Wozu eine neue Theorie des Kosmos?

Vorlesungsreihe:

Mensch und Erde, Teil IV
Gedanken zu einer neuen Theorie der Natur und des Kosmos

Humboldt-Universität zu Berlin
Sozialökologie als Studium Generale / Wintersemester 1998/99
Dozent: Jochen Kirchhoff
Quelle: YouTube-Kanal Jochen Kirchhoff / Alle Audiovorlesungen Nr. 3

Transkript als PDF:

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Einige von ihnen, die dabei waren, werden sich erinnern, dass ich ja im Sommersemester ’98 den Versuch gemacht habe, den Begriff der Lebensenergie in den Mittelpunkt zu stellen und die Frage zu stellen, ob wir eine neue Wissenschaft des Lebendigen brauchen, in diesem Sinne also eine neue Biologie. Ich habe Ihnen verschiedene Ansätze vorgestellt, von Asien, Tantrismus, bis zu Wilhelm Reich, auch mit zwei Gastvorträgen. Sie werden sich erinnern, ein Gastvortrag war doch auch von einem homöopathischen Arzt und ein Gastvortrag damals von Arnim Bechmann über Lebensenergie-Forschung heute.

Dann haben wir verschiedentlich die Frage behandelt, was morphische oder morphogenetische Felder sind, inwiefern der herrschende Darwinismus, Neo-Darwinismus, möglicherweise ein unzulängliches Modell der Erklärung darstellt ‒ und so weiter. Ich will diesen Komplex der Lebensenergie in diesem Semester nicht behandeln, nicht noch mal behandeln. Allenfalls wird es den einen oder anderen Verweis darauf geben.

Ich will in diesem Semester den Versuch machen, Ihnen einen Eindruck zu verschaffen in Möglichkeiten, heute Natur und Kosmos auf eine neue Weise zu denken, eine neue Theorie der Natur und des Kosmos zu entwickeln, die rudimentär da ist, die im Entstehen begriffen ist, die aber kein in sich vollkommen abgeschlossenes und in sich konsistentes Ganzes darstellt. Es gibt diese neue Theorie der Natur des Kosmos nicht. Es sind also Umrisse oder Impulse zu einer solchen Theorie, an der, wie einige von Ihnen ja auch wissen, ich selber seit Jahren auch arbeite.

Die Formulierung des Themas enthält drei Begriffe, die jedermann geläufig sind, und trotzdem möchte ich sie ganz kurz definieren, vielleicht ein bisschen außerhalb dessen, was gemeinhin gedacht und empfunden wird zu Natur und Kosmos. Nun könnte man ja sagen: Natur ist eigentlich Kosmos, und Kosmos ist Natur. Warum überhaupt zwei Begriffe? Warum sage ich nicht überhaupt eine neue Theorie des Universums, eine neue Theorie der Welt überhaupt? Das geschieht hier aus guten Gründen nicht. Ich möchte nochmal daran erinnern, dass “Kosmos” ein Begriff war bzw. ist, der in der griechischen Philosophie entstanden ist und ursprünglich so viel heißt wie Schönheit und Schmuck, aber auch Ordnung. Das heißt, die Griechen, die diesen Begriff prägten, verstanden darunter das Weltganze als ein geordnetes System (“systema” ‒ griechisch), das zugleich schön ist. Auch die Vorstellung, die pythagoreische Vorstellung, von der Sphärenharmonie hängt damit zusammen. Die Welt als Ganzes ist schön, sie ist geordnet, sie ist ein Kosmos, ‒ mag sie auch im Einzelnen chaotisch sein, mag sie undurchschaubar sein ‒ während Natur zunächst begriffen werden kann ohne den Zusammenhang mit Kosmos. “Natur”, vom griechischen “physis”, abgeleitet von dem Wort “phyein”, das soviel wie “blühen” heißt, meint ursprünglich viererlei, was in dem modernen Naturbegriff meistens vergessen wird.

Sie meint den Ursprung eines Dinges, eines Lebewesens, eines Etwas. Das Wesen, sein Wesen, meint aber auch das Telos, Ziel, und das Wachstum. Also griechisch “phyein” heißt soviel wie “wachsen”, also meint das Wachsen, das Ziel, das Wesen und auch den Ursprung. Soweit ich weiß, taucht der Begriff “Natur” im Sinne von “physis” zum ersten Mal auf in der “Odyssee” von Homer, da ist von der Natur, von der physis einer Waffe die Rede. Wir benutzen ja selber heute noch Natur im Sinne von “Wesen einer Sache”. Das lateinische Wort “natura”, abgeleitet von “dass sie geboren werden”, enthält ja auch noch den sehr lebendigen, schöpferischen, produktiven Prozess, der dann im weiteren Verlauf in der frühen Neuzeit verloren gegangen ist. Also zunächst zwei völlig verschiedene Zusammenhänge und Kontexte.

Man kann natürlich sagen: Man kann die Natur als Kosmos denken. Man kann sagen, die Natur, so chaotisch wild sie erscheint, ist im Grunde, in der Tiefe ein Kosmos ‒ und ist im Grunde und in der Tiefe auch als Kosmos und durch den menschlichen Geist zu verstehen. Das ist ja eine Prämisse, die überhaupt Naturphilosophie, Kosmologie ermöglicht, die Annahme, dass da bis zu einem gewissen Grade die Natur auch verstehbar ist. Wenn wir davon ausgehen, dass wir Natur grundsätzlich und prinzipiell in einem gleichsam absoluten Sinne nicht verstehen könnten, dann würden wir ja auf ewig verstrickt sein in pure Projektionen. Dann wäre eine wie immer geartete objektive Erkenntnis absolut unmöglich. Und jede Art von einer Kosmologie, Naturphilosophie, geht davon aus, dass die Natur als ein Kosmos bis zu einem gewissen Grade auch dem menschlichen Geist zugänglich ist, weil der menschliche Geist in der Tiefe selber von der gleichen Natur ist, selber die gleichen Grundstrukturen hat wie der Kosmos. Also eine innere Einheit oder Analogie von Natur und Geist muss vorausgesetzt werden, sonst ist gar nichts erkennbar. Ich habe das schon im letzten Semester verschiedentlich angedeutet.

Man kann sagen, im Menschen erst kommt der Geist in die Erscheinung, kommt zu sich selber. Aber Natur als objektives Ding oder etwas da draußen ist nicht begreifbar, ist nicht erkennbar, wenn sie nicht selber die Manifestation von Geist ist. ‒ Das ist eine Prämisse, die häufig genug nicht klar gesehen wird. Natur muss die Manifestation von Geist sein, sonst ist Naturphilosophie, Naturwissenschaft oder auch Kosmologie eigentlich unmöglich. Sonst müsste man sagen, Natur ist ein unbekanntes X, und wir projizieren nur in diese Finsternis, in diese Dunkelheit, in dieses X unsere Projektionen, also unsere Bilder, unsere Vorstellungen, unsere Ideen hinein.

Dann Theorie. Theorie ist ja ein Begriff, der ziemlich abgeflacht, eindimensional mittlerweile verwendet wird. Alles und jedes ist eine Theorie. Im Ursprung meint Theorie so viel wie “theoria”, d.h. die Schau, eine lebendige Wesensschau des Göttlichen. “theos” steckt da drin, der Gott. “theorain” ‒ Gott schauen, also der eine Theorie Entwickelnde, war im Ursprung Derjenige ‒ oder im Grundansatz in der Antike Derjenige, der den Gott schaut. Also, Theorie war nicht ein abgezogenes, abstraktes Ding, wie das heute meistens gesehen wird ‒ der hat diese Theorie, der hat jene Theorie, der widerlegt den, der bestreitet dem die Gültigkeit seiner Theorie, ein ewiges Hin und Her, was ist denn nun wahr, was ist denn nun Wirklichkeit ‒ so war das in der Antike nicht gesehen worden, obwohl es natürlich auch widerstreitende Theorien gegeben hat. Aber in dem Begriff “Theorie” steckt von der Genesis her ein Wahrheitsanspruch.

Die Theorie bildet die Wirklichkeit bis zu einem gewissen Grade ab, ‒ das ist wichtig auch für den Zusammenhang der nächsten Folgen mit der Frage nämlich nach der Wahrheit und Wirklichkeit von Theorien überhaupt. Das führt hinein natürlich in erkenntnistheoretische Grundfragen, die man stellen muss, wenn man irgendeinen Boden gewinnen möchte, der bei diesen Fragen extrem schwer zu gewinnen ist. Man muss sich schon eine gewisse Distanz schaffen, um diese Dinge mit einer vorurteilsfreien Grundhaltung überhaupt betrachten zu können. Also, Theorie der Natur und des Kosmos meint: Es gibt die Möglichkeit, die Natur und den Kosmos auf neue Weise zu denken. Und dieses neue Denken ist auch notwendig. Das wäre eine erste These, die ich hier an den Anfang stellen möchte: Es ist notwendig, die Natur und den Kosmos auf neue Weise zu denken.

Warum? Warum soll das notwendig sein? Es gibt doch eine Fülle von verschiedenen Theorien, die allenthalben gehandelt werden, die in popularisierter Form über Wissenschafts-Magazine, über das Fernsehen, die Journale, Zeitungen, Zeitschriften, alle Welt erreichen. Warum soll es notwendig sein, auf neue Weise nach der Natur zu fragen, Natur neu zu denken? Ich will das versuchen, zu erläutern.

Wenn ich das richtig sehe, gibt es zehn Komponenten, die in den letzten Jahren auf vielfältige Weise neu gedacht werden. Ich will diese zehn Aspekte mal nennen und will Ihnen dann sagen, auf welche dieser Komponenten ich mich beziehen möchte. Das sind folgende zehn Komponenten, ‒ wohlgemerkt in meiner Wahrnehmung. Andere mögen da eine andere Wahrnehmung haben, obwohl ich glaube, dass es fundamental andere Komponenten kaum gibt, man kann das allenfalls erweitern. Ich glaube aber nicht, dass man eine einzige dieser Komponenten hier gleichsam aus den Angeln heben und sagen könnte: Das ist gar keine Komponente in diesem Sinne.

Erste Komponente.

Ich erspare mir mal das jetzt das an die Tafel zu schreiben, das muss ich nicht machen. Sie können das ja vielleicht, wenn sie das wollen, in Stichworten mitschreiben.

Die erste Komponente, die auch in der gesamten Vorlesung eine große Rolle spielt, ist folgende: Wie sieht das Verhältnis von Naturwissenschaft, Naturphilosophie, Kosmologie und Spiritualität aus? Das wissen die meisten von Ihnen wahrscheinlich, dass das ein heiß umstrittenes Thema ist, seit mindestens 20 Jahren, vielleicht 20, 30 Jahren. ‒ Auf jeden Fall, diese Frage: Gibt es eine Möglichkeit, naturwissenschaftliche, naturphilosophische Erkenntnisse in irgendeiner Form zusammenzuschließen, zu integrieren, konvergent zu machen ‒ wie immer ‒ mit spirituellen Weltsichten? Oder ist das Ganze ein Wahngebilde?

Ich will das ja in einer der nächsten Vorlesungen am Beispiel der Quantentheorie Ihnen erläutern. Da ist es ja populär geworden, fast schon legendär vor 25 Jahren, Fritjof Capra mit seinem “Tao der Physik”. Da ist ja der Anspruch in die Welt getreten, dass das möglich ist, vielfältig kritisiert von Capra selber, partiell auch zurückgenommen; aber immerhin, es gibt diesen Anspruch. Also, das ist eine Komponente, eine ganz wesentliche Komponente, die sich durch alle Diskussionen zieht, hin und wieder auch in Fernsehsendungen auftaucht und die Menschen brennend interessiert. Kein Zufall, dass zwei neuere Bücher, die auch auf der Literaturliste stehen, sich genau damit nochmal beschäftigen. Man könnte sagen, das Thema ist doch längst abgehakt ‒ in keiner Weise! Man kann die These wagen: Es ist es überhaupt noch gar nicht angefangen, das Thema richtig zu denken.

Das ist das neue Buch von Ken Wilber “Naturwissenschaft und Religion”, “The Matrix of Science and Soul”, im Frühjahr erschienen, und ein Buch, was ich nicht dabei habe, aber es steht auf dem Literaturverzeichnis ‒ von Rupert Sheldrake und Matthew Fox mit dem merkwürdigen Titel “Die Seele ist ein Feld ‒ der Dialog zwischen Wissenschaft und Spiritualität”, ‒ also eine Überschrift, die bereits eine These enthält: Die Seele, was immer das bedeutet, soll ein Feld sein.

“Feld” ist ja einer der zentralen Begriffe der Physik seit 150 Jahren. Also da wird noch mal deutlich, dass hier tatsächlich ein …, dass das Thema unausgeschöpft ist, vielleicht ganz neu noch angegangen werden müsste. Jedenfalls wie es bisher behandelt wurde, ist es zutiefst unbefriedigend. Das spürt man auch, sonst würde es nicht immer wieder neue Veröffentlichungen darüber geben. Also, das ist der erste Punkt. Es gibt kaum einen Menschen, den das nicht in der Tiefe interessiert. Also, wenn man Gespräche führt, stellt man immer wieder fest, das interessiert fast jeden irgendwie. Da muss es doch einen Zusammenhang geben. Es kann doch nicht sein, dass zwei völlig verschiedene Stränge nebeneinander herlaufen und die überhaupt nichts miteinander zu tun haben und sich nur befehden und bekämpfen.

Zweiter Punkt. Die zweite Komponente ist mit dem Schlagwort Integration zu benennen, und zwar meine ich jetzt nicht Wissenschaft und Spiritualität, sondern ich meine die Integration einer objekthaften Welt da draußen, eines Es, einer Außenwelt, die wir alle draußen wahrnehmen, wie jeder ja für jeden anderen erst einmal die Außenwelt darstellt. Ich bin für sie Außenwelt und jeder andere von allen anderen im Hörsaal ist für den jeweils anderen Außenwelt. Erst über ein dialogisches Prinzip könnte man versuchen, die Innenwelt dieses Außen irgendwie zu verstehen. Also Integration der Objektwelt und der Innenwelt, der Subjektivität unserer Innenwelt. Ein ungeheures erkenntnistheoretisches Problem, wie es also wirklich kaum ein größeres gibt. Was hat unsere subjektive Innenwelt, unsere Innerlichkeit inklusive unseren Träumen, Phantasien, Visionen, unseren Denkprozesse, zu tun mit der Welt da draußen? Dass da irgendein Zusammenhang bestehen muss, wissen wir alle. Jeder fühlt das instinktiv, jeder weiß aber auch bei einem Minimum an Introspektion, dass da auch eine Kluft ist. Denn jeder Einzelne kann sich ja beliebig, wie man weiß, hineinschwingen, hineinphantasieren in alle möglichen Welten, die mit der objektiven Wirklichkeit, wie es scheint, gar nichts zu tun haben. Oder man kann sagen, alles, was einer denkt, fühlt und empfindet, muss auch ein objektives Korrelat haben ‒ das ist eine sehr weitreichende These. Dann müsste letztlich jede auch noch so absonderliche Theorie in irgendeiner Form ein Wirklichkeitsäquivalent haben.

Also diese Frage: Integration von Innen und Außen oder von Es und Ich bzw. Wir ‒ das muss man dazu sagen ‒ wir sind ja nicht nur “Iche”, man hat schon Schwierigkeiten, den Plural zu verwenden. Es gibt eigentlich das Wort “ich” gar nicht als Plural. Also wir sind ja nicht nur “Iche” oder Ich-Wesen, ‒ wir sind ja auch Wir-Wesen. Oder wie Martin Buber das gesagt hat: Wir begegnen ja den jeweils anderen mittels des dialogischen Prinzips, sonst würde der andere für uns ein Ding sein, also ein Gegenstand, ‒ das ist ja unmenschlich. Mit gutem Recht sagt man: Das ist nicht human. Den anderen als Gegenstand, als Es, als Ding einfach behandeln, behandelt ihn nicht als Menschen. … Also Integration von innen und außen, um es auf eine ganz einfache Formel zu bringen.

Der dritte Punkt betrifft, was in dem Titel von Sheldrake und Matthew Fox auch schon zum Ausdruck kommt, die Frage nach den Feldern, den so genannten Feldern und nach dem Raum. Wenn sie die Diskussion der letzten zwei, drei Jahrzehnte ein bisschen verfolgen, müsste Ihnen auffallen, dass die Frage immer drängender wird, was es eigentlich mit dem Raum auf sich hat, und was die Felder, die man annehmen kann, bis zu einem gewissen Grade auch postulieren muss, was diese Felder mit dem Raum zu tun haben ‒ und auch mit dem, was man als Energie bezeichnet.

Sie wissen alle, dass “Energie” einer der am meisten und auch zugleich am schwammigsten, undeutlichsten, unschärfsten verwendeten Begriffe überhaupt ist. “Energie” ist ein Universalbegriff, der alles und nichts bedeutet. ‒ Schlechte Energie hat irgendeiner angeblich, bad vibrations. Alles ist Energie. Du bringst hier eine schlechte Energie in den Raum. ‒ Also ‒ was heißt das? Ich habe darüber ja auch im Sommersemester einiges gesagt. Es geht zurück auf “energaia”; eine lebendig wirkende Kraft meint das bei Aristoteles ursprünglich. In der Physik meint es wieder was anderes ‒ die Fähigkeit Arbeit zu verrichten. Das jetzt nur am Rande gesagt.

Also die Frage: Was sind diese Felder? Wie hängen sie mit dem Raum zusammen? Und auch die Frage, die hier eine Rolle spielen wird, dann in einer der Vorlesungen Anfang Januar, die Frage nach dem sogenannten Äther. Also, gibt es da eine feinstoffliche Substanz, die im Raum allgegenwärtig ist, wie das ja angenommen wurde, in der Physik auch bis zu Einstein, neuerdings wieder vielfältig diskutiert als eine Möglichkeit. Die Frage also: Was ist der Raum? Was sind die Felder? Wie werden Wirkungen durch den Raum transportiert, was ja im Falle der Gravitation besonders eklatant ist. Ist das eine unendliche Geschwindigkeit? Hier Körper A, dort Körper B, Körper A wirkt auf Körper B: Was passiert dazwischen? Sind das … ist das eine Geschwindigkeit? Sozusagen, ein Tropfen löst sich von hier, eilt durch den Raum, kommt dort an, oder es ist eine unendliche Geschwindigkeit, wenn es dort überhaupt Geschwindigkeit ist, was man heute als non-locality bezeichnet, als Nicht-Lokalität? Also gleichzeitig passiert das, sodass eine Wirkung quasi den Raum unterläuft, ohne Zeitverlust, ‒ ein rätselhaftes Phänomen, viel diskutiert. Und wer sich damit beschäftigt, dem kann wirklich das Schwindeln kommen, weil wie immer man es denkt, es versucht, es bleibt etwas Unbegreifliches. Aber es gibt gute Indizien dafür, dass hier tatsächlich ein Problem liegt.

Also die Frage der Felder, der Übermittlungsformen und des Mediums; auch die Frage, was diese Energien sind, auch was ist diese Chi-Energie? Gibt es vielleicht die Möglichkeit auch telepathischer Beeinflussung? Auf welchen Wellen gleichsam werden diese Wirkungen transportiert? Das Ganze ist ja selbst, wie sie wissen, in der materialistischen Sowjetunion damals über Jahrzehnte hinweg erforscht worden. Die haben ja ausgiebig diese Fragen erforscht. Der dritte Punkt.

Der vierte Punkt betrifft die Materie selbst. Je mehr man wissen kann über die Materie, umso rätselhafter wird es, ‒ es ist nicht nur der Widerspruch zwischen der sinnlichen Undurchdringlichkeit der Materie und ihrer energetischen Netzhaftigkeit, die ja doch sinnlich empirisch kaum zu verstehen ist. Was für den sinnlich empirischen Menschen ganz hart, undurchdringlich, entweder lusthaft oder schmerzhaft ist, soll ja nur ein waberndes, energetisches Netzwerk sein. Wie kommt die Undurchdringlichkeit und Härte zustande? Wie wirkt überhaupt Materie aufeinander? Und was ist in dem Zusammenhang mit der Gravitation, mit der Schwere ‒ und was ist Bewegung? Auch das ist ein großes Rätsel. Wie kommt Bewegung zustande? Wie kann überhaupt der menschliche Wille den eigenen Körper bewegen? Man könnte zunächst sagen, das ist doch überhaupt keine Frage, das ist doch längst entschieden, aus der Alltagserfahrung heraus. Wieso muss man sich damit beschäftigen?

Es ist aber wirklich eine völlig ungelöste, absolut rätselhafte Frage: Wieso kann durch einen Willensimpuls der eigene Leib bewegt werden? Ich weiß nicht, ob sie darüber mal nachgedacht haben. Wenn sie es tun, können sie auch ins Schwindeln geraten, weil wenn wie doch erst einmal angenommen wird, in der herrschenden Naturwissenschaft, diese Welt in sich vollkommen kausal geschlossen ist, auch im Sinne quantentheoretisch zu verstehender Akausalität auf jeden Fall geschlossen ist: Wie kann es möglich sein, dass der menschliche Wille jederzeit in die Materie hineinwirken kann? Das bedeutet ja, dass in jedem Willensakt die Naturgesetze aus den Angeln gehoben werden.

Das ist ein großer Punkt immer gewesen, auch im Zusammenhang mit der Gehirnforschung: Gibt es überhaupt ein Willenszentrum, was sich des Neokortex der Großhirn-rinde bedient? Die herrschende Neurophysiologie streitet das ja ab, sagt, das gibt’s nicht. Also mit ganz wenigen Ausnahmen war der große John Eccles, der anderer Auffassung war. Aber das ist wirklich eine ungeheure Frage: Wie kommt Bewegung zustande? Denn wenn sie wirklich kraft ihrer eigenen Willensentscheidung Ihren Körper sozusagen nach Belieben bewegen können, müssen sie in jedem Augenblick diesen naturgesetzlichen Zusammenhang aus den Angeln heben. Das tun sie faktisch, wenn es stimmt. Man kann dann sich nur behelfen, das ist ja viel diskutiert, wenn man sagt: Na ja, diese Welt ist gar nicht ge-schlossen, da gibt es sozusagen Schlupflöcher. Und dann die Frage: Wo sind diese Schlupflöcher? Sind die in der Materie vorhanden?

Die Quantentheoretiker haben ja schon in den 50er Jahren behauptet, sie können die Willensfreiheit beweisen, auf diese Weise. Dass jedenfalls ist wirklich ein Thema, ein echtes Thema, ein aufwühlendes Thema. Es wäre der vierte Aspekt. Frage: Ist es lösbar, oder aber müssen wir es hinnehmen, dass wir es nicht lösen? Wir können sagen, das ist einfach ein Rätsel, was ja oft gesagt wird, wie die Zeit ‒ das ist nicht lösbar. Man kommt aus den Paradoxien nicht hinaus, und es ist auch besser, man tut es nicht, weil man sonst den Verstand verliert.

Also fünfter Aspekt ist das Bewusstsein überhaupt, nicht, die Frage nach dem Bewusstsein, eine der spannendsten Fragen, die es gibt: Was ist Bewusstsein? Gibt es objektives Bewusstsein? Es-haftes Bewusstsein? Oder ist Bewusstsein immer gebunden an eine Person, an eine Ichhaftigkeit? Jeder von uns hat ja doch das Gefühl, ich habe Bewusstsein. Oder sollte man sagen: Ich bin Bewusstsein? Da hat man auch das Gefühl, dass ist zu wenig. Weil, ich bin ja nicht nur Bewusstsein, ich bin ja auch noch mehr als nur Bewusstsein. Denn wenn sie nur von dieser engen Definition von Bewusstsein ausgehen, dann reduzieren sie ja Bewusstsein nur auf das, was sie bewusst wahrnehmen über die Großhirnrinde. Was ist dann aber mit Träumen, Phantasien, was aufsteigt im Schlaf und Grenzzuständen usw. Also, die Frage nach Bewusstsein generell und die Frage nach dem Bewusstsein in Grenzzu-ständen ist eine hoch spannende Frage, die zunehmend mehr diskutiert wird. Der fünfte Aspekt.

Der sechste Aspekt betrifft die Zeit. Man kann das ja beobachten, dass es eine Flut von Büchern gibt über die Frage, was die Zeit ist, und man spricht gelegentlich, der Physiker Hans-Peter Dürr hat das gemacht vor einigen Jahren, von der Wiederentdeckung der lebendigen Zeit. Zeit wird wieder gleichsam aktuell. Was ist diese Zeit für ein rätselhaftes Ding? Auch da kann man sagen: Diese Frage ist nicht zu klären. Philosophen, Naturforscher haben es vergeblich versucht. Man kann sie auf sich beruhen lassen. Aber jeder einzelne spürt ja doch, da wir ja Zeit-Wesen sind, dass ihn das angeht. Das ist ja nicht eine Frage, die irgendwo da draußen eine rein intellektuelle Frage ist, sondern wir alle sind ja in die Zeit verwoben. Wir sind ja Zeit-Wesen, wir altern, wir jagen auf unseren physi-schen Tod zu, unleugbar, in jeder Sekunde. Insofern ist die Frage nach der Zeit ja auch eine existenzielle Frage, oft im Zusammenhang mit den berühmten Zeitreisen, die in der esoterischen Literatur der letzten 10, 15 Jahren ständig diskutiert werden. Gibt es Zeitreisen, auch physikalisch unterfüttert? Und diese Fragen beschäftigen die Menschen sehr.

Also da kenne ich auch kaum jemand, den das nicht in der Tiefe irgendwie interessiert. Also jeder, der davon hört, auch wenn er das alles skeptisch betrachtet, wenn er das hört und dann einen Moment drüber nachdenkt, ist er davon alarmiert und zutiefst be-troffen, ‒ weil das geht ihn an. Was ist die Zeit für ein rätselhaftes Ding? Wäre also der sechste Gesichtspunkt.

Ich nenne nachher nochmal alle im Überblick. Ich kann sie nicht hier alle behandeln in diesem Semester, das ist klar. Ich will hier zunächst mal nur in dieser Einstiegsvorlesung einen Überblick geben, was wir da rausholen, was es überhaupt gibt, dem man sich stellen kann.

Die siebte Frage betrifft das ganze Verhältnis Mensch-Kosmos, im umfassenden Sinne. Auch die Frage der Kosmologie ist damit angesprochen, auch die Frage möglichen extraterrestrischen Lebens, die ja auch jeden irgendwie interessiert. Ich kenne jedenfalls keinen, den das vollkommen gleichgültig lässt. Also, die Frage: Gibt es extraterrestrisches Leben? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Können wir das wahrnehmen? Sind wir auf ewig getrennt davon, gibt es Kommunikationsmöglichkeiten und so weiter? Auch das ist eine Frage.

Ich habe in diesem Buch hier, das vor einigen Wochen erschienen ist, “Was die Erde will”, auch einen Abschnitt darüber drin. Über diese Frage, wie man das denken kann, mögliches extraterrestrisches Leben, also eine aufregende Frage. Nicht zufällig nenne ich dieses Buch im Untertitel “Mensch, Kosmos, Tiefen-Ökologie”, also Mensch und Kosmos, ‒ weil tatsächlich daran hängt alles: Was sind wir für Wesen in diesem rätselhaften Universum? Eine interessante Frage, gelinde gesagt, die interessanteste Frage, die man sich vorstellen kann. Da kommt man an all diese anderen Fragen auch, ‒ letztlich, wie man ja schnell merkt, hängen alle diese Fragen miteinander zusammen. Das ist also der siebte Aspekt. Der Aspekt, also die Möglichkeit, die Frage Mensch und Kosmos. Und die Frage: Gibt es extraterrestrisches Leben?

Der achte Aspekt dieser zehn Aspekte betrifft die Frage, die auch in diesem Semester eine Rolle spielt. In der letzten Vorlesung dann vor der Weihnachtspause: Gibt es die Möglichkeit, die Mathematik auf eine naturgemäße oder menschengemäße Weise neu zu denken? ‒ Jenseits der herrschenden Abstraktion. Gibt es also eine andere Mathematik? Auch das ist ein Thema, was übrigens auch Johannes Heinrichs in seinem Buch “Öko-Logik” behandelt, in einem ausführlichen Abschnitt über harmonikale Bezüge in der Natur. Das kann man ja auch aus der Musik ableiten. In der Musik wird es ja eigentlich deutlich, dass es so ist. Aber auch in der harmonikalen Grundlagenforschung von Hans Kaiser, Rudolf Haase und anderen, was die sogenannten Tonzahlen betrifft. Darüber will ich am 15. Dezember (1998) sprechen. Auch das ist eine wirklich wichtige Frage. Die Frage: Was hat die abstrakte Mathematik zu tun mit der chronologischen Zahlenfolge? Nicht, diese merkwürdige Neugierde, die Menschen danach haben oder darauf haben: Wie alt sind sie eigentlich? ‒ Das ist ja nicht nur: Sieht der so alt aus, wie er ist? Oder hat er sich gut gehalten? Oder: Sieht der eigentlich furchtbar aus für sein Alter? ‒ Das ist ja die Frage. ‒ Oder auch im “Spiegel” dann: Gerhard Schröder, in Klammern ‒ 54, designierter Bundeskanzler. So, ist das wichtig, dass der 54 und Helmut Kohl 68 ist? ‒ In irgendeiner Form hat man das Gefühl, diese Zahlen sind so wie ein Etikett. Wie alt einer ist, scheint ihn irgendwie auf eine Weise, die kann er … zu kennzeichnen, auch das Interesse, das viele Menschen haben, auch ausgepichte Rationalisten. Sigmund Freud zum Beispiel, war so einer [mit Interesse an] an zahlenmystischen Bezügen. Sigmund Freud hat sich brennend interessiert für zahlenmystische Bezüge, also einer der nun wirklich ausgewiesenen Rationalisten, als der er erst-einmal anzusehen ist, bei allen Impulsen, die er geliefert hat. Also diese Frage ist interessant, gelinde gesagt.

Dann der neunte Aspekt betrifft, und das führt ein bisschen zurück auf das vorige Semester, die Frage nach der Evolution des Lebens überhaupt: Wie ist Leben entstanden? Wie kann man Leben denken? Was ist überhaupt das Lebendige? Und wie können wir uns darin integrieren? Also die Frage nach dem Leben und auch der Lebensenergie, der Lebenskraft. Das will ich aber in diesem Semester nur am Rande behandeln. Dem habe ich ja ein ganzes Semester gewidmet im Sommer ’98 Auch die Kritik an Darwin, die zuneh-mend wächst, finde ich, ‒ es wird ja deutlich, dass die Makroevolution sich gar nicht darwinistisch erklären lässt ‒ und so weiter.

Und der zehnte und letzte Aspekt betrifft die Frage nach hell und dunkel. Das ist keine Belanglosigkeit. Die Frage nach dem Licht, die immer rätselhafter wird, je mehr man weiß über das Licht, umso rätselhafter wird das Licht. Was ist denn dieses Licht überhaupt? ‒ Das weiß keiner. Was ist das Licht ‒ und was ist die Finsternis? Diese Fragen haben auch zu tun, offensichtlich mit Bewusstsein. Denn wie man weiß, ist Materie für sich nicht sichtbar, dunkel, unsichtbar ‒ und Licht für sich ist auch unsichtbar, wie man weiß. Ich habe ja auch schon mal vor zwei Jahren hier in einer Vorlesung darüber gesprochen, und man muss das nicht bezweifeln. Das ist unbezweifelbar. Wenn sie links eine helle Lichtquelle haben und rechts einen Schirm und gucken: Dazwischen ist da nichts. Absolute Finsternis, sie sehen nur in demselben Augenblick etwas, wo sie ein Stück Materie dazwischen halten ‒ plötzlich wird es sichtbar. Wo ist das Licht vorher? Entsteht es in dem Augenblick, lässt es sich überhaupt genau lokalisieren ‒ und so weiter. Also eine spannende Frage: Was ist Licht, und was ist Finsternis?

Das sind für meine Wahrnehmung die 10 wichtigen Fragen, die für eine neue Theorie der Natur und des Kosmos relevant sind. Wahrscheinlich ist es so, obwohl man es nicht letztgültig sagen kann, dass alle zehn Fragen vielleicht nur Aspekte einer Frage sind. Was wäre dann diese eine Frage? Das wäre dann die Frage nach dem Menschen überhaupt, was der Mensch überhaupt in diesem Universum darstellt. Vielleicht wären dann auch die anderen Fragen lösbar.

Also diese 10 Zentral-Aspekte müssten ins Blickfeld geraten, wenn es um eine neue Theorie der Natur und des Kosmos gehen sollte. Das kann ich in diesem Semester nicht in allem Umfang machen, das ist klar. Ich will mich beschränken auf einige Aspekte davon, vor allen Dingen auf die Frage (will ich nachher noch sagen, wenn ich die Übersicht erläutere) Naturwissenschaft, Spiritualität an drei Beispielen. Ich frage auch nach dem Raum und nach den Feldern. Und immer wieder wird die Frage eine Rolle spielen nach dem Bewusstsein und auch die Frage nach den Zahlen-Welten jenseits der Mathematik. Da mache ich eine eigene Vorlesung zu.

Ich will noch etwas anderes sagen, was ich vorhin vergessen habe. Es wird ja immer wieder gefragt: Was ist denn eigentlich mit diesem Institut für Sozialökologie? Und dazu kann ich Folgendes jetzt sagen ‒ dieser Johannes Heinrichs, der hier anfängt in diesem Wintersemester, arbeitet in gewisser Weise in der Nachfolge von Bahro, und das Institut hat einen neuen Standort bekommen. Die sind aber erst am Umziehen, aber trotzdem will ich es ihnen nennen und auch die Telefonnummer, weil ja auch verschiedentlich gefragt wird: Welche Nummer muss man da wählen, und wer geht da ran? Und da ist ein Anrufbeantworter. Da ist ja immer keiner und so. ‒ Also ich sage Ihnen jetzt mal den neuesten Stand. Wahrscheinlich dauert es noch ein paar Tage, bis das Institut, es ist nur ein Raum, anderthalb Räume dort, wo das ist: Institut für Sozialökologie, Humboldt-Universität, Philippstraße 13. Die Philippstraße geht nicht direkt von der Friedrichstraße ab, sondern von der Hessischen Straße. Also, wenn sie nach Norden laufen Richtung Oranienburger Tor, dann müssen sie links die Hessische Straße rein und dann noch wieder links. Dann kommen sie auf die Philippstraße. Es ist also U-Bahnhof Oranienburger Tor. Beziehungsweise müssen sie ein bisschen weiterlaufen. S-Bahnhof Oranienburger Straße, also links die Oranienburger Straße lang, dann Friedrichstraße, von der Hessischen geht es rein. Friedrichstraße, Hessische Straße, Philippstraße. Telefonnummer 2 0 9 3 generell für die Universität, egal wo sie anrufen. 2 0 9 3 und dann 6 1 3 5 bzw. 6 1 9 9. Sind zwei Telephone da. Fax 2 0 9 3 6 2 6 8. Ich kann das das nächste Mal nochmal sagen. Also das ist die vorläufige Heimstatt des Instituts für Sozialökologie. Was aus diesem Institut wird und wie das weitergeht, das weiß keiner. Ich weiß es im Moment auch nicht. Wir alle wünschen, dass das noch ein paar Jahre hält. Die Mittel sind knapp, überall wird gespart. Und hier ist es überhaupt erfreulich, dass es eine gewisse Kontinuität gibt. Dass auch so Jemand wie Johannes Heinrichs hier anfangen kann, finde ich wunderbar. Das ist ein ermutigendes Signal.

Gut, ich habe ihn jetzt erst einmal die 10 Grund-Komponenten genannt, die nach meiner Wahrnehmung wichtig wären für eine neue Theorie der Natur und des Kosmos bzw. die 10 Komponenten der einen großen Herausforderung. Nun habe ich auch schon die Fragen gestellt: Sind vielleicht diese 10 Komponenten nur Facetten einer Grundfrage? Ich habe sie selbst beantwortet. Ich würde sagen: Ja ‒ der Grundfrage überhaupt nach der Existenz des Universum auf die allgemeinste Formel mal gebracht.

Wenn man sich dieses Thema Naturwissenschaft ‒ Spiritualität, was in dem Semester eine zentrale Rolle spielen soll, mal genauer anschaut, dann wird man sehen, dass da eine Grundfrage angesprochen ist, die auch sozial und politisch und global von ungeheurer Wichtigkeit ist. Also keineswegs eine Frage, abgehoben, fernab vom großen Ge-schehen. Im Gegenteil ‒ man kann sagen, wenn es nicht gelingt, bis zu einem gewissen Grade die naturwissenschaftliche Denkweise zu integrieren, vielleicht gar zu versöhnen mit spirituellen Ansätzen, klafft ein Riss auch in dieser Weltgesellschaft oder Weltgemeinschaft, der ja ohnehin da ist, der ständige Konflikte produziert. Nun, das kann man nicht naiv betrachten, als ob es hier um eine Harmonievorstellung ginge, als ob dieser Gegensatz grundsätzlich zu überwinden wäre; das ist er wahrscheinlich nicht. ‒ Aber man muss das Thema sehen. Man muss wissen, dass es wirklich existenziell für diese Erde ist, auch für eine friedvoll existierende Weltgemeinschaft, wenn die Menschheit eine Zukunft haben soll, ‒ was wir wünschen. Das ist also tatsächlich zentral wichtig. Es ist keineswegs ein Thema, was eine Randerscheinung wäre, wenn es vielleicht auch so zunächst erscheinen könnte.

Das stellt übrigens ganz schön Ken Wilber schon am Anfang in seinem Buch “Naturwissenschaft und Religion” dar. Ich darf mal die paar Sätze vorlesen, mit denen er sein Buch anfängt. Da zeigt er nämlich ganz deutlich auch die globale, die politische und soziale Bedeutung des Themas. Ich lese mal die ersten Passagen kurz vor hier. Sein erstes Kapitel heißt: “Die Herausforderung unserer Zeit, die Integration von Wissenschaft und Religion” nennt er das, nicht Spiritualität erstmal, das ist ja eigentlich nicht dasselbe. Religion meint ja eher die Gemeinde, diese etablierten Formen.

“Es gibt wohl in der modernen Welt kein bedeutsameres und drängenderes Thema als das Verhältnis von Wissenschaft und Religion. Die Naturwissenschaft ist zweifellos eines der tiefgründigsten Verfahren, die die Menschheit bisher entwickelt hat, um Wahrheit zu entdecken, während Religion diejenige Kraft ist, die wie keine andere Sinn stiftet. Wir brauchen Wahrheit und Sinn, Wissenschaft und Religion, aber wir wissen nicht, wie man beides in einer Weise zusammenführt, die von beiden Seiten akzeptiert wird. Die Versöhnung von Wissenschaft und Religion ist nicht nur von flüchtigem akademischen Interesse. Diese beiden gewaltigen Kräfte, Wahrheit und Sinn, liegen in der heutigen Welt in heftigem Widerstreit miteinander. Die moderne Wissenschaft und die prä-moderne Religion ringen mit ihren je unterschiedlichen Mitteln auf diesem Erdball um die Vorherrschaft. Früher oder später muss sich eines von beiden geschlagen geben. Wissenschaft und Technik haben ein weltweites und transnationales Netz industrieller, wirtschaftlicher, medizinischer, naturwissenschaftlicher und informationstechnischer Systeme geschaffen. Wie nutzbringend aber alle diese Systeme auch sein mögen, sie sind doch als solche sinn- und wertfrei. Wie die Vertreter der Wissenschaft selbst immer wieder betonen, sagt uns diese, was ist, nicht, was sein sollte.”

Jetzt mal in diesem hohen Anspruch. Natürlich kann man zu dieser Gleichsetzung von Wissenschaft und Wahrheit viele Einschränkungen machen. Es geht erst mal um die Idee von Wissenschaft, um die Grundkonzeption, egal was sie realisieren kann.

“Die Wissenschaft sagt uns etwas über Elektronen, Atome, Moleküle, Galaxien, Daten, Bits und digitale Netzwerke. Sagt uns, was ein Ding ist, aber nicht, ob das gut oder schlecht ist oder was es sein könnte oder sollte. Daher ist diese gewaltige globale wissenschaftliche Infrastruktur als solche ein wertfreies Gerippe, wie funktionell auch immer sie sein mag. Dieses enorme Wert-Vakuum füllt die Religion gern aus. Die Wissenschaft hat jenen außergewöhnlichen, weltweiten und globalen Rahmen geschaffen, der frei von jeglichem Sinn ist. Und in diesem ubiquitären, allgegenwärtigen, Rahmen haben sub-globale Nischen der prä-modernen Religion Milliarden von Menschen in allen Teilen der Welt Wert und Sinn gegeben. Das ist immer noch so. Zugleich streiten diese prä-modernen Religionen dem naturwissenschaftlichen Rahmen, in dem sie leben und der den größten Teil ihrer Medizin, ihrer Wirtschaft, ihres Bankwesens, ihrer Informationsnetze, ihres Verkehrs und Kommunikationsmittel bereitstellt, oft jegliche Gültigkeit ab. Religiöser Sinn versucht sich innerhalb des wissenschaftlichen Wahrheitgerippes zu behaupten, wobei er oft den naturwissenschaftlichen Rahmen als solchen bekämpft. Das geschieht ja am radikalsten im fundamentalistischen Islam. Dies ist freilich die Haltung eines Menschen, der munter an dem Ast sägt, auf dem er selbst sitzt. Die Abneigung ist gegenseitig, denn auch die moderne Wissenschaft verwirft gelassen praktisch alle Grundaussagen der Religion im Allgemeinen.”

Das ist ja die berühmte Schizophrenie, die ich hier oft erwähne, dass Sie als Wissenschaftler, egal welche Wissenschaft sie betreiben, ihre jeweiligen Glaubensüberzeugungen draußen vor der Tür lassen müssen, ob Sie Buddhist sind oder Hindu, ob Sie Moslem sind oder sich als Schamane fühlen wenn Sie im Labor stehen, müssen Sie richtig messen, sonst können Sie dort nicht stehen, sonst sind Sie einfach in diesem Sinne dieses Paradigmas Dilettant. Insofern ist von vornherein eine Trennung, die oft genug bis zu schizophrenen Bewusstseinslagen geht, ‒ dass einer das eine glaubt und fühlt, das andere aber tut.

“Die Abneigung ist gegenseitig, denn auch die moderne Wissenschaft verwirft gelassen praktisch alle Grundaussagen der Religion im Allgemeinen. Der typischen Auffassung der modernen Naturwissenschaft zufolge ist Religion wenig mehr als Überbleibsel aus der Kindheit der Menschheit, dem so viel Wirklichkeitsgehalt zukommt, wie, sagen wir, dem Weihnachtsmann. Ob religiöse Behauptung eher wörtlich, Moses teilte das Rote Meer, oder eher mystisch, Religion beinhaltet unmittelbare spirituelle Erfahrung, sind ‒ die moderne Wissenschaft verwirft sie alle, weil es keine glaubwürdigen empirischen Beweise dafür gibt.”

Verwirft sie nicht in dem Sinne, dass es nicht sein darf, dass man nicht so denken darf. Aber die empirische Bedeutung, die objektive Bedeutung dieser Aussagen wird ange-zweifelt. Nicht, dass also der Einzelne nicht subjektiv dieser Überzeugung sein kann.

“Dies ist also die bizarre Struktur der heutigen Welt. Ein naturwissenschaftlicher Rahmen globaler Spannweite mit alles umfassenden Informations- und Kommunikations-netzen bildet ein sinnfreies Skelett, in dem hunderte sub-globaler, prä-moderner Religionen für Milliarden von Menschen Sinn und Wert schaffen. Und beide, Wissenschaft und Religion, bestreiten dem jeweils anderen Signifikanz oder überhaupt Wirklichkeitsgehalt. Das ist ein massiver und schwerwiegender Riss in den inneren Organen der heutigen Weltkultur. Und aus diesem Grunde glauben viele Gesellschaftsanalytiker, dass die Zukunft der Menschheit zumindest unsicher ist, wenn nicht eine Versöhnung zwischen Naturwissenschaft und Religion, in welcher Form auch immer, zustande kommt.”

Also wie immer man jetzt zu den Einzelaussagen von Wilber stehen mag, ich glaube schon, dass er in der Grundrichtung Recht hat, dass er mit Recht darauf hinweist, dass hier eine Kluft ist, auch wenn er nicht das Wort Schizophrenie erwähnt, die in irgendeiner Form der Heilung bedarf. Es kann nicht sein, dass ein Mensch permanent ‒ oder dass unzählige Menschen permanent mit diesem Riss durch ihre eigene Seele herumlaufen. Das muss auf die Dauer neurotisch wirken, ‒ das ist auch neurotisch. Und das wirkt auch tatsächlich neu-rotisch ‒ wenn man der Auffassung sein muss, was die Wissenschaft erkennt, behauptet, sagt, ist etwas fundamental anderes, als was die eigene religiöse, spirituelle Überzeugung ist. Es ist eine ganz andere Frage, wenn man auf eine naive, vorschnelle, ja geradezu platte Weise nun da Zusammenhänge herstellt, etwa wenn der Vatikan den Urknall bejubelt als Beweis der Weltschöpfung, ‒ das ist eigentlich etwas, mit dem man sich nicht ernsthaft beschäftigen muss, obwohl es hier erwähnt sein müsste und sollte an der Stelle. Das führt überhaupt nicht weiter, wenn man irgendwelche einzelnen Theorien, wie schlecht oder gut gestützt auch immer sie sein mögen, nun im Schnellverfahren mit religiösen Überzeugungen zusammenbringt, etwa: Die Quantenphysik sagt dies und jenes über das Licht ‒ Mystiker haben das ja schon immer gesagt. ‒ Das ist eine sehr schnelle und vordergründige Weise. Das muss man sich genauer angucken. Wenn man das so oberflächlich behandelt das Thema, muss man sich gar nicht damit beschäftigen. Dann ist ja die Frage eigentlich schon gelöst. Bloß, die Theorien ändern sich, und sogenannte wissenschaftliche Wahrheit ist ja kein fester Block, ist ja auch ein fluktuierendes Gebilde. Es gibt ja auch einen Wechsel der Grundmuster ‒ der berühmte Paradigmenwechsel ‒ also das muss man sich ein bisschen genauer angucken, auf jeden Fall, das ist ein großes Thema.

Und diesem Thema will ich mich unter anderem in diesem Semester zuwenden, weil ich wirklich meine, das ist ein Menschheitsthema, was auch tatsächlich schwerwiegende und weitreichende soziale und politische Auswirkungen hat, die man, glaube ich, erkennen kann, auch wenn man nur minimal darüber nachdenkt.

Ich will zunächst einmal jetzt versuchen, Ihnen einen Überblick zu geben, was ich vorhabe in diesem Semester und Ihnen die wichtigen Bücher nennen, die eine Auswahl darstellen; man könnte die drei- oder vierfache Menge hier angeben. Es bringt aber nichts, Literaturverzeichnis mit 200 Titeln hier anzuführen, die eh keiner liest. Auch schon die 20 Titel, die hier drauf stehen, werden sie nicht alle lesen. Aber immerhin, ich will es erwähnt haben, auch Bücher, die mich beeindruckt haben, die mich beeinflusst haben, oder die von mir selber sind.

Ich will nach diesem Spektrum, was ich heute schon erst mal aufgefächert habe, dann das nächste Mal die Frage behandeln oder mich der Frage zuwenden, was denn Wahrheit oder der Wahrheitsanspruch der Naturwissenschaft zu tun hat mit dem real existierenden naturwissenschaftlichen Betrieb oder Apparat. Das heißt: Was ist denn mit der real existierenden Naturwissenschaft ‒ ich benutzte jetzt mal bewusst diese Formel ‒ und der Frage nach der Wirklichkeit und der Wahrheit? Wie wahr sind solche Theorien denn überhaupt? Und ich will versuchen, ihnen dann einige Kriterien zu vermitteln, die es nämlich gibt. Das ist wichtig.

Man ist ja schnell geneigt zu sagen heute, das ist ja ein bisschen sehr modisch, fast modern: “Anything goes” ‒ Persönlichkeit X sagt das eine, Persönlichkeit Y sagt das Gegenteil, und Persönlichkeit Z bestreitet das von den beiden anderen. So zimmert sich jeder seine eigene Weltsicht. Das ist ja der ‒ jetzt mal überspitzt und sehr grob natürlich, nicht differenziert ‒ der Konstruktivismus; also die konstruieren die Welt, individuell natürlich nur gering, aber kollektiv, gesellschaftlich: Jeder hat seine eigene Weltsicht. Der Kosmos sieht für jede Gesellschaft anders aus; der Kosmos sieht für jeden von uns hier im Raum vollkommen anders aus. Das heißt, wir könnten uns dann ja eigentlich nur über wechselseitige Phantasmagorien verständigen. Aber immerhin gibt es das Licht, das objektiv da ist. Es gibt die Gravitation, die uns zu Boden zieht oder drückt. Es gibt ja doch Tag und Nacht, die wechseln. Es gibt da bestimmte Gesetzmäßigkeiten. Es gibt so etwas wie eine objektiv existierende Wirklichkeit, die auch bestimmten Regelhaftigkeiten und Gesetzmäßigkeiten folgt. Das kann man nicht ernsthaft abstreiten.

Und um diese Frage geht es ja auch bei der Frage der Wahrheit. Und wo sind da die Grenzen? Das ventiliert auch Wilber. Und das ventiliert natürlich jeder, der sich mit diesen Fragen beschäftigt: Wo sind die Grenzen? Was ist wirklich wirklich? ‒ Was ist wirklich, wirklich? Und was ist kulturelle Projektion?

Das kann ja jeder Einzelne mal gleichsam experimentell für sich selber versuchen zu klären. Was ist für ihn … können sie ja mal versuchen für sich: Was ist für mich objektiv wahr? Wenn sie sich mal ganz ehrlich die Frage stellen ‒ ohne dass ein anderer zuhört oder dass sie sich irgendwie rechtfertigen müssen oder dass die Fernsehkamera vor ihnen steht, dass irgendeiner das belauscht ‒ ganz subjektiv nach innen fragen: Was ist für mich eigentlich wirklich wahr? Was halte ich für absolut richtig? Wenn man … wenn das möglich ist, wenn man das kann ‒ und wo schwimme ich eigentlich? Ich kann sagen: Ich schwimme überhaupt. Aber dann müsste man die eigene Existenz abstreiten, die ja unzweifelhaft vorhanden ist. Also man kann da durchaus auch ohne allzu große, sagen wir mal, differenzierende Denkbemühungen etwas erreichen. Also das gebe ich mal als Anregung, einfach mal für sich selbst die Frage zu stellen: Was ist für mich wirklich, was ist für mich wahr? Woran zweifle ich überhaupt nicht? Wahrscheinlich nicht daran, vermute ich mal, dass morgen auch morgen ist, dass es wieder hell werden wird, dass die Erde sich dreht in irgendeiner Form, dass die Dinge weitergehen. Also das berühmte USW-Problem von Husserl, dass Undsoweiter-Problem.

Man könnte ja sagen: Das ist ja so banal, scheinbar banal ‒ es ist nicht banal, warum es immer weitergeht.

Also, wo sind die Fixpunkte der eigenen Überzeugung? Und dann vielleicht auch die Frage: Wie kommt das? Ist das meine unmittelbare Erfahrung, oder sind es meine Glau-bensüberzeugungen? Da werden sie vielleicht Schwierigkeiten haben, oder jeder hat die bis zu einem gewissen Grade, das genau zu trennen? Was glaube ich, und wovon bin ich überzeugt, dass es absolut, in einem absoluten Sinne, so ist? Oder es verschwimmt alles. Das kann aber nicht sein, dann wäre hier überhaupt keine Verständigung möglich. Also wenn der Konstruktivismus in einem absoluten Sinne gültig wäre, bräuchte man sich nur noch über, wie ich sagte, Phantasmagorien zu verständigen, über Traumwelten. ‒ Das kann es nicht sein. Dann hätte es nie Erkenntnis gegeben, dann hätte es nie Naturwissenschaft gegeben, nie überhaupt auch Technik gegeben. Denn die Technik basiert darauf, dass bestimmte Regelhaftigkeiten in der Natur tatsächlich vorhanden sind, die auch auch immer wieder neu sich bewahrheiten.

Wenn sich Naturgesetze in jedem Moment ändern würden, sähe es schlecht aus. Also: Wie wahr sind naturwissenschaftliche, naturphilosophische Theorien, wie erreichen sie Wirklichkeit?

Dann, in der dritten Vorlesung, die … noch ausgehend mal von Ken Wilber die Frage nach Innenwelt-Außenwelt. Ich gehe da aus von einer Theorie, die ich schon mal in anderem Kontext immer wieder habe anklingen lassen, der vier Aspekte des Kosmos von Ken Wilber, ‒ also Innenwelt – Außenwelt, individuell – kollektiv, ‒ teilt die Welt in vier Grundtypen, Aspekte ein: Innen – Außen und das auch wieder individuell – kollektiv; das ist sehr simpel. Fast könnte man sagen, wie kann das Ergebnis erhellend sein? Ein simpler Ansatz, ‒ aber er bringt viel. Da kann man wirklich einiges daraus lernen. Innenwelt, Außenwelt, was ist innen, was ist außen? ‒ Ein erkenntnistheoretischer Abgrund, etwa denken sie an die Farben ‒ nur ein Beispiel herausgegriffen ‒ die Farben ‒ sind die innen oder sind die außen? Der moderne Physiologe: Die Farben gibt es gar nicht, die sind nur innen, nur psychologisch, nur physiologisch, nur innen. ‒ Das kann aber auch so wiederum nicht sein. Es gibt genügend Beispiele, wo man doch wieder auf eine gewisse objektive Existenz der Farben schließen kann. Das kann nicht nur eine rein subjektiv psychologische oder physiologische Geschichte sein. Sehr schwierig die Frage, also allein am Beispiel etwa der Farbwahrnehmung. ‒

Nächster Punkt dann führt in die eigentliche Zentral-Frage dieses Semesters: Naturwissenschaft – Spiritualität. Ich will das in drei Schritten machen. Ich zeige das zunächst mal am Beispiel, über das heute kaum einer nachdenkt, weil es als abgehakt gilt, was es aber nicht ist nach meiner Überzeugung ‒ nämlich die Frage Newton, einer der Gründerväter der Naturwissenschaft. Und ich will den Versuch machen, ihnen an dieser Figur Newton zu zeigen, wie Newton selber eigentlich schon als erster der neueren Naturwissenschaft den Versuch macht, ich würde sagen, den gescheiterten Versuch macht, aber er macht den Versuch, Naturwissenschaft und Spiritualität zusammen zu denken.

Newton war vor allen Dingen Okkultist und Magier; primär empfand er sich als Okkultist und Magier. Vielmehr als zu Naturwissenschaft hat er sich zu mystischen Fragen geäußert, was viele nicht wissen. Also, Newton hatte eine ganz andere Grundhaltung zur Welt, als viele glauben. Er ist eine hochinteressante Figur, gerade in der changierenden Zwischenzone, er ist eine Schlüsselfigur. Ich finde es ganz platt, wenn jetzt in den, sagen wir mal New Age-Überlegungen, Newton so einfach abqualifiziert wird, das Newtonsche-Des-cartessche Weltbild, was nun angeblich überschritten worden sei. Das ist oberflächlich, denn man muss sich das schon ein bisschen genauer angucken, aber das macht kaum einer, weil es so bequem ist zu sagen: Newton ist eben mechanistisches Denken. Das haben wir alles überwunden, das haben wir hinter uns gelassen. ‒ Ich finde es wichtig, dass man da noch mal ein bisschen genauer hinguckt.

Dann die Frage Naturwissenschaft – Spiritualität an dem berühmtesten aller Bei-spiele, der Quantentheorie. Ich werde Ihnen dann in kurzer Form die Grundprinzipien der Quantentheorie erläutern, ohne dabei an die Mathematik zu gehen, nur im Grundsätzlichen, das kann man machen. In einer Stunde ist es möglich. So kompliziert ist die Quantentheorie gar nicht. Man kann sie relativ einfach erklären und die Frage stellen, ob sich von dort aus Zusammenhänge herstellen lassen, möglicherweise zu mystischen Weltansätzen, wie das ja immer wieder behauptet wird, oder ob das Ganze nicht ein grandioses Missverständnis ist, wie nämlich Ken Wilber behauptet. Er sagt, das Ganze ist von vorne bis hinten falsch. Das Ganze ist ein einziges großartiges Missverständnis, was der Capra da in die Welt gesetzt hat, und nach ihm wird das nun durch viele andere in mittlerweile unzähligen Büchern immer wieder aufs Neue wiederholt.

Dann kommt der Gastvortrag hier von Johannes Heinrichs, wo er einige wichtige Aspekte seiner “Öko-Logik” darstellt und darauf freue ich mich sehr, bin sehr gespannt auf diesen Vortrag. Dazu will ich jetzt nichts sagen. Sie werden es vielleicht ein bisschen auch dann sehen, wenn sie zum Johannes Heinrichs kommen wollen, nächsten Montag fängt das ja an, wäre schön, wenn einige kommen. Wenn er einen guten Start hat, er steht nicht im Vorlesungsverzeichnis, und es ist natürlich klar, dass er sich freut, wenn ein paar Leute kommen, nicht nur fünf oder sechs Leute dann im Hörsaal sitzen. Am 8.12. gehe ich zum dritten Male die Frage nach Naturwissenschaft – Spiritualität an, diesmal an der Grundfrage der Einheit ‒ unus mundus. Ein Zentralbegriff des Denkens der Antike und der Neuzeit überhaupt, aber auch aller spirituellen Traditionen. Die Frage nach der Einheit der Welt, ‒ zentral wichtig und hochinteressant, wenn man das mal versucht zu denken. Ich will das versuchen, in einigen Beispielen zu erläutern.

Dann in der achten Vorlesung am 15.12. die Frage nach einer möglichen qualitativen Mathematik, ein Thema, was in den letzten Jahren zunehmend wichtiger wird und auch übrigens in meinem Buch “Was die Erde will” am Ende behandelt wird in dem Vortrag über Tiefenökologie der Musik. Das ist ein Vortrag, den ich gehalten habe in der Akademie der Künste vor vier Jahren. Da wird die Frage auch behandelt: Klang, Zahl und Weltraum.

Und dann am 5. Januar die Frage Weltraum – Weltäther, auch sogenannte Freie Energie. Ich erkläre das noch. Das meint die Möglichkeit, ob freie Energie, diese Energie des Vakuums, in irgendeiner Form anzuzapfen? Das wird ja in den letzten Jahren zunehmend behauptet. Es gibt mittlerweile auch eine recht weitreichende Literatur darüber. Stichwort Freie Energie. Einige behaupten sogar, sie hätten Maschinen entwickelt, mit denen man in der Lage sei, die Vakuumenergie zu kontaktieren. Dann hätte man ja eine unerschöpfliche Energiequelle. Das wird genauso oft bezweifelt, mehr bezweifelt als behauptet, ‒ aber es gibt zunehmend auch einige Indizien dafür, dass es offenbar doch so etwas in der Richtung geben könnte, mal ganz vorsichtig gesagt, wie weit das immer technisch ausgereift ist, oder nicht. ‒

Für den, der es versuchen will, sich das mal vorzustellen, das ist ein ganz spannender Punkt: Bleibt das Vakuum, das als leerer Raum selber eine Art Energie enthält, die man tatsächlich auch nutzbar kann. Wenn das wirklich so wäre, wäre das ja revolutionär, aber wirklich würde das tatsächlich die Frage der Energie für die Menschheit auf eine vollkommen andere Ebene heben. Viele sagen, das ist vollkommen unmöglich, das ist eine reine Fantasie. Die meisten sagen das, ‒ aber einige behaupten, es sei nicht so. Ich will Ihnen das versuchen darzustellen.

Auch die ganze Äther-Frage, die ja lange Jahrzehnte als ein vollkommen unmögliches Thema abgehandelt wurde, in der herrschenden Physik, in allen Physik-Lehrbüchern heißt es, da gibt es gar nichts. Einstein hat das widerlegt, müssen wir nicht weiter drüber reden, in fast alle Physik-Lehrbüchern. Aber in den letzten 10, 15, 20 Jahren taucht die Frage wieder auf, wird neu ventiliert und man stellt fest, es war ein bisschen voreilig, den Äther einfach auszuschalten. Die Frage ist wieder offen, was eine große wichtige Frage ist.

Und dann die Frage nach der Weltseele, die damit eng zusammenhängt, nach dem lebendigen Prinzip der Welt, was möglicherweise den Raum, den Kosmos durchdringt. Auch die Frage: Wie hält das, wie hängt das zusammen: Weltäther, Weltseele? Dazu will ich einiges sagen. Ich habe das hier aus einem Goethe-Gedicht: “Weltseele, komm‘ uns zu durchdringen”, eines der berühmten Gedichte von Goethe.

Dann am 19.1. die Frage nach dem kosmischen Bewusstsein, ja auch ein schwammiger Begriff, auch viele in der New Age-Bewegung haben das einfach, auch zum Teil unsäglich einfach, hingestellt, ohne eine substanzielle Fundierung. Also was ist denn dieses sogenannte kosmische Bewusstsein? Ist das einfach eine mystische Formel, oder hat das irgendwie einen Boden? Kann man da etwas verifizieren? Was bedeutet das eigentlich?

Auch dazu äußert sich Heinrichs in seiner “Öko-Logik”” auch auf eine sehr interessante Weise; natürlich die Frage überhaupt nach dem Bewusstsein in dem Zusammenhang. Und dann geht es um die Frage, die schon ins Resümee der letzten beiden Vorlesungen hineingehen, wie denn der Kosmos zum Oikos werden kann, auch zum Haus oder Heim. Was kann man da zusammendenken, wenn man wieder auf die Erde zurückblickt, auf die Tiefen-Ökologie, auf die Frage nach einer möglichen Sozial-Ökologie? Was heißt das dann? Deswegen ist auch der Zusammenhang mit Johannes Heinrichs so wichtig, weil er das Hauptaugenmerk richtet auf die sozialen Fragen, die bei mir ja eher eine Randrolle spielen und sie immer hin und wieder auftauchen. Und das will ich im nächsten Semester auch weiterführen.

Ich will Ihnen jetzt mal anhand der Literatur noch ein bisschen was erläutern. Hier liegen noch Bögen, ich habe da, glaube ich, 20 Titel aufgeführt. Ich will jetzt nicht alle durchgehen, aber einige. Zu dieser Frage nach dem Wahrheitsanspruch von Wissenschaft finde ich immer noch ausgezeichnet das Büchlein von Arnim Bechmann, was es nur bei ZweitausendEins gibt über Wilhelm Reichs Orgon-Forschung, eine Lesebegleitung zu einem Buch von Wilhelm Reich, und ein Büchlein. Ich habe das gerade in den letzten Tagen mir wieder angeguckt und finde es wirklich gut. Da wird sehr schön noch mal deutlich gemacht: was für einen Anspruch hat die Wissenschaft? Wie wird der Anspruch eingelöst? Welche Wahrnehmungsbegrenzungen, aber auch Wahrnehmungsmöglichkeiten gibt es in einem wissenschaftlichen Paradigma und so weiter. Ich finde es richtig gut. Ein bisschen was hat er hier ja vorgetragen in seinem Gastvortrag bei mir im letzten Sommer, obwohl ja nur in sehr knapper Form und auch sehr schnell mit vielen Bildern, mit vielen Folien, vielleicht zu vielen. Also auch das können sie in Ruhe nachlesen. Ich empfehle es sehr, das Buch.

Giordano Bruno, das ist für mich ein wichtiger Mann, das wissen sie oder einige wissen das. Das kann ich hier auslassen. Darauf komme ich noch. Was den Newton betrifft, so habe ich hier mal ganz bewusst aufgeführt den Briefwechsel von Leibniz mit dem Newton-Schüler Clark. Das ist bei Felix Meiner in Hamburg erschienen, auf den ich in einigen Aspekten auch eingehen werde. Dann Davidson, ‒ das Buch habe ich vor zwei Jahren schon mal hier angegeben: “Das Geheimnis des Vakuums”. Es ist die umfassendste Darstellung zur Frage der sogenannten Vakuumenergie, die es momentan gibt, soweit ich das weiß. Das englische Original heißt “The Creative Vacuum”, ‒ das schöpferische Vakuum ‒ , 1996 erschienen. Und ein Buch, das vollkommen anders als Capra den Versuch macht, Spiritualität und Quantenphysik zusammen zu denken, von einem indischen Physiker, der in Amerika lebt: Amit Goswami: “Das bewusste Universum ‒ wie Bewusstsein die materielle Welt erschafft”; ein sehr interessantes, wichtiges Buch, was für meine Wahrnehmung auch auf eine viel differenziertere, intelligentere Weise als Capra den Versuch macht, hier was zusammenzuführen. Auch unzureichend, sage ich, auch nicht wirklich in der Tiefe überzeugend, aber sehr interessant, gehört es zu diesem Thema von Theorie – Mystik, zu den interessanten Büchern, die es gibt. Die wenigsten kennen das Buch. Capra ist ja bekannt, aber Goswami kennt kaum jemand, aber es ist wirklich sehr interessant.

Dann Rudolf Haase, ich weiß nicht, ob er noch lehrt, hat lange Jahre in Wien an der Hochschule für Kunst in Wien gelehrt, Schüler von Franz Kaiser, hatte den Lehrstuhl für Harmonikale Grundlagenforschung, hat viele interessante Bücher geschrieben, auch Forschung zu Kepler und anderen, ein hochinteressanter Mann. Ich glaube, er ist mittlerweile emeritiert. Ein Büchlein: “Der messbare Einklang. Grundzüge einer empirischen Welt-Harmonie”. Ich will Ihnen das vorstellen dann am 15. Dezember, der Versuch, der sehr aufschlussreiche, hochintelligente Versuch, harmonikale Bezüge deutlich zu machen. Auch ein großer Abschnitt über Kepler ist da drin. Mittlerweile gibt es auch sein Buch wieder, was lange vergriffen war, über Kepler neu, über die Keplersche Welt-Harmonie. Kepler war ja einer der ersten, der das gedacht hat, der es für zentral wichtig hielt. In der Naturforschung, Naturwissenschaft gilt Kepler ja eher … gelten ja nur die drei Keplerschen Gesetze als wirklich relevant; der Rest wird ja eliminiert, mehr oder weniger. Es gilt als mystisch, als religiös. Aber es ist schon interessant, sich das genauer zu betrachten. Dann eben Haywood, den lasse ich mal aus; darauf gehe ich dann noch ein. Johannes Heinrichs “Öko-Logik”, leider eben ‒ das ist jammerschade, dass das Buch 79 Mark kostet, obwohl es ein Paperback ist. Ich weiß auch nicht warum. Auf jeden Fall, es ist ein tolles Buch, aber es ist wirklich wahnsinnig teuer. Vielleicht können sie sich das mal ausleihen oder wie immer. Es lohnt sich wirklich, das durchzuarbeiten. Ich sage das von ganz wenigen Büchern, es lohnt sich, von der ersten bis zur letzten Seite das durchzulesen, aber es ist ein Stück geistige Arbeit. Ich habe kürzlich jemanden gesprochen, dem ist da die Luft ausgegangen nach dem ersten Drittel. Das kann ich verstehen, aber trotzdem, genau wie vielen bei Wilber “Eros, Kosmos, Logos”, irgendwann geht die Luft aus, nach zwei, dreihundert Seiten. Aber es ist schade, weil, wenn man da dranbleibt, man einen Gewinn davon hat. Das ist nicht nur einfach intellektuelles Zeug, sondern es ist ein hochinteressanter Stoff. Das ist ein Erkenntnisgewinn, auch ein existenzieller Gewinn. Es macht wirklich Spaß, wenn man überhaupt Spaß am Denken hat, da mitzudenken. Gut, also genug der Lobeshymne.

Also er wird sich selbst hier vorstellen. Und dann habe ich von mir hier angegeben zwei Monographien, die kennen sie, das habe ich mehrfach schon angegeben und das hier neu erschienen, seit vier Wochen gibt es das: “Was die Erde will ‒ Mensch, Kosmos, Tiefen-Ökologie”. Das ist ein bisschen dicker geraten, als es ursprünglich sein sollte, aber das kann ich Ihnen sehr empfehlen. Sie sollten das lesen, unbedingt, ein Grundlagenbuch zu dieser Vorlesung, selbstverständlich. Also es kann nicht schaden, wenn Sie sich das Buch kaufen. Es ist auf jeden Fall nicht langweilig. Und es gibt ein breites Spektrum, auch die ganze Mensch-Kosmos-Frage, und zu den Fragen, die ich hier auch in der Vorlesung darstelle. Ich habe Ihnen das ja letztes Semester genannt, dass es da zwei Bücher geben wird und dieses im nächsten Jahr gibt es noch ein anderes in einem anderen Verlag von mir mit der Thematik “Neue Naturphilosophie”.

Dann ist wichtig für unseren Zusammenhang der Ervin Laszlo in zwei seiner Bücher vom Insel Verlag, “Wissenschaft und Wirklichkeit”, habe ich hier dabei, der auch den Fragen nachgeht, ob man und wie man Naturwissenschaft und Naturphilosophie auf eine neue Weise denken kann. “Wissenschaft und Wirklichkeit” und “Kosmische Kreativität” steht hier drauf. Und dann der merkwürdige Titel von Matthew Fox/Sheldrake “Die Seele ist ein Feld”, also eher als These, auch wieder Dialog, Wissenschaft, Spiritualität; hochinteressant, ich habe es erst zum Teil gelesen und finde es sehr interessant; also es lohnt sich. Und dann Ken Wilber, das wissen sie, “Kurze Geschichte des Kosmos”, eine Art Kurzfassung von “Eros, Kosmos, Logos” und dann “Naturwissenschaft und Religion”, das ist zu dem Thema wahrscheinlich das Beste momentan, was es gibt auf dem Buchmarkt, soweit ich das sehen kann. Also eine sehr knappe und sehr konzise Darstellung, und das ist für dieses Semester wichtig; also man kann damit arbeiten. Wenn Sie sich einige dieser Bücher besorgen oder ausleihen, wäre das nicht schlecht. Es ist wirklich viel, ich kann es nur andeuten. Vieles können Sie auch nicht nachlesen, was ich hier sage, auch in meinem eigenen Buch, was ich hier angegeben habe, auch in anderen Büchern ist es nicht drin. Es gibt also immer wieder Sachen, die ich so sage, die sie nicht nachlesen können. Aber einiges können sie auf jeden Fall nachlesen, wenn sie das möchten. Ich möchte heute wie immer am Anfang einer Vorlesungsreihe keine Diskussion machen. Wir machen es aber das nächste Mal, und wir würden uns dann heute in einer Woche wiedersehen zu der Frage von Naturerkenntnis und Wirklichkeit. So, das war’s für heute.

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