Felder, Seelen, Formungskräfte

Vorlesungsreihe:

Das lebende Buch der Natur I,
Tiefenökologie und Neue Naturphilosophie

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1998/99
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 16

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Nun das Thema heute heißt: Felder, Seelen, Formungskräfte – das Rätsel der organischen Gestalt und der Morphogenese, ein ungeheuer schwieriges und subtiles und komplexes Thema. Es geht ja um die Frage: Wie entsteht eigentlich die lebendige Gestalt, die Gestalt des Menschen, die Gestalt einer Pflanze, eines Baumes, die Gestalt eines Tieres, vielleicht sogar kristalline Formen? Wie entsteht Gestalt und Form überhaupt? Und was ist eigentlich Form und Gestalt? Und ich will das zunächst einmal mit einem kleinen Rückgriff auf die philosophische Grundfrage hier erläutern. Traditioneller Weise, bekannt spätestens seit Aristoteles, trennt man ja den Stoff von der Form. Man sagt, es gibt den Stoff, die Substanz, das Substrat, die Materie, wie immer sie nun verstanden wird, ob nun feinstofflich oder eher grobstofflich. Und es gibt die Form. Nun ist ja die Form nicht die Materie. Also ein Bildhauer, der beispielsweise aus dem Marmor ein Standbild heraus- meißelt, tut das ja mit einem bestimmten Formwillen. Er tut das mit einer bestimmten, in diesem Sinne teleologischen Tendenz. Er zielt auf eine bestimmte Form. Der Marmor selber formt sich nicht zu dieser Statue. Insofern hat man traditionell, bis zu einem gewissen Grade auch berechtigt, immer unterschieden – hier der Stoff auf der einen Seite und da ein formgebendes Prinzip. Und das ist ein wesentlicher Punkt, den Aristoteles immer wieder betont hat und der auch für unser Thema natürlich essenziell ist.

Wenn ich davon ausgehe, dass die Form etwas anderes ist als die Materie, als der Stoff, als das Substrat, dann erhebt sich sofort die Frage: Gibt es ein form- und gestaltgebendes Prinzip, das in der Lage ist, aus diesem Stoff diese spezifische Gestalt hervorzubringen? Wenn man das bejaht, und der naiv geprägte Mensch ist schnell geneigt, das zu bejahen, und es liegt auch ein Gran Wahrheit darin, dann müsste man sich zu der Annahme bequemen, dieses Formprinzip ist letztlich ein Willens- und Geistprinzip. Ein zielgerichteter Formwille, ein Gestaltwille etwa eines Künstlers. Ich hab hier das Beispiel des Bildhauers genannt. Also könnte man sagen, es gibt ein Substrat und einen Willen zu einer bestimmten Form. Wenn man das jetzt überträgt, wenn die Übertragung legitim ist, dann, mit aller Vorsicht, ich gehe erstmal davon aus, sie ist legitim, dann muss man die Frage stellen: Was bewirkt die lebendig organische Form? Gibt es da einen Formwillen, der diese Gestalt, wie sie spezifisch ist – und nicht anders – hervorbringt? Dann landet man, notwendig übrigens, denknotwendig, bei einem immateriellen geistigen Prinzip. Das ist auch in an sich weitgehend materialistischen Ansätzen, sich materialistisch gebenden Ansätzen heute nicht anders. Man muss hier sehr genau hinschauen, welche Begriffe benutzt werden, welche Form von Sprache benutzt wird. Das ist also ein ganz entscheidender Punkt. Was ist denn heute die gängige Überzeugung, beispielsweise über die Genesis der organischen Form? Das sind die Gene. Beliebte, häufig verwendete Begriffe sind etwa „genetischer Code“ oder das „genetische Programm“. Was ist ein Programm? Ein Programm ist erst einmal ein Phänomen aus der Computersprache, ist ein Etwas, was ja nicht die Materie selbst ist. Und man kann mit einigem Recht sagen, und das ist auch immer wieder gesagt worden, dass die moderne Biologie, wenn sie von dem genetischen Code spricht, von dem genetischen Programm, im Grunde genommen, auch wenn sie es direkt so nicht nennt oder nennen möchte, von einem Dualismus ausgeht. Sie geht letztlich von einem Dualismus aus – der trägen dunklen Materie und einem Geistprinzip, einem Programm, also einer letztlich auf ein Telos zielenden Steuerung.

Nun ist der Begriff der „Teleologie“ nicht zu verwechseln mit „Theologie“. Nicht, eines ist Theos, Gott, und das andere bezieht sich auf Telos, das Ziel, also „Teleologie“, ein verpönter Begriff. Ich habe das ja schon das letzte Mal angedeutet. Teleologie gilt als verpönt im Mainstream der Wissenschaft. Aus einer ganzen Reihe von Gründen, unter anderem deswegen, weil wer von einem Telos redet, führt einen letztlich metaphysischen Begriff in die Forschung ein. Und was die biologische Form betrifft, so war das ja gerade, und so wurde es ja auch generell rezipiert, die große Errungenschaft von Darwin, dass er glaubte, verzichten zu können auf die Vorstellung eines Telos. Das ist ja ein ganz wesentlicher Faktor.

Ich habe ihnen das letzte Mal versucht zu erläutern, welche ungeheure Rolle hier der Begriff Zufall spielt. Nicht, um dem Zufall ein ungeheuer breites Wirkungsfeld zu geben, muss man natürlich auf ungeheure Zeiträume verfallen, Zeiträume, die man auch dann ausgerechnet hat. Es gibt also mathematische Spekulation und Rechnungen darüber, wie wahrscheinlich denn ein einziges organisches Molekül sei. Ich habe das ja angedeutet, auch das Beispiel genannt mit den berühmten Huxley’schen Affen. Ich gebe den Affen eine Million Jahre Zeit auf den Schreibmaschinen, und sie werden irgendwann das ganze Werk Shakespeares hervorbringen, also dieser Un-Begriff eigentlich des Zufalls, der aber eine ungeheuere Faszination bis heute ausgestrahlt hat. Zufällig, dass etwas einfach zufällig geschieht. Denn wenn man den Zufall nicht akzeptiert, kommt man notwendig auf die Frage: Wenn man sich die vielfältigen organischen Gestalten anschaut, gibt es ein Telos? Gibt es eine Idee, platonisch gesprochen, die dahinter und da drinsteckt? Und dann wäre man ja auf einer, sagen wir mal, metaphysischen Ebene angelangt. Man müsste sich dann die Frage stellen: Was ist denn diese metaphysische Form? Was ist denn dieses Geistprinzip, was denn die Form hervorruft? Die Frage ist immer wieder diskutiert worden. Rupert Sheldrake in seinem Buch „Das Gedächtnis der Natur“ hat sich zu diesen Fragen sehr eingehend und, wie ich finde, intelligent und kaum gewürdigt von den meisten Lesern seiner Bücher geäußert. Gerade das gehört zu den stärksten Passagen seiner Bücher. Dass er eine philosophische Kritik versucht der bisherigen Ansätze überhaupt, Form zu verstehen. Er zeigt zum Beispiel einmal, was ich schon angedeutet habe, dass in dem Begriff des genetischen Programms im Grunde genommen versteckt ein Dualismus steckt, ein Dualismus von Stoff, Substrat, Materie – und Geist. Auch wenn es direkt nicht zugegeben wird, ja, er geht sogar so weit zu sagen., und auch da gibt es eine gewisse Berechtigung, dass dieser Dualismus, der uneingestanden ist, nicht viel besser und genauer und wirkungsvoller ist als der geschmähte und als unwissenschaftlich attackierte Vitalismus.

Was war im Vitalismus geschehen? Man darf das einen Moment noch einmal in Erinnerung rufen. Der Vitalismus gilt in der herkömmlichen Biologie heute als widerlegt, er gilt als obsolet. Es gibt kein immaterielles Vitalprinzip. Kann man in allen Mainstream-Biologiebüchern lesen. Man führt zwar dann diese Prinzipien doch wieder ein als unverstandene und noch nicht restlos erfasste raum-zeitliche Aktivitätsmuster. Ein beliebiges Beispiel dieser Sprachregelung „noch unverstandene raum-zeitliche Aktivitätsmuster“ ist eine Worthülse, die nichts sagt. Man führt das zwar dann wieder ein, aber sagt, diese Vitalprinzipien gibt es nicht. Was war der Grundgedanke? Der Embryologe und dann auch Philosoph Hans Driesch hatte auf einer aufgrund einer ganzen Reihe von Beobachtungen die Feststellung gewonnen, dass man ein Prinzip in der Materie postulieren muss, das die vielfältigen Formen zur Gestalt fügt, und er hat dafür ein Begriff gewählt, den er übernahm aus der philosophischen Tradition von Aristoteles. Er hat das „Enetelechie“ genannt, ein Begriff, der belastet ist, natürlich in der Geschichte. Entelechie ist ein immanentes Wirkprinzip, ein immaterielles, letztlich metaphysisches Wirkprinzip, obwohl Hans Driesch das ausdrücklich abgelehnt hat. Hans Driesch war in diesem engeren Sinne überhaupt kein Metaphysiker. Er spottete, ganz zeitgeist-gemäß, auch über die Einführung solcher Prinzipien, wenn sie nur aus der Metaphysik stammen. Das hat er verspottet. Er glaubte, gute Gründe dafür zu haben, von innen her anzunehmen, dass ein solches Prinzip tatsächlich existiert.

Nun hatte sein Ansatz einen Schwachpunkt. Er ging letztlich davon aus, dass dieses Wirkprinzip in der Materie, das er mit Aristoteles „Entelechie“ nannte, in der Lage ist, Materie zu lenken, zu steuern, zu beeinflussen, zu ordnen. Das widersprach dem Paradigma der herkömmlichen Naturwissenschaft damals, primär mechanistische Physik der Jahrhundertwende, dass in der Welt eine lückenlose Kausalität waltet. Ich habe den Punkt ja schon mehrfach angesprochen, der ist in dem Zusammenhang wichtig, dass in der Welt eine lückenlose Kausalität waltet. Dass also ein Geist-Prinzip überhaupt keine Möglichkeit hat, einzugreifen, gar noch, wenn Sie, wenn dieses Eingreifen nicht mit einem Energietransport verbunden ist. Nicht, also man nahm ja an in der Quantentheorie, dass die Welt einen lückenlosen Kausalzusammenhang darstellt. Wie dann der Geist, wie das Leben da hineinkommen konnte, das war ein großes Rätsel. Das hat schon Kant beschäftigt. Eine der ganz großen Rätselfragen. Er sagte, das ist nicht lösbar. Kant meinte, die Frage ist nicht entscheidbar, es ist unmöglich. Ein Newton der organischen Welt wird nicht kommen, es geht nicht. Und durch Darwin hatte sich die Situation verändert. Aber die Frage blieb natürlich. Denken Sie an meine Ausführungen über Determinismus und Kausalität. Die Physiker haben Hohn und Spott ergossen über den Ansatz von Hans Driesch, in dem Sinn, das kann nicht sein – er führt ja letztlich ein Wirkprinzip ein, ein übergeordnetes steuerndes Prinzip, das ja nur eingreifen könnte in irgendeiner Form in die organische Welt, wenn da überhaupt die Möglichkeit besteht. Deswegen, da muss es Freiheits­spielräume geben. Nicht, das ist einsehbar. Wenn das so lückenlos wie eine große Maschine sowieso abläuft, dann ist das unmöglich. Ich habe das ja mehrfach genannt und die Frage mehrfach herausgestellt, dass, wenn man ernsthaft der Überzeugung ist, ich sage es gerne noch einmal, weil es zentral wichtig für die ganze Frage ist, wenn man ernsthaft der Auffassung ist, dass ich mit meinem Willen wirklich und wahrhaftig meinen Leib in Bewegung setzen kann, in völliger Freiheit dieses Willens, ist es ein absolutes Wunder, das nur erklärt werden kann, wenn ich annehme, dass in der Materie, sprich in diesem Falle im neuronalen System der Großhirnrinde, Freiheitsspielräume existieren. Sonst geht es nicht. Da müssen in irgendeiner Form ja Einwirkungsmöglichkeiten bestehen. Es ist kein Zufall, dass der große Dualist, Neurophysiologe, der Nobelpreisträger der Medizin, John Eccles, ja genau dies dann auch annahm, nicht „The Self and its Brain“, „Das Selbst und sein Gehirn“. Er ging ja davon aus, auch noch kurz vor seinem Tode in seinem letzten großen Buch, dass man zu diesem Zwecke postulieren muss, es gibt Freiheitsspielräume, und da hat er die Quantentheorie herangezogen, was viele in dem Zusammenhang tun. Sie wissen, dass die Neurophysiologie ja diesem sogenannten freien Willen immer mehr auf den Leib rückt. Und immer… das wird immer zweifelhafter. Ich habe das ja auch schon erläutert. Aber das hat Driesch erst einmal zu Fall gebracht. Das galt als unmöglich. Driesch konnte nicht mehr zur Kenntnis nehmen, was dann geschah in den 20er Jahren, dass eine Unbestimmtheit, eine gar nicht klar kausal im Sinne von deterministisch verfasste Folge von Ereignissen in der Natur anzutreffen ist, das wusste er nicht. Hätte er es gewusst, hätte er es aufgegriffen. Hans Driesch ging von einer Entelechie aus, von einem immateriellen letztlich metaphysischen Wirkprinzip, obwohl er es nicht Wirkprinzip nannte.

Die Geschichte der Wissenschaft ist häufig ein Kriminalroman. Einer der spannendsten überhaupt ist nicht nur die Geschichte der Physik, auch die Geschichte der Biologie. Wenn man sich nämlich der Mühe unterzieht, genau nachzuforschen, wie es denn kommt, dass bestimmte Überzeugungen mal herrschen, eine gewisse Zeit lang das allgemeine Bild der Meinung bestimmen, dann wie, als ob es selbstverständlich wäre, verschwinden, ja als Hirngespinste bezeichnet werden. Also ich habe das ja im Wintersemester am Beispiel, in der Physik, am Beispiel des Äthers gezeigt. Der „Äther“ – lange Zeit herrschender Begriff in der Physik, und irgendwann im frühen 20. Jahrhundert galt der Äther als einfach obsolet, als überholt, als widerlegt. Eine bestimmte Äthervorstellung hatte sich als unhaltbar erwiesen. Der Äther überhaupt wurde über Bord geworfen. Und heute, im ausgehenden 20. Jahrhundert haben wir gute Gründe, haben viele profunde Leute, die sich damit beschäftigen, gute Gründe, den Ätherbegriff ganz neu wiederzubeleben. Aber jahrzehntelang kam es fast einem wissenschaftlichen Selbstmord gleich, wenn man ernsthaft von „Äther“ sprach. Genauso natürlich, wenn man sich etwa als Biologie- Professor in die Öffentlichkeit stellt und redet von immateriellen Faktoren, redet noch von der Entelechie des Hans Driesch.

Nun hat er einen Begriff verwendet, das muss ich mal kurz sagen, der natürlich, ich sagte es, vorbelastet ist. Aristoteles. das ist geschichtlich interessant, aber auch prinzipiell interessant, hatte den Begriff „Entelechie“ ganz bewusst gegen seinen Lehrer Platon geprägt. Und man kann die Geschichte der neuzeitlichen Naturwissenschaft sehen, interpretieren als ein Kampf zwischen Platonismus und Aristotelismus, jedenfalls eine Facette, und zwar in folgendem Sinne: Platon war ja davon ausgegangen, und das hat er ja weiter gewirkt und wurde ja neu aufgegriffen seit Galilei, Kepler und Newton, er war davon ausgegangen, dass es ein immaterielles Reich der sogenannten reinen Ideen gibt, vollkommen losgelöst vom Werden und Vergehen der Sinnenwelt. Und dass jegliche Form in der materiell-sinnlichen Welt nur ein Abbild des in der Ideenwelt ruhenden Urbild ist, bewusst ruhend, weil Zeit auch für Platon ein Abbild war. Die Ideenwelt ist letztlich eine überzeitliche, eine in diesem Sinne zeitlose Welt. Mit diesem Gedanken, der seine Wurzeln im Pythagorismus hat, hat er in gewisser Weise einen Dualismus eingeführt. Obwohl die ganze Platon-Forschung bis heute sich darüber nie im Klaren war, war Platon nun Dualist oder war er Monist. Das ist undeutlich. Schon sein großer Schüler Aristoteles hat seinen Lehrer Platon als Dualististen attackiert und hat deswegen den Begriff „Entelechie“ hier eingeführt, als ein immanentes Prinzip. Platon ging davon aus, die Welt hat quasi zwei vollkommen voneinander verschiedene Bereiche – die immaterielle Wirkwelt der ewigen und zeitlosen Ideen, die der späte Platon ganz pythagoräisch mit den Zahlen identifizierte. Auch das ist interessant. Leider sind uns viele Texte verloren gegangen des späten Platon, er war stark beeinflusst vom Pythagorismus, nicht nur im „Timaios“. Und, also auf der einen Seite das, und auf der anderen Seite die Vorstellung, dass das Telos in den Dingen selber liegt. Insofern immanent ist, ein immanentes Wirkprinzip, aber das trotzdem nicht aufgeht in der Form, das ist wichtig. Natürlich haben Kritiker auch die Entelechie letztlich als ein metaphysisches und in diesem Sinne dualistischen Prinzip attackiert, obwohl es das genau genommen natürlich nicht ist. Und das ist eine Undeutlichkeit, der auch Hans Driesch nicht ausweichen konnte. Wer heute den Begriff Entelechie wieder heranzieht, auch Goethe hat das ja zum Teil getan, der müsste sich verständlich machen, was er meint. Bei Goethe ist es auch, bleibt es in gewisser Weise in der Schwebe. Er verwendet ja auch den Begriff „Entelechie“ als ein letztlich göttlich bestimmtes Wirkprinzip der organischen Welt. Kann man dieses Prinzip ablösen von der organischen Form? Nein, man kann es nicht, weil die Form sich, wie sie sich organisch, sinnlich, physisch manifestiert, die Erfüllung der Entelechie darstellt. Also ein wesentlicher Unterschied in diesem Zusammenhang. Also Hans Driesch hatte den Begriff der Entelechie hereingenommen in den Vitalismus.

Der Vitalismus hat sich nicht halten können, weil er wurde überrollt, wenn man so will, von einem ganz andersartigen Ansatz. Auch die in den zwanziger Jahren aufkommenden Systemtheorien Berta-Lanffys, Meyer-Abichs und anderer, waren, das waren keine vitalistischen Ansätze. Da ging er davon aus, dass es einen organismischen Gesamtzusammenhang in der Welt gibt, und dass es keine extra zu postulierende Vitalfaktoren braucht. Deswegen lehnt auch die Moderne Systemtheorie, lehnen auch die Systemetheoretiker, auch des Schlages etwa von Varela und Maturana und anderen, den Vitalismus ab als letztlich unhaltbar. Nun halte ich das für voreilig. Mit aller Vorsicht gesagt. Ich finde, soweit mir das zugänglich ist, aus der Forschung, auch aus meinen eigenen Beobachtungen und aus meinen eigenen Denkprozessen. Ich halte es für voreilig, diesen Begriff ganz fallen zu lassen. Ob es glücklich ist „Entelechie“ zu sagen, ist eine andere Frage. Aber es ist offenbar doch so, dass wir nicht auskommen ohne bestimmte immaterielle Wirkprinzipien. Ich sagte es ja schon: Auch die moderne Genforschung kommt ja letztlich ohne diese Begriffe nicht aus. Der Mensch generell kommt ohne diese Begriffe nicht aus. Das würde ich erst mal als erste These hinstellen. Wir brauchen die Annahme eines wie immer gearteten immateriellen Wirkprinzip.

Wie immer wir das im Einzelnen fassen: Ist das jetzt nur ein eine Unzulänglichkeit unserer Erfassung, unserer Sprache? Das ist ja auch ein wesentlicher Punkt in dem ganzen Zusammenhang. Die moderne Genforschung beispielsweise verwendet nicht den Begriff „Teleologie“, sondern „Teleonomie“, also gleichsam augenzwinkernd benutzt man einen anderen Begriff, ein bisschen abgewandelten Begriff, etwa der berühmte Forscher Richard Dawkin benutzt diesen Begriff. Sie wissen vielleicht, dass Richard Dawkin ja gewissen Weltruhm erlangt hat durch ein Buch, das den Titel trägt „Das egoistische Gen“. Er hat ja die in gewisser Weise absurde oder heiter-absonderliche These aufgestellt, die eigentlichen Drahtzieher hinter allem sind die Gene. Das sind quasi, so Richard Dawkin wörtlich, quasi Chicago-Gangster, die nur ein Ziel kennen, sich hemmungslos zu vermehren. Letztlich wollen sie Unsterblichkeit. Sie manipulieren den Menschen. Alles, was wir für Geist, Freiheit, freien Willen halten, ist letztlich manipuliert von diesen kleinen Gangstern in der Welt. Nun hat er das sicherlich auch mit Augenzwinkern vorgetragen, hat natürlich breite Aufmerksamkeit erst einmal auf sich gezogen. Wenn das wirklich so wäre, ist ja die Menschenwürde dahin. Das ist klar. Wenn wir wirklich total manipuliert sind von sogenannten egoistischen Genen, dann müssen wir uns um die Menschenwürde nicht weiter kümmern. Kritiker haben natürlich gesagt, dass hier das Gesetz des kapitalistischen Dschungels in die Natur übertragen wird. Nicht, plötzlich soll dann im Mikrobereich, im mittleren Bereich, also nicht im subatomaren Bereich, also in der biologischen Welt, soll dann so eine Art gnadenloses Ego-Prinzip herrschen. Aber das ist natürlich interessant, da solche Gedanken auch nur spielerisch aufkommen. Der Mensch kann gar nicht anders als bis zu einem gewissen Grade anthropomorph an diese Fragen ran. Was soll er denn machen? Er hat die Sprache entwickelt im Laufe der Zeit. Er muss sich die Dinge in irgendeiner Form verständlich machen. Er benutzt Begriffe, und ich habe ja schon einmal angedeutet, dass es auffällig ist, dass immer Begriffe benutzt werden, die dem jeweiligen Bewusstseinszustand einer Epoche ziemlich genau entsprechen. Auch in der Technik kann man das schön sehen. Im 18. Jahrhundert war das der belebte Automat, der so beliebt war. Denken Sie an die Figur der Olimpia, in dem in der Erzählung von E.T.A Hoffmann „Der Sandmann“. Das war ja dieser perfekte Automat, in den sich der Held der Geschichte, siehe Hoffmans Erzählungen von Jacques Offenbach, verliebt. Später waren es andere Vorstellungen. Dann waren es Uhren. Im 18. Jahrhundert war dann auch, im frühen 1800 die Vorstellung der Uhr verbreitet, und so weiter. Heute sind es Computerbilder und Vorstellungen. Wir können bis zu einem gewissen Grade gar nicht anders, als uns dieser Metaphern zu bedienen. Interessant ist nur, welcher Metapher sich jeweils bedient wird. Also hier wird, ich sage es nochmal, das nun wahrlich monströse Dschungelgesetz des Kapitalismus auf Teufel komm raus, auf Ego komm raus in diesen Bereich hinein übertragen. Also. Noch einmal zu der These: Wir müssen bis zu einem gewissen Grade davon ausgehen, dass es immaterielle Wirkfaktoren gibt.

Nächster Punkt ist: Was heißt das? Sind wir nun gezwungen, das ist ja genau die Frage: Müssen wir letztlich zu einem Dualismus Zuflucht nehmen? Sind wir mehr oder weniger nolens volens Dualisten, wenn wir überhaupt über diese Dinge sprechen wollen? Das heißt, gehen wir letztlich davon aus, es gibt doch diese Zweiheit, eben den Stoff, die Materie und diese Form, die ja letztlich eine immaterielle Form ist. Denken Sie an das, was ich hier einleitend auch gesagt habe. Und da sind immer die beiden Positionen zu spüren, herauszufiltern, die man plakativ als die platonische und als die aristotelische bezeichnen kann. Auch in der Physik, da ist das besonders signifikant. In der Physik wird immer davon ausgegangen, dass die als mathematische Prothesen formulierten sogenannt Naturgesetze unwandelbar sind, dass sie Ewigkeitswert haben. Auch in der Fiktion des Big Bang wird ja nicht davon ausgegangen, dass da ein Werdeprozess dieser Naturgesetze vorliegt. Sie werden gesetzt, platonisch, ewig, quasi göttlich, auch da geradezu eine undurchschaute Theologie, wenn man so will. Die Naturgesetze sind immer auch ein Stück weit die ehemals religiösen oder spirituell verstandenen Weltgesetze. Oder gibt es da auch in diesen Gesetzen einen Wandel, einen Prozess, wie das verschiedene Denker versucht haben, plausibel zu machen – übrigens unter anderem ich selbst. Auch Sheldrake hat das in seinem Buch in seinen verschiedenen Büchern immer wieder versucht darzustellen, dass auch die Naturgesetze vielleicht nichts weiter sind als bestimmte, quasi Momentaufnahmen, Gewohnheiten, wie er das nennt, „habbits of Nature“, Gewohnheiten der Natur, und dass wir uns vielleicht verabschieden müssen von dem Gedanken der Unwandelbarkeit dieser Naturgesetze.

Nun hat die Thema-Formulierung noch eine weitere Tücke, sag ich mal, und die habe ich ganz bewusst in Kauf genommen, indem ich das Thema so formuliert habe: „Felder, Seelen, Formungskräfte“. Nun ist das sehr verbreitet. Ja, fast kann man sagen, schon modisch zu sagen in verschiedenen New-Age-Zirkeln, sag ich mal, ohne mich jetzt arrogant darüber erheben zu wollen: Die Seele ist letztlich nur ein Feld. Ich habe ja schon mal einen Buchtitel vorgestellt, der eigentlich auf fatale Weise, kann man sagen, das auch noch ins Zentrum rückt. Das letzte Buch von Sheldrake, ein Dialog mit dem Dominikanerpater Mathew Fox, das hat seinen wissenschaftlichen Ruf nun endgültig ruiniert in der öffentlichen Meinung. „Die Seele ist ein Feld“. Eine unglaubliche These, die da aufgestellt wird, die man ja ganz verschieden interpretieren kann. Warum soll denn die Seele ein Feld sein? Was hieße das denn, wenn die Seele ein Feld ist? Das könnte man ja sagen: Das ist ganz Reduktionismus. Das, was früher die lebendige Seele war, die Ichhaftigkeit, das Lebendige, das Beseelte im Kontrast zum Toten, zum Unbeseelten, das ist, ja soll jetzt plötzlich ein Feld sein. Das könnte man ja ganz reduktionistisch dann interpretieren, vielleicht auch sogar mathematisieren. Das geschieht ja auch. Es gibt ja genügend auch zunehmend verfeinerte Computermodelle organischer Form, wie man weiß. Nicht, das Herz wird computermäßig simuliert und so weiter bis in die Feinheiten hinein. Das lässt sich sogar medizinisch umsetzen. Also eine fatale Gleichsetzung erst einmal, die ich ganz bewusst hier aufgegriffen habe. Fatal insofern, als sie einen Reduktionismus suggeriert, der ja ganz nah liegt. Im Grunde genommen ist da die Seele eigentlich nur ein Feld. Ich erinnere mich daran, als 1993 im Insel-Verlag ein Sammelband rauskam, an dem ich mitgearbeitet habe, der hieß „Am Fluss des Heraklit – kosmologische Perspektiven“. Ein Band, der sich in der Öffentlichkeit dann als relativer Misserfolg erwies, recht schnell waren die Bände im Ramsch gelandet. Der zweite Band, der geplant war, kam nie zustande. Der Insel-Verlag, Suhrkamp Verlag hat damit eher einen Flop gelandet. Aber das will ich jetzt nicht erwähnen. Der Punkt ist nur, es gab eine Rezension, eine sehr ausführliche Zeitschriften-Rezension mit folgendem Titel, mit folgender Headline: „Ist Gott ein Kraftfeld?“ Da war das aufgegriffen worden. Die Frage: Ist Gott ein Kraftfeld? Also können wir nun in Zukunft religiöse, spirituelle Begriffe, metaphysische Begriffe, feldmäßig fassen? War auch einer der Co-Autoren dieses Bandes, nicht nur David Peat und andere, übrigens auch die eher traditionellen Kosmologen waren darin vertreten, etwa John Barrow und andere. Es war ein breites Spektrum von der Mainstream-Kosmologie der Big-Bang-Fetischisten bis zu den alternativen Kosmologen. Mein Beitrag war eher die alternative Kosmologie. Also hat eine große Breite aufgefächert, der Band, hat dem Band auch nicht geholfen in der Öffentlichkeit. Auf jeden Fall: Ist Gott ein Kraftfeld? Eine heitere und in gewisser Weise absurde Frage, aber eine, aber eine eine naheliegende Frage, wenn man überhaupt erst einmal dazu kommt. Und deswegen müsste man, muss man diese beiden Begriffe noch einmal. Es ist wichtig, Begriffsklärung zu betreiben, damit man nicht heillos redet ohne diese Begriffsklärung. Seele und Feld. Was ist das? Der Begriff „Seele“ ist ja traditionell das Belebte. Seele ist das, was den Menschen auszeichnet. In gewisser Weise das was er, also ganz vereinfacht gesagt: Die Seele ist traditionell seit Aristoteles, aber auch in spirituell-religiösen Traditionen das, was der Mensch ist, nicht das, was er hat. Der Mensch hat also nicht die Seele streng genommen, sondern er ist das, es ist seine innerste Essenz. Er hat den Geist, wie das Johannes Heinrichs so schön immer wieder sagt, dass der ich-bewusste Mensch in diesem Sinne, das Seelenwesen Mensch partizipiert an dem medialen Logos, an dem, mit Hegel gesprochen, objektiven Geist, der im Universum waltet. Natürlich kann man die Begriffe anders setzen, aber das ist erst einmal eine bestimmte traditionelle Begrifflichkeit, die auch legitim ist. Und dazukam immer in der Tradition, dass man nicht nur annahm, diese Seele ist der Mensch selber oder die Pflanze, wenn man sie für beseelt hielt oder der Baum weitergehend, dann auch in animistischen Vorstellungen die Meeresbucht, die sogenannte anorganische Materie. Dann kommt man zu einer Allbeseeltheit, abwertend als Animismus bezeichnet. Dass man diese Vorstellung hereinzieht, dass die Seele immer auch das formale Prinzip ist, was die Form entstehen lässt. Es ist die Essenz selber des Lebewesens, und es ist gleichzeitig das, was die organische Form entstehen lässt. Damit wird die Seele zum Formalprinzip. Das hat noch der große kosmologische, für meine Begriffe vielleicht der größte aller Kosmologen, Giordano Bruno, aufgegriffen, indem man davon sprach, dass die Weltseele das Universalprinzip im Kosmos, das universale Formprinzip sei, der universale Grund, der Urgrund sämtlicher Formen in der Natur, also Weltseele als universales Formalprinzip, wobei alle Einzelseelen in gewisser Weise aus dieser universalen Weltseele, die in gewisser Weise auch mit der Welt-Vernunft gleichgesetzt wurde, mit dem ersten Geist, Primus Intellectus, bei Bruno. Also diese Gedanken findet man auch dort. Also traditionell der Einzelne selber.

Da kommt natürlich die Frage sofort auf: Wie ist es dann mit der Präexistenz und der Postexistenz dieser Seele? Entstehen nicht die religiösen Fragen, weltanschauliche Fragen, die ja immer da hineinspielen bei solchen Fragen, die auch die Emotionen anfachen. Es war ja schon seit Darwin der Fall, auch schon vorher. Und bis heute ist es ja immer emotional aufgeladen, weil Weltanschauungen immer im Spiele sind dabei. Also was ist mit der Prä- und Postexistenz? Wenn man davon ausgeht, dass ein immaterielles Etwas ist bewusstseinsbegabt, hat das schon vorher existiert, oder entsteht es erst? Und dann, was passiert mit diesem selben Prinzip, ob ich es „Entelechie“ nenne – oder „Seele“ – nach dem Tode? Gibt es eine Postexistenz? Die Frage der Postexistenz der Seele ist genauso aufschlussreich und naheliegend wie die der Präexistenz. Gibt es eine Reinkarnation? Dass sich dieses selbe Prinzip immer wieder neu in neuen Körpern in die Sinnenwelt hinein begibt, diese Fragen ergeben sich sofort bei diesem Thema. Wenn man das Thema überhaupt erst mal in seiner ganzen Differenziertheit zulässt.

Also Feld ist traditionell etwas ganz anderes gewesen. Ist Gott ein Kraftfeld? „Die Seele ist ein Feld“, ein unglücklicher Titel. Der Lektor hätte dem Verlag abraten müssen von diesem Titel. Ein wirklich unglücklicher Titel. Ich sagte schon mal, Sheldrake ist ja in den 80er Jahren weltbekannt geworden durch seine Theorie der morphischen Felder. Die hat eine ungeheure Diskussion ausgelöst. Mittlerweile ist es stiller geworden. Er hat sich durch seine letzten beiden Dialogbücher, auch durch sein sich engagiert in der Öffentlichkeit einsetzen für Engelwesen und ähnliches, zwar in der New-Age-Szene einen großen Namen gemacht, also wird er noch mehr geschätzt als vorher, aber er hat sich in der wissenschaftlichen Welt nun endgültig verabschiedet. Das geht dann so weit, dass er mittlerweile auf manchen Kongressen nicht mehr eingeladen wird. Oder wenn es heißt, er kommt, dann sagen andere ab. Der großen Wertschätzung auch der Person Sheldrakes, es ist ein ungeschicktes Verfahren in der Öffentlichkeit sich so in dieser Form auch von einer oft sehr verflachten New-Age-Szene so vereinnahmen zu lassen. So ist natürlich das Ganze dann in ein bestimmtes Fahrwasser geraten, aus dem es sich nicht mehr befreien lässt. Ein kritischer Sammelband, den der Scherz Verlag vor zwei Jahren herausgebracht hat. Hans-Peter Dürr, der Münchner Physiker, Nachfolger von Heisenberg in München, und Franz-Theo Gottwald haben den Band herausgegeben, wird mittlerweile verramscht. Also ein erfolgloses Unternehmen, eine kritische Gesamtdarstellung zu liefern, auch Stimmen dagegen. Dafür gibt es Gründe. Das ist sehr differenziert, liegt auch in den Schwächen dieses Ansatzes, den ich ja vor zwei Jahren, im Sommersemester, hier differenziert und ausführlich dargestellt habe. Aber es liegt doch an anderen Faktoren.

Also was sind Felder? Ganz kurz, noch einmal in Erinnerung gerufen. Der Feldbegriff hat eine verblüffende, um nicht zu sagen atemberaubende Karriere gemacht? Man weiß eigentlich nicht genau, warum, denn eigentlich ist es zunächst einmal ja eher ein nichtssagender Begriff und viele, die den Begriff verwendet haben, auch in der Biologie, wir werden in 14 Tagen von Marco Bischoff dazu einiges hören, einem der besten Kenner der biologischen Felder. Auch die Biologen, die den Feldbegriff schon in 20er Jahren verwendet haben, Dragovic [??] oder Spemann oder Paul Weiss, Österreich , haben zum Teil gesagt, das ist eigentlich ein leerer Begriff. Den haben sie aus der Physik übernommen. Letztlich hat er keinen Erklärungswert, und das ist ein wichtiger Punkt. Hat der Begriff überhaupt einen Erklärungswert? Er hat natürlich eine Geschichte. Entstanden ist er im 19. Jahrhundert, Mitte des 19. Jahrhunderts durch Michael Faraday, der ihn verwendet hat als Begriff, der zunächst etwas ganz anderes meinte, nämlich einen Ackerfeld, ein bearbeitetes Stück Land, ein Ackerfeld war. Das Feld, the field, und es ist ein bis heute in der Wissenschafts­geschichte ungeklärtes Phänomen, ich habe selbst mich damit einmal sehr intensiv beschäftigt und habe immer wieder darüber gestaunt, wie es möglich war, dass der Begriff sich so durchgesetzt hat. Denn warum sollte ein Feld im Sinne von Ackerfeld oder Kornfeld plötzlich ein immaterielles Etwas im Raum sein im Sinne dessen, was dem Elektromagnetismus zugrunde liegt? Und darauf wurde es zunächst bezogen? Merkwürdig. Ich habe keine Erklärung dafür. Es ist staunenswert. Der Begriff hat Weltkarriere gemacht und ist auch heute einer der am meisten verwendeten Begriffe überhaupt in der gesamten Naturwissenschaft, das Feld. Und vielleicht ist er deswegen so universal verbreitet, weil er natürlich auch eine gewisse Unschärfe enthält. Denn es fängt ja schon an mit der Frage: Sind diese Felder, ob nun biologische Felder oder elektromagnetische Felder oder das Gravitationsfeld oder Quantenfelder, sind das nun Konstrukte des Geistes? Für vollkommen unbekannte, undurchschaubare Prozesse? Oder gibt es diese Felder wirklich? Dass sie wirken steht außer Frage. Die Eisenfeilspäne ornden sich tatsächlich nach bestimmten Feldlinien, lines of force, wie das Faraday nannte, Kraftlinien, so hat er das noch genannt. Aber was sind diese Kraftlinien? Sind das sozusagen ontologische Realitäten? Oder sind das nur Fiktionen in unserem Kopf für etwas vollkommen Rätselhaftes und Unverstandenes? Die Frage ist offen, und man muss sie aber in aller Ernsthaftigkeit und Differenziertheit immer wieder stellen.

Was leistet der Begriff? Besonders natürlich der Begriff in der Biologie. Denn die Biologen haben mit einer Verzögerung von sieben Jahrzehnten den Begriff ja dann erst aufgenommen in den 20er Jahren in Anlehnung an die Physik. Sofort erhob sich natürlich von Kritikern auch von den Reduktionisten der Biologie, die Frage: Was sind diese Felder? Gibt es die eigentlich? Oder sind sie letztlich ohne Erklärungwert? Sind sie, wie man sagen kann, rein heuristischer Natur? Was ja auch möglich ist. Es gibt ja genügend heuristische Begriffe, die man einfach verwendet, weil man keine besseren hat, die aber ganz sinnvoll sind. Und dann die Frage: Was macht man mit diesen Feldern? Da kann man etwas messen. Es sind bestimmte Strukturen, es sind bestimmte Wandlungen im Raum, offenbar. Denken Sie an meine Vorlesung über Raumenergie. Ich glaube, im Januar war das. Wer da war, wird sich vielleicht daran erinnern. Die Frage: Ist das, hängt das mit dem Raum zusammen? Oder sind das eigene Entitäten im Raum? Einer der ersten [in] der Sache, das ist der Raum selber, war ja Maxwell. Das ist eigentlich der Raum selber. Das ist eine bestimmte Struktur des Raums. Kommt sofort die Frage auf: Wie kann dann der Raum in diesem Sinne Strukturen haben? Eine abgründige Frage, über die ich ja im Wintersemester auch viel gesprochen habe, die aber auch für unser Thema wichtig ist. Denn wenn ich die Frage stelle, was verursacht denn die organische Form? Ich sage hypothetisch, heuristisch, da sind Felder immaterielle Wirkprinzipien, ich nenne das mal Felder, biologische Felder. Von mir aus auch mit Paul Spee und Gurwicz [??] und anderen morphogenetische Felder. Schönberg hat den Begriff ja nur übernommen. Ist ja nicht seine Erfindung. Er sagt es ja auch ausdrücklich, dass das eine Adaption ist aus den 20er-Jahren. Also wenn die Felder wirklich existieren, dann muss man die Frage stellen: Was ist das? Oder es sind Hilfsvorstellungen, die uns auch nicht weiterbringen. Mittlerweile wird das verbunden zunehmend auch mit Computer­modellen, mit bestimmten mathematischen Vorstellungen vom sogenannten Attraktor. Das habe ich auch schon angedeutet. Der große Attraktor, der letztlich ein Telos, ein Ziel beinhaltet, zieht quasi einen Zellhaufen auf das ausgewachsene Lebewesen hin, etwa in der Embryogenese, dieser ungeheuerliche Vorgang, ja der wirklich erschütternde Vorgang, wie es möglich ist, dass aus einer einfachen Zelle, aus einem Zellhaufen ein lebendiges, einmaliges Wesen überhaupt werden kann. Wer sich der Mühe unterzieht, darüber nachzudenken, der kommt aus dem Staunen nicht heraus, ist wirklich erschütternd und tief bewegend. Und der von mir schon angedeutete Peter Sloterdijk in seinem letzten Buch „Sphären 1“; „Blasen“, Untertitel, der zweite Band bewegt sich… handelt von den Globen, den Kugeln im Raum, stellt sich auch dieser Frage. Ein Buch, das zentral kreist um genau diese Frage der Geburt. Seine ganzen Überlegungen zur Polarität von Fötus und Plazenta, also großartig und ausdifferenziert, faszinierend zu lesen, hat, es hat so noch bisher keiner in Sprache gefasst, wie er das jedenfalls versucht. Ich will darüber noch einiges sagen im Zusammenhang mit der Polarität, weil es damit auch zu tun hat. Ich mache erst einmal, ich bin ein bisschen über die Zeit hinaus. Ich mag erst mal einen kleinen Schnitt, setzt dann genau an der Stelle ein. Nach der Pause schauen wir mal zehn Minuten, maximal, eher acht, sagen zehn Minuten, maximal.

Ich wurde gerade eben noch mal in der Pause gefragt, was denn nun genau der Begriff „Entelechie“ bedeutet. Ich sag das gerne noch mal, ist also dasjenige, was sein Ziel, Telos, in sich selbst hat. Das heißt, das ist schwer zu denken, weil wir denken ja immer, wenn wir von einem Wirkprinzip ausgehen in gewisser Weise dualistisch. Das meint Aristoteles nicht. Er meint ein Wirkprinzip, das immanent ist, ohne dass dieses Wirkprinzip vollständig aufgeht und es identisch wäre mit der organischen Form. Wenn es nämlich identisch ist mit der organischen Form, brauche ich es auch gar nicht extra hervorzuheben. Das wäre ja purer Biologismus oder biologischer Materialismus. Dann brauche ich das Wort gar nicht zu verwenden. Das ist die Schwierigkeit. Es ist nicht gemeint ein Dualismus, ist aber genauso wenig ein Monismus gemeint. Wir denken ja immer in diesen Entgegensetzung, seit Jahrhunderten eigentlich, eher dualistisch oder eher modernistisch. Nicht, die herkömmliche Naturwissenschaft ist im Wesentlichen, im Hauptstrom, eher reduktionistisch, modernistisch natürlich, faktisch häufig genug dualistisch, aber uneingestanden. Und bei Aristoteles ist etwas anderes gemeint, vielleicht noch zur Erklärung hier. Der Sheldrake paraphrasiert hier den Driesch. Ich darf das kurz mal vorlesen und das kurz noch in Erinnerung zu rufen, weil keiner kennt heute mehr die Schriften von Driesch, obwohl das hochintelligente Bücher sind. Kaum der Name ist noch bekannt. Ich selbst habe 1980 einmal im Engadin, nein Mitte der 70er Jahre im Engadin noch einen Schüler von Driesch kennengelernt. Ein Biologieprofessor aus Leipzig, der noch bei Driesch promoviert hatte, wir haben uns ausführlich unterhalten über diese Dinge. Daher weiß ich nur etwas mehr direkt von Driesch selber, von einem seiner Schüler. Also Mitte der 70er Jahre, war schon damals ein alter Mann der betreffende Herr aus Leipzig.

[Sheldrake] Im 19. Jahrhundert waren die Gedanken zu solchen Themen noch durchweg so vage wie diese, hatte was zitiert, und erst nach 1900 begann mit den Arbeiten Hans Driesch die Entwicklung einer detaillierten vitalistischen Theorie, also es gab vitalistische Theorien schon vorher. Aber sie waren nicht so ausdifferenziert wie die von Driesch. Er begann seine Laufbahn als Biologe am Institut für Entwicklungsmechanik, gelangte jedoch aufgrund seiner experimentell gewonnenen Erkenntnisse über embryonale Regulations-, Regenerations,- und Reproduktionsphänomene zu folgendem Schluss, para­phrasiert Sheldrake, ohne Driesch selber zu zitieren: Etwas, das von einer immanenten Ganzheit ist, wirkt auf lebendige Systeme ein, ist aber nicht materieller Teil von ihnen … einer immanenten Ganzheit ist, wirkt auf lebendige Systeme, ist aber nicht materieller Teil von ihnen. Diesen nicht-materiellen Kausalfaktor nannte er nach Aristoteles „Entelechie“. Entelechie ist nach seiner Anschauung zielgerichtet oder teleologisch. Sie lenkt die physikalischen Prozesse, die ihrem Einfluss unterliegen, auf ein Ziel hin, das in ihr selber liegt, „Entelechie“ wörtlich. Nach Driesch lenkt die Entelechie die Morphogenese des sich entwickelnden Organismus auf die charakteristische Form seiner Art hin. Die Gene stellen die materiellen Mittel der Morphegenese, die chemischen Substanzen, die in eine Ordnung gefügt werden. Doch das Ordnen selbst ist Aufgabe der Entelechie. Driesch war ein exzellenter Kenner auch der Chemie seiner Zeit, hat es gar nicht geleugnet, dass chemische Prozesse entscheidend wichtig sind. Er kannte auch diese Prozesse. Trotzdem glaubt er, dass zusätzlich ein Faktor gefunden werden müsse. Bekanntlich ist ja der Vitalismus erst einmal in der alten Form diskreditiert worden dadurch, dass die künstliche Synthese einer organischen Substanz des Harnstoff durch Friedrich Wöhler gelang 1828. Driesch meinte, das wird noch viel weitergehen, man wird noch viel mehr synthetisieren können, das hielte er nicht für ein Gegenargument gegen den Vitalismus. [Sheldrake] In ähnlicher Weise stellt etwa das Nervensystem die Mittel für das Verhalten eines Tieres, doch die Entelechie organisiert das Verhalten und benutzt den Organismus als ein Instrument, wie ein Pianist den Flügel als Instrument benutzt.

Jetzt noch ganz kurz hier, weil ich das vorhin erwähnt habe. Ich will erst mal eine kleine Passage vorlesen, weil ich die sehr signifikant finde, über die sogenannten genetischen Programme, die ja in allen populärwissenschaftlichen Darstellungen geistern. Die Gene haben ja gerade zu eine mythische Qualität, wie man weiß. Erstaunlich. Und selten wird ja nachgefragt, was es damit im Einzelnen auf sich hat. [Sheldrake] Attraktiv ist die Theorie der genetischen Programme aus mehreren Gründen. Das schreibt Sheldrake Ende der 90er Jahre. Ende der 80er Jahre. Das gilt aber auch heute noch, zehn Jahre danach. Zunächst scheint das Programm eine peinliche Kluft zu überbrücken, nämlich die, dass die meisten erblichen Merkmale, etwa die Form des Blumenkohls, keine direkt aufzeigbare Beziehung zu DNS und Eiweißmolekül besitzen. Das ist der Fall. Wenn aber die Gene die Entwicklung des Blumenkohl irgendwie programmieren, dann wirkt die breite Kluft zwischen dieser komplexen organischen Struktur und den DNS-Molekülen schon nicht mehr so beunruhigend, auch wenn man eigentlich nichts Handfestes über die Natur des Blumenkohlprogramms weiß. Zweiter Punkt, warum das so attraktiv ist, nach Sheldrake, der diese These ablehnt. Zweitens stellt das Programm eine subtilere Theorie dar als die Vorstellung von Genen für bestimmte Merkmale, was man ja auch zunächst gedacht hatte. Für jedes Merkmal gibt es ein einzelnes Gen. Das hat sich als falsch herausgestellt. Gene sind dann nicht mehr atomistische Determinanten einzelner Züge des Organismus, sondern wirken in mehr oder weniger großen Gruppen zusammen. Wenn man sie als Elemente eines Programms auffasst, ist ihr harmonisches Zusammenleben eher zu verstehen. Drittens beinhaltet der Programmbegriff die Vorstellung, dass die Entwicklung zielgerichtet abläuft. Programme enthalten Informationen über das Ziel, zu dem sie führen sollen. Der Programmbegriff scheint also zu erklären, weshalb lebendige Organismen sich auf eine bestimmte charakteristische Form hin entwickeln. Da das Programm ein holistisches, ganzheitliches, zielgerichtetes und erbliches Organisationsprinzip darstellt, erklärt zugleich, dass embryonale Regulations- und Regenerationsvermögen, das zum Teil ungeheuerlich ist, denken Sie daran das man Plattwürmer zerschneiden kann, und immer wieder neue ganze Exemplare entstehen und so weiter. Und viertens scheint dieses Programm … dieser Programmbegriff gut in den informationstheoretischen Jargon und zu den linguistischen Metaphern zu passen, die in der heutigen Biologie so beliebt sind. Die DNS kodiert Information, die dann in deren Moleküle transkribiert und schließlich für die Eiweissynthese in Sequenzen von Aminosäuren übersetzt werden kann. Die Metapher des genetischen Programms kann man kaum anders interpretieren, als dass die Entwicklung von präexistierenden, zielorientierten Prinzipien bestimmt wird, die entweder selbst geistähnlich sind oder doch zumindest von einem Geist konzipiert wurden. Vielleicht enthält die Morphogenese ihre Ordnung tatsächlich von solch einem zielgerichteten Lenkungsprinzip. Doch dann wäre genetisches Programm der falsche Name dafür. Es ist nicht genetisch, liegt also nicht in den Genen, und man kann die Morphogenese auch nicht als programmiert bezeichnen. Wäre das Entwicklungsprogramm eines Organismus in den Genen enthalten, dann wären alle Körperzellen identisch programmiert, denn sie enthalten alle dieselben Gene. Das vergisst man häufig in dieser Diskussion. Alle Zellen enthalten ja dieselben Gene. Warum differenzieren Sie sich zu bestimmten Organen überhaupt aus? Das kann man mit den Genen nicht selbst erklären. So sind beispielsweise die Zellen unserer Arme und Beine genetisch identisch. Diese Gliedmaßen enthalten überdies genau dieselben Arten von Eiweiß-Molekülen, chemisch identische Knochen oder Knorpel, Substanz und so weiter. Und sie sind von unterschiedlicher Gestalt. Mit den Genen allein sind diese Unterschiede zweifellos nicht zu erklären. Es müssen normative Einflüsse vorhanden sein, die sich bei der Entwicklung verschiedener Organe und Gewebe unterschiedlich auswirken. Da diese Einflüsse sich über ganze Organe erstrecken, können sie nicht in den Genen liegen. An dieser Stelle wird die Theorie der genetischen Programme denn auch fadenscheinig, und man behilft sich mit vagen Ausdrücken wie komplexe raumzeitliche Muster, physikalisch-chemische Aktivität, die noch nicht gänzlich erforscht sind, oder unaufgeklärte Mechanismen. Und so weiter. Das finde ich eine sehr … diese Passagen beim Sheldrake finde ich ausgezeichnet. Sie werden kaum gewürdigt. Aber er bringt eine ganze Reihe von intelligenten Argumenten. Ich habe nur ein ganz kleines Beispiel genannt.

Übrigens ich habe letztes Mal ein Buch erwähnt, das ich schon mal in früheren Jahren mit hatte, vor zwei, drei Jahren. Ich will es nochmal erwähnen von Ervin Laszlo, dem System- Theoretiker: „Kosmische Kreativität. Neue Grundlagen einer einheitlichen Wissenschaft von Materie, Geist und Leben.“, 1995 erschienen, in dem Lazlo auch den Versuch macht, in Abgrenzung zum Neodarwinismus vom Feldbegriff aus die Ganzheit des Organischen zu erklären. Ich habe das mal Ihnen erläutert, die da waren, können sich vielleicht daran erinnern, dass muss 96 im Sommer gewesen sein. Ich weiß es gar nicht mehr genau. Diese Theorie der Subquanten, des Subquantenfeldes, des PSI-Feldes, wie das László auch nennt. Mittlerweile hat er das auch ausgearbeitet und es erscheint, wie ich weiß, ich kenn es nur auf Englisch, das Buch, ein neues Buch in Kürze im Sommer, Herbst beim Lübbe Verlag mit dem Titel „Das fünfte Feld“. Der Originaltitel ist „The Whispering Pond“ also „Der flüsternde Teich“. Die deutsche Ausgabe trägt den Titel „Das fünfte Feld“. Soweit ich weiß, ich weiß das durch den Lübbe Verlag, weil „Was die Erde will“ auch im Lübbe Verlag erschienen ist. Da hat er das noch ausdifferenziert, diese Vorstellung. Auch er bringt eine Fülle von Belegen aus der Biologie dahingehend, dass man den Feldbegriff fruchtbar machen kann für das Verständnis der organischen Form. Darwinismus schreibt er zum Beispiel, beliebige Stelle, ja fast zufällig hier von mir jetzt aufgeschlagen, Darwinismus ist eng mit einem zufallsgesteuerten Prozess kontinuierlicher, kleinstufiger Anpassung verbunden ein Prozess, der kaum die beobachteten Ordnungsdimensionen innerhalb des bekannten Zeitrahmens der Evolution erzeugt haben kann. Zufälligkeit und schrittweise Entfaltung der Evolution erscheinen als ein höchst zweifelhaftes Prinzip und so weiter. Er stellt hier eine ganze Fülle von Argumenten zusammen, die den Darwinismus mehr oder weniger den Neodarwinismus ad absurdum führen. Ich habe das an einem kleinen Beispiel mit Ken Wilber ihnen bei uns letztes Mal erläutert. Mit dieser Synchronität von nicht-letalen Mutationen, die stattfinden müssen, damit überhaupt eine lebensfähige Mutationen überlebensfähige Mutation wirksam werden kann.

Ich war beim Begriff des Feldes stehengeblieben, will noch einmal den Punkt versuchen zu umreißen. Wenn ich davon ausgehe, diese organische Form, auch des Menschen andere organische Form, aber vielleicht auch der Kristalle beispielsweise, der sogenannten anorganischen Welt, geht letztlich auf Felder zurück. Dann muss ich die Frage stellen: Welcher Natur sind diese Felder? Sind Sie in irgendeiner Form vergleichbar mit elektromagnetischen Feldern? Man ist leicht geneigt zu sagen, das müsste so sein, obwohl das extrem schwierig ist. Schon der Elektromagnetismus wirft eine Fülle von Fragen auf, die vollkommen ungeklärt sind. Niemand weiß im Grunde genommen, was Elektrizität, niemand weiß, was Magnetismus wirklich ist. Man konstatiert bestimmte Auswirkungen, aber man weiß nicht, was das wirklich ist, und wie die Zusammenhänge im Feld-Bereich wirklich sind. Und die Frage, ob diese Lebensenergien, diese Bioenergien, diese Bioenergie, von denen ja in der ganzen Körpertherapie in den letzten 20, 25 Jahren so viel die Rede ist. Ob das nun eigene Energieformen, eigene Feldformen sind oder im Grunde genommen nur, in Anführungszeichen, „elektromagnetische Felder“, ist sehr schwer zu entscheiden. Es scheint so zu sein, dass es eigene Feldqualitäten sind, die nicht elektromagnetischer Art sind. Mit aller Vorsicht. Es gibt natürlich Kritiker, die sagen, das sind nur unverstandene elektromagnetische Prozesse. Das sagt auch der Physiker Hans-Peter Dürr, ich sagte es ja schon, Nachfahre … Nachfolger von Heisenberg in München. Am Max-Planck-Institut sagt er, vermutet bei aller Sympathie für die These von Sheldrake, er vermutet, dass sind letztlich noch unverstandene elektromagnetische Prozesse. Und dann kommt ja bei den Quantentheoretikern immer ein Begriff ins Spiel, der auch philosophisch schwierig ist, das ist der Begriff des Potentials. Ein Begriff, den übrigens auch unser Gastredner Markus Bischoff sehr schätzt, den Begriff des Potenzials. Das liegt also noch vor den Feldern, vor dem Kraftfeld, Potenzial, Kraftfeld, Materie. Das wäre dann also eine Dreistufung. Was ist ein Potenzial? Ein Möglichkeitsfeld. Ein Möglichkeitsfeld oder ein Informationsfeld, was gar nicht Energie transportiert? Ich habe das ja schon mehrfach auch angedeutet. Das sind offene Fragen. Und wie, ob sie sich überhaupt letztgültig […] lassen, ist nicht ausgemacht. Die Frage ist natürlich, ob es überhaupt sinnvoll ist, mit diesen Begriffen zu operieren, ob man da so hemmungslos, wie es geschieht, wie es geschieht, messen soll. Da möchte ich eine Skepsis anmerken, grundsätzlich gegen diese Forschungen, dass sie ein Verfahren letztlich in ein sehr lebendiges Gefüge hineintragen. Auch Messverfahren. Das gilt auch für die Parapsychologie, was diesen Phänomenen vielleicht gar nicht angemessen ist. Aber das geschieht überall, die feinstofflichen Bereiche werden zunehmend auch mathematisiert. Es gibt Computermodelle darüber mittlerweile, und da wird viel drüber geforscht, gerade auch in Russland heute. Verschiedene Physiker sind da, gehören da zur Avandgarde, was diese Forschung betrifft. Aber man muss da sehr vorsichtig sein. Also ich habe da eine große Skepsis grundsätzlicher Art, prinzipieller Art, ob es sinnvoll ist, mit derart letztlich reduktionistischen Messmethoden sich dem Lebendigen zu nähern. Das ist eine Grundsatzfrage. Wenn man Wissenschaft im traditionellen Stil betreiben will, warum soll man nicht auch weiter messen, bis es halt nicht mehr geht? Das ist ja, wer soll einen daran hindern? Es ist ja letztlich eine eine Art Verbot, das man da aussprechen müsste. Und da sieht natürlich keiner der maßgebenden Leute sich irgendwie bemüßigt, auf ein solches Verbot zu reagieren, was ja auch in sich wieder absurd ist. Aber man darf die Skepsis anmerken und auch formulieren, dass die, das ständige Verfügbarmachen über Mathematisieren, über Modelle und über Messungen dieser eher feinstofflichen Dimension bestimmt auch fragwürdig ist und auch eine ganze Reihe von Mißbrauchsmöglichkeiten in sich birgt, wie sich schon ganz eindeutig auch zeigt. Mittlerweile will man die Dinge ein bisschen genauer verfolgen, wenn man bestimmte Pflanzen das Pflanzenwachstum beschleunigen kann, was möglich ist in bestimmten Kontexten, dann ist es natürlich auch missbrauchbar, in großem Stil vielleicht sogar. Das wäre dann eine politische Frage. Aber diese Fragen muss man in dem Zusammenhang immer stellen.

Also ich halte den Feldbegriff trotz seiner, sagen wir mal, Unschärfe immer noch für sinnvoll. Ich kann ihn verwenden, ohne dass ich verleugne, dass er ein Hilfs-Begriff ist. Denn warum sage ich nicht zum Beispiel konsequent, wie das Sheldrake ja in letzter Zeit ja auch ganz offen Tat tut? Und seine Kritiker haben gesagt, das hat er im Grunde immer gemeint. Warum sag ich nicht gleich „Seele“. Dafür würde ich plädieren. Warum sagt man das nicht? Warum benutzt man nicht wieder den Begriff Seele? Kann man tun? Warum nicht vielleicht auch „Geistwesen“? Warum kann man nicht diese alten Begriffe wieder in neuer Form reaktivieren? Sie sind natürlich vorbelastet, sie klingen nach mittelalterlichem, längst überwundenen Vorstellungen. Aber ich halte sie trotzdem für sinnvoll, und zwar im Sinne des, eines von mir hochgeschätzten Mannes, einem der klügsten Köpfe der Aufklärung, nämlich Lichtenberg. Lichtenberg hat mal gesagt, in seinen vielen Aufzeichnungen, seinen Sudelbüchern, ich habe das jetzt nicht wörtlich im Kopf, aber sinngemäß: Es ist ein großer Unterschied, ob man Dinge noch für richtig hält, noch glaubt, oder ob man sie wieder glaubt. Auf einer neuen Ebene. Und dann erwähnt er das Beispiel der Gestirne als Organismen. Es ist obsolet, wenn man noch daran glaubt, dass die Gestirne Götter sind wie in der antiken Welt. Aber wenn man wieder daran glaubt, durchgegangen durch die ganze Denkbewegung auch der Neuzeit und der Aufklärung, dann kann man vielleicht Erkenntnisgewinn haben. Es ist in diesem Sinne des, wie gesagt, von mir hochgeschätzten Lichtenberg, wirklich einer der klügsten Köpfe des 18. Jahrhunderts. Also kann man noch einmal versuchen oder den Versuch wagen, diese Begriffe auf eine neue Weise zu aktivieren. Man wird nicht umhinkönnen, auch noch einmal ganz neu in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Ort dieser Felder zu stellen.

Ich habe das ja schon angedeutet. Und das führt direkt in bestimmte, auch sehr avancierte Überlegungen. Wo sind diese Felder, wenn es denn Felder sind? Und wenn der Begriff sinnvoll ist: Sind sie im sogenannten normalen Raum, in dem Raum, den man herkömmlicher Weise als einen dreidimensionalen bezeichnet. Im euklidischen Sinne? Das kann man anzweifeln. Das ist aber jetzt nicht das Thema. Sind Sie dort angesiedelt? Haben Sie insofern einen Ort, werden Sie schwächer mit der Entfernung? Gibt es da bestimmte Gesetzmäßigkeiten, etwa das reziproke Quadratgesetz – 1 durch a-Quadrat – etwa der gravitativen oder der elektromechanischen Wirkung, die ja mit dem Quadrat der Entfernung schwächer werden. Sheldrake zum Beispiel behauptet, schwierig und kühn, in gewisser Weise kann man sagen auch ohne Boden, behauptet, diese seine Felder, die er reaktivierte aus den zwanziger Jahren, sind Felder nicht im normalen Raum. Sie werden nicht schwächer mit der Entfernung. Das führt natürlich sofort auf die Frage der berühmten Nichtlokalität im Zusammenhang mit der Quantentheorie. Gibt es nicht-lokale Wirkungen? Da wird ja die alte Fernwirkung reaktiviert, die keine Zeit braucht. Was Punkt A, Punkt B sind ohne Zeitverlust miteinander verbunden. Jedes normale Wirken, wie wir es kennen, braucht eine gewisse Zeit. Aber es wird ja auch schon in der klassischen, mechanistischen Physik gesagt, dass Gravitationswellen keine Zeit beanspruchen. Jedenfalls wurde das im 18. Jahrhundert als selbstverständlich vorausgesetzt. Gravitation ist quasi unendlich schnell, wenn man eine Zeitbegriff, wenn man die Geschwindigkeit darauf anwendet. Im Gegensatz zu Elektromagnetismus oder Licht, das eine bestimmte messbare Geschwin­digkeit hat, so wurde nicht angenommen, dass Gravitation eine gewisse Geschwindigkeit braucht. Darüber ist viel nachgedacht worden. Immer wieder ist der Verdacht geäußert worden, es sei doch der Fall. Das bräuchte doch eine Geschwindigkeit, vielleicht sogar die Lichtgeschwindigkeit. Das ist nie zweifelsfrei bewiesen worden. Aber der Gedanke kam immer wieder auf die Frage: Sind Sie, sind die Felder im herkömmlichen Raum? Oder muss man, wie das ja in einigen avancierten Theorien auch geschieht, eine Art Hyperraum annehmen? Das macht etwa Burkhard Heim. Man muss es nicht Hyperraum nennen, man kann es auch inneren Raum nennen oder transzendenten Raum oder anderen Raum. Man kann es auch Gegenraum nennen, wie es in einigen Überlegungen heißt, auch in Teilen der sogenannten projektivem oder synthetischen Geometrie, der Gegenraum. Was heißt das? Müssen … muss man sich dann zu einer anderen Form von Raum bequemen? Muss man versuchen, eine ganz andere Form von Raum zu denken? Ich selber beschäftige mich auch seit Jahren mit dieser Frage, dieser Philosophie des Raums. Sie ist eine brennende, eine hochinteressante und faszinierende Frage. Sie ist eine sehr schwer eindeutig lösbare Frage. Ich würde vermuten, mit aller Vorsicht einmal gesagt, dass diese organisierenden Prinzipien zwar sich auswirken in dem sogenannten normalen, dem dreidimensionalen Raum, dass sie aber ontologisch gesehen in einem anderen Raum angesiedelt sind. Dass sie in einem inneren Raum, im transzendenten Raum, um den Begriff Hyperraum mal hier zu vermeiden, angesiedelt sein mögen. Und wie das ist mit der Abschwächung der Wirksamkeit über eine Entfernung hinweg, das ist schwer zu sagen. Das ist ein letztlich auch ungeklärter Punkt, und es gibt verschiedene Überlegungen, diese Raumfrage zu verbinden mit der Frage nach den Formungkräften. Das ist sehr früh gemacht worden, übrigens schon vor hundert Jahren, zum Teil von den Theosophen, dann in ihrer Nachfolge dann von den Anthroposophen. Ich habe das mal erwähnt, will das nächste Mal noch eingehender darstellen. Es gibt einen Physiker, Mathematiker, George Adams, 1894 bis 1963, der in verschiedenen seiner Bücher genau diesen Versuch gemacht hat. Ich habe auch eines seiner Bücher, die auf dem Literaturverzeichnis, das den Versuch gemacht hat, die Formkräfte, anthroposophisch gesehen sind das Bildekräfte, also die formativen Potenzen, wie immer, in Verbindung zu bringen mit einem anderen Raum, mit dem, was in der Tradition der Theosophie und Anthroposophie und anderer spiritueller Strömungen als Ätherraum bezeichnet wird. Der Ätherraum, der einen ganz anderen Charakter hat, der manchmal auch als ein peripherer Raum bezeichnet wird, im Gegensatz zu einem zentrierten Raum der normalen gravitativen und elektromagnetischen Kräfte. Eine schwierige Denkvorstellung. Aber interessant, dass die Formkräfte zwar in den physischen Raum einwirken, aber letztlich aus einem anderen Raum stammen. Wobei der Begriff „Physischer Raum“, den die Anthroposophem gerne verwendet, eigentlich ein Unbegriff ist. Denn der Raum kann in dem Sinne nicht physisch sein kann, auch der sogenannte normale Raum ist nicht sichtbar, er ist nicht tastbar, er ist nicht fühlbar. Er ist nicht physisch. Was immer der Raum ist, physisch ist er nicht. Insofern ist der Begriff eher unglücklich, der hier häufig verwendet wird. Man unterscheidet dann den physischen Raum, den normalen Raum, würde eher sagen den Anschauungsraum, von einem in diesem Sinne metaphysischen Raum, den man dann als Gegenraum bezeichnet. In gewisser Weise werden dort die Formenkräfte dann angesiedelt, die auch aus dem Kosmos das Gestirn bestimmen und übrigens auch dafür verantwortlich sind, sehr interessant der Gedanke, der mich seit Jahren beschäftigt, dass diese Formkräfte aus einem möglichen anderen Raum auch als Lichtkräfte verstanden werden können, letztlich antigravitativ wirken, antigravitativ gegen die sogenannte normale Schwerkraft. Ich habe in meinem neuen Buch „Räume, Dimensionen, Weltmodelle“ dazu mich eingehend auch geäußert, was im August erscheinen wird. Zu dieser faszinierenden Frage, die man schon bei Schelling findet, der auch annimmt, dass diese im höheren Sinne Lichtkräfte, diese Form-Potenzen in irgendeiner Form antigravitativ wirken, ohne dass man nun der Auffassung sein muss, dass die Anthroposophen, sag ich mal etwas grob sinnlich, sich vorstellen, dass sie quasi diese Kräfte, quasi die Pflanzen aus dem Boden rausziehen. Das ist mir zu, sagen wir mal, zu sinnlich-direkt gedacht. Aber es gibt gute Gründe dafür anzunehmen, dass es tatsächlich auch im Licht, auch im sogenannt normalem Licht antigravitative Möglichkeiten gibt. Vielleicht ist darin begründet, dass die Tiefe des Schlafes immer auch mit dem Licht zusammenhängt, dass der Tiefschlaf immer am größten ist in der Nacht und nicht am Tage. Dass man das nie am Tage realisieren kann. Eine schwierige Frage, die ich vielleicht im Wintersemester auch noch eingehender darstellen möchte. Eine faszinierende Frage, ein weites Forschungsfeld übrigens, wo man auch Hypothesen aufstellen kann, die durchaus auch verifizierbar sind oder eben nicht, aber doch einige Vorschläge gemacht, was man, wie man das verifizieren könnte, und sicherlich auch falsifizieren, sodass man dann sagen kann: Das ist nicht der Fall, das stimmt nicht. Auf jeden Fall ist es ein Versuch, den George Adams, diese Formkräfte mit einem anderen Raum, mit einem ätherischen Raum in Verbindung zu bringen. Wie gesagt, Burghard Heim nennt das Hyperraum. Hyperraum ist ein Begriff aus der Mathematik, aus einer bestimmten Art von höherer Mathematik. Ein Begriff, der natürlich dann sehr schnell ganz abstrakte Vorstellungen weckt und mathematisch, leblos wirkt. Und das ja immer die Frage: Ist das möglich? Das kann man ja auch gegen die Modelle von Burkhard Heim einwenden, dass das letztlich Versuche sind, mathematisch spekulativ mit Hyperräumen das Lebendige zu verstehen. Was für meine Überzeugung so nicht gehen kann. Ich sage ja unermüdlich, vielleicht mit einer gewissen Redundanz, wenn man das kritisch anmerken könnte, dass man sich immer im Klaren darüber sein muss, wovon man redet. Redet man von Modellen, redet man von Konstrukten, von heuristischen Vorstellungen, oder meint man das Lebendige selbst? Das ist eine Fatalität in der ganzen modernen Denkentwicklung, dass es dermaßen auseinandergeht. Ich plädiere immer dafür, dass man das möglichst versucht im Bewusstsein zu behalten, dass die existenzielle Ebene als eine unmittelbare Erfahrungseebene auch des Lebendigen etwas ganz anderes ist. Wir alle haben unmittelbar das Lebendige in und durch uns selbst, in der eigenen Leiblichkeit, in der Ichhaftigkeit. Das ist erstmal das, was wir unmittelbar haben als Erfahrung. Und davon müssen wir ausgehen. Wir können nicht von abstrakten Konstrukten und heuristischen Modellen rückschließen, reduktionistisch verkürzt dann, und meinen, wir hätten irgendwas erklärt. Wir haben es allenfalls, bestenfalls dann beschrieben. Aber das ist ein Grundproblem wo, worüber ich mich mit vielen Leuten auseinandersetze heute. Ich staune immer darüber, welche Gläubigkeit, sag ich mal, herrscht hinsichtlich bestimmter Modelle, und dass man selten versteht oder verstehen will, dass das Konstrukte sind. Auch wenn sie relativ gut funktionieren, müssen sie noch lange nicht im ontologischen Sinne wahr sein. Das ist wichtig, dass man das immer auseinanderhält. In aller Bescheidenheit kann man dadurch auf einen Tag leben und kann das erst einmal so hinstellen.

Ich möchte an der Stelle auch dann das nächste Mal den Vierteiler über Polarität einleiten. Ich habe ja drei Vorlesungen über Polarität. In gewisser Weise gibt es eine vierte, die sich mit dem Licht beschäftigt. Licht. Finsternis. Goethe. Newton ist eigentlich die vierte Vorlesung über Polarität. Dazwischen ist der Gastvortrag dann von Marco Bischoff. Ich will genau an der Stelle dann das nächste Mal anknüpfen über die Polarität, Bauprinzip der Natur, die räumliche Komponente, oben, unten, innen, außen. Das meine ich nicht nur auf einer Skala bezogen, sondern das meine ich wirklich qualitativ. Oben und unten ist etwas fundamental anderes im lebendigen Organismus, nach innen und außen. In mehrfacher Hinsicht. Und da kann man tatsächlich sehr viel ableiten, auch aus dem Oben und Unten, der menschlichen Gestalt. Ganz banal gesagt: Der Kopf ist aus guten Gründen oben, die Füße sind unten, das hört sich furchtbar banal, ja lächerlich an. Aber es ist wirklich ergiebig, sich die organische Gestalt mal auch philosophisch ganzheitlich anzuschauen. Die Organe haben in gewisser Weise ihren absoluten Ort im Leib. Sie sind nicht beliebig verschiebbar. Da kommt wieder die Raumfrage rein. Ich habe ja schon mal den Philosophen Hermann Schmitz erwähnt, mit seiner Vorstellung vom Weiteraum, dem Richtungsraum und dem Ortsraum. Da komme ich an vollkommen neue, interessante Perspektiven auch über die Frage des Raums hinein. Und dann kann man noch mal wieder diese Frage sich klarmachen der formativen Energien, die im Raum und aus dem Raum heraus wirken, und wie sie wirken, von oben oder von innen, von außen, wie immer. Auf jeden Fall kann man dann noch mal einen neuen Ansatzpunkt gewinnen für die Frage der … des Verständnis des Lebendigen. Darum geht es letztlich. Die Vorlesung heißt aus gutem Grund: „Das lebendige Buch der Natur“. Es geht um den Versuch, einfach das Lebendige zu verstehen, um nichts Geringeres und um nicht mehr. Und das sind nur Annäherungen, das Lebendige lässt sich wahrscheinlich, sag ich mal prinzipiell, lässt sich wahrscheinlich geistig philosophisch letztlich gar nicht verstehen. Es werden nur Annäherungen sein, aber die sind möglich und die kann man bis zu einem gewissen Grade auch tatsächlich vorantreiben. Es ist genau acht. Ich möchte gleich die Diskussion anschließen. Sie können gern noch ein paar Fragen, oder wir können noch ein paar Fragen klären. Wenn es nicht so lange dauert, wäre es mir lieb. Aber auch nicht abwürgen.

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