf so eine erstaunliche Weise an letztlich vollkommen ausgehöhlten Ritualen festhalten. [Das ist mir] an diesem Weihnachten und Silvester stärker als je zuvor aufgefallen. Ich habe mich oft gefragt, wie kommt es überhaupt, dass Menschen so geradezu rührend daran festhalten. Man kann sagen, gut, das sind die gesellschaftlichen Zwänge, da sind die Manipulationen derjenigen, die daran verdienen, alles geschenkt, das spielt alles mit hinein. Aber es ist eine tiefere Bewusstseinsform, die dahinter steht.

Ich meine, ganz trivial gesagt, was ist dieser Baum, den man sich hinstellt? Das ist natürlich germanisch, die Esche, die Lichter sind die Gestirne, also die letzte, sozusagen kleinbürgerliche Kümmerform der Gestirne und des Weltenbaums. Und genauso [ist das], was dann in fragwürdigen Ritualen auch sonst abläuft. Auf jeden Fall ist es wichtig, das neu zu beleben. Und das wäre im echten Sinne auch Geomantie. Ich habe ja im Sommer 97 in den Mittelpunkt meiner damaligen Vorlesung das Thema Geomantie gestellt, ja, drei Vorlesungen über Geomantie gehalten. Ich will das nicht jetzt noch einmal im Einzelnen alles wiederholen. Aber es war ja doch der Grundimpuls, dass es möglich sein müsste, eine neue soziale Form zu finden, eines vertieften Umgangs auch mit Erd-Energien, Erd-Strömungen, feinstofflichen Strukturen von Landschaft. Alles Begriffe, die vielfältig belastet sind in den einschlägigen Szenen, aber letztlich Begriffe, für die man zunächst einmal keinen Ersatz finden kann, also die Seele einer Landschaft, auch Heinrichs äußert sich dazu. Was ist denn die Seele einer Landschaft? Das ist es ja nicht, nur eine ästhetisch unverbindliche Befindlichkeit, sondern das ist ja kulturell, sozial geprägt. Was bestimmt denn die Seele einer Landschaft? Das hat ja eine lange Vorgeschichte. Warum suchen Menschen ganz bestimmte Orte auf und andere eben nicht? Warum haben Sie das Gefühl, dass da sozusagen das Leben intensiver ist als anderswo? Weil da irgendetwas auch in der Erde angelegt ist, womit man kommunizieren kann.

Also Rituale halte ich für zentral wichtig. Wie gesagt, ich habe drei Vorlesungen im Sommer 97 zu der Frage der Geomantie gemacht und würde sagen, dass ohne eine geomantische…, eine Wiederbelebung der Geomantie auch wirklich Umwelt- und Landschaftsschutz gar nicht möglich ist. Wenn man den Landschaftsschutz auch im Sinne von Michael Succow so weiterhin betreibt, wie er vielleicht von der momentanen Bewusstseinsverfassung aus auch gar nicht anders betrieben werden kann, nur als ein Rückzugsgefecht gleichsam, ohne diese andere Dimension in irgendeiner Form anzustoßen und vielleicht sogar sozial zu verankern, wird es immer weitere Rückzugsgefechte geben, die in sich schon immer wieder verloren sind. Also auch da muss bewusstseinsmäßig etwas angestoßen werden. Das deutet sich ja ganz zaghaft auch an.

Ich meine, das ist natürlich modisch verflacht, wie häufig genug diese Themen, das wissen wir alle, in dem ungeheuren Boom seit drei, vier Jahren, den wir ja verzeichnen, was die chinesische Geomantie betrifft. Nicht, Feng Shui, bzw. „fang shua“, wie es einer mir mal hier im Sommer 97 gesagt hat, der lange in China war, wie es ausgesprochen wird. Also, die Popularität, zunehmende Breitenwirkung mittlerweile geht es auch in die Zeitschriften rein, die behandeln auch das Thema. Also, dieses alte asiatisch-chinesische System einer neuen Betrachtung von Erd-Strömen, Ausrichtungen des Hauses, des Gartens, der Möbel, nicht, wie liegt die Tür, wie liegt der Tisch und so weiter. Also, da ist ein Riesenthema, was natürlich aufgegriffen wird und kommerzialisiert wird. Das ist mit all diesen Themen passiert, aber gleichwohl liegt darunter ein Gefühl, dass das wichtig ist und man kann es ja auch [auf] eine grausige Weise dann verfehlen.

Das berühmte Beispiel ist natürlich dieses Monströse am Potsdamer Platz nun wirklich. Also, was man alles falsch machen kann in so geballter Form, anti-geomantisch nun wirklich, geradezu als Karikatur, zeigt ja dieser Potsdamer Platz, ist ja wirklich eine Karikatur das Ganze. Also, das als ein Negativbeispiel extremster Form. Aber es gibt doch Ansätze, da bewegt sich was ganz zaghaft, zunächst auf eine eher modische Weise, aber da scheint sich was zu rühren, ein Gefühl scheint dafür vorhanden zu sein, dass sich da in irgendeiner Form was ändert. Also Geomantie, ich sage es noch mal, nicht des Einzelnen, das kann der Einzelne gar nicht, das ist unmöglich, sondern in einer sozialen Form. Geomantie ist immer eine soziale Angelegenheit. Der Einzelne kann Erlebnisse haben, Erfahrungen haben, auch überwältigende Erfahrungen, aber letztlich geomantisch wird es nur in dieser sozialen Dimension, auch in der sozial-ökologischen Dimension. Und dann wird es wirklich auch verbindlich, wie das ja in magisch-mythischen Kulturen immer der Fall war. Das kann man heute noch etwa in Kulturen sehen, wie etwa auf Bali, wenn auch [nur] letzte Reste davon erhalten sind, letzte Reste ja nun eindeutig, haben sich ja gehalten, nicht nur dort, aber doch ganz besonders und intensiv.

Da kann man das doch sehen, was es bedeuten kann, einen anderen Umgang mit Landschaft, mit Erdkräften, mit geomantischen Ritualen, die eine ungeheure Kraft haben, was ja Westler seit den 20er Jahren fasziniert, dahin zu reisen und das wahrzunehmen, das ist ja nicht vollkommen zerstört worden durch den Tourismus, erstaunlicherweise, es ist doch vieles zerstört, aber nicht restlos. Und andere Geisteshaltungen haben ähnliche Ansätze, etwa im tibetisch-tantrischen Buddhismus gibt es das auch, geomantische Systeme, die immer davon ausgehen, dass man der Erde was schuldet, dass die Erde tatsächlich lebt, dass da ein atmender Organismus ist, mit dem man kommuniziert, und dass man nicht beliebig, wie mit einer Walze, vollkommen blind und taub darüber gehen kann, sondern dass da was entgegenkommt, häufig genug auf einer magisch-mythischen Bewusstseinsebene. Schwierig, das auf einer mentalen Ebene weiterzuführen, das wäre wichtig. Nicht, da ist auch noch eine Bewusstseinsaufgabe, die wir nicht gelöst haben. Ich kenne keinen, der es gelöst hat, dieses Magisch-Mythische sozusagen auf einer höheren Ebene mitzunehmen gleichsam, hinaufzunehmen, wenn es denn ein Hinauf ist in die mentale und dann eine mögliche transmentale Ebene. Also eine riesige Bewusstseins­aufgabe, die da zu verzeichnen ist. Das als Beispiele.

Nun ich will ich doch ein paar Worte zur Meditation sagen, es ist schwierig, über Meditation hier in so einem Hörsaal zu reden, ohne dass man da in unverbindliche Allgemeinplätze verfällt. Das ist schwierig. Aber es ist doch die Meditation, die auch nicht sich vollkommen abkoppeln kann vom Denken. Es ist ein Wahn, glaube ich, wenn man meint, in eine meditative Stimmung hineinzugehen und den denkerischen Zusammenhang, den Geist-Zusammenhang, vollkommen zu eliminieren. Was ja auch eine Tendenz ist, bloß nicht zu viel Kopf, möglichst dann…, also Kopf gegen Bauch wird dann ausgespielt, als ob Meditation in diesem Sinne Bauch wäre. Meditation ist auch Kopf, aber das ist eine andere Frage, die dann rührt an die Grundgestalt des Menschen überhaupt. Nicht, darauf will ich im Sommersemester auch dann was sagen. Was ist diese menschliche Gestalt? Wo ist denn der Geist? Nicht nur im Neocortex, sondern im gesamten Körper. Und wie sieht es dann genau aus? Etwa über die Musik kann man ja auch vielfältig Meditationen machen. Man kann über den eigenen Leib meditieren. Man kann ganz vielfältige Möglichkeiten, sich in einen Zustand hineinzubegeben, wo man tatsächlich Gestaltganzheiten auch wahrnimmt. Das kann man bei Goethe lernen, der das hier auf eine wunderbare Weise in seinen Pflanzenbetrachtungen und Farbenbetrachtungen gemacht hat. Und aus gutem Grund greife ich das noch mal auf im Sommer dann, was ich immer mal angedeutet habe, aber noch mal mit einem eigenen Vortrag auch die Farben-Philosophie, wie sie sich von Goethe aus ableiten lässt, also auch eine neue Wahrnehmung der Farbgestalt. Ich finde das sehr wichtig, dass man da eine neue Ganzheit gewinnt. Also eine Meditation, die sich nicht abkoppelt vom Denken, die immer den konkreten Ganzheits-Zusammenhang im Blick behält. Das ist wichtig, um einem Trend sozusagen entgegenzuarbeiten, der darauf abzielt, eine vage, nebelhafte Form, sozusagen wabernd über das Ganze zu legen. Ich finde, das ist der ökologischen Krise, in der wir uns befinden, nicht angemessen.

Es ist schon wichtig, genau hinzugucken. Also, die Lebewesen um uns herum sind konkrete Lebewesen, und sie sollen und müssen als konkrete Gestalt-Ganzheiten wahrgenommen werden. Und das ist dann auch eine existenzielle Dimension. Reduktionistisch kann man das natürlich alles bis zum Äußersten treiben, dann verschwindet die Gestalt. Nicht, in der, was weiß ich, modernen Mikrobiologie ist die Gestaltganzheit vollkommen unwichtig. Das ist das, was sozusagen gar nicht interessiert primär, das ist eine Privatangelegenheit, aber nicht eine Sache der geförderten und allseits bewunderten Forschung, die eine analytisch-reduktionistische ist und wo Gestaltganz­heiten überhaupt keine Rolle spielen. Das wissen wir alle, das ist ja bekannt und auch vielfältig kritisiert, aber der Haupttrend geht ja ganz eindeutig in diese Richtung. Zunehmend ja auch eine Reduktion der Gestalt-Ganzheiten dann auf die letzten in ihnen wirksamen abstrakten Prinzipien. Das muss nicht unbedingt, müssen nicht unbedingt physikalische Prinzipien sein, es können auch systemtheoretische Prinzipien sein, aber es sind sehr abstrakte Prinzipien, die letztlich dem Ganzen zugrunde liegen. Die Gestalt-Ganzheit interessiert viele gar nicht mehr, wie den Astronomen gar nicht interessiert, wie die Sternbilder heißen, wie sie aussehen. Es ist nicht Aufgabe der Astronomie, es ist ein ganz anderes Thema. Auch da wäre etwas zusammenzubringen.

Ich möchte das erst einmal dabei bewenden lassen und hoffe, dass ich dann im Sommer in der Lage sein kann, diese Dinge noch konkreter zu zeigen, denn in gewisser Weise ist das ganze Sommersemester, wenn man es so nennen will, eine Exemplifizierung dieses Themas, wie der Kosmos zum Oikos werden kann und die Frage einer Kosmisierung der Natur, eines kosmischen Naturbegriffs.

Ich denke, dass wir gleich, es ist kurz nach acht, ins Gespräch kommen können. Ich will nur sagen, dass ich in der nächsten, letzten Folge im Wintersemester den Versuch machen möchte, gleichsam wie in einem musikalischen Prozess nochmal diese zwölf Komponenten dieses Semesters zusammenzuführen. Und die verschiedenen Motive und eine Art von Resümee zu ziehen, was möglicherweise am Ende dieses Semesters festzustellen ist, was vielleicht erreicht worden ist, in Anführungszeichen, mit aller Vorsicht, wo vielleicht thesenhaft formulierbare Elemente festzustellen sind. Also das will ich nächste Mal machen, sozusagen, alle Motive zusammenbringen und eine Art, musikalisch gesprochen, also eine Art Finale [zu bringen], in diesem Sinne, dass alle Themen aufgreift noch mal, allerdings ihnen dann auch wieder eine andere Wendung noch gibt. Soll also nicht um eine pure Wiederholung gehen, das wäre nicht in meinem Sinne, sondern Sie kommen noch mal in einen neuen Zusammenhang hinein.

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