Conclusio – Was braucht es für eine neue Naturtheorie und Kosmologie?

Vorlesungsreihe:

Mensch und Erde, Teil IV
Gedanken zu einer neuen Theorie der Natur und des Kosmos

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1998/99
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 14

Transkript als PDF:


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Ich hatte das ja heute Abend genannt: Conclusio, eine Art Zusammenfassung, Konklusion, wenn man das so nennen möchte. Und dann die Frage gestellt: Wie kommen wir weiter? Die Frage stelle ich mehrfach, und sie muss auch immer wieder neu gestellt werden, weil es ja zentral wichtig ist, wenn man den ganzen Fragehorizont sich klarmacht, den ich hier versuche aufzufächern, was für Konsequenzen sich daraus möglicherweise ergeben.

Es ist übrigens interessant, und da will ich ein Zitat bringen, dass 1930, wie ich von einem Hörer der Vorlesung hier erfahren habe, schon mal ein Buch erschienen ist mit dem gleichen Titel wie mein Buch, das im Herbst 98 erschien, nämlich „Was die Erde will“. Das wusste ich nicht, 1930, ein gewisser Ernst Fuhrmann, ein Autor und Privatgelehrter, hat 1930 in einer kleinen Auflage, halb als Privatdruck dieses Buch veröffentlicht. Er ist dann [19]32 in die Emigration gegangen, später hat er in New York gelebt, ist da 1956 verstorben, 1886 geboren, und ich habe mittlerweile mich sachkundig gemacht. Das ist Mitte der 80er Jahre neu verlegt worden, mittlerweile vergriffen. Insofern gibt es da keine Schwierigkeiten, was den Titel anbelangt, aber ich wusste das nicht. Und hier wird gesagt im Klappentext oder in den Bemerkungen hierzu, dass Ernst Jünger den Ernst Fuhrmann sehr geschätzt habe, könnte sein, aus verschiedenen seiner Bemerkungen ist es abzulesen, dass das der Fall ist. Ich habe das zum Teil auch gelesen, das ist nicht mein Exemplar hier. Ich war erstaunt darüber, wie ein Mensch 1930, also ja in einer schwierigen Situation, seine Vorstellung damals entwickelt, vor nun fast sieben Jahrzehnten, was die Erde will, wie er das sich vorstellt, und was ich verstanden habe, von den vielleicht 40, 50 Seiten oder 60 Seiten, die ich gelesen habe, war Folgendes: dass also Ernst Fuhrmann der Auffassung war, es kommt ein neuer Typus Mensch. Als er dann die Nazis einmarschieren sah, hat er Deutschland verlassen. Also er glaubt, es kommt ein neuer Typus Mensch, der in irgendeiner Form sich verbindet mit der Erde, mit dem Willen der Erde. Er nennt das im Untertitel eine „Biosophie“, also eine Weisheit vom Bios. Das Ganze ist kein platter Biologismus, da würde man Ernst Fuhrmann Unrecht tun. Das ist eine sehr intelligente Form, den Bios geistig zu denken. Ernst Fuhrmann ist so ein Privatgelehrter, ein Grenzgänger, nicht klar festzulegen, nicht eigentlich Philosoph und auch kein Naturwissenschaftler im strengen Sinne, eher ein Denker ganz eigener Prägung und auf seine Weise ist das durchaus auch faszinierend, was er schreibt. Das nur zu dem Titel, das finde ich eigenartig, und da gibt es im Klappentext ein Zitat, was ich als Motto für den heutigen Abend gerne nehmen möchte. Das ist nicht von Ernst Fuhrmann, sondern von Jünger, der sich auf Fuhrmann mehrfach bezogen haben soll. Das weiß ich nicht. Ich habe es in seinen Werken nicht gefunden, es wird jedenfalls hier behauptet.

Ernst Jünger schreibt hier: „Wir sind beim Thema, den Menschen in die rechte Position zum Universum zu bringen. Das ist wichtiger, als dass sich sein Wissen vermehrt. Die Bildungsprogramme eröffnen Ausblicke auf eine Scheinwelt, in der die Automaten, die Langeweile und die Selbstmörder zunehmen. Um das vorauszusagen, braucht man nicht Prophet zu sein. Das ist der Stil von intelligenten und selbstzufriedenen Güterbahnhof-Direktoren, die wissen, wie Stückgut hin und her schieben. Immerhin gibt es noch solche, die mit dem vorgekauten Futter und mit der Welt der Gleise und Stellwerke nicht auskommen. Die Geister scheiden sich.“

Ich weiß nicht genau, aus welchem seiner Bücher das stammt. Ich vermute da späte 50er Jahre. Auf jeden Fall, die Frage des Verhältnisses des Menschen zum Universum ist eine zentrale Frage, die mich seit vielen Jahren beschäftigt, die ich auch immer wieder versuche hier anzusprechen. Und es ist letztlich auch die Achse der Reflexion in diesem Semester, im Grunde auch in den vergangenen Semestern, die Frage: Wie steht der Mensch zum Universum oder im Universum? Wie steht der Mensch zum Kosmos oder im Kosmos? Was ist der Mensch in seiner Tiefe, in seiner Substanz? Ein kosmisches Wesen, ein Bioswesen, ein Geistwesen, als das ihn Hegel sah? Wie auch immer. Das ist letztlich die zentrale Frage, die ja immer wieder gestellt wird. Dass die Frage nach dem Menschen heute aktueller denn je ist, kann man unschwer erkennen. Und das ist auch nicht verkleinert oder gleichsam pulverisiert worden durch die enormen Fortschritte, ja beängstigenden, erstaunlichen, phänomenalen Durchbrüche in der sogenannten Gentechnologie. Eher im Gegenteil.

Dafür will ich ein kurzes Beispiel mal geben aus einem der letzten „Spiegel“. Da war ein langer Artikel über die gentechnische Revolution, wo auch ein Bezug hergestellt wurde zwischen der gentechnischen Revolution und der Frage nach dem Menschen. Zunächst könnte man ja denken, durch die gentechnische Revolution ist der Mensch radikal demontiert worden. Er ist sicher nur [ein] höheres Tier, letztlich ist er Sklave seiner Gene, mehr oder weniger, Richard Dawkins „Die egoistischen Gene“, ist ja ein berühmter Buchtitel eines bekannten Neurophysiologen und Genforschers. Man könnte annehmen, der Mensch sei in irgendeiner Form auf diese Weise demontiert, gleichsam reduktionistisch planiert. Und doch ist es interessant, gerade aufgrund dieser gentechnischen Erfolge noch mal neu nach dem Menschen zu fragen. Das geschieht auch überraschend am Ende dieses Artikels, ich war wirklich verblüfft darüber, von einem Biochemiker namens Neffe, der diesen Artikel abgefasst hat. Da heißt es ganz am Ende des Artikels, ich les mal kurz das vor, weil das hier schlaglichtartig den Punkt beleuchtet, Zitat Neffe: „Wie wenig die Genetiker vom Ausmaß genetischer Einflüsse tatsächlich wissen, haben in den letzten Jahren überraschende, ihre Ideengebäude zutiefst erschütternde Einsichten vor Augen geführt. Zunächst einmal stellte sich heraus, dass unser Erbgut mit dem unserer allernächsten genetischen Verwandten im Tierreich, der Schimpansen, zu über 98 Prozent identisch ist. Das rückte die Krone der Schöpfung durch die verengende Optik der Gene betrachtet, nicht nur viel näher an seine biologische Vergangenheit, als es ein Darwin je gewagt hätte. Es warf auch die Frage auf, wie solch ein kleiner Unterschied ‒ also was die Gene betrifft ‒ derart große Folgen haben kann. Mittlerweile haben Genanalysen sogar ergeben, dass der Mensch in sehr viel mehr Erbanlagen als bisher angenommen, selbst Lebewesen auf noch tieferen Stufen der Evolution verblüffend gleicht. Von der Maus über die Fruchtfliege bis hinunter sogar zur Bierhefe. Daraus aber folgt, ja, Mensch und Bierhefe ist wahrlich interessantes Kapitel. Mensch und Bierhefe. „Daraus aber folgt, dass so augenfällige Unterschiede“ ‒ jetzt der entscheidende Punkt ‒ „daraus, aus dieser erstaunlichen Nähe folgt, dass so augenfällige Unterschiede, wie etwa der zwischen Mensch und Schimpanse, auch auf anderen Prinzipien beruhen müssen als allein auf der im Erbgut gespeicherten Information. So hat ausgerechnet die Einfachheit der DNS den Keim für ein riesiges neues Problem gelegt, auf das die Biologie nun mit jeder neu entzifferten Erbanlage zusteuert. Die nicht zuletzt durch die Physiker in die Molekularbiologie eingebrachte Idee des Reduktionismus, nach der sich alle Lebensvorgänge letztlich zunächst auf chemische und dann wieder physikalische Ursachen zurückführen lassen, droht an ihrem unbändigen Erfolg zu scheitern.“ Verstehen Sie den Punkt, gerade der Erfolg ist das Scheitern. „In der Biologie braut sich ein grundlegender Paradigmenwechsel zusammen“, glaubt Richard Strowman von der Universität in Berkeley. „Das Maß an Komplexität, das wir im Lebenssystem finden, lässt sich nicht auf ihre Bestandteile und deren Dynamik reduzieren. So wie sich etwa der Ablauf eines Fußballspiels nicht aus noch so vielen Daten über die 22 Akteure auf dem Rasen ableiten lässt, weil erst ihr Zusammenspiel zur Qualität des Matches führt, so liegt in der Interaktion zwischen den Molekülen im Körper eine weitaus wichtigere Ebene der Information als DNS-Daten sie enthalten.“ Und so weiter.

Also eine interessante Aussage, dass gerade die extremen, die erstaunlichen, ja erschreckenden Erfolge, wie viele sagen, der Gentechnologie ganz neu jäh die Frage nach dem Menschen wieder aufwerfen. Denn wenn gentechnisch gesprochen, oder genmäßig gesprochen, da so wenig Unterschied ist, wo kommt denn oder wie kommt denn der doch enorme Unterschied zustande? Das kann also dann nicht in den Genen liegen. Es müssen andere Prinzipien, wie es hier in dem Artikel heißt, ins Spiel kommen. Nicht, auf anderen Prinzipien müsse diese ganze komplexe Angelegenheit beruhen. Also eine interessante, zunächst verblüffende Schlussfolgerung, auf die man nicht kommen würde, weil man ja gemeinhin der Auffassung ist, und ja auch mit einigem Recht, dass dieser Radikalreduktionismus mittels der Gentechnologie den Menschen eigentlich nun vollends und endgültig und ohne Abstriche zum höheren Tier degradiert hat.

Also die Frage nach dem Menschen wird immer wieder neu gestellt und stellt sich gerade heute im ausgehenden Jahrhundert und Jahrtausend wieder auf eine neue Weise. Also das ist ja ohnehin die zentrale Frage überhaupt, die Frage nach uns selber, nach dem Menschen, und wie ich immer wieder gesagt habe, letztlich auch die Frage einer möglichen anderen oder neuen Naturwissenschaft, einer neuen Naturphilosophie, ist nur zu haben, wenn überhaupt auf dem Wege einer neuen Anthropologie, also eines ganz neuen, fundamental anderen Zugangs auf dieses Wesen Mensch, was sich ja erst einmal als Ich-Wesen begreift, wo[rin] ja ein riesiges Problem liegt.

Die Frage überhaupt der Entstehung des menschlichen Ich ist ja nicht geklärt und kann auch nicht geklärt werden, wahrscheinlich, [nicht] mit den üblichen Instrumentarien.

Nun habe ich wiederholt auch die Frage gestellt, was denn eine philosophische Betrachtungsweise hier überhaupt leisten kann. Fast möchte man sagen, gehört fast zum guten Ton unter Naturwissenschaftlern, wenn man sie auf die Philosophie anspricht, häufig mit einem gewissen spöttischen Unterton zu bemerken, sie seien keine Philosophen. Als ob das irgendwie eine abwegige Geschichte sei, der man sich besser verschließt. Also ich bin kein Philosoph in dem Sinne: Das verstehe ich nicht. Das will ich auch nicht verstehen. Ich messe, ich rechne, ich beobachte, ich ziehe Schlussfolgerungen. Aber in dem Sinne, was die Philosophen als Denken bezeichnen, das möchte ich nicht. Und insofern ist es ganz wichtig, sich noch einmal klar zu werden, was denn Philosophie, wenn sie überhaupt noch irgendeinen Sinn haben soll, wenn sie nicht reine Philologie ihrer eigenen Geschichte ist, und 98 Prozent ungefähr aller Philosophie ist genau dies, also eine Geschichte ihrer eigenen Disziplin. Also wenn sie noch eine wirkliche Kraft haben soll, was sie überhaupt leisten kann und wie das Verhältnis zu einer möglichen anderen Naturwissenschaft aussieht. Ich meine, was heißt Philosophie?

Wenn Philosophie im Wortsinn Liebe zur Weisheit bedeutet, dann geht man ja in gewisser Weise davon aus, dass die Weisheit auch existiert. Das wird häufig nicht genug bedacht, ist aber kaum abzuweisen. Liebe zur Weisheit, zu welcher Weisheit denn? Gibt es diese Weisheit? Ist die Weisheit eine Projektion? Gibt es da draußen in der Welt so etwas wie Weisheit, die die Philosophie liebt? Und was bedeutet das? Schelling, ein von mir hochgeschätzter Denker, hat das mal wie folgt formuliert. Eigentlich den Kern ausgesprochen, in seinen Spätschriften 1840/45: „Verlangt der Mensch eine Erkenntnis, die Weisheit ist,“ ‒ was immer jetzt Weisheit bedeutet, also nicht einfach Wissen, sondern Weisheit, also mehr als das ‒ „so muss er voraussetzen, dass auch im Gegenstand dieser Erkenntnis Weisheit sei. Es ist ein Axiom, das sich schon aus den ältesten Zeiten der griechischen Philosophie herschreibt: wie das Erkannte, so das Erkennende und umgekehrt.“ ‒ also Subjekt und Objekt ‒ „Das schlechthin Erkenntnislose könnte auch durchaus nicht erkannt werden. Also das schlechthin Geistlose kann nicht durch ein Geistwesen erkannt werden. Das schlechthin Erkenntnislose könnte auch durchaus nicht erkannt werden, das heißt Gegenstand der Erkenntnis sein. Alles, was Gegenstand der Erkenntnis ist, ist dies nur so weit, als es selbst die Form und das Gepräge des Erkennenden schon an sich trägt, also die Form und das Gepräge des Erkennenden, in dem Fall des erkennenden Menschen als eines Geistwesens. Wie jedem einleuchten muss, der auch nur die Kantsche Lehre der Erkenntnis etwas geistreicher als gewöhnlich aufzufassen versteht. So auch die Weisheit. Es gibt keine Weisheit für den Menschen, wenn im objektiven Gang der Dinge keine ist.“

Vielleicht der entscheidende Satz nochmal. „Es gibt keine Weisheit für den Menschen, wenn im objektiven Gang der Dinge keine ist. Die erste Voraussetzung der Philosophie als Streben nach Weisheit ist also, dass in dem Gegenstand, das heißt in dem Sein, in der Welt selbst, Weisheit sei. Ich verlange Weisheit, heißt, ich verlange ein mit Weisheit, Voraussicht, Freiheit gesetztes Sein.“

Also das ist eine zentrale Voraussetzung, die im Grunde in der Philosophie gemacht wird. Da kann man sagen, die Entwicklung der Philosophie, etwa seit Nietzsche, in gewisser Weise schon seit Schopenhauer, habe ja diese Grundüberzeugung aus den Angeln gehoben. Die berühmte neuplatonische Gleichsetzung, auch das Schöne und das Gute und das Wahre. Und dann hat man immer wieder, Schopenhauer hat es am wortmächtigsten getan, auf die Elemente von Chaos, Verwirrung, Unbewusstheit, Leiden, Schmerz, Trauer, Verzweiflung in der Welt hingewiesen als Gegenargument gegen einen möglichen Weisheitsgang der Dinge, ganz zu schweigen von monströsen Gewalttaten, von denen wir ja alle wissen. Gleichwohl, wie immer man jetzt die Frage nach dem Leid, nach dem Unbewussten, nach der Unbewusstheit oder nach dem sogenannten Bösen stellt, es bleibt die Grundannahme, die Philosophie geht davon aus, ich als Philosoph gehe auch davon aus, dass so etwas wie Weisheit in der Welt existiert. Was heißt das?

Es gibt einen bestimmten Zusammenhang, der nicht vordergründig von den Erscheinungen ablesbar ist, der aber sich einer vertiefteren Betrachtung erschließt oder erschließen müsste, vielleicht sogar erschließen sollte. Das wäre Philosophie.

Nun ist, mit einer nur kleinen Drehung ja das auch, im Ursprung wenigstens, der Ansatz der Naturwissenschaft gewesen, nur mit anderen Begriffen und mit einer anderen Akzentsetzung. Die Naturwissenschaft war davon ausgegangen, spätestens seit Galilei, in gewisser Weise schon seit Kopernikus, Kepler, Newton und anderen, dass es im objektiven Gang der Dinge so etwas gibt wie eine Ordnung, ein Ordnungsprinzip, einen harmonischen Gesamtzusammenhang, den diese naturwissenschaftliche Reflexion erkennt. Das war immer die Grundvoraussetzung jeder Naturwissenschaft, übrigens auch bis heute. Auch viele Naturwissenschaftler sind sich darüber gar nicht mehr im Klaren, dass der Ursprungsimpuls immer war, dass man ja nicht sich spiegelt, projektiv in einer monströsen Welt, sondern dass man gewiss ist, dass in dieser Welt ein Ordnungsprinzip waltet, ein harmonisches Ordnungsprinzip. Das können Sie bei ganz vielen Physikern auch im 20. Jahrhundert nachlesen. Einstein hat sich dazu geäußert, von Weizsäcker, Heisenberg, viele andere haben das auch platonisch begründet, platonisch-pythagoräisch. Es gibt ein Ordnungsprinzip, Heisenberg hat das „die große Ordnung“ genannt, auf dem Grunde der Dinge, in den Dingen.

Und wenn der Naturforscher die Phänomene immer weiter hinterfragt und reduziert, dann macht er das vom Ursprung dieser Denkbewegung aus mit dem Ziel, die tiefste Ordnung des Universums zu erkennen, auch wenn es hier aus dem Blickfeld geraten ist, insofern ist es eine Parallele. Plakativ gesagt: Der eine begibt sich auf seinen Weg unter der Prämisse, es gibt eine Weisheit in der Welt, der andere begibt sich auf seine Erkenntnisreise unter der Prämisse, es gibt eine Ordnungszusammenhang in der Welt. Nun könnte man natürlich auch sagen, dieser Ordnungszusammenhang ist diese Weisheit, das ist gar kein Unterschied, es ist eigentlich das gleiche. Das ist schwer. Zunächst mal könnte man annehmen, das sind zwei verschiedene Ebenen. Es könnte ja einen Ordnungszusammenhang geben, der wiederum nur Ausfluss dieser höher geordneten Weisheit ist. Das könnten zwei verschiedene Stufen im kosmischen Gesamtzusammenhang sein. Das muss nicht identisch sein.

Das führt ja auch auf die Grundfrage, die ich ja auch mehrfach gestellt habe, der sogenannten Naturgesetze, was sind diese Naturgesetze eigentlich? Sind sie abgeleitet von einer höheren Gesetzesebene, so wie wir sie mathematisch gemeinhin fassen? Oder sind sie schon als sie selber gewissermaßen die erstarrte Form dieses Ordnungszusammenhangs? Eine heiß diskutierte Frage. Der berühmte Mathematiker und Physiker Roger Penrose beispielsweise, in seinen Büchern der letzten Jahre, vertritt ja vehement die These, wir kennen die eigentlichen Naturgesetze noch gar nicht. Das sind alles nur sozusagen bestenfalls Annäherungen, Beschreibungsversuche einer uns im Letzten unbekannten Form von Zusammenhang, und die eigentlichen Naturgesetze, diese Gesetze, die wirklich die Welt bestimmen, kennen wir noch gar nicht. Das ist eine wichtige Einschränkung. Darüber muss man sich im Klaren sein.

Es könnte verschiedene Ebenen von Gesetzen geben. Es könnte sozusagen eine Grund­ebene geben, die uns undurchschaut bleibt, undurchschaubar bleibt, und eine abgeleitete Ebene, die wir bis zu einem gewissen Grade erkennen können. Auch das muss man sich vergegenwärtigen, dass man da nicht heillos oberflächlich, wie das häufig genug geschieht, über diese Dinge redet. Was meint man überhaupt, wenn man diese Begriffe benutzt?

Das Verhältnis von Naturwissenschaft und Philosophie war immer schwierig. Aus guten Gründen, und es hat immer wechselseitige Ressentiments gegeben, spöttische Haltung von der einen zur anderen Seite. Die Naturwissenschaftler haben es den Philosophen übel genommen etwa, wenn sie von Heidegger hören mussten, dass die Wissenschaft gar nicht denkt und auch gar nicht denken kann, gar nicht weiß, was Denken ist. Konnten andere Kritiker sagen, was Heidegger Denken nennt, ist gar kein Denken, sondern ist eine Mystifikation, die mit eigentlichem Denken gar nichts zu tun hat.

Was ist denn überhaupt Denken, da ist man schon bei dem nächsten Punkt, was ist Denken? Auf der untersten Ebene erstmal: einen Zusammenhang herstellen, ein Ordnungszusammenhang, wie immer er beschaffen ist, wahrnehmen, über die reine Empirie hinaus. Ein Mann, der darüber viel nachgedacht hat, hat vor knapp hundert Jahren ein Buch geschrieben „Erkenntnis und Irrtum“, ich meine den berühmten und bedeutenden Erkenntnistheoretiker Ernst Mach, der ja maßgeblich beteiligt war an den Grundvoraus-setzungen der Relativitätstheorie und Quantentheorie, obwohl er sie selber kaum mehr erlebt hat. Er hat sich verschiedentlich eingehend zu dieser Frage geäußert und ich zitiere mal eine kleine Passage, die ich sehr erhellend finde von 1905. Da heißt es über dieses Verhältnis Philosoph ‒ Naturwissenschaftler: „Was der Philosoph für einen möglichen Anfang hält, winkt dem Naturforscher erst als das sehr ferne Ende seiner Arbeit. Allein diese Meinungsverschiedenheit soll die Forscher nicht hindern und hindert sie tatsächlich auch nicht, voneinander zu lernen. Durch die zahlreichen Versuche, die allgemeinsten Züge großer Gebiete zusammenzufassen, hat sich die Philosophie in dieser Richtung reichliche Erfahrung erworben. Sie hat nach und nach sogar teilweise die Fehler erkannt und vermeiden gelernt, in die sie selbst verfallen ist, ohne die der philosophisch nicht geschulte Naturforscher seinerseits noch heute fast gewiss verfällt.“ Das trifft nicht 1905 zu, sondern auch 1999. „Aber auch positive, wertvolle Gedanken, wie zum Beispiel die verschiedenen Erhaltungsideen, hat das philosophische Denken der Naturforschung geliefert. Der Philosoph entnimmt wieder der Spezialforschung solidere Grundlagen, als sie das vulgäre Denken ihm zu bieten vermag. Die Naturwissenschaft ist ihm einerseits ein Beispiel eines vorsichtigen, festen und erfolgreichen wissenschaftlichen Baus, während er andererseits aus der allzu großen Einseitigkeit des Naturforschers nützliche Lehren zieht. In der Tat hat auch jeder Philosoph seine Privat-Naturwissenschaft und jeder Naturforscher seine Privat-Philosophie. Nur sind diese Privat-Wissenschaften meist etwas rückständiger Art.“

Ist ja auch heute noch so. Viele Naturwissenschaftler haben ihre Privat-Philosophie, die sie meist undurchschaut-implizit, auch weltbildbehaftet, ideologisch behaftet, in ihre Forschungsergebnisse hineinbringen, wie auch viele Philosophen auch weltbildverhaftet undurchschaut, eine Art von privater Naturwissenschaft pflegen. „Nur sind diese Privat-Wissenschaften meist etwas rückständiger Art. In den seltensten Fällen kann der Naturforscher die Naturwissenschaft des Philosophen, wo sich dieselbe gelegentlich äußert, für voll nehmen. Die meisten Naturforscher hingegen pflegen heute (1905) als Philosophen einen 150 Jahre alten Materialismus, dessen Unzulänglichkeit allerdings nicht nur die Fach-Philosophen, sondern alle dem philosophischen Denken nicht zu Fernstehenden längst durchschaut haben.“ Und dann Schluss jetzt, nach dieser Wendung. „Überblicken wir die Jahrtausende alten Wege, welche viele Philosophen und Naturforscher gewandelt sind, so finden wir dieselben teilweise schon gebahnt. An manchen Stellen scheinen sie sich aber durch sehr natürliche, instinktive, philosophische und naturwissenschaftliche Vorurteile verlegt, welche als Schutt älterer Versuche misslungener Arbeit zurückgeblieben sind. Es möchte sich empfehlen, das von Zeit zu Zeit diese Schutthalden weggeräumt oder umgangen werden.“

Also, das kann ich mir durchaus zu eigen machen. Es ist unbedingt wichtig, dass diese Schutthalden zur Seite geräumt werden. Sie müssen nicht umgangen werden. Man muss das einfach wissen, und man muss versuchen, der Philosophie, ich sag mal, wenn sie überhaupt noch einen Sinn haben soll, eine neue Würde gleichsam zu verschaffen und dem Denken nochmal eine Chance zu geben. Ich habe ja immer wieder auch gesagt, dass Denken, das ist ja auch keine tiefe Einsicht, einen sehr geringen Stellenwert heute hat. Es gibt Forschen, Rechnen, Messen. Es gibt Erzählen, alles Mögliche, aber es wird wenig gedacht. Denken hat keinen… , man glaubt nicht mehr an das Denken.

Das Denken scheint abgewirtschaftet zu haben, zumal es schon schwierig ist, sich darüber zu verständigen, was denn überhaupt Denken sein soll. Ich meine, wenn Denken, philosophisches Denken, etwas anderes sein soll als naturwissenschaftliches Forschen, dann muss es mit Vernunft zu tun haben. Was heißt Vernunft? Auch das ist schwierig. Wie lässt es sich abgrenzen zum Verstand?

Darüber hat ja gestern Johannes Heinrichs in seiner Vorlesung einiges gesagt. Er hat mir gestern ein Buch geliehen, was ich sehr interessant finde. Ich habe gleich gestern Abend darin intensiv gelesen. Das Buch eines Naturforschers, genauer gesagt eines Veterinär-Mediziners, Fritz Preuß, Direktor des Instituts für Veterinär-Anatomie, Histologie und Embryologie der Freien Universität. Er war es jedenfalls, von 1987, mit dem Titel „Der Aufbau des Menschlichen“, Untertitel „Die Mitschöpfung der Lebewesen an ihrer Gestaltung“, zweiter Untertitel, jetzt wird es interessant, „Eine biologische Evolutionstheorie des konkreten Vitalismus“. Erstaunlich, dass 1987 ein Naturforscher mit Professorentitel der Freien Universität, den Mut hat, an die Öffentlichkeit zu treten mit einer Evolutionstheorie des konkreten Vitalismus. Ich habe ja im Sommersemester 1997 verschiedentlich auch diese ganze Frage behandelt, was heißt Vitalismus, Hans Triesch und so weiter. Inwiefern kann man da eventuell das Ganze von einer neuen Ebene aus denken? Ich habe mit Interesse angefangen das zu lesen, finde es hochspannend, auch was er…, bin noch nicht zu den eigentlichen Pointen vorgestoßen, was er nun vorstellt als eigene Evolutionstheorie. Aber es ist hoch spannend, und er äußert sich auch zu der Frage Vernunft und Verstand. Das will ich eben vorlesen, was er dazu sagt, am Ende des ersten Kapitels, und dem kann ich mich in der Grundrichtung anschließen, wie er also Verstand und Vernunft versucht zu trennen.

Jeder hat das eher instinktive Verständnis von Vernunft als einer höheren Ebene von Verstand. Das ist auch im Alltagssprachgebrauch leicht abrufbar. Vernunft ist mehr. Verstand ist so eine Art Ordnungs- oder Zusammenhangssinn für die sinnlich-physischen Phänomene, und Vernunft betrifft eine andere Ebene, eine Sinn-Ebene, eine Ganzheitsebene.

Ich lese mal diese Passage hier vor von Fritz Preuß aus dem Buch „Der Aufbau des Menschlichen“, ganz bewusst übrigens gegen Lorenz gerichtet mit dem Buch „Der Abbau des Menschlichen“: „Das unbeirrbare Vertrauen in die chemo-physikalischen Naturgesetze, das kritische Vertrauen auf das moralische Bewusstsein des unverbildeten Menschen und die Liebe zu allem Schönen sind verlässliche Führer überhaupt für Naturforschung.“, sagt er, ich glaube, das lässt sich schlecht bezweifeln. „Dabei ist streng zu unterscheiden zwischen Ding-Wissen, des für die Dingwelt zuständigen Verstandes und Sinn-Wissen der für die Wesenswelt zuständigen Vernunft.“ Also er unterscheidet zwischen Ding-Welt, auf die sich der Verstand bezieht, und Sinn-Wissen der für die Wesenswelt zuständigen Vernunft. „Das höchste Diesseits-Bewusstsein erreicht der voll bewusste Verstand als messlogisches Bewusstsein der Dingwelt.“ Eine sehr schöne Definition, messlogisches Bewusstsein der Dingwelt. Da ist die Logik drin, da ist das Messen drin, da ist die Dinglichkeit drin, also messlogisches Bewusstsein der Dingwelt. Die voll bewusste Vernunft wird darüber hinaus das sinnlogische Bewusstseins des Daseins. Also, er unterscheidet hier interessant zwischen Messlogik und Sinnlogik. „Die voll bewusste Vernunft wird darüber hinaus das sinnlogische Bewusstsein des Daseins. Dadurch prägt sie das Menschliche und ist für die irdische Schöpfung verantwortlich.“

Also, ich werde mir das in den nächsten Wochen sehr gründlich durchlesen und werde Ihnen dann im Sommersemester davon erzählen. Ich bin sehr gespannt auf diese Theorie, die hier dargestellt wird. Die ersten 30, 40 Seiten sind da schon sehr aufschlussreich, was immer da noch kommen mag, immer ein konkreter Vitalismus hier, in gewisser Weise auch eine neue Evolutionstheorie. Aber deswegen bringe ich es nicht. Ich sage das nur wegen der sehr schönen Unterscheidung von Messlogik und Sinnlogik.

Der von mir, wie sie wissen, geschätzte Philosoph Ken Wilber hat den Begriff der vision logic geprägt. In deutschen Ausgaben steht meistens dafür so Schau-Logik. Schau-Logik ist das, was eigentlich Vernunft bedeutet. Also Schau-Logik ist eine bestimmte Stufe, die über das eigentlich Mentale hinausgeht, im Grunde ein Stück weit schon eine transmentale, eine transrationale Ebene, also mehr als nur Ratio, ganz zu schweigen davon, dass [das] natürlich mehr ist als nur Intellekt. Und ich teile die Auffassung von Ken Wilber, übrigens auch die Auffassung von Johannes Heinrichs in dem Punkt, dass eine richtig verstandene Vernunft, Wilbers vision logic, wenn man sie konsequent betreibt und weiterdenkt, gewissermaßen eigengesetzlich in die Spiritualität führt.

Es ist also kein Widerspruch zur Spiritualität. Es ist kein Sprung in eine vollkommene geistige Anderswelt, sondern es ist ein gewisses Kontinuum, eine in bestimmter Weise konsequent, ganzheitlich oder auch integral vorangetriebene Vernunft, führt zum Spirituellen. Das kann man bei den deutschen Idealisten ganz deutlich auch feststellen. Das ist tatsächlich so. Das ist eine Denkbewegung, die letztlich noch einer weiteren Stufe bedurft hätte, die aber nicht erfolgt ist. Das ist ja immer wieder das Lamento vieler Historiker, auch des deutschen Idealismus gewesen, dass man festgestellt hatte, es ist ungeheuer viel angelegt gewesen, aber dann ist das Ganze durch den zunehmend gröber werdenden Materialismus plattgewalzt worden, und man hat heute Mühe, diese Denkansätze wieder zu verlebendigen, das ist mal wichtig.

Die Vernunft rührt an diese Grenze. Sie vermag sogar bis zu einem gewissen Grade diese Grenze zu überschreiten oder durchlässig zu machen. Das sagt übrigens auch Fritz Preuß schon im ersten Kapitel seines Buches hier. Er vertritt die These, dass die Vernunft, diese Sinnlogik, einen ersten Zugang eröffnet auch zu dem, was er Allbewusstsein nennt, was er nicht mystisch meint, sondern anders als das Grundbewusstsein des Universums überhaupt. Alaya vijana, wie das die Buddhisten nennen. Das taucht also bei Fritz Preuß auch auf. Ich finde das hoch interessant und werde mich da noch eingehender mit beschäftigen und werde Ihnen das auch dann mitteilen, was ich da herausgefunden habe.

Nun, eine neue Naturbetrachtung, die ja ein großes Thema ist, muss sich einer ganzen Reihe von aufwühlenden Fragen stellen und tut das auch, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll. Und zu den zentralen Fragen gehört natürlich immer wieder die Frage nach dem Zusammenhang des Stoffes und des Geistes bzw. der Seele, jetzt einmal nicht unterschieden. Und das muss man unterscheiden, das tue ich ja auch, Geist und Seele und Stoff bzw. Materie. Kurz gesagt, jetzt mal gnostisch, denken sie an das, was ich Ihnen von der Gnosis erzählt habe vor zwei oder drei Wochen. Gnostisch gesprochen: Wie kommt der Geist, wie kommt die Geistseele in den Stoff rein? Und wie ist dieser rätselhafte Zusammenhang von Geist und Stoff überhaupt zu fassen? Denn dass er rätselhaft ist, da besteht kein Zweifel dran. Und ich habe im Laufe der Jahre viele intensive Gespräche auch geführt, etwa mit dem homöopathischen Arzt Volker Rohleder, über diese Frage: Wie ist das eigentlich mit dem Verhältnis von Stoff und Geist? Denn ihn selber als Homöopathen hat immer wieder bis heute verwundert, manchmal erschreckt, wie es kommt, dass eine bestimmte Arznei, etwa Blei oder Phosphor oder was immer, in einer bestimmten Situation eine so weitreichende Wirkung auslösen kann, bis hinein in die psychische, mentale Befindlichkeit, ja bis an die Grenze der Persönlichkeit, also bis an die Grenze der Charakterstruktur, von der es ja immer heißt, die kann dadurch nicht angetastet werden, aber auch das ist mittlerweile nicht mehr so sicher.

In dem letzten Gespräch, was wir hatten über diese Frage, hat Volker Rohleder auch die Frage ventiliert, ob nicht doch bei bestimmten Hochpotenzen die Charakterstruktur mit ins Spiel kommt, dass also die tiefste Wesensstruktur des Menschen damit sozusagen tangiert wird, ja beeinflusst wird, was natürlich ein Riesenthema ist. Wenn Sie das interessiert, vielleicht haben sie es gelesen, am 25. Februar gibt es wieder eine Diskussion über diese Frage, über Homöopathie an der Urania, auch über die Frage, das ist ein Physiker, der da mitdiskutiert, und andere, im Podium über diese hoch spannende Frage, 25. Februar in der Urania. Gerade die Homöopathie macht das sehr deutlich. Und wenn sie daran denken, was ich im Winter 97/98 auch über Homöopathie gesagt habe, denken sie an das Zitat von Sloterdijk, der sagt, dass sozusagen kleine Subjekte in den Stoffen [sind], in der Arznei, das wirft da ungeheure Fragen auf.

Was heißt das denn überhaupt, wenn eine sogenannte anorganische Substanz in der Lage ist, so weitreichende psychische, mentale Veränderungen heraufzubeschwören und in Hochpotenzen, also in der vollständig entmaterialisierten Form, ja bis in die Charakterstruktur hineingreifen kann, ist ja kolossal weitgehend. Was ist dann dieser Stoff? Ich meine, Hahnemann hatte ja die Formel geprägt von der Geistartigkeit der Stoffe, er hat nicht gesagt, der Stoff ist der Geist selbst. Er hat nur gesagt, der Stoff ist geistartig. Und diese eher aperçuhafte Formulierung von Sloterdijk, dass er sagt, es gibt sozusagen kleine Subjekte in den Arzneien, also in der anorganischen Materie, gibt es eine Subjekthaftigkeit hat natürlich auch einen wichtigen Aspekt. Es könnte ja tatsächlich so sein, dass potentialita, die Subjekthaftigkeit, bereits in der anorganischen Materie angelegt ist. Es würde ja auch weitreichende Schlussfolgerungen nach sich ziehen. Die Fragen sind offen. Sie werden diskutiert, und sie sind wichtig, weil man gerade hier auf eine sehr praktische, direkte und auch nachprüfbare Weise diese Berührung sieht zwischen Materie, Stoff und Geist bzw. Seele.


Ich sehe, dass wir gerade Halbzeit haben. Ich mache mal eine kleine Pause, sagen wir mal mal zehn Minuten. Und dann… Ja, wir können immer weitermachen. Ich will auch kurz darauf hinweisen, dass die letzte Vorlesung von Johannes Heinrichs in 14 Tagen bzw. 13 Tagen am 16. Februar nicht um 18:00 Uhr, sondern um 16.00 Uhr in der Luisenstraße 56. Wer da kommen möchte, ein Kolloquium, ein Vortrag und Kolloquium, also am 16. Das ist der Montag, 15. Danke. Also der Montag gestern in 14 Tagen, heute in 13 Tagen, morgen um 12 Tagen, übermorgen 11 Tagen. 16 Uhr 15 Punkt 1. Punkt 2.

Ein mir bekannter Herr, Chemiker, hat mich in der Pause darauf hingewiesen, ich hätte hier den ontologischen Gottesbeweis von Anselm von Canterbury erneuert. Ich will da kurz mich dazu äußern, was diese Aussage betrifft, dass Philosophie nur denkbar sei, wenn es, so Schelling, das war ja das Zitat, im objektiven Gang der Dinge Weisheit gäbe, und andere Frage, ob man Weisheit und Gott gleichsetzen kann. Aber eben mal egal, sie wissen das vielleicht, ich darf sagen, also Anselm von Canterbury hatte, Scholastiker im Mittelalter, die These aufgestellt: Weil ich Gott denken kann, muss er auch existieren. Also, was ich denken kann, muss auch existieren, ist ja eine weitreichende These. Man kann das ja auch von verschiedenen Perspektiven aus sehen, etwa von der Mathematik aus, weil ich bestimmte Formeln denken kann, müssen sie existieren. Weitreichende These. Dieser Gottesbeweis, so wurde das hier nochmal in Erinnerung gerufen, sei doch nun hinlänglich widerlegt und ich würde sozusagen einen alten Hut herausholen, noch mal wieder Scholastik-Mittelalter Anselm von Canterbury.

Punkt eins ist, das wäre eine eigene Vorlesung, was genau dieser Gottesbeweis meint. Ist er unhaltbar? Ist er widerlegt worden? Ist er so überhaupt widerlegbar? Das ist eine ganz andere Frage. Die kann ich vollkommen offen lassen. Ich meine nicht, dass das ein wirklicher Gottesbeweis ist, den Anselm von Canterbury geführt hat. Und es liegt mir wahrlich fern, nun einen solchen hier in diesem Kontext zu führen, weil ich meine, dass diese Art von Betrachtung der Dinge uns hier nicht weiterführt. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass im Ursprung der Philosophie der Gedanke immer präsent war, dass die Weisheit da draußen in den Dingen ist und dass sonst Philosophie zur Selbstbespiegelung wird, wenn das nicht der Fall ist. Das wurde es ja von einem bestimmten Punkt an, und das habe ich in Parallele gesetzt zu der naturwissenschaftlichen Grundüberzeugung, dass es so eine Art Ordnungszusammenhang in der Natur gibt, den man auch erkennen kann. Nur so macht Naturwissenschaft Sinn, sonst würde es ja eine reine Projektion sein. Ich befinde mich in einem vollkommen unbekannten, unwegsamen Terrain und projiziere etwas aus mir heraus. Das führt natürlich auf die Grundfrage bei diesen Fragen überhaupt nach Sein und Bewusstsein und Sein und Projektion. Was ist meine Projektion. und was kommt mir wirklich aus der Welt entgegen? Das ist wirklich sehr schwierig diese Frage. Wo projiziere ich, wo projiziert der Mensch, und wo kommt ihm etwas aus den Dingen selber entgegen? Das ist oft sehr schwer auseinanderzuhalten.

Man kann ja sagen: Was sind denn bestimmte Regelhaftigkeiten in der Natur, die ich mathematisch beschreiben kann? Sind das Projektionen? Oder kommt mir das aus den Dingen selber entgegen? Und ich fixiere das nur. Also die Frage, auch in der Psychologie ist es ja ungeheuer schwierig. Und das ist letztlich die Frage nach Sein und Bewusstsein, nicht, in der Tiefe. Was bestimmt eigentlich die Dinge, das Sein oder das Bewusstsein? Und dann, wenn man sagt, das Sein bestimmt das Bewusstsein, wie das Marx dachte, dann muss man fragen: Was ist dieses Sein? Und wenn man es umgekehrt denkt, wie das Hegel dachte, muss man fragen: Was ist dann dieses Bewusstsein? Das ist letztlich die Frage, um die es dabei geht. Die Frage ist schwer zu entscheiden.

Ich denke, dass immer beides vorliegt. Wir projizieren in die Welt hinein, und uns kommt etwas entgegen. Nicht nur, dass das Subjekt projiziert, dass ganze Epochen, ganze Zeitalter ja projektiv arbeiten. Es gibt ja Projektionen und kollektive Projektionen, die eine ganze Gesellschaft bestimmen über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende. Also ich wollte den Gottesbeweis von Anselm von Canterbury nicht erneuern.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass ein wichtiger Ausgangspunkt meines Ansatzes einer möglichen neuen Naturphilosophie der Grundimpuls ist, der Grundgedanke, der auch als eine Projektion abgewertet werden könnte, dass wir ohne eine neue Anthropologie, ohne ein neues Verständnis dessen, was der Mensch ist, nicht weiterkommen. Und zwar aus einem sehr einfachen Grunde, weil der Mensch erst einmal als ein Ich-Wesen sich selber als einziges Wesen unmittelbar wahrnehmen kann und dass [er] aus dieser Selbstbeobachtung heraus einen weiteren Schritt vollziehen kann. Das ist ja das Mysterium der Ichhaftigkeit des Menschen, dass sich jeder Einzelne sich selber nur unmittelbar begreift. Und das geht bis in die Leiblichkeit hinein. Man hat nur unmittelbar den eigenen Leib, während der andere Leib eben der andere ist.

Und die ganze Frage, ich und der Andere oder das Andere oder die Andere ist eine sehr tiefe Frage. Fast möchte ich sagen, in den Mittelpunkt rücken möchte [ich] die Frage nach dem menschlichen Leib, etwa festgemacht an dem Phänomen der Polarität. Ich werde dazu noch einiges sagen. Das ist mir eine ganz zentral wichtige Frage: Was ist eigentlich der Leib, der nicht einfach Körper ist, von außen. Also jeder von uns in diesem Raum, jeder ist natürlich auch Körper, der ein Gewicht hat, der ganz bestimmten physikalischen Gesetzmäßigkeiten gehorcht. Aber gleichzeitig ist hier jeder Einzelne von seiner Innenperspektive aus als Körper auch Leib, das heißt gefühlter, durchseelter, belebter Leib. Und das ist mit keinem anderen zunächst einmal teilbar auf eine unmittelbare Weise. Da liegt der Punkt. Also, und da ist ein Ansatzpunkt. Ich meine, dass man über eine vertiefte Betrachtung des menschlichen Leibes in der Tat in der Lage ist, Weltzusammenhänge zu erkennen. Das setzt natürlich auch eine Prämisse voraus, die ich nicht verschweigen will. Die Prämisse ist folgende, sie ist in gewisser Weise eine holographische Prämisse.: Ich setze voraus, dass im Prinzip in jedem Teil, wie das in der Holografie auch der Fall ist, um mich jetzt dieses technischen Bildes zu bedienen, dass in jedem Teil in gewisser Weise das Ganze verschlüsselt ist, ja als Ganzes präsent ist, so dass also letztlich, wenn ich die Einzelheit in der Tiefe betrachte, ich auch auf die allgemeinen Gesetze kommen müsste. Das ist eine Grundannahme, also letztlich, letztlich ja auch die Annahme einer tiefen Einheit des Universums, so dass in jedem Einzelteil sich das Ganze spiegelt. Im Grunde bräuchte ich da nur ein Segment und könnte theoretisch und idealiter von diesem kleinen Segment aus die Weltzusammenhänge erschließen. Denn in jedem Teil der Welt bündelt sich alles, was diese Welt an Gesetzen, an Bewusstseinsimpulsen und möglicherweise auch an Wesenhaftigkeiten, auch am Göttlichen, wie man es nennen will, enthält. Das ist die Annahme. Warum nicht dann auch in der unmittelbaren Leibhaftigkeit, die man da auch als Ausgangspunkt nehmen könnte? Das ist ja der Ausgangspunkt des Tantrismus. Das habe ich ja auch versucht darzustellen. Und dann könnte man die Formel, die ja in der Chaostheorie verwendet wird, von der Selbstähnlichkeit heranziehen. Was bedeutet das? Das will ich Ihnen auch versuchen vorzustellen im Sommersemester. Dazu gleich mehr.

Nur noch zu einigen Grundmomenten, die eine mögliche neue Naturphilosophie enthalten könnte oder müsste. Ich habe schon einen Punkt genannt. Ich habe gesagt, dass man neu fragen müsste nach den sogenannten Naturgesetzen. Nicht, dass es möglicherweise eine Ebene gibt, von der aus die Naturgesetze emanieren. Und dass wir, wie das Roger Penrose vermutet, noch gar nicht die wahren und eigentlichen Naturgesetze kennen. Das ist eine wichtige Reflexion.

Was sind eigentlich diese sogenannten Naturgesetze, und wie kann man sie auf irgendeine Weise neu denken? Und das führt natürlich in Grundfragen auch hinein der Sprache. Das ist mir auch ein wichtiges Thema seit vielen Jahren. Die Dinge werden in einer bestimmten Weise benannt, und ich finde es nicht unwichtig, dass wir uns darüber verständigen, wie nennen wir die Dinge? Man kann das ja sehr schön zeigen an dem Begriff der Energie, der mittlerweile eine solche Breitenwirkung gewonnen hat, dass er fast schon inflationär geworden ist und sich entwertet und entwertet wurde. Was ist schon Energie? Alles ist irgendwie Energie oder auch nichts. Also der Begriff Energie ist immer noch nicht ersetzt worden durch einen anderen Begriff, der genau die gleiche Spannweite hätte. Aber er neigt dazu, mittlerweile auszudünnen und inflationär zu werden, weil mehr oder weniger alles Energie ist. Das hat sich ja längst abgelöst von dem ursprünglich physikalischen Sinn. Aber gleichwohl ist es ein Ringen um diese Begriffe. Ich finde es kolossal wichtig, dass man sich wirklich ganz genau im Klaren ist, welche Begriffe verwende ich. Denn, wenn ich Energie sage, meine ich erst einmal eine Es-Haftigkeit, meine in gewisser Weise eine Anonymität. Ich meine ja nicht ein Wesen. Ich meine ja nicht ein subjektbezogenes, selbstreflexives Wesen. Ich meine ja jetzt nicht, ein, jetzt mal im Sinne der letzten Ergüsse von Rupert Sheldrake, ein Engelwesen oder eine höhere kosmische ichhafte Intelligenz, meine ich ja nicht. Dann müsste ich es ja nicht Energie nennen. Ich meine ja doch im Normalfall ein es-haftes Wesen. Und da liegt schon der Punkt, wie benenne ich die Dinge, und das finde ich wichtig, und dass die Philosophie darauf ein Augenmerk legt, wie die Dinge benannt werden; oder auch die Frage der Kräfte. Das habe ich ja im Zusammenhang mit Newton und auch der Quantentheorie angesprochen. Was sind wirklich Kräfte?

Wenn sie das genau verfolgen in der Geschichte der Naturwissenschaft, werden Sie feststellen, dass eine große Unklarheit herrscht darüber, was unter Kräfte verstanden wird. Was sind Kräfte? Sind das eigene immaterielle Wesenheiten, wie das Newton sah, immaterielle Wirkprinzipien. Er setzt manchmal anstelle von forces spirits. Interessant, Newton setzt manchmal spirit und force gleich. Also force ist auch spirit, ist also eine Geistwesenheit, eine immaterielle Entität. So hat das ja Newton tatsächlich gesehen. Ich habe das ja in meiner Newton-Vorlesung auch gezeigt. Er war da Dualist. Also was sind Kräfte?

Kräfte sind nicht die Materie. Sie bestimmen Materie, sie lenken Materie, sie durchdringen möglicherweise Materie. Aber was sind sie? Ich meine das nicht in einem nur ontologischen Sinne philosophisch, sondern auch naturwissenschaftlich. Die Frage ist offen. Eine schwierige, aber hoch interessante Frage, was sind sogenannte Kräfte? Da ist man genau bei dem nächsten Thema, das mir auch sehr am Herzen liegt, wie sie wissen, die Frage nach den Feldern. Nicht, was sind Felder? Eine Frage, die seit 150 Jahren immer wieder diskutiert wird, in den letzten Jahrzehnten auch in Zusammenhang mit der Frage nach den sogenannten biologischen Feldern. Was sind Felder? Sind das mathematische Abstraktionen von unverstandenen Zusammenhängen? Oder sind das eigene Entitäten, die tatsächlich aus dem Raum heraus wirken, also Wirkgrößen im Raum selber, im Raum oder sind es Wirkgrößen des Raums? Nicht, die Frage haben wir ja gestellt, sind sie im Raum, oder sind sie der Raum?

Ich habe ja den Begriff der Raum-Energie hier auch angeführt. Man kann ja auch sagen, es sind Potenziale, dass sie also als Potenziale noch hinter der eigentlichen Energie-Ebene liegen. Das sind schwierige Fragen, die aber wichtig sind. Und die Frage nach der möglichen Energie des Vakuums, die ich ja in der ersten Vorlesung im Januar hier dargestellt habe, hängt damit zusammen. Es ist ja auch die Äther-Frage, nämlich die Frage nach dem Raum-Äther, die ja wirklich zentral wichtig ist. Was ist der sogenannte Raum-Äther, wenn es ihn gibt. Oder ist der Begriff falsch? Bei der Frage des Feldes: Ist das Feld etwas anderes als Äther? Ist Äther nur eine Zustandsform des Feldes oder umgekehrt? Alles mehr oder weniger ungeklärte Fragen.

Dass da ein Zusammenhang besteht mit dem Lichtäther habe ich auch dargestellt, der ja als obsolet und überwunden und widerlegt gilt, der aber in vielerlei Hinsicht keineswegs tot ist, sondern eine merkwürdige Lebendigkeit zeigt. Man kann sogar sagen, die Äther-Frage scheint eine der Zentralfragen einer neuen Naturwissenschaft zu sein. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass die Äther-Frage eine Schlüsselfrage ist. Und wenn man ein bisschen die Grenzbereiche der modernen Naturwissenschaft beleuchtet, dann stellt man auch fest, dass es tatsächlich so ist, dass die Frage nach dem Äther, verstanden auch als Raum-Äther oder als Potenzial des Raumes selbst, noch hinter dem Feld, eine zentrale ist, auch in verschiedener Weise gedacht wird, übrigens auch ganz stark in Russland. Einige Physiker in Russland, die haben das schon zu Zeiten der Sowjetunion gemacht, sind an diesen Themen dran. Asimov zum Beispiel aus der Russischen Akademie der Wissenschaften und andere beschäftigen sich mit diesen Fragen, versuchen da sehr weit vorzustoßen und lassen damit vieles in der herkömmlichen Physik weit hinter sich, ohne sich vollkommen von der herkömmlichen Physik zu lösen. Das sind so Grenzphänomene, Grenzgeschichten, also an der Grenze zwischen herkömmlicher Physik und einer, sagen wir mal, Außenseiter-Naturwissenschaft, um mal dieses Schlagwort jetzt hier zu verwenden, was der Arnim Bechmann verschiedentlich verwendet, also Außenseiter-Naturwissen-schaft. Es ist also eine Grenze zwischen Außenseiter-Naturwissenschaft und traditioneller Naturwissen­schaft. Auch diese Fragen sind wichtig, und ich habe mich verschiedentlich dazu geäußert.

Und wir müssen um diese Fragen ringen, weil wir sonst nicht weiterkommen. Die Frage der Felder, die Frage des Äthers sind zentral wichtig und auch die Frage, auch das war ja eine eigene Folge, nach den Zahlen. Also, es ist ja ein offenes Geheimnis fast, dass es jenseits der mathematischen Abstraktion, und viele Mathematiker selber dachten ja so, noch eine andere, eine tiefere Mathematik gleichsam gibt, von der diese herkömmliche Mathematik nur abgeleitet ist. Nicht, viele Mathematiker, auch berühmte Mathematiker, Henri Poincaré und andere, waren der Auffassung, Zahlen sind eigene seelisch-geistige Wesenheiten. Also eine Zahlenmystik auf relativ hohem Niveau wurde da vorgestellt. Wir kennen Numerologien aus allen Kulturen der Menschheit. Also es tut sich der Verdacht auf, sage ich mal, das möglicherweise, mit aller Vorsicht gesagt, vielleicht alle Numerologien der Menschheitsgeschichte, nicht, die bestimmten Zahlen bestimmte Bedeutung zuweisen, auch in den magisch-mythischen Kulturen und der Abstraktionismus der neuzeitlichen Mathematik, auf einem gemeinsamen Grund aufliegen, dass dahinter noch eine andere Zahlenordnung steht, was immer wieder auch vermutet worden ist, auch etwa in den harmonikalen Vorstellungen etwa von Kaiser, Rudolf Haase und anderen. Also die Frage nach der harmonikalen Ordnung, der Gestalt auch, dass man, Haase will da erforscht haben, Kaiser will erforscht haben, dass etwa Terzen und Quinten im Pflanzenreich Wirkprin-zipien sind.

Auch die Anthroposophen haben eine Menge interessanter Dinge erforscht. Also, gibt es da harmonikale Wirkprinzipien, die als eigene immaterielle Entitäten in die Materie reinwirken und Gestalt bestimmen? Warum spielt die Zahl 5 etwa im Pflanzenreich so eine große Rolle? Warum haben wir fünf Finger? Darüber denken ja auch Mathematiker und Chemiker nach, wie etwa Peter Plichta, der sich ja mit den Fragen intensiv beschäftigt hat. Also auch das ist eine aufwühlende Frage, der sich eine neue Naturphilosophie stellen muss: Die Frage nach der Zahl.

Ich halte es also für entscheidend wichtig, neben der Frage nach der Energie, nach der Kraft, auch die Frage nach der Zahl. Im Moment ist es ja so, dass es vollkommen auseinanderklafft. Da gibt es die Mathematik. Und dann gibt es auf der anderen Seite die Numerologie, Zahlen-Aberglauben, Zahlenmystik, mythisch-magisches Bewusstsein, mythisch-magisches Verständnis der Zahl. Und im Mittelfeld, kann man sagen, gibt es diese harmonikalen Vorstellungen, die ja häufig mit der Musik in Zusammenhang gebracht werden, nicht, worüber ich ja auch verschiedentlich mich geäußert habe und ja auch dazu einiges geschrieben habe, obwohl ich da in keiner Weise meine, irgendwelche sehr weitreichenden Dinge gesagt zu haben. Das ist auch noch ein offenes, schwieriges Feld, was aber hoch spannend ist, was, denke ich, auch nicht ausgeklammert werden darf in dem Zusammenhang.

Eine weitere, ganz wichtige Frage, über die ich mich auch mit dem Marco Bischof, der hier im Sommersemester als ein Gast auch sprechen wird, unterhalten habe, ist die Frage nach diesem merkwürdigen Zusammenhang in lebenden Organismen von Schwere, Gravitation und Licht im Sinne einer Schwereverminderung über das Licht, Stichwort Bio-Gravitation. Das ist ein noch weitgehend unerforschtes oder nur partiell erforschtes Gebiet, die Frage, ob tatsächlich eine, sozusagen eine Schwere-Verminderung über das Licht sich vollzieht, etwa in lebenden Organismen, ob vielleicht die Metaphorik, die wir anwenden, wenn wir sagen, ich bin erleichtert, ich fühle mich belastet, ob das nicht viel realer zu verstehen ist und keineswegs nur metaphorisch. Es gibt da viele interessante Überlegungen, auch im Zusammenhang mit Interpretationen der Homöopathie. Ich habe das aus dem Buch „Bio-Photonen“ von Marco Bischoff entnommen. Also auch das ist eine hoch spannende Frage, die Frage überhaupt des Lichtes in lebendigen Zusammenhängen, im Organismus, und dann auch die Frage, wie weit das tatsächlich antigravitativ wirkt.

Sie denken vielleicht daran, oder sie können daran denken, was ich Ihnen versucht habe zu zeigen im Zusammenhang mit der projektiven Geometrie von Georg Adams, ein Physiker und Mathematiker, der sich unter anderem auf Steiner bezieht, auf diese Gegenüberstellung von ätherischem Raum und physischem Raum, nicht, also Äther-Raum nach außen und der physische Raum, der zentriert nach innen, gravitativ zum Zentrum zieht oder saugt. Also diese Fragen sind auch wichtig und werden behandelt, und ich versuche mich den Fragen zu stellen, obwohl ich weiß, dass sie ungeheuer schwierig sind, also dieser Zusammenhang.

Und dann ist ein weiterer wichtiger Punkt, den ich auch immer wieder anspreche, ist die Frage der Seins-Ebenen. Ich benutze es mal jetzt bewusst unscharf, ich meine jetzt nicht Ebenen des Seienden, sondern Seins-Ebenen. Die Frage der Seins-Ebenen, von welchen Ebenen reden wir, wenn wir sprechen. Hat die Wirklichkeit, ist die Wirklichkeit in sich eine gestufte, eine in diesem Sinne hierarchische oder holarchische Wirklichkeit? Gibt es Ebenen in der Wirklichkeit? Und verwechseln wir nicht manchmal die eine Ebene mit der anderen? Also die Frage der Ebenen, es mag bestimmte Gesetzlichkeit auf einer Ebene geben, also zum Beispiel auf der physikalischen Ebene. Gelten die gleichen Gesetz-mäßigkeiten noch auf der chemischen Ebene? Gelten die gleichen Gesetzmäßigkeiten noch auf der biologischen Ebene, oder sind da ganz andere, weitergehende Wirkprinzipien, die in gewisser Weise die Wirkprinzipien der unteren Ebene überschreiten, transzendieren, in gewisser Weise auch enthalten oder gar aus den Angeln heben? Nicht, ich erwähne ja oft dieses Beispiel der willensbestimmten Bewegung des Leibes, was man sich nicht oft genug klarmachen kann.

Die meisten denken darüber nicht nach, dass es ein Mysterium ist, wieso es überhaupt möglich ist, dass der Mensch kraft seines Willensimpulses seinen eigenen Körper bewegen kann. Wenn er das wirklich könnte, wenn er es wirklich kann, wirklich kraft seines Willens, wird in jedem Augenblick, alles, die gesamte Naturgesetzlichkeit aus den Angeln gehoben, denn ein Energietransport ist nicht nachweisbar. Also was passiert da? Wo gibt es Stellen im Körper, im Gehirn, wo gewissermaßen Freiheitsspielräume sind? Da hat man natürlich dann die Quantentheorie ins Spiel gebracht, wie das John Eccles in seinem letzten Buch gemacht hat. Also auch eine sehr interessante Frage, wie ist das möglich? Wenn man es nämlich vollkommen verneint, macht man den Menschen zum Automaten, was man ja radikal auch dann tun kann. Dann wäre die Willensfreiheit eine pure Illusion und damit auch die moralische Zurechnungsfähigkeit des Menschen. Denn einer kann nicht für etwas verantwortlich gemacht werden, wenn er gar nicht hat anders handeln können. Also die Frage ist dann auch eine moralisch-politische Frage. Gibt es so was wie Willensfreiheit? Die kann man dann auch naturwissenschaftlich weiterverfolgen. Und da ist das Buch von John Eccles, das ich ja mehrfach angeführt habe, hochinteressant, weil er den Versuch macht, da Ansatzstellen zu finden für das Geistselbst, also Ansatzstellen in den Synapsen. Das sind Fragen, die alle wahrscheinlich, und das ist meine Vermutung, in der Tiefe zusammenhängen. Das sind alles Fragen, die offen sind, aber die wahrscheinlich einen tiefen inneren Zusammenhang haben.

Auch die Frage, als letzte, der Dimensionen, die ja nicht nur eine mathematische ist. Ich habe das ja auch mehrfach angesprochen. Was ist mit möglichen anderen Dimensionen? Mathematisch kann man das postulieren. Man kann mit n Dimensionen rechnen und dem sog. Hilbert-Raum in der Quantenmechanik. Das kann man machen. Es gibt verschiedene Modelle, etwa [von] Burkhard Heim, mit 12 Dimensionen zu rechnen. Das ist möglich, mathematisch. Die Frage ist nur: Wie sieht es ontologisch aus? Sind diese Dinge.., haben diese Dimensionen einen realen Grund? Jetzt im Sinne des Anselm von Canterbury: weil ich sie denken [kann], sind sie wirklich? Oder sind sie nur Konstrukte des Geistes und haben gar keinen Wirklichkeitsgrund? Eine auch offene Frage: Wieviel Dimensionen gibt es wirklich? Was ist überhaupt eine Dimension? Und wie wirkt sie. Auch das sind Fragen, die damit eng zusammenhängen.

Das führt natürlich auch in die ganzen Grenzphänomene hinein, in die Parapsychologie, die Frage von UFOs und so weiter. Das ist alles diese zentrale Frage nach den Dimensionen, und das ist offen. Auch da plädiere ich ja immer, seit Jahren, für eine unverkrampfte Phänomenologie, wenn man sich einfach mal die Phänomene anguckt. Ich möchte es auch jetzt wieder tun. Da bin ich geradezu ein leidenschaftlicher Verfechter einer Phänomenologie. Lasst uns die Phänomene angucken, die da sind und nicht vorschnell in eine verengende, häufig genug ja auch nivellierende Interpretation hineingeraten. Auch, dass man das aushalten kann, dass man das Phänomen nicht erklären kann, aber es ist ein Phänomen. Und auch da ist ja ein gewisser Trend, dass bestimmte Phänomene besetzt sind durch bestimmte Interpretationen und von vornherein mit diesen Interpretationen zusammen an die Öffentlichkeit geraten, so dass das Phänomen gar nicht mehr getrennt werden kann von seiner Interpretation, was ich bedauerlich finde. Nicht, also das UFO-Phänomen, da wird gleich eine bestimmte Interpretation mitgeliefert von manchen, die aber nicht stimmen muss.

Aber das Phänomen bleibt, wenn es denn ein Phänomen ist, oder man sagt, es sind gar keine Phänomene. Da sind wir dann wieder bei dem Punkt, was sind wirkliche Phänomene, wieder letztlich: Sein ‒ Bewusstsein, Sein ‒ Projektion. Wo projizieren wir, wie können wir dann projizieren? Wie ist das überhaupt möglich?

Also das sind alles Fragen, die mich seit vielen Jahren beschäftigen und die ich auch hier in den Vorlesungen immer wieder vorstelle. Und es sind die schwierigsten Fragen, die man sich überhaupt denken kann bei der Frage der Naturbetrachtung.

Ich will jetzt mal einen kurzen Überblick geben über das Sommersemester, wie ich mir das vorstelle, wenn sie vielleicht mal bitte den Zettel, das Blatt zur Hand nehmen. Das sind zwölf Vorlesungen. Das Rahmenthema heißt „Das lebende Buch der Natur“. Das habe ich vor sieben Jahren schon mal genommen, diese Formel, in einem anderen Kontext, es ist eine Metapher aus dem Mittelalter, das Buch der Natur, die ich hier aufgreife, Teil 1 „Tiefen-Ökologie und neue Naturphilosophie“. Ich gehe mal gleich in den Zentralbereich hier der Themen, nämlich die fünfte Vorlesung 18.5., 25.5., 1.6., 8.6.. Im Zentrum des Semesters soll stehen die Frage der Polarität.

Ich habe ja immer in einem Semester einen bestimmten Fokus. Das war einmal Innerer Raum. Das war auch mal die Frage der Geomantie, im Sommer 97, und das soll jetzt sein die Frage der Polarität. Ich will versuchen, dieses Grundprinzip, Bauprinzip der Natur an drei Beispielen, an drei Facetten, an drei Perspektiven zu zeigen, und zwar einmal an der räumlichen Komponente festmachen von oben und unten und außen und innen. Es ist ja, wenn man das vom Leib aus denkt ja signifikant, der menschliche Leib hat nicht nur ein rechts und links, ein oben und unten, vorne und hinten. Er ist in bestimmter Weise gebaut, was ja auch traditionelle spirituelle Systeme immer gewusst haben. Die haben damit ganz bestimmte Werte verbunden, etwa das Chakren-System. Das oberste Chakra ist das zum Kosmos geöffnete, was aber nur geöffnet werden kann, wenn alle anderen Chakras ebenfalls integriert sind. Aber dieses Thema von oben und unten und von Öffnung zum Kosmos und Erdung und mit dem Menschen als einem mittleren Bereich, als ein Mesokosmos, der Mensch als mittlerer Kosmos, als Mesokosmos. Da kann man also aus dieser Betrachtung eine Menge ableiten und auch ableiten, wenn man jetzt die außen-innen-Polarität überträgt auf Bewusstsein und Sein. Denn Außen und Innen ist ja nicht nur räumlich buchstäblich außen und innen, sondern ist ja auch geistig außen und innen. Im Mittelalter ist es ja nicht geschieden worden, da war ja das Innen im Sinne von jenseits auch das, was außen war, nämlich oberhalb der Fixsternsphäre, nicht, das Jenseits war ja da drüben, woanders. Und diesen Zusammenhang auch von innen und außen im Leib, dass ja der Mensch seine eigenen inneren Organe, die innen sind, eigentlich sind sie außen, sie sind innen, physisch. Aber das ist das, was ihm am allerfremdesten ist, was mit seiner Identität am wenigsten zu tun hat. Insofern sind die inneren Organe, die eigentlich innen sind, im Grunde außen, das Äußerste, das Äußerlichste, und das Äußere ist eher das Innere, weil es die Menschen als Menschen überhaupt kennzeichnet.

Also da sind interessante Einsichten zu gewinnen. Das will ich versuchen, auch im Zusammenhang mit der Frage der zeitlichen Komponente, die natürlich sofort die Frage nach dem Rhythmus aufwirft, also die Elementarerfahrung von Rhythmen, die auf vielfältige Weise das organische Leben bestimmen, auch das geistige, das mentale Leben, das erotische Leben bestimmen, die Frage der Rhythmen. Was heißt das, was für Schlussfolgerungen kann man daraus ableiten von dieser Pulsation im Kosmos, also Rhythmus oder Werde-Prinzip, Werde-Prozess? Und dann in einem weiteren Schritt auch die Frage: Stoff, Geist, Seele immer wieder neu nochmal am Organismus gestellt. Primär, ich sage es nochmal, ausgehend vom Menschen, weil wir haben nur in uns selber und durch uns selber diese unmittelbare Erfahrung. Wir sind ja ein Stück weit dieser Leib. Wir haben ja die unmittelbare Erfahrung unsererselbst und können da ansetzen. Das ist wichtig. Da haben wir uns selber und wenn das Analogie-Prinzip richtig ist, was ja immer wieder angewandt wird in der Naturphilosophie, auch in der Naturwissenschaft, dann ist es auch legitim, analog zu schließen. Es ist nicht nur ein poetisches Schließen, sondern es ist ein Schließen, was mit Wirklichkeit zu tun hat, Analogie, Ähnlichkeit. Ohne das Analogie-Prinzip kann man gar nicht erkennen, es ist fundamental wichtig.

Und ich habe dann am 25.5. hier den Marco Bischoff eingeladen, der hier auch ein paar Mal war, in den Vorlesungen, ein Schweizer Privatgelehrter und Wissenschaftsautor, hat eine Menge geschrieben, hoch interessante Sachen, unter anderem zu biologischen Feldern. Wichtig sein Buch, ich habe es erwähnt “Bio-Photonen ‒ das Licht in unseren Zellen”. Nach diesem Untertitel ist auch dann der Vortrag benannt “Das Licht in unseren Zellen”. Das kriegen sie nicht im normalen Buchhandel, ist bei ZweitausendEins nur zu bekommen, in der Kantstraße. Also “Licht in unseren Zellen ‒ Zur Frage biologischer Felder”, eine Frage, zu der ich mich ja verschiedentlich geäußert habe, schon vor anderthalb Jahren in unterschiedlichen Kontexten, was sind überhaupt biologische Felder? Wie kann man das denken? Und da ist der Marco Bischoff einer der besten Kenner zu diesem Thema. Und da haben wir uns darauf geeinigt, dass er über dieses Thema sprechen wird.

Ich will dann am 15. 6., ich lasse mal jetzt die Präliminarien hier weg, es sind nicht nur Präliminarien, sind auch zentral wichtig, aber ich mache das jetzt mal nicht chronologisch. Am 15. 6. will ich mich der Frage der Farben stellen. Ich habe hier mal, vor drei Jahren glaube ich, hier den Bodo Hamprecht gehabt, oder vor vier Jahren, über die Farben, Goethe-Newton-Kontroverse aus der anthroposophischen Sicht. Da muss ich auch sagen, es ist ein Thema, was die Anthroposophen besetzt halten. Das ist schade, weil man kann es auch außerhalb der Anthroposophie behandeln, und das will ich tun. Also das Thema der Farben noch auf eine neue Weise aufgreifen, weil in den Farben sich auf eine einmalige Weise Sein und Bewusstsein, Subjekt und Objekt verschwistern. Denn die Farbe ist kein Ding da draußen, sie ist nicht festmachbar, sie ist nur über und durch ein lebendiges Subjekt das, was sie ist, nämlich Farbe. Farbe, ist nicht objektiv vorhanden, in diesem Sinne wie ein Stuhl oder ein Tisch vorhanden ist oder ein Gegenstand. Das ist dann nur [eine] messbare Energiewelle, aber das ist nicht die Farbe. Die messbare Energiewelle ist das eine, die Farbe ist das andere. Da gibt es Korrelate. Aber was heißt das für die Wahrnehmung? Und da ist die Farbe, finde ich, ein wunderbares Beispiel für diesen Zusammenhang, für diese Verschwisterung von Subjekt und Objekt.

Und das ist auch bei dem nächsten Thema dann der Fall, bei dem Versuch, das hab ich noch niemals in der Öffentlichkeit gemacht, die klassische Elementelehre auf eine neue Weise zu betrachten, also die aus der Antike herrührende Vierteilung der Elemente, man kann das fünfte dazunehmen, die quinta essentia, den Äther. Das kann man auf eine naturphilosophische Weise neu betrachten und neu denken. Und das finde ich ein hoch spannendes Thema. Da gibt es ein sehr schönes Buch der Gebrüder Böhme, des Naturphilosophen Gernot Böhme und seines Bruders Hartmut Böhme über die vier Elemente. Also, Darmstädter Professor für Naturphilosophie, Gernot Böhme.

Dann am 29.6. die Frage nach den Pflanzen, habe mich ja in meinem Buch „Was die Erde will” dazu auch geäußert und will das noch mal hier darstellen, auch unter Einbeziehung der psychoaktiven Pflanzen, weil über die extreme Wirkung, die psychoaktive Pflanzen auslösen, wird etwas Grundsätzliches deutlich. Auch natürlich durch die Arzneien, durch die Nahrung, durch die Ernährung auch. Da sind wir bei einem ganz wichtigen, entscheidenden Thema. Also es geht nicht nur um psychoaktive Substanzen, Pflanzen, es geht auch um die Pflanze überhaupt im Wechselverhältnis, auch über die Frage der Ernährung und der Arzneien. Und in den ersten Vorlesungen geht es nochmal um Grundfragen, die das Ganze philosophisch-erkenntnistheoretisch formulieren. Wenn ich die Metapher verwende vom Buch der Natur: Was heißt das? Das will ich darstellen, warum das sinnvoll ist, so eine Metapher zu verwenden, warum das wirklich was bringt, Erkenntnis erhellend wirkt, nicht nur einfach eine blumige oder poetische Metapher darstellt, sondern dass das wirklich was leistet. In welcher Sprache ist das Buch geschrieben, wie sieht es aus, wie dick ist das Buch? Können wir das lesen? Müssen wir die Sprache lernen? Und so weiter.

Und dann die Grundfrage überhaupt nach dem Naturbegriff und nach der Tiefen-Ökologie will ich dann stellen und auch noch mal erläutern, was ich unter Integraler Tiefen-Ökologie verstehe. Ich denke, dass da ein breiter Fächer aufgemacht ist zu dieser Thematik und hoffe, dass ich das auf eine angemessene Weise darstellen kann.

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